1. Kapitel

Auf der anderen Seite der Luftstraße, gegenüber von Chewbaccas Quartier, ragte das Sasal-Center empor, dessen vierzig Türme ein Freilicht-Mezzanin bildeten, so riesig wie die Schlucht der Toten daheim auf Kashyyyk. Neben dem Zentrum stand der Wauth-Komplex, noch gewaltiger als der Korrokrrayyo-Berg selbst. Auf der anderen Seite ragten die Spiegelstahlnadeln der Ooe’b-Türme auf, so hoch wie Wroshyr-Bäume und von einem Wirrwarr von Fußgängerbrücken miteinander verbunden, das Chewbacca ebenfalls an die Labyrinthe unten in den Schattenlanden gemahnte. Es wäre falsch gewesen zu behaupten, dass er es genoss, hier auf Coruscant zu leben, doch er hatte angefangen, dies als sein Zuhause zu betrachten – vielleicht machte er in den himmelhohen Linien und Durastahltiefen des Stadtplaneten inzwischen sogar die Formen und Mysterien des Waldes aus.

An Chewbaccas Seite blickte seine Lebensgefährtin, Mallatobuck, durch den Transparistahl in die Tiefe, fasziniert von den gewaltigen Verkehrsströmen, die auf den Luftstraßen weiter unten dahinflossen.

[Machen sie das auf Coruscant, wenn sie Spaß haben wollen?], fragte sie. Ihre blauen Augen und ihr honigfarbenes Fell waren immer noch so schön wie an jenem Tag, an dem Chewbacca sich ihr versprochen hatte. [Den Planeten in Luftgleitern umkreisen?]

[Oh nein], scherzte Chewbacca, [den Verkehr habe ich eigens für euren Besuch bestellt.]

[Nimm dich in Acht! Du weißt, dass ich glaube, was immer du sagst.] Mallatobuck sprach, ohne den Blick vom Fenster abzuwenden. [Dennoch denke ich, dass der Verkehr das Einzige ist, was ich vermissen werde. Er ist wie die Kaskade von Rrynorrorun: endlos, beruhigend.]

[Endlos, ja – aber beruhigend?] Chewbacca schüttelte den Kopf. [Dann hast du noch nie versucht, über drei Spuren hinweg aufzusteigen, Malla.]

[Habe ich nicht], stimmte sie zu, [weil ich dachte, dass dir das Leben deiner Gefährtin und deines Kindes kostbar ist.]

[Das ist es. Du weißt, dass ich dich niemals fahren lassen würde.]

[Mich lassen?], grollte sie. Sie musterte ihn mit gespielter Verärgerung. [Bei solchem Gerede kannst du von Glück sagen, dass du der Vater meines Kindes bist.]

[Von großem Glück.]

Chewbacca grinste und zog sie an seine Seite. Malla hatte fünfzig Jahre lang darauf gewartet, dass er von seinen Jünglingswanderungen heimkehrte, um ihn dann in dem Wissen zu heiraten, dass er gegenüber Han Solo eine Lebensschuld abzuleisten hatte, die verhindern würde, dass sie sich miteinander ein Heim teilen konnten. In Augenblicken der Prahlerei dachte Chewbacca, dass es seine Kraft oder seine Wildheit im Kampf gewesen sein mussten, die ihm ihre Zuneigung eingebracht hatten. Doch tief in seinem Innern wusste er es besser. Tief drinnen wusste er, dass er schlichtweg der Wookiee mit dem meisten Glück überhaupt war.

Er sah auf sein Chrono und sagte, betrübt darüber, wie rasch ihre letzten Stunden gemeinsam vergingen: [Es ist fast so weit.]

[Ich sehe nach, ob Lumpy seine Andenken inzwischen fertig zusammengesucht hat.] Malla wandte sich zum Gehen um, blieb dann stehen und wies auf einen Plastoid-Rucksack in der Mitte des Korridors. [Das ist sonderbar.]

Chewbacca setzte sich in Richtung Flur in Bewegung. [Lumpy?]

Malla ergriff seinen Arm. [Galaxis-Rebellen], seufzte sie.

Chewbacca verzog die Lippen. [Spielt er das zu Hause auch so häufig?]

