18. Kapitel

Als sie noch fünfzig Meter von dem Überhang entfernt waren, erkannte Leia, dass etwas nicht stimmte. Die Askajianer hatten am Rande der Schatten gehalten und stapften zu Fuß umher, die Zügel ihrer Taurücken in einer Hand, die Waffen in der anderen, bereit, jederzeit zu kämpfen oder zu flüchten – vielleicht auch beides. Aus der Tiefe der Schlucht, bei der es sich eigentlich mehr um eine große, scheibenförmige Erosionshöhle handelte, erklang das raue Gackern eines Schwarmes von Urusais, und als weitere Teile des Sandkriechers sichtbar wurden, konnte Leia erkennen, dass der Boden um das Gefährt erfüllt war von den Bewegungen ihrer ledrigen Flügel und schlangengleichen Hälse.

Doch es war der Geruch, der deutlich machte, was hier geschehen war. Obwohl es am Grund der Schlucht mindestens zehn Grad kühler war als oben auf der Ebene – und im Schatten noch einmal zehn Grad weniger herrschten –, erinnerte einen die Temperatur doch noch immer daran, dass man sich auf Tatooine befand … und kein Geruch in der Galaxis war so unvergesslich wie der von Lebewesen, die in der Hitze verrotteten.

Chewbacca heulte angesichts des Gestanks.

»Ich auch«, sagte Leia. »Aber ich werde es ertragen, solange Han sich hier im Schatten ausruhen kann.«

Obgleich von der Hitze ebenso ausgelaugt wie die Prinzessin und der Wookiee, versuchten die Squibs, vor ihnen herzutrotten und als Erste einen Blick auf den Sandkriecher zu werfen. Leia wusste nicht, was – außer ihrer Profitgier – diese drei antrieb. Von den Hutts – und Threkin Horm – abgesehen waren sie vermutlich die selbstsüchtigsten Wesen, die ihr je untergekommen waren, und doch hatten sie zweimal ohne zu zögern ihr Fell riskiert, um Han zu retten. Vielleicht sahen sie einen Nutzen darin, ihn am Leben zu erhalten, doch Leia vermutete, dass die Squibs nach einem Verhaltenskodex handelten, den außer ihnen niemand verstehen konnte. Offensichtlich maßen sie Geschäftsbeziehungen und der Einhaltung von Abmachungen große Bedeutung bei, doch gleichzeitig war ihre Interpretation der Bedingungen so fließend, dass jede Vereinbarung im Grunde nutzlos wurde. Sie waren die Personifikation von Lando Calrissians Credo: Tu alles, um einem Freund zu helfen – falls es deinen Interessen dient; falls nicht, ist sich jeder selbst der Nächste.

Die Squibs erreichten die Höhle ein Dutzend Schritte vor ihr und Chewbacca. Sie schoben sich zwischen voluminösen Hüften hindurch zur vordersten Reihe der Askajianer – und blieben abrupt stehen. Als Leia und der Wookiee zu ihnen aufschlossen, sahen sie, warum die drei nun nicht mehr vorpreschen wollten.

Der Boden der gewaltigen Höhle war über und über mit zischenden Urusais bedeckt. Sie krochen über die Körper der ermordeten Jawas und der Handvoll toter Sturmtruppen, fauchten und schlugen mit ihren schuppigen Flügeln, wann immer sich ihnen ein Askajianer näherte. Zwischen den Aasfressern lagen etliche zerstörte Trümmer: Teile von Gleitern, ausgeweidete Droiden, zerbrochene Evaporatoren – die meisten davon noch in ihren Kisten – und zwei imperiale Hoverscouts, von denen eines schräg vor dem Sandkriecher auf der Seite und das andere neben dem Heck des riesigen Fahrzeugs auf dem Dach lag.

»Jetzt wissen wir also, warum die Jawas den Termin nicht einhalten konnten«, sagte Borno, als er neben Leia und die anderen trat. »Die Imperialen haben sie gefunden.«

»Nicht direkt«, meinte Leia. »Eine Patrouille hat sie gefunden.«

»Wo liegt der Unterschied?«

Chewbacca bellte eine Antwort.

»Richtig«, nickte Leia. »Die Imperialen haben den Sandkriecher nicht gefunden – sie haben eine Patrouille verloren. Wüsste die Schimäre davon, wäre bereits eine Aufklärungseinheit hier, um den Sandkriecher zu durchsuchen.«

Der Wookiee nannte grollend eine andere Erklärung.

Leia schüttelte den Kopf. »Falls die Imperialen uns einen Hinterhalt gelegt hätten, stünden wir jetzt schon unter Beschuss.« Sie blickte auf ihr Chrono – weniger als zehn Minuten bis zum nächsten Überflug.

»Falls sie wüssten, in welche Richtung wir gehen, würden sie außerdem keine Suchflüge durchführen.«

Chewbacca brummte.

»Lass mich raten«, sagte Borno. »Das bedeutet: Gutes Argument

Der Wookiee nickte, gerade als C-3PO sich zwischen zwei Taurücken hindurchschob.

»Was für ein Verbrechen!«, rief der Droide aus. »Ich habe sicherlich nicht viel für Jawas übrig, doch was das Imperium hier angerichtet hat, verletzt Kriegskonventionen, die bereits seit den frühesten Tagen der Alten Republik gelten. Und was sie diesen Droiden angetan haben … Warum sie es nötig fanden, ihre Gefangenen zu töten, übersteigt meinen Speicher!«

»Sie mögen Droiden nicht«, erklärte Borno. »Sie haben etwas gegen Technologie im Allgemeinen.«

C-3PO drehte sich zu dem Askajianer herum. »Entschuldigen Sie bitte, Häuptling, aber nach meinen Erfahrungen hat das Imperium eine große Vorliebe für Technologie.«

»Er meint nicht das Imperium, Dreipeo.« Leia blickte Borno über die Schulter des Droiden an. »Ihr denkt, die Sandleute waren das?«

»Ja, davon bin ich überzeugt. Sie müssen angegriffen haben, während die Sturmtruppen den Sandkriecher durchsuchten.« Er deutete mit einer fleischigen Hand auf die Einstiegsrampe des Kettenfahrzeugs, die von metallenen Narben übersät war. »Diese Löcher wurden von Projektilwaffen verursacht.«

Leia nickte. »Borno, ich möchte deinen Handelspartnern gegenüber nicht respektlos erscheinen, aber wir haben nur neun Minuten, bevor der TIE zurückkehrt. Vermutlich wird er dann direkt über uns hinwegfliegen, und ich denke …«

