Orgie unter Kontrolle

Ziegler! Bitte kommen Sie einen Augenblick in mein Büro. Und machen Sie die Türe hinter sich zu.«

»Jawohl, Herr Schultheiß.«

»Setzen Sie sich.«

»Danke, Herr Schultheiß.«

»Jetzt möchten Sie natürlich wissen, warum ich Sie hereingerufen habe.«

»Jawohl, Herr Schultheiß.«

»Heute ist Freitag.«

»Wie bitte?«

»Die Woche geht zu Ende.«

»Ja, das stimmt. Aber -«

»Warten Sie. Im allgemeinen pflegen wir uns nicht in Dinge einzumischen, die außerhalb des Amtsgebäudes vor sich gehen. Trotzdem fühle ich mich als Leiter dieser Abteilung für mein Personal verantwortlich.«

»Gewiß, Herr Schultheiß.«

»Ich will ganz offen mit Ihnen reden, Ziegler. Es sind merkwürdige Gerüchte über Sie im Umlauf.«

»Über mich?«

»Und über die ausschweifenden Parties, an denen Sie teilnehmen. Immer am Wochenende.«

»Ich?«

»Ja, Sie. Ich rate Ihnen in Ihrem eigenen Interesse, alles zugestehen.«

»Herr Schultheiß, ich weiß wirklich nicht, was es da zu gestehen gibt. Ein paar junge Leute kommen in einer Wohnung zusammen, das ist alles.«

»In einer Privatwohnung?«

»In einer Privatwohnung. Natürlich sind auch Mädchen dabei. Wir tanzen ein wenig...«

»Es gibt Musik?« »Zum Tanzen. Wir tanzen zur Musik.«

»Ich verstehe. Und die Kleidung, Ziegler?«

»Ganz normal. Hosen, Hemden, Pullis.«

»Ich meine: was die Callgirls tragen.«

»Wer?«

»Die Mädchen.«

»Sie tragen Röcke.«

»Miniröcke?«

»Auch.«

»Das wollte ich nur wissen. Erzählen Sie weiter.«

»Wie ich schon sagte, Herr Schultheiß: Wir lassen den Plattenspieler laufen... wir tanzen... wir unterhalten uns... was ist denn schon dabei? Jeder macht das.«

»Möglich. Aber nicht jeder hat Einblick in vertrauliche Papiere und geheime Regierungsakten. Von hier zur Spionage ist nur ein kleiner Schritt. Oder wollen Sie vielleicht behaupten, Ziegler, daß Sie sich an alles erinnern, was Sie bei diesen Gelagen ausgeplaudert haben?«

»Gar so viel wird bei uns nicht gesprochen, Herr Schultheiß.«

»Wenig genügt. Wer an Orgien teilnimmt, ist Erpressungen ausgesetzt. Haben Sie das je bedacht?«

»Eigentlich nicht.«

»Eben. Was trinken Sie?«

»Hie und da einen Wodka.«

»Pur?«

»Mit Tomatensaft.«

»Ein Drittel zu zwei Dritteln?«

»Ja.«

»Dacht ich's doch. Das nennt man >Bloody Mary<, mein Lieber. Wie Sie sehen, sind wir sehr genau informiert. Und jetzt habe ich eine kleine Überraschung für Sie. Hier, dieses Photo, ein Ausschnitt aus einer Zeitung wurde gestern nacht in Ihrer Schreibtischschublade gefunden. Sie hatten es unter einem Tätigkeitsbericht versteckt. Darf ich um eine Erklärung bitten?«

»Das... dieses Photo, Herr Schultheiß... es zeigt eines der Mädchen von unserer Party. Sie hat auf einer Strandkonkurrenz in Herzlia einen Schönheitspreis gewonnen. Wir nennen sie deshalb die Herzogin von Herzlia.«