[Noch öfter], sagte Malla. [Hier hat er zumindest das Original.]

[Das Original?]

[Dich], sagte Malla. [Dir ist doch wohl aufgefallen, wie sehr er dich vergöttert?]

[Ich bin in seinem Holo-Spiel?] Chewbacca begann, sich mit dem Gedanken anzufreunden, dass dieses Galaxis-Rebellen vielleicht doch gar nicht so übel sei.

[In gewisser Weise.] Mallas Tonfall war gereizt. [Er tut so, als wäre er du.]

Chewbacca lächelte. [Was ist daran verkehrt? Ein Junge sollte seinen Vater respektie …]

[Es ist mehr als Respekt], unterbrach Malla. [Chewbacca, du wirfst einen langen Schatten – der von hier aus noch länger ist, als wenn du mit bei uns in Rwookrrorro leben würdest. Lumpy bemüht sich so sehr, der Sohn des »mächtigen Chewbacca« zu sein, dass er seine Freunde langweilt und seine Widersacher wütend macht – und wenn sie ihn herausfordern, seinen Worten Taten folgen zu lassen, ist immer er derjenige, der blutig und kleinlaut nach Hause kommt.]

[Immer?]

Malla nickte. [Mittlerweile ist es so schlimm geworden, dass er kaum noch rausgeht.]

Chewbaccas Kiefer klappte nach unten.

Wieder nickte Malla.

Chewbacca starrte seine Arbeitszimmertür finster an. [Ich verstehe.]

Eine starke Gefährtin wie Malla machte es einem leicht zu glauben, dass Lumpy nicht unter der Abwesenheit seines Vaters litt, sondern unter der schlichten Wahrheit, dass eine Lebensschuld einer ganzen Familie eine Bürde auferlegt hatte. Es gab einige Dinge, die selbst die beste Mutter einem jungen Wookiee nicht so gut beibringen konnte wie ein guter Vater – und wenn es darum geht, sich mit den Problemen auseinanderzusetzen, die Malla da beschrieb, wäre kein Vater ein besserer Lehrmeister gewesen als Chewbacca.

Chewbacca wandte seinen Blick wieder Malla zu. [Lumpy sollte nicht mit dir nach Hause zurückkehren.]

Mallas Augenbrauen schossen in die Höhe. [Sollte er nicht?]

[Er muss Zeit mit seinem Vater verbringen], sagte Chewbacca selbstsicher. [Nicht mehr als ein oder zwei Standardjahre. In seinem Alter sollte man nicht zu lange vom Wald getrennt sein.]

[Nein, äh, ja … Ich meine, du hast recht. Was den Wald betrifft.] Malla blinzelte mehrmals. Dann, als sie ihre Fassung zurückerlangt hatte, wurde ihre Miene nachdenklicher. [Was ist mit dir? Wie wirst du damit zurechtkommen?]

[Ich bin sein Vater. Ich komme schon klar.] Was Chewbacca anging, war das die einzige Antwort, die nötig war – doch er wusste, dass Malla Details verlangen würde. [Ich habe genügend Platz, und ich bin sicher, dass die Prinzessin mich gelegentlich Dreipeo ausleihen lässt.]

[Einen Protokolldroiden? Um zu versuchen, einen jungen Wookiee unter Kontrolle zu halten?] Malla schüttelte den Kopf. [Nicht ohne einen Schockstab.]

[Ich schätze, du hast recht], gab Chewbacca zu. [Aber da ist noch unsere Botschaft. Die ist nicht weit von hier, und Prinzessin Leia pflegt gute Verbindungen zu …]

[Du pflegst gute Verbindungen zu unserer Botschaft.] Malla tätschelte seine Wange. [Manchmal bist du beinahe bescheiden.]

Obgleich bescheiden für Wookiees kein Kompliment war, machte Chewbacca sich nicht die Mühe zu protestieren. [Dann bist du also einverstanden?]

Malla dachte darüber nach und sagte dann: [Es wäre gut für ihn zu sehen, dass dein Leben kein einziges langes Holo-Abenteuer ist. Er muss sehen, dass du den Großteil deiner Zeit damit verbringst, gewöhnliche Dinge zu tun – wie den Falken zu warten oder dich bei diplomatischen Anlässen mit Han in der Ecke zu verstecken.]