»Die Raupenspuren, ich weiß. Wir haben sie auch gesehen.« Er stieß eine Reihe von Befehlen auf Askajianisch aus, und als die Karawanentreiber darangingen, sie auszuführen, übersetzte er seine Worte für Leia und Chewbacca. »Wir werden Felsen herbeitragen, um die Spuren zu verbergen. Die Toten wird es nicht stören, wenn sie noch ein paar Minuten warten müssen, bis wir uns um sie kümmern.«

»Ich fürchte, es werden mehr als nur ein paar Minuten sein.« Leia zeigte mit ihrem heilen Arm auf die Urusais. »Falls wir sie aufschrecken und sie über der Schlucht zu kreisen beginnen …«

»Ja, das würde die Aufmerksamkeit der Imperialen erregen«, stimmte Borno zu. »Ich denke, die Jawas würden es verstehen.«

»Um die Wahrheit zu sagen«, begann C-3PO, »sind die Traditionen der Jawas recht …«

»Dreipeo«, unterbracht ihn Leia.

»Ja, Miss Leia?«

»Nicht jetzt.«

»Gewiss. Ich habe lediglich versucht zu erklären …«

Chewbacca knurrte etwas auf Shyriiwook, und C-3PO wich hinter Bornos Rücken zurück. »Nein, ich würde nur höchst ungern das Schicksal der Jawa-Droiden teilen.«

Leia überprüfte ihr Chronometer. »Noch acht Minuten.«

Sie bedeutete den anderen, ihr zu folgen, und ging in den hinteren Teil der Erosionshöhle, wo die Decke sich dem Sand entgegenneigte und keine Leichen herumlagen. Die Luft war erfrischend kühl – oder zumindest nicht heiß – und fast schon humid. Mit einer Hand rollte Leia die Steine beiseite, dann nickte sie Chewbacca zu, er solle Han hier auf den Boden legen. Nun reichte sie dem Wookiee und C-3PO leere Wasserflaschen.

»Geht zu unseren Taurücken und füllt die Flaschen an den Wasserschläuchen auf«, wies sie die beiden an. »Und beeilt euch. Chewie, such eine Sturmtruppenrüstung mit einer funktionierenden Kühleinheit. Grees, ich würde es begrüßen, wenn du …«

Sie drehte sich herum, nur um festzustellen, dass weder Grees, noch seine beiden Begleiter irgendwo zu sehen waren. »Wo sind sie jetzt schon wieder hin?«

Sie blickten sich um, bis C-3PO schließlich auf die schuppige Menge der Urusais vor der Einstiegsrampe des Sandkriechers deutete.

»Ich glaube, sie sind dort drüben, Prinzessin.«

Chewbacca wirbelte knurrend herum, um den Squibs nachzusetzen.

»Nein, Chewie«, hielt Leia ihn zurück. »Zuerst die Rüstung.«

Der Wookiee blickte zu Han hinüber, dann zu den drei Pelzwesen. Er grollte, dass Solo alles andere als glücklich sein würde, wenn er erwachte und erfuhr, dass die Squibs seinetwegen mit dem Killik-Zwielicht hatten entkommen können.

Leia ließ das kalt. »Es wäre nicht das erste Mal, dass Han wütend auf mich ist.« Sie wusste, dass ihr Mann sich in der kühlen Luft der Höhle vermutlich auch ohne die Sturmtruppenrüstung erholen würde, doch im Augenblick wollte sie kein Risiko eingehen. »Und auch nicht das letzte Mal.«

Chewbacca blinzelte in Richtung des Sandkriechers und stieß einen weiteren, heulenden Protest aus: Trotz allem, was Han sagte, wusste er um die Bedeutung des Schattenfunk-Codeschlüssels.

»Bitte, Chewie«, sagte sie. »Wir kümmern uns später um die Squibs.«

»Miss Leia«, unterbrach sie C-3PO. »Ich sollte erwähnen, dass es äußerst schwierig sein wird, später noch mit den Squibs zu verhandeln. Sie fühlen sich betrogen, weil Sie ihnen verschwiegen haben, dass der Überweisungschip nur von Ihnen persönlich benutzt werden kann. Des Weiteren bezweifeln sie, dass Ihnen gegenwärtig so viele Credits zur Verfügung stehen, wie sie bei den Imperialen heraushandeln könnten. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie sich mit der Gegenseite in Verbindung setzen und uns unserem Schicksal überlassen werden, sollten sie das Gemälde finden.«

»Aha.« Obwohl sie es bereits geahnt hatte, schürten die Worte ihren Zorn. Ihr Blick huschte zum Chrono – sieben Minuten. Vor der Höhle waren die Askajianer damit beschäftigt, die Spuren der Raupenketten zu verwischen und Felsen über die Abdrücke zu rollen. »Und woher weißt du das, Dreipeo?«

»Ich hörte, wie die Squibs sich darüber unterhielten«, erklärte der Droide. »Offensichtlich sind sie der Ansicht, nur ein Squib könne ihre geheime Handelssprache verstehen, aber ich beherrsche mehr als sechs Millionen …«

»Ich weiß, Dreipeo.« Leia wandte sich um. Chewbacca stand erwartungsvoll hinter ihr, den Blick auf den Sandkriecher gerichtet. »Chewie, würdest du bitte trotzdem nach einer Rüstung suchen?«

Der Wookiee und der Droide gingen davon, um ihrer Aufforderung nachzukommen, und Leia blieb mit der letzten Wasserflasche, die noch nicht völlig leer war, zurück. Sie nahm zwei kochende Schlucke, dann schob sie Hans Schutzbrille nach oben und benutzte den Rest des Wassers, um sein Gesicht und die Kleidung zu befeuchten. Sie wartete auf eine Bewegung, darauf, dass das Nass dieselbe Wirkung haben würde wie beim letzten Mal, doch seine einzige Reaktion bestand in einem schwachen Husten.

Ihr Blick schweifte über den Boden der Höhle, und voller Grauen fragte sie sich, was die Squibs wohl finden würden. Falls Kitster Banai noch an Bord des Sandkriechers gewesen war, als die Tusken-Räuber angegriffen hatten, musste Leia sich mit Tamora in Verbindung setzen und ihr eine Nachricht mitteilen, die sie selbst nie zu erhalten hoffte.

Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Han. Die Farbe kehrte bereits in seine Wangen zurück, doch noch war er nicht aufgewacht – und er musste aufwachen, denn hier stand ihnen keine Hydrationsinfusion zur Verfügung. Hier musste er trinken, um seinen Körper mit Flüssigkeit zu versorgen.

Sie beugte sich über sein Gesicht. »Hör zu, du Wookieetreiber! Ich habe es allmählich satt, die ganze Arbeit allein machen zu müssen.« Sie küsste ihn und spürte ein Schwindelgefühl – aber nicht wie sonst, wenn ihre Lippen sich trafen. Han war nicht der Einzige, der etwas trinken musste. »Komm schon, Fliegerass. Zeit aufzuwachen …«

Ihr Blickfeld schrumpfte zusammen, doch da öffneten sich Hans Augenlider, und sie zwang sich, bei Bewusstsein zu bleiben.

»Schon besser«, sagte sie lächelnd.

Doch seine Augen waren nicht auf sie gerichtet. Sie waren glasig und leer, die Pupillen starr und geweitet.

»Han!« Sie packte ihn an der Schulter und schüttelte ihn. »Du wirst schön bei mir bleiben! Komm zurück!«

Als hätte er sie gehört, tauchten zwei winzige Funken in den Tiefen seiner Pupillen auf. Sie stiegen an die Oberfläche, wo sie zu Kugeln aus blassem Feuer anschwollen. Die Flammen breiteten sich über die Regenbogenhaut aus, bis sie die Augen schließlich vollständig einhüllten, sie in zwei kleine Sonnen verwandelten, die zischend und knisternd in leblosen Augenhöhlen glühten.

»Han?«

Ihre Zunge war auf die doppelte Größe angeschwollen, das Wort erstarb als Krächzen in ihrer Kehle. Sie drehte sich um, wollte Chewbacca herüberwinken, und stellte fest, dass der Schatten unter dem Überhang so dicht wie ein Nebel geworden war. Dutzende geisterhafter Silhouetten glitten durch die Finsternis, und es war unmöglich, eine davon als den Wookiee zu identifizieren.

Schließlich erkannte Leia, was hier vor sich ging. Nicht schon wieder eine Machtvision – nicht noch einmal.

Unter sich hörte sie ein leises Knacken, und als sie ihren Blick hinabzwang, waren da noch immer die weißen Sonnen in Hans Augenhöhlen.

»Mein.« Es war seine Stimme, doch nicht sein Tonfall. Das Wort klang hart, zischend und gleichgültig. »Mein.«

»Nein«, stöhnte Leia. »Bitte!«

Die weißen Kugeln in Hans Kopf flammten auf. »Mein.«

Instinktiv wollte sie die Stimme verleugnen, der Erscheinung ins Gesicht schlagen und sie verscheuchen. Doch es wäre nur Han, den sie treffen würde. Visionen konnte man nicht mit physischer Gewalt vertreiben. Sich von ihnen zu befreien war ungleich schwerer. Man musste sie verstehen.

Ein schläfriges Ächzen – Hans schläfriges Ächzen – erklang neben ihr. Im Glauben, die Vision hätte eine neue, merkwürdige Wendung genommen, drehte sie den Kopf. Verwirrt stellte sie fest, dass ihr Mann neben ihr lag, eingehüllt in die Rüstung eines Sturmtrupplers, den Kopf auf einen zusammengerollten Mantel gebettet. Ein Berg aus Fell kniete neben ihm. Leia blickte wieder geradeaus – nach oben. Dort hing noch immer Hans Gesicht, doch die Sonnen seiner Augen strahlten nun golden und weniger grell.

»Wie wundervoll!« Die Stimme klang vertraut, doch sie gehörte nicht Han – dafür war sie zu zirpend und unterwürfig. »Prinzessin Leia scheint zu sich zu kommen!«

Eine tiefe Stimme knurrte etwas auf Shyriiwook, das Leia nicht verstehen konnte.

»Ich glaube nicht, dass ich dazu geeignet bin, der Prinzessin auf diese …«

Die tiefe Stimme grollte erneut. Das Gesicht über ihr – es war nicht länger Han, wirkte noch nicht einmal mehr menschlich – zuckte entsetzt zurück und stieß mit einem metallischen Klirren gegen die Decke. Eine fleischlose Hand schob sich unter ihren Nacken und hob ihren Kopf an.

»Hoheit, dürfte ich ein wenig Bactade anbieten?«

»Dreipeo«, keuchte sie. »Was ist passiert?«

»Ich bin zwar kein Medidroide.« Die Fratze aus Leias Vision – oder war es nur ein Traum gewesen? – verwandelte sich in C-3POs goldenes Gesicht. »Doch es scheint so, als hätten Sie einen Zusammenbruch erlitten.«

Chewbacca brummte unheilvoll.

»Würden Sie jetzt bitte etwas hiervon trinken?« C-3PO hob eine mit brauner Flüssigkeit gefüllte Flasche an ihre Lippen.

Neben Leia hustete Han einen Mundvoll Bactade gegen Chewbaccas Brust. »Das ist kein Gizer! Das ist noch nicht mal Bier!«

Der Wookiee heulte eine Drohung, dann drückte er die Flasche wieder auf den Mund seines Freundes, und diesmal trank der Corellianer.

Leia richtete sich auf und stellte überrascht fest, dass ihr Körper ebenfalls in einer weißen Rüstung steckte. Ihre verletzte Schulter schmerzte, ließ sich aber bewegen.

»Warum …?« Sie ließ die Frage verklingen, als ihr auffiel, wie kühl ihr Körper sich anfühlte, und nahm C-3PO die Flasche aus der Hand. »Wie lange war ich ohnmächtig?«

»Wir fanden Sie vor einer Standardstunde und dreiundzwanzig Minuten«, antwortete der Droide. »Master Chewbacca musste mit drei Urusais kämpfen, die …«

»Eine Stunde

Augenscheinlich war es den Askajianern gelungen, die Spuren des Sandkriechers zu verbergen. Leia blickte sich in der Höhle um und stellte fest, dass es auf dem Boden noch immer vor Urusais wimmelte – drei der Kreaturen lagen mit gebrochenem Genick neben ihr. Die Karawanentreiber hatten die zerstörten Evaporatoren auf eine Seite der Höhle geschafft und luden nun die Tomuon-Wolle von ihren Packtieren, um sie durch die noch brauchbaren Maschinenteile zu ersetzen, während die Squibs, opportunistisch wie eh und je, die Wolle in den Sandkriecher schleppten.