»Warum trägt sie einen Bikini?«

»Das ist kein Bikini, Herr Schultheiß. Das ist eine Art Spray.«

»Was heißt das?«

»Der Bikini wurde über sie gesprüht. Es gibt solche Präparate.«

»Und wovon werden ihre Brüste gehalten?«

»Von gar nichts.«

»Wollen Sie damit sagen, daß die Dame nackt ist?«

»Bis auf den Spray.«

»Also nackt. Ihrer Meinung nach sind nackte Damen ein geeigneter Umgang für Regierungsbeamte.«

»N-nein, Herr Schultheiß.«

»Und die geeignete Unterhaltung besteht in Striptease... Bauchtänzen... Gruppensex...«

»Wieso Gruppen?«

»Unterbrechen Sie mich nicht! Ich kann mir gut vorstellen, wie es bei euch zugeht. Zuerst werden diese nackten Callgirls verlost, dann verschwindet ihr paarweise in verdunkelten Zimmern... wälzt euch mit ihnen auf Lotterbetten mit rotem Plüsch... in wilder Ekstase... und laßt euch dabei die Staatsgeheimnisse entlocken, von denen ihr im Rahmen eurer Tätigkeit Kenntnis erlangt habt.«

»Herr Schultheiß, das ist -«

»Ein wahres Sodom und Gomorrha, das ist es. Erst gestern habe ich mit meiner Frau darüber gesprochen. In Ihrem Alter, junger Mann, hat es für mich nichts dergleichen gegeben, nicht einmal im Traum. Wir haben an solche Perversitäten gar nicht gedacht. Wir haben uns durch keinen Gruppensex beschmutzt und erniedrigt. Wir haben keine nackten Mädchen unter uns verlost, um dann mit ihnen in dunklen Zimmern zu verschwinden und uns in wilder Ekstase auf Lotterbetten mit rotem Plüsch herumzuwälzen. Für uns, Ziegler, war Moral noch ein ernstzunehmender Begriff. Ist sie blond?«

»Wer?«

»Die mit dem Spray. Die Herzogin von Herzlia.«

»Sie ist rothaarig, Herr Schultheiß.«

»Aha. Wahrscheinlich grüne Augen?«

»Ja.«

»Das sind die Gefährlichsten.«

»Kann ich jetzt das Photo zurückhaben?«

»Es ist beschlagnahmt. Wir brauchen es für die Disziplinaruntersuchung, die gegen Sie eingeleitet wird.«

»Disziplinar... um Himmels willen...«

»Weinen Sie nicht. Es ist zwecklos.«

»Herr Schultheiß, ich verspreche Ihnen, daß ich nie wieder zu einer Party gehen werde. Nie wieder!«

»Das ist keine Lösung, mein Junge. Ich gehe den Dingen auf den Grund. Und damit Sie es wissen: Ich selbst habe die Untersuchung in die Hand genommen.«

»Herr Schultheiß persönlich?«

»Jawohl. Solange ich diese Abteilung leite und das Vertrauen meiner vorgesetzten Stellen genieße, trage ich die volle Verantwortung für alles. Ich werde Sie an diesem Wochenende begleiten.«

»Aber ich... aber wir... wir sind ja nur ein paar junge Leute...«

»Seien Sie unbesorgt, Ziegler. Ich bin sehr flexibel und kann mich anpassen. Ich werde tanzen, ich werde trinken, ich werde notfalls auch an der Verlosung der nackten Mädchen teilnehmen und mit einer von ihnen verschwinden, um in einem dunklen Zimmer in wilder Ekstase auf rotem Plüsch -«

»Ich weiß, was Sie meinen, Herr Schultheiß.«

»Desto besser. Dann sind wir ja einig. Und jetzt kein Wort weiter, auch nach außen nicht. Die ganze Angelegenheit muß streng vertraulich behandelt werden. Geheime Dienstsache, verstanden? Soll ich eine Flasche mitbringen?«

»Eine Flasche?«

»Gut, dann bringe ich also zwei Flaschen Champagner. Außerdem kann ich sehr gut Witze erzählen. Wird sie da sein?« »Wer?«

»Die Herzogin.«

»Herr Schultheiß, ich bitte um meine Entlassung.« »Abgelehnt. Wir treffen uns morgen nach Büroschluß am Ausgang.«