Chewbacca warf ihr einen Seitenblick zu. [Glaubst du das wirklich?]

[Niemandes Leben könnte so sein, wie deins über das Netz dargestellt wird. Dann wärst du – und auch Han Solo – schon zehnmal tot.] Malla ergriff seine Hand und nickte dann. [Es könnte gut für ihn sein.]

Chewbacca grinste. [Dann ist es abgemacht.] Er marschierte zur Tür seines Arbeitszimmers. [Er wird aufhören, diese Spiele zu spielen, und ich werde ihm beibringen, wie man Faustkämpfe gewinnt.]

[Wie bitte?] Malla eilte ihm mit großen Schritten nach. [Wie sollte das irgendetwas ändern? Ihm beizubringen, wie man mit den Fäusten kämpft, wird Lumpy bloß dazu veranlassen, noch mehr über dich zu reden – und ihm die Möglichkeit geben, andere dazu zu zwingen, ihm zuzuhören. Und ihm diese Spiele wegzunehmen würde ihm nur noch eine Sache als Gesprächsstoff rauben, die nichts mit dir zu tun hat.]

[Er macht gerade eine Phase durch], sagte Chewbacca. [Das wird vorüber sein, wenn er Selbstvertrauen entwickelt, und Selbstvertrauen gewinnt man durch Siege.]

Sie gelangten zur Arbeitszimmertür, und Malla ergriff Chewbacca am Arm.

[Unser Sohn versucht bereits, so zu sein wie du. Das ist das Problem.] Ihre Stimme war so leise, dass Chewbacca sich nach unten beugen musste, um sie zu verstehen. [Das, was du ihm beibringen musst, mein Gefährte, ist, er selbst zu sein.]

Chewbacca ließ sich Mallas Worte einen Moment lang durch den Kopf gehen und nickte dann. [Stimmt. Er muss lernen, er selbst zu sein … und die Faustkämpfe zu gewinnen.]

Er trat durch die Tür in sein Arbeitszimmer, wo das Abbild eines Wookiees mit kastanienbraunem Fell oben auf dem Holokom-Feld knurrte. Unter dem Bild war eine lange Reihe statistischer Angaben arrangiert, und darüber schwebte der Name LUMPACCA. Der Plastoidstuhl vor dem Arbeitsplatz war leer, und eine Nachricht, die in einer Ecke des Bildschirms blinkte, drohte damit, die Sitzung zu beenden, falls der Spieler nicht innerhalb von dreißig Sekunden reagierte.

[Lumpy?], rief Chewbacca.

Als keine Antwort erfolgte, ging er zur anderen Tür und schaute den Gang hinunter. Die Tür zur Sanizelle stand auf, und das Innere war dunkel. Dasselbe galt für die beiden Schlafzimmer.

Chewbacca beschlich ein ungutes Gefühl. [Lumpy?]

Um die Ecke ertönte ein gedämpftes Krachen, und Chewbaccas schlimmste Ängste wurden bestätigt, als er in den Korridor trat und feststellte, dass die Tür am Ende offen stand – die Tür, die die Rückseite seines Apartments mit der Rückseite der Wohnung der Solos verband.

Malla tauchte hinter ihm auf und schaute an seiner Schulter vorbei. [Unser Sohn ist durch diese Tür gegangen?], keuchte sie. [Lumpy?]

[Er hat uns nicht gehorcht.] So erpicht er auch darauf sein mochte, dass Lumpy sein Rrakktorr fand – das kühne, abenteuerlustige Herz eines Wookiees –, so war Chewbacca dennoch alles andere als erfreut zu sehen, dass der Junge beschlossen hatte, ausgerechnet im eleganten Apartment der Solos mit seiner Suche danach zu beginnen. [Wenn er vorhat, jetzt mit seiner rebellischen Phase anzufangen, ist sein Timing furchtbar.]

[Es kann nicht Lumpy sein], beharrte Malla. [Er hat mich niemals auch nur angebrüllt.]

[Es muss Lumpy sein. Die Solos sind nicht zu Hause.]