Leia ignorierte sie. Noch immer mitgenommen von ihrer Vision – oder hatte sie wirklich nur geträumt? – wandte sie sich zu Han um. »Wie fühlst du dich?«

»Schrecklich. Als wäre ein Bantha auf meinem Schädel herumgetrampelt.« Er deutete mit dem Daumen auf Chewbacca. »Und dieser Fellhaufen will mich zwingen, abgestandenes Schlammwasser zu trinken.«

Der Wookiee brummte abwehrend.

»Ist mir egal, wann du es gemixt hast«, sagte Han. »Es schmeckt wie Schlammwasser.«

»Schlammwasser oder nicht – du brauchst es jetzt.« Leia war entschlossen, ihren Mann wieder auf die Beine zu bringen, also zwang sie sich zu einem Lächeln und hob ihre Flasche. »Wenn du es trinkst, trinke ich es auch.«

Han blickte drein, als hätte er gerade einen Revuepalast betreten und einen gamorreanischen Tänzer auf der Bühne entdeckt.

»Oder hast du etwa Angst?«

»Ganz bestimmt nicht!«

Er riss Chewbacca die Bactade aus der Hand, hielt die Augen aber weiter auf Leia gerichtet. Zunächst glaubte sie, er würde darauf warten, dass sie zuerst trank, doch als sie die Flasche hob, machte er keine Anstalten, es ihr nachzutun.

»Stimmt etwas nicht?«, fragte sie.

»Nein.« Er setzte die Flasche an, wobei er sie weiterhin anblickte, dann sagte er hinter der Öffnung hervor: »Ich finde nur, du siehst in Weiß wirklich heiß aus.«

Leia fuhr sich mit der Hand durch das Haar; es war von Sand und Schweiß verklebt. »Ja, heiß … das trifft es.«

Sie zwang sich, die Flasche Bactade zu leeren, allerdings war der kreideähnliche Geschmack so unausstehlich, dass sie sich fragte, ob sie je wieder ein Getränk genießen könnte, das dieselbe braune Farbe hatte. Doch zumindest folgte Han ihrem Beispiel und kippte die Flüssigkeit ebenfalls hinunter.

»Noch eine Runde?«, fragte er herausfordernd.

Allein der Gedanke an mehr Bactade ließ Leia würgen, doch sie würde alles tun, damit Han sich erholte. »Warum nicht?«, meinte sie lächelnd.

»Noch zwei Flaschen, Chewie!«, sagte Han.

Chewbacca knurrte, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt für einen Trinkwettbewerb wäre, dann deutete er auf Borno. Der Askajianer kam durch die Höhle auf sie zu, auf seinem massigen Arm einen Jawa.

»Es scheint, jemand hat den Angriff der Tusken-Räuber überlebt«, meinte C-3PO. »Ist das nicht faszinierend?«

Leia und Han blickten einander an, dann sagte Han: »Der Jawa wäre vermutlich nicht mit deiner Wortwahl einverstanden, Dreipeo.«

Borno blieb am Rande der Gruppe stehen, und Leia sah, dass der Jawa auf seinem Arm ein Bein ausgestreckt hatte und versuchte, es nicht zu bewegen.

Als sie und Han sich erhoben, schüttelte der Askajianer den Kopf. »Spart eure Kräfte. Ihr werdet sie brauchen, wenn wir weiterziehen.«

»Weiterziehen?« Leia dachte an ihre Vision und blickte nervös zu den geschäftig umherhastenden Karawanentreibern hinüber. »Wann soll es denn losgehen?«

Borno zuckte die Achseln. »In einer Viertelstunde. Sobald die Tiere fertig beladen sind.«

Chewbacca knurrte eine Frage.

»Master Chewbacca gibt zu bedenken, dass die Imperialen noch immer in der Gegend sein könnten«, übersetzte C-3PO.

Der Askajianer entspannte sich und machte eine abtuende Handbewegung. »Wir haben seit einer Stunde keine TIEs mehr gehört. Außerdem kann uns kein Imperialer in diesen Schluchten finden.«

Leia und Han tauschten einen kurzen Blick aus. Sie hatten beide schon ähnliche selbstsichere Behauptungen gehört. Chewbacca stellte eine weitere, grollende Frage.

Nachdem C-3PO sie übersetzt hatte, schüttelte Borno den Kopf. »Nein, wir haben euer Moosgemälde nicht gefunden, und unter den Leichen war auch kein Mensch – außer den toten Sturmtrupplern natürlich.« Er ließ seinen Blick zum Sandkriecher hinüberschweifen. »Die Squibs wollten uns jedoch nicht in den oberen Teil des Fahrzeugs vorlassen.«

Han wandte sich zu Leia herum. »Du hast ihnen das Zwielicht überlassen?«

Sie zuckte mit den Schultern. »Ich hatte andere Sorgen.«

»Andere Sorgen?«, wiederholte Han. »Nach allem, was ich durchgemacht habe, um es zu finden? Nach allem, was wir durchgemacht haben? Was könnte wohl wichtiger sein als das Bild?«

»Du, Han«, erklärte sie. »Ich habe Chewbacca gesagt, er soll sich um dich kümmern und die Squibs vergessen.«

Er blickte finster drein, doch wirkte er eher enttäuscht denn wütend. »Das war aber nicht sehr schlau, oder? Chewie ist so groß wie die drei zusammen …«

»Han …«

»Du hättest ihn hinter den Squibs herschicken und bleiben sollen, um dich selbst um mich zu kümmern.« Er schien nicht zu bemerken, dass Chewbacca und Borno verstummt waren und ihrer Unterhaltung lauschten. »Vielleicht wärst du dann auch nicht zusammengebrochen …«

»Han!«

»Ja?«

»Genau das habe ich getan«, sagte Leia.

»Was?«

»Ich bin bei dir geblieben.«

»Wirklich?« Verwirrung mischte sich in Hans Blick. »Wer hat dann die Squibs im Auge behalten?«

Sie schüttelte den Kopf. »Niemand.«

Das schien ihm die Sprache zu verschlagen. Sein Kiefer klappte nach unten, und er starrte mehrere Sekunden zum Sandkriecher hinüber, ehe er schließlich fragte: »Du hast sie also alleine nach dem Zwielicht suchen lassen?«

Leia nickte.

»Weil du dir um mich Sorgen gemacht hast?«

Ein weiteres Nicken.

»Ähm …« Zum ersten Mal in seinem Leben schien Han nicht zu wissen, was er sagen sollte.

Chewbecca brummte einen Vorschlag.

»Hm?«, machte Han.