An diesem Abend gab der Provisorische Rat ein Staatsbankett, um die neuesten Mitgliedswelten der Neuen Republik willkommen zu heißen. Leia, C-3PO und Winter waren allesamt im Imperialen Palast, um die Vorbereitungen zu beaufsichtigen. Han, der seine eigenen Vorbereitungen wie üblich bis zur letzten Minute aufgeschoben hatte, versuchte gerade, einen Herrenausstatter aufzutreiben, der ihn kurzfristig mit formeller Zivilkleidung ausstaffieren konnte.

Chewbacca eilte den Korridor hinunter. [Lumpy! Fass ja nichts …]

Aus den Untiefen des Apartments erklang ein lautes Krachen.

[Das klang nicht gut], sagte Malla. [Wie wütend wird Prinzessin Leia darüber sein?]

[Das hängt davon ab, was er da gerade zerdeppert. Falls es die singende Lampe war, die die Jumerianer ihr als Hochzeitsgeschenk überreicht haben, ist sie ihm womöglich sogar dankbar dafür], sagte Chewbacca. [Hoffen wir bloß, dass er nicht Hans Flasche mit Ithorianischem Nebel kaputt gemacht hat. Das wäre wirklich schlecht.]

Chewbacca betrat das Apartment der Solos – ein Musterbeispiel an alderaanischer Eleganz, selbst hier im rückwärtigen Teil – und ging voraus, zu einer kleinen Larmalsteindiele. Von diesem zentralen Knotenpunkt aus öffneten sich Türen zu Leias Büro, zu den Schlaf- und Ankleideräumen und zu einem großen Badbereich, zu dem ein Fitnessbereich, eine Dampfdusche und Bade-Einheiten gehörten, die pulsieren, dämpfen, blubbern und die sich in der Wanne Entspannenden in einem Zustand träger Glückseligkeit mineralisieren konnten.

Draußen vor Leias Ankleidezimmer lag ein zerbrochenes Parfümfläschchen. Die bernsteinfarbene Kostbarkeit, die es einst enthielt, bildete jetzt Pfützen auf dem Fußboden. Der Raum im Innern war übersät von verstreuten Kosmetikartikeln, Alltagsschmuck, Serviergeschirr aus dem förmlichen Essbereich, ein Holokom von Leias Büro und ein gerahmtes Paar Tausend-Credit-Chips, die Han als Andenken an die Tage behalten hatte, als er in einem Casino auf Pavo Prime die Bank gesprengt hatte. Aus einem der geräumigen Kleiderschränke im hinteren Teil des Raums drang wildes Gepolter.

Als Chewbacca hineingehen wollte, packte Malla ihn am Arm und flüsterte: [Das sieht deinem Sohn gar nicht ähnlich.]

[Schön, das zu hören], sagte Chewbacca. [Wäre es anders, müsste ich …]

[Nein, Chewbacca – ich meine, Lumpy hat keine zerstörerische Ader. Etwas wie das hier würde er nie tun.]

Chewbacca ließ den Blick von Neuem über das Schlamassel auf dem Fußboden schweifen, und das ungute Gefühl, das ihn zuvor schon befallen hatte, verwandelte sich in Furcht. Das Sicherheitssystem war so eingestellt, dass Malla und Lumpy als Gäste uneingeschränkten Zugang hatten, aber dennoch hätte inzwischen ein Wachdroide auftauchen müssen, um zu überprüfen, was es mit dem Krach auf sich hatte.

[Jemand hat die Alarmanlage lahmgelegt], flüsterte Chewbacca. Er schob Malla sanft auf die andere Seite der Diele zu. [Such ein Komlink und informier den Gebäude-Sicherheitsdienst.]

[Natürlich.] Malla wandte sich wieder Leias Ankleidekammer zu. [Sobald ich sicher bin, dass unser Sohn in Sicherheit ist.]

Da Chewbacca klug genug war, sich Mallas Mutterinstinkt nicht in den Weg zu stellen, grunzte er und schritt in die Kammer. Sein Sohn hockte auf dem Boden, fischte seltenes alderaanisches Essgeschirr und teure Bürogeräte aus einem aufgeschlitzten Rucksack und stopfte sie hastig in einen von Leias Kleiderbeuteln. Im hinteren Bereich der Kammer stand ein hagerer, milchhäutiger Mann neben einem Loch in der Wand, das ungefähr einen halben Quadratmeter im Durchmesser maß. Er hatte einen Miniblaster auf Lumpys Kopf gerichtet.

»Keinen Schritt weiter, Wookiee!«

Die Stimme des Mannes war ein abgehacktes Kratzen – zumindest glaubte Chewbacca, dass es sich um eine Männerstimme handelte. Die spitzen Ohren des Eindringlings standen senkrecht von einem haarlosen, ausgezehrten Schädel ab, und seine knochige Gestalt war so mager, dass sie kaum ausreichend wirkte, um seinen zerfledderten Overall zu tragen. Chewbacca war sich nicht sicher, welcher Spezies der Gangster angehörte, ganz zu schweigen von seinem – oder ihrem – Geschlecht. Die kleine, abgestumpfte Nase und die hohen Wangenknochen wiesen auf eine Menschenfrau hin, doch das langgezogene Kinn und die dünnen grauen Lippen wirkten maskuliner.

»Noch ein Schritt, Fellknäuel, und ich verpasse deinem Welpen hier ein drittes Auge.«

Lumpy wirbelte mit großen Augen herum. Sein weiches Kinderfell lag flach an seinem Kopf an. Dieser Anblick war eine kraftvolle Erinnerung daran, wie dringend er etwas Zeit mit seinem Sohn verbringen musste. Der aufgeschlitzte Rucksack wies auf ein Handgemenge hin, und Lumpy war beinahe so groß wie die dürre Gestalt, die ihn in Schach hielt – und vermutlich doppelt so stark. Hätte er sich zur Wehr zu setzen gewusst, hätte der Dieb nicht die geringste Chance gehabt, den Blaster in Anschlag zu bringen; dann wäre es dem Jungen ein Leichtes gewesen zu entkommen – oder anzugreifen, je nachdem, wofür er sich entschied. Stattdessen schien er anzuzweifeln, dass er der Situation gewachsen war, ja, er wirkte beinahe beschämt, als würde er glauben, ihn träfe die Schuld an diesem Schlamassel.

[Wie ich sehe, hast du einen Einbrecher geschnappt], sagte Chewbacca. Er spürte, wie sich Malla gegen seinen Rücken drückte, und trat vor, um ihr Platz zu machen. [Das hast du gut gemacht. Han und Leia werden dir dafür dankbar sein.]

Lumpys Augen leuchteten auf vor Stolz, doch der Dieb knurrte: »Klappe! Noch ein Wort von einem von euch ungestriegelten Fellknäueln, und …«

[Mein Gefährte wird dir die Arme ausreißen], grollte Malla. Sie zerrte eine Handvoll Roben von Leias Kleiderständern, um sich neben Chewbacca Platz zu schaffen. [Lass unseren Sohn gehen!]

Der Dieb, der offensichtlich kein einziges Wort Shyriiwook verstand, machte den Fehler, seinen Blaster auf Malla zu richten. »Hier muss niemand verletzt werden.«

Chewbacca ignorierte ihn und trat einen halben Meter vor. [Lumpy, komm …]

[Ist schon gut, Dad!] Lumpy warf sich auf den Dieb. [Ich habe ihn!]

Doch Chewbacca konnte sehen, dass Lumpy ihn nicht hatte – der Kopf des Jungen war gesenkt und seine Arme zu weit unten. Der Dieb wich dem Angriff durch einen Schritt zur Seite leichthin aus, packte Lumpy am Handgelenk und wirbelte ihn so geschmeidig in einem einarmigen Würgegriff herum, dass Chewbacca von dem Sprungangriff absah, den er eigentlich machen wollte. Aus der Angst heraus, dass Malla womöglich nicht genügend Erfahrung besaß, um zu erkennen, wie gefährlich dieser Eindringling war, legte er ihr eine Hand auf den Ellbogen, um sie zurückzuhalten. Sie versuchte, sie abzuschütteln, doch er ließ sie nicht los.