Der Wookiee fügte eine geknurrte Erklärung hinzu.

»Ja, ich schätze, das sagt man in einer solchen Situation.« Er blickte Leia an. »Danke.«

»Schon gut.« Sie setzte ihr diplomatischstes Lächeln auf, dann sammelte sie ihre Energie, um sich auf die Beine zu kämpfen, und fügte flüsternd hinzu: »Nerfhirte!«

Borno streckte ihr seine freie Hand entgegen und ersparte ihr so die Mühe, aus eigener Kraft aufstehen zu müssen. »Wir werden euch in Motesta absetzen. Dort gibt es einen imperialen Deserteur, dem man vertrauen kann.«

Leia sah plötzlich wieder Hans Augen vor sich, kurz bevor sie sich in Sonnen verwandelt hatten, die Pupillen starr und geweitet. Vielleicht war der Traum eine Vision gewesen. Vielleicht auch nicht. In jedem Fall war ihr der Gedanke, noch länger mit den Askajianern zu reisen, plötzlich unerträglich.

»Lasst euch nicht dadurch abschrecken, dass Gwend ein Imperialer war.« Borno blickte einen Moment nachdenklich drein, dann fügte er hinzu: »Er hat uns geholfen hierherzukommen, und gerade hilft er einem anderen Stamm, der bald nach Tatooine kommen wird. Für sie benötigen wir die Evaporatoren.«

Ein ungutes Gefühl überkam Leia. Askajianer waren nicht gerade für ihre Reiselust bekannt – im Gegenteil. Wenn eine weitere Gruppe auf den Wüstenplaneten auswanderte, musste es einen guten Grund dafür geben.

»Wann kommen sie her?« Sie dachte an Wedges geheime Mission auf Askaj – an die Möglichkeit, dass Mon Mothma die Gespenster-Staffel zurückrufen könnte, wenn sie längere Zeit nicht von Leia hörte. »Nach Großmoff Wilkadons Besuch?«

Bornos Kinnlade klappte herunter. »Woher weißt du das?«

»Das scheint mir der günstigste Zeitpunkt. Haben sie Askaj bereits verlassen?«

»Askaj noch nicht, aber ihr Dorf. Wir werden erst wieder von ihnen hören, wenn sie Tatooine erreicht haben.« Borno musterte sie eingehend, dann fragte er: »Sie haben bereits für die Reise bezahlt. Wird ihr Schiff denn da sein?«

»Ich hoffe es.« Leia wusste nicht, was sie sonst antworten sollte. Sie war nicht mit den Einzelheiten der Operation vertraut, doch nach einem so kühnen Angriff geschah es häufig, dass der Geheimdienst der Neuen Republik eine Gruppe von Widerstandskämpfern umsiedelte – sie zurückzulassen würde ihr sicheres Todesurteil bedeuten. Sie legte dem Askajianer die Hand auf den Arm. »Ich glaube, ich weiß, wer sie hierherbringt. Mit ihnen muss ich mich ohnehin in Verbindung setzen, und ich werde sie anhalten, pünktlich zu sein – aber wir können nicht weiter mit der Karawane reiten, Borno.«

»Wir sollen euch zurücklassen?« Borno blickte sich in der Höhle um. »Hier?«

»Ähm, ja«, sagte Han, der nun ebenfalls aufstand. »Wir müssen dieses Gemälde finden.« Er blickte zu Leia hinüber. »Richtig?«

»Richtig«, stimmte sie zu.

Der Askajianer wirkte skeptisch. »Vergebt mir, wenn ich das so deutlich sage, aber ihr seid hier hundert Kilometer von der nächsten Hütte entfernt, und die Squibs haben bereits ihren Besitzanspruch auf den Sandkriecher angemeldet …« Er ignorierte die wütenden Flüche, die der Jawa auf diese Worte hin ausstieß. »… und sie haben nicht vor, euch mitzunehmen – sofern es ihnen gelingt, den Antrieb zu reparieren. Ich glaube nicht, dass ihr Menschen zu Fuß sehr weit kommen werdet.«

»Das müssen wir auch nicht.« Vielleicht lag es nur an ihrer Erschöpfung, aber zum ersten Mal, seitdem sie auf Tatooine gelandet waren, hatte Leia das Gefühl, das Richtige zu tun. »Hier liegen zwei Hoverscouts und jede Menge Ersatzteile aus dem Sandkriecher. Ich bin sicher, wir können uns etwas zusammenbasteln.« Sie blickte zu Chewbacca auf. »Was denkst du, Chewie?«

Der Wookiee breitete die Arme aus und grollte.

»Siehst du?«, sagte Han, als er neben Leia trat. »Wir schaffen das schon. Wir klauben zusammen, was wir brauchen, führen ein paar Reparaturen durch – und schon sind wir auf dem Weg nach Hause.«

Borno blickte sie durchdringend an, dann fragte er: »Ihr zweifelt an meinem Urteil? Ihr glaubt nicht, dass die Sturmtruppen von hier abgezogen sind?«

»Ich glaube, dass es gefährlich wäre, die Imperialen zu unterschätzen.« Ein Teil von Leia fragte sich, ob sie sich und die anderen nicht gerade zu einem langsamen Tod durch Wassermangel verdammte – oder zu einem schnellen Tod durch die Hand der Tusken-Räuber. Doch es war nur ein kleiner Teil von ihr, ein Teil der sich leichter ignorieren ließ als ihre Instinkte. »Wir haben unser Glück bereits überstrapaziert, daran besteht wohl kein Zweifel. Solltet ihr später den Imperialen begegnen, ist es für alle das Beste, wenn wir dann nicht mehr bei euch sind.«

Borno breitete in einer Imitation von Chewbaccas Geste die Arme aus und grunzte. »Wenn es das ist, was ihr wollt.«

»Das ist es.« Leia wollte dem Askajianer gerade sagen, dass er leugnen sollte, sie jemals gesehen zu haben, falls die Imperialen seine Karawane aufspürten – doch da kam ihr eine bessere Idee. »Borno, Interesse an einem tragbaren Holokom?«

Bornos ohnehin schon schmale Augen wurden vollends zu Schlitzen. »Was müsste ich denn dafür tun?«

»Nicht viel«, erklärte Leia. »Funkt einfach nur die Imperialen an und sagt ihnen, dass ihr uns im Großen Schott zurückgelassen habt, weil der TIE-Jäger euch Angst eingejagt hat und ihr uns nicht länger helfen wolltet.«

»Imperiale belügen?« Borno grinste breit. »Niemand kann das besser als ein Askajianer.«

»Gut.« Leia erklärte ihm ihren Plan.