Der Dieb, dem nichts davon entgangen war, lächelte. »Bist ein guter Junge, Pfiffi. Also, wie ich schon sagte, niemand muss verletzt werden.«

Er richtete den Blaster auf Chewbaccas Brust und durchsuchte mit einem Zeh den halbvollen Kleidersack, ehe er ein Regierungsdatapad herauszog und es geschickt in die Luft warf. Der Arm, der um Lumpys Hals geschlungen war, schoss beinahe zu schnell vor, um die Bewegung mit bloßen Auge zu sehen, und fing das Datapad auf, und bevor sich Chewbacca rühren konnte, hatte der Dieb Lumpy wieder in seinem Würgegriff.

»Geht raus und schließt die Tür, während ich da runter verschwinde.« Der Dieb deutete auf das Loch neben sich. »Kommt in drei Minuten wieder, und euer Junge hier wird heil und unversehrt sein.«

Malla schickte sich an, sich aus der Tür zurückzuziehen, doch Chewbacca zog sie zurück. [Wir lassen ihn nicht mit unserem Sohn allein], knurrte er. [Als Nächstes wird er dann Lösegeld wollen.]

»Geht raus!«, befahl der Dieb.

Chewbacca schüttelte den Kopf und streckte seine Hand aus, ehe er einen einzelnen Finger hob. [Lumpawarrump, ich möchte, dass du zu mir kommst.]

Der Dieb feuerte an Chewbaccas Schulter vorbei in Leias Kleider, und der beißende Gestank von geschmolzener Schimmerseide erfüllte die Kammer.

»Der nächste trifft.«

Chewbacca schüttelte den Kopf und hob einen zweiten Finger. [Sofort, Lumpy!]

[Hab keine Angst], sagte Malla. [Dies ist nicht der richtige Moment für Ungehorsam.]

[Ich habe keine Angst], beharrte Lumpy – trotz seines flach anliegenden Fells. [Seht her!]

Er packte den Arm, der um seinen Hals lag, und zog ihn nach vorn, doch seine Beine waren zu gerade, um auch nur eine Blätterpuppe zu Fall zu bringen, ganz zu schweigen von jemand so gefährlichem wie dem Dieb. Chewbacca stieß Malla in eine Richtung und warf sich in die andere, und der panische Dieb – der feststellte, dass es sogar schon zu schwierig war, einen elf Jahre alten Wookiee unter Kontrolle zu halten –, fing an, mit dem Blaster wild um sich zu ballern.

[Beug deine Knie, Lumpy!], rief Chewbacca. [Und dann zieh!]

Lumpy beugte seine Knie – und brach unter dem Gewicht des Diebes zusammen. Chewbacca sprang mit einem gewaltigen Satz vor und warf sich – einen Armvoll Schimmerseide vor sich her schleudernd – in den rückwärtigen Teil der Kleiderkammer.

Auf halbem Weg dorthin krachte er gegen Malla, und sie landeten einen Meter vor Lumpys Peiniger.

»Letzte Chance, Fellknäuel.« Die perlenartigen Augen des Diebes waren auf Chewbacca gerichtet. »Halte dich zurück, oder dein …«

Chewbacca schlug zu, um den Möchtegern-Geiselnehmer in eine Reihe von Schuhregalen zu befördern. Der Miniblaster landete klappernd in der Ecke, doch der Dieb vollführte eine halbe Drehung und landete auf seinen Füßen, noch immer das gestohlene Datapad umklammernd.

Chewbacca sprang vor. Doch während sich Malla und Lumpy dicht neben ihm drängten, war er zu langsam. Der Dieb hüpfte über seinen ausgestreckten Arm hinweg, stieß sich vom Boden ab und schwang sich mit den Füßen voran in das Loch.

Malla fegte Lumpy in ihre Arme, und Chewbacca hastete an ihnen vorbei, rammte einen Arm in das Loch und stieß mit den Fingern gegen die andere Seite eines Wartungsschachts. Der Schacht konnte nicht breiter als einen halben Meter sein, kaum groß genug, um seiner Schulter Platz zu bieten. Er stemmte sich auf die Knie und schwang seinen Arm im Innern umher, um Rohre, Leitungen und Ventilationsschläuche zu ertasten – aber keine Diebe.