Der Karawanenführer nickte. »Das können wir tun.« Er streckte den Arm aus, auf dem er den Jawa trug, und ein schmerzerfülltes Keuchen entfuhr der kleinen Kreatur. »Er hatte sich in einer Evaporator-Kiste versteckt. Ich hatte gehofft, ihr könntet ihm helfen. Sein Bein scheint gebrochen zu sein.«

»Natürlich.« Leia blickte in die glühenden Augen unter der Kapuze des Jawas hinab. »Ich bin keine Ärztin, aber ich habe schon einige Wunden verbunden. Ich werde tun, was ich kann – sofern du das möchtest.«

»Go mob un loo?«, quakte das Wesen.

»Er möchte wissen, wie viel es kosten wird«, übersetzte C-3PO.

»Tomo!«

»Entschuldigung«, sagte der Droide, an den Jawa gerichtet. »Sie möchte das wissen.«

Leia lächelte. »Es kostet nichts …«

»Ich weiß nicht«, unterbrach sie Han. Er ging um den Jawa herum, betrachtete mit aufgesetzter Skepsis sein Bein und warf Leia dann einen Blick zu der sagte: Spiel einfach mit! »Das ist ein ziemlich komplizierter Bruch.«

»Han!«, entfuhr es der Prinzessin. »Wie kannst du auch nur daran denken …«

Einmal mehr wurde sie unterbrochen, als Chewbacca über ihre Schulter blickte und grollte, dass dies der schlimmste Knochenbruch war, den er je gesehen hatte.

C-3PO übersetzte das sinngemäß in die Jawa-Sprache.

Die kleine Kreatur antwortete wortreich.

»Sie sagt, der Bruch ist nicht so schwerwiegend, wie es den Anschein hat. Sie bietet Ihnen drei Ionenblaster – und keine einzige Energiezelle mehr«, erklärte der Droide.

Han und Chewbacca blickten einander an, dann schüttelten sie den Kopf, und erst jetzt begriff Leia.

Sie blickte auf das Bein des Jawa hinab. »Was ist das für eine Beule? Die ist ja beängstigend groß.«

»Ich sehe schon, ich werde hier nicht länger gebraucht«, sagte Borno. Er legte den Jawa auf den Boden, dann neigte er Leia und den anderen das oberste seiner vielen Kinne entgegen. »Ich werde bereit sein, wenn ihr es seid.«

»Ich komme gleich nach. Wir müssen das nur noch kurz zu Ende bringen«, sagte Leia. Der Jawa machte derweil ein neues Angebot.

»Sie ist bereit, Ihnen zusätzlich einen T-Elf-Repetierblaster zu überlassen«, übersetzte der Droide.

»Einen T-Elf?«, spöttelte Han. »Die waren schon veraltet, als Tatooine noch Seen hatte.«

»Wie wäre es mit einer Vidkarte?«, fragte Leia. Borno hatte noch immer ihre, und er schien nicht gewillt, sie zurückzugeben. »So etwas könnten wir gebrauchen.«

»Eine funktionierende Vidkarte«, stellte Han klar.

Der Jawa zischte vor Schmerz und quiekte: »Yanna kuzu peekay, jo

»Sie hat keine Vidkarten«, sagte C-3PO, »aber sie kann uns an jeden Ort führen, den wir suchen.«

Han brummte abfällig. »Ist das nicht der Sandkriecher, der vor zwei Nächten dieses beschädigte Swoop eingesammelt hat?«

Der Jawa nickte und fragte dann durch C-3PO, woher Han das wusste.

»Weil ich ihm gefolgt bin«, erklärte der Corellianer. »Mich habt ihr aber im Sturm zurückgelassen.«

Der Jawa gab ein Geräusch von sich, das nach einem Oh-oh klang.

»Sie entschuldigt sich …«

»So viel habe ich verstanden«, sagte Han. »Bist du sicher, dass dieses Swoop nicht vielleicht doch über eine Vidkarte verfügte?«

Der Jawa setzte zu einer längeren Erklärung an, die C-3PO folgendermaßen übersetzte: »Die Mitglieder des Clans konnten sich auch keinen Reim darauf machen, wer ein Raketen-Swoop mitten in einen Sandsturm hineinfliegen würde. Der Pilot musste entweder verrückt, auf der Flucht vor einem Hutt oder selbstmörderisch veranlagt sein. Jedenfalls benutzte er ein Renn-Swoop, und Renn-Swoops haben keine Vidkarten.«

Leia erinnerte sich, dass Ulda den alten Rennfahrer angewiesen hatte, eine Karte an Hans Swoop zu befestigen, ehe sie es ihnen verkaufte. »Hat Kitster überlebt? Hatte er …«

Der Jawa unterbrach sie mit einem Quaken. C-3PO machte ihr den Einwurf anschließend verständlich. »Herat würde Sie gerne daran erinnern, dass wir uns momentan in Verhandlungen über den Preis für die Behandlung ihres Beines befinden. Sollten Sie über einen Preis für die Informationen reden wollen, nach denen Sie suchen, ist sie gerne bereit, sich nach der Behandlung ihres Beines damit zu befassen.«

»Wie wäre es mit einem direkten Tausch?«, schlug Leia vor. »Die Informationen gegen die Behandlung ihres Beines?«

»Oog«, schnappte Herat.

»Nein«, übersetzte C-3PO.

»Du weigerst dich?« Leia konnte es kaum glauben. Ihr Bein war gebrochen, ihre Kameraden abgeschlachtet, und sie selbst umgeben von Fremden, und doch versuchte diese Jawa-Frau, einen Vorteil für sich herauszuschlagen. Die Neue Republik könnte ein paar Unterhändler wie sie gebrauchen. Leia begegnete dem Blick der gelben Augen mit neuem Respekt und begann, ihre Ärmel hochzurollen. »Nun, wenn ein T-Elf und drei Ionenblaster alles sind, was du zu bieten hast, dann tut es uns leid. In dieser Galaxis bekommt man nur, wofür man auch bezahlt.«

Herat wandte sich an C-3PO und quakte einen langen Satz.

»Sie sagt, Sie haben das Herz eines Hutts, aber sie leidet große Schmerzen und möchte nicht den Rest ihres Lebens humpeln, daher wird sie Ihnen sagen, was mit Kitster Banai und seinem Gemälde geschehen ist.«

Eine kurze, glucksende Korrektur.

»Oder seinem Gemälde.«

»Sie verhandelt wirklich hart.« Leia seufzte. »Möchte sie denn auch Schmerzmittel für ihr Bein?«

Herat brach in schnelles Geschnatter aus.

»Die Tusken-Räuber haben Kitster und das Bild mitgenommen«, übersetzte C-3PO. »Sie kann Sie zu ihnen führen.«

»Kann sie das?« Han klang freudig erregt. »Dafür legen wir doch glatt noch eine Beinschiene obendrauf.«

»Ach ja?« Leia blickte ihren Mann an. »Du hast vor, einen Stamm von Sandleuten zu jagen?«

»Es ist ein tolles Gemälde«, wandte Han ein.

»Das weiß ich.« In ihrem Geist sah sie wieder die weißen Sonnen, die seine Augen ersetzt hatten, und sie befürchtete langsam, dass der Traum gar keine Warnung davor gewesen war, bei der Karawane zu bleiben. Was, wenn dies der Weg war, den sie nicht hätte einschlagen dürfen – oder wenn der Alptraum sich erfüllte, ganz gleich, was sie tat? Vielleicht war es das, was die Stimme gemeint hatte, als sie immer wieder »Mein« sagte: dass, ganz gleich, was sie tat, die Zukunft – oder zumindest dieser Teil davon – auf dasselbe Ende zusteuerte. An Han gewandt, sagte sie: »Es ist ein tolles Gemälde – aber nur, solange die Sandleute es feucht halten.«

Han zog die Augenbraue hoch, offensichtlich verwirrt ob ihres plötzlichen Widerwillens, nach dem Bild zu suchen. »Es besitzt eine Feuchtigkeitskontrolle. Eine wirklich einzigartige Feuchtigkeitskontrolle.«

»Das weiß ich«, sagte sie. »Aber wir reden hier über Tusken-Räuber. Das könnte gefährlich werden …«

»Gefährlich werden? Wie würdest du denn dann …«

Er unterbrach sich, schüttelte den Kopf, legte die Stirn in Falten – doch ob nun aus Wut oder einem Schuldgefühl heraus, das konnte Leia nicht erkennen.

Die Jawa zwitscherte eine Frage.

»Herat fragt, warum die Imperialen so großes Interesse an einem Feuchtigkeitskontrollgerät haben«, sagte C-3PO. »Zudem bittet sie Sie, die Verhandlungen mit ihr zu beenden, bevor Sie sich anderen Dingen zuwenden. Sie hat erhebliche Schmerzen.«

»Erstens geht sie das nichts an, und zweitens kümmern wir uns gleich um sie.« Han hielt die Augen auf Leia gerichtet. »Ich dachte, du wolltest dieses Bild finden. Ich will es finden.«

Sie starrte ihn an. »Warum, Han?«

»Wie gesagt, es ist ein tolles Gemälde.« Er überlegte ganz offensichtlich, wie viel er ihr sagen konnte, blickte dabei Herat an. »Ich würde nicht wollen, dass es den Imperialen in die Hände fällt.«

»Warum?«, fragte Leia noch einmal. »Und ich spreche jetzt nicht vom Nutzen des Feuchtigkeitskontrollgerätes. Ich möchte wissen, warum du nicht willst, dass die Imperialen es sich schnappen.«

Erkenntnis flackerte in Hans Augen. »Weil ich nicht will, dass es im Vorzimmer irgendeines Admirals hängt.« Sein Tonfall wurde immer defensiver, eine sicheres Zeichen dafür, dass sie sich einer Wahrheit näherten, die er nicht zugeben wollte – die er vielleicht nicht einmal selbst verstand. »Das sagte ich doch schon.«

»Das reicht mir nicht. Du bist nicht länger ein Mitglied des Militärs oder der Regierung der Neuen Republik. Was kümmert es dich, ob dieses Gemälde in feindliche Hände fällt?«

»Es kümmert mich eben.« Er wartete nicht, bis sie den Kopf schüttelte, sondern fuhr ohne Pause fort: »Vielleicht war ich in letzter Zeit auch nur ein Nerf.«

»Das klingt schon eher nach der Wahrheit.«

»Mambay«, quäkte die Jawa.

»Herat freut sich, dass dieses Problem endlich gelöst ist«, meldete C-3PO.

Leia ignorierte die beiden und wartete darauf, dass Han weiterredete.

Er warf ihr einen Muss-das-denn-sein-Blick zu, sagte jedoch: »Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe, so zu tun, als wäre der Provisorische Rat die gesamte Regierung. Erwarte nicht von mir, dass ich mich in nächster Zeit mit Mon Mothma oder Borsk Fey’lya an einen Tisch setze, aber ich sehe jetzt, dass ich der Neuen Republik nicht einfach so den Rücken kehren kann.« Einen Moment lang zögerte er, dann zog er die Brauen zusammen. »Der Hauptgrund für diese Entscheidung bist aber du, Leia, und nichts kann daran etwas ändern.«

Leia wäre beinahe schwindelig geworden – auf eine angenehme Weise diesmal. »Ich würde daran auch nichts ändern wollen.«

Chewbacca heulte.

Sie nahm Hans Hand, und hätte dieses kleine Wesen im braunen Kapuzenmantel sie nicht angestarrt, hätte sie ihn vermutlich geküsst.

»Wir müssen es versuchen«, sagte ihr Mann.

Leia nickte. »In dem Fall müssen wir Herats Angebot wohl annehmen.« Sie griff nach dem Medikit und wandte sich ihrer Patientin zu. »Wo können wir die Sandleute abfangen?«

Herats Antwort bestand aus einem langen Quieken.

»Erst sollen Sie sich um ihr Bein kümmern«, sagte C-3PO. »Sie möchte sichergehen, dass Sie nicht wieder versuchen, die Bedingungen zu ändern.«

»In Ordnung«, meinte Leia. »Das klingt nur gerecht.«

Chewbacca knurrte und schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn.

»Das war’s.« Han schüttelte den Kopf. »Jetzt wird sie ihren Teil der Abmachung ganz bestimmt nicht mehr einhalten.«

Herat zwitscherte eine wütende Antwort.

»Sie sagt, sie sei nicht so ein Jawa«, übersetzte C-3PO.

»Natürlich nicht.« Han rollte mit den Augen und blinzelte Chewbacca zu. »Wie oft haben wir diesen Spruch schon gehört?«

Ein Orkan aus Beschimpfungen brach aus Herat hervor.

»Du meine Güte«, murmelte C-3PO. »Ich glaube nicht, dass ich das wiederholen sollte!«

Herat fluchte noch immer, und Leia nutzte die Ablenkung, um den Knöchel der Jawa zu packen und daran zu ziehen. Ein leises, ploppendes Geräusch ertönte, und die Schatten unter Herats Kapuze wurden noch dunkler, als ihre gelben Augen zuklappten.

»Ähm, Leia, Liebling?«, sagte Han. »Hast du denn nicht gehört, was wir gerade gesagt haben? Ganz gleich, was ein Jawa auch verspricht, man muss seine Bezahlung immer im Voraus einfordern.«

»Soll das heißen, du hättest diese arme Kreatur leiden lassen, bis sie uns gesagt hätte, was wir wissen wollen?«

»Nun, wenn du es so formulieren musst …«

»Außerdem hat sie ein gebrochenes Bein«, fügte Leia hinzu. »Sie wird eine Mitfahrgelegenheit benötigen.«

Han zog die Augenbraue nach oben. »Das ist es, was ich so an dir liebe.«

»Dass ich so schnell lerne?«

»Dass du so hart verhandelst.«

Zwei Stunden später waren sie zehn Kilometer tief in den Canyon vorgedrungen, und Han und Leia knieten sich in den Schatten einer Seitenschlucht, wo sie genügend freien Himmel über sich hatten, um ein schwaches Signal zu empfangen. Sie zählten die Sekunden auf ihren Chronometern und warteten darauf, dass Mon Mothma an die Kom-Station in ihren Privatgemächern trat. Wenngleich Leias Schulter noch immer schmerzte, konnte sie ihren Arm dank der Bactade doch fast wieder normal bewegen – solange sie die Zähne zusammenbiss.

Der Großteil der askajianischen Karawane war schon längst im Labyrinth der Wüstenschluchten vor ihnen verschwunden, doch Borno saß nur zehn Meter von ihnen entfernt auf seinem Taurücken, bereit, das Holokom entgegenzunehmen. Chewbacca und C-3PO warteten mit Herat an der Mündung der schmalen Kluft in dem Hoverscout, dessen Repulsorliftantrieb sie repariert hatten. Die Squibs waren – vermutlich – noch immer in der Erosionshöhle und suchten nach einer Möglichkeit, den Reaktor »ihres« Sandkriechers ohne den Zündungskern zu starten, den Han in einem der Trümmerhaufen gefunden hatte, die die Tusken-Räuber überall in der Höhle hinterlassen hatten.

»Welchen Teil von dringend versteht die Ratsvorsitzende nicht?«, fragte Han. Wie Leia trug er noch immer Teile der Sturmtruppenrüstung, die Kühleinheit auf maximale Leistung eingestellt. »Wir warten jetzt schon seit zwei Minuten.«

Mittlerweile, da war Leia sicher, mussten die diensthabenden Offiziere an Bord der Schimäre ihren Wachkommandanten – vielleicht sogar Kommandant Quenton von der Auktion – über die merkwürdige HoloNet-Übertragung informiert haben, was bedeutete, dass in fünf Minuten die ersten TIE-Jäger hier auftauchen sollten. Borno würde dann gemeinsam mit dem Holokom am Rande der Schlucht stehen und ihnen zuwinken. Nach weiteren fünfzehn Minuten – dreißig, wenn sie Glück hatten – war mit der Ankunft eines Angriffsshuttles zu rechnen.

Der Askajianer würde das Kom zurücklassen und so schnell er konnte in den Großen Schott hineinreiten. Falls alles nach Plan lief, sollte der Captain der Imperialen die reuevoll vorgetragene Geschichte auf dem Kom glauben und davon absehen, den Karawanenführer zu verfolgen. Falls nicht, so hatte Borno ihnen versichert, dass er sich nicht lebend gefangen nehmen lassen werde, und Leia glaubte ihm – allein schon wegen seiner Entschlossenheit, die Lage des Askajianer-Dorfes geheim zu halten.

Nun tauchte schließlich Mon Mothmas Gestalt über dem Holokom auf, ihr Haar ungekämmt, ihre Augen noch schwer vom Schlaf. »Leia? Es tut mir leid …«

»Schon in Ordnung«, unterbrach Leia sie. »Dieses Signal wird geortet, wir haben nur sechzig Sekunden, dann muss ich die Verbindung unterbrechen.«

Mon Mothmas Gesichtsausdruck wurde schlagartig angespannt. »Ich verstehe. Haben wir das Bild gefunden?«

»Noch nicht – aber die Imperialen ebenso wenig. Ich habe außerdem Neuigkeiten zur Mission der Gespenster. Lokale Quellen haben angedeutet, dass die Widerstandskämpfer bereits in Position gegangen sind und nicht mehr kontaktiert werden können. Ich wiederhole, sie können nicht mehr kontaktiert werden.«

»Lokale Quellen? Auf Tatooine?«

»Das ist eine lange Geschichte, und wir haben jetzt keine Zeit dafür«, erklärte Leia. »Ich halte die Quelle aber für vertrauenswürdig.«

Die Sorgen gruben tiefe Linien um Mon Mothmas Mundwinkel. »Leia, nachdem Luke den Bericht an mich weitergeleitet hat, habe ich entschieden, die Gespenster zurückzurufen. Der Befehl wurde bereits codiert, er wird in dreißig Stunden gesendet.«

»Lässt sich das noch rückgängig machen?«

Mon Mothma biss sich auf die Lippe und blickte gedankenverloren nach unten, ehe sie schließlich den Kopf schüttelte. »Nicht ohne das Gemälde. Wir wissen zwar nicht, wie schnell die Imperialen unsere Codes mit einem veralteten Schlüssel knacken können …«

»… aber es reicht schon, dass sie von der Existenz des Schattenfunks erfahren würden«, beendete Leia den Satz.

»Es sollte klar sein, was hier auf dem Spiel steht.«

Das war Leia in der Tat klar – ein Sternenzerstörer-Kampfverband, einschließlich Wedge Antilles, der Gespenster und vermutlich auch der Renegaten und zahlreicher anderer wichtiger Staffeln.

»Ich verstehe«, sagte sie, »aber diese dreißig Stunden haben wir noch?«

»Wir?«, fragte die Ratsvorsitzende.

Leia nickte. »Han ist ebenfalls mit an Bord.«

Mon Mothma lächelte. »Ich freue mich sehr über seine Rückkehr. Die Neue Republik hat ihn vermisst.«

Die Prinzessin blickte kurz