[Verschwunden wie ein Kkekkrrg rro], berichtete Chewbacca. Er drehte sich um, um festzustellen, dass Lumpy sich an Mallas Brust festklammerte. [Geht es dir gut?]

Ein seltsamer Ausdruck der Scham zuckte über Lumpys Gesicht. Dann schaute er finster zu seiner Mutter auf und löste sich von ihr.

[Dass dieser Dieb entkommen ist, ist das Einzige, was mir wehtut], sagte er. [Ich hatte ihn – bis er diesen Blaster zog.]

Chewbacca lachte. [Läuft das nicht immer so?] Er trat von dem Loch weg und ergriff Lumpys Schultern. [Aber du hast dich gut geschlagen, Lumpawarrump. Das war kein gewöhnlicher Dieb.]

Lumpys Mund klaffte auf. [War es nicht?]

[Warum sollte ein Dieb ein gewöhnliches Datapad mitnehmen und das hier zurückgelassen?] Chewbacca stieß mit dem Zeh gegen ein juwelenbesetztes Tischchrono – ein Geschenk von den Bakuranern, als Zeichen ihrer Dankbarkeit für die Unterstützung der Solos beim Bezwingen der Ssi-ruuk. [Er war hier, um Informationen zu stehlen, keine Wertgegenstände.]

[Unser Sohn hat gegen einen Spion gekämpft?], keuchte Malla.

Chewbacca nickte stolz. [Ich denke, schon. Wer immer das war, er wollte bloß, dass das hier wie ein Raubüberfall aussieht.] Er winkte Malla aus der Kammer und folgte ihr dann in das verwüstete Ankleidezimmer. [Wir müssen den Sicherheitsdienst der Neuen Republik verständigen.]

[Den Sicherheitsdienst?], echote Lumpy. Er war hinter Chewbacca, noch immer in der Kleiderkammer. [Die werden ihn niemals erwischen!]

[Je eher sie mit ihren Ermittlungen beginnen, desto besser sind ihre Chancen.] Chewbacca winkte Malla durch die Diele, in Richtung von Leias durchwühltem Büro. [Aus diesem Grund müssen wir uns beeilen.]

[Aber dieses Loch geht so weit runter wie eine Wroshyr-Wurzel!] Lumpys Stimme wurde von der Öffnung des Wartungsschachts gedämpft. [Und vielleicht hat der Spion irgendwo eine Fluchttür für sich vorbereitet.]

[Komm schon, Lumpy!] Malla ging zurück zur Kleiderkammer. [Dein Vater sagte …]

[Ich habe eine bessere Idee.]

[Nein!]

Chewbacca und Malla brüllten das Wort im selben Augenblick, und beide eilten in den begehbaren Kleiderschrank zurück.

Lumpy war bereits dabei, sich in den Wartungsschacht zu ziehen. [Ich bin der Einzige, der klein genug ist, um hier reinzupassen.] Er packte ein paar Rohrleitungen und glitt außer Sicht. [Wir treffen uns unten! Ich warte dort auf euch, in Ordnung?]

[Nein, das ist nicht in Ordnung!] Malla lief zu dem Loch und steckte ihren Kopf hinein. [Lumpy …]

Chewbacca packte sie von hinten und legte ihr eine Hand vor den Mund.

[Sei leise!] Er zog sie sanft von dem Loch fort, während er bereits darüber nachdachte, wen er anrufen musste, um herauszufinden, wo dieser Wartungsschacht endete. [Lumpy ist sicherer, wenn der Spion nicht weiß, dass er verfolgt wird.]

Malla wirbelte zu ihm herum. [Willst du etwa, dass er das macht?]

Chewbacca schüttelte den Kopf. [Die Sache ist gefährlich, und er ist noch nicht bereit für so was.] Dennoch gelang es ihm nicht ganz, ein Lächeln zu unterdrücken. [Aber was er getan hat, ist mutig. Unser Sohn ist dabei, sein Rrakktorr früh für sich zu entdecken.]

Malla rollte mit den Augen und machte sich auf den Weg zur Tür. [Das hat nichts mit Rrakktorr zu tun, mein Gefährte. Sondern mit Galaxis-Rebellen.]

Der Geist von Tatooine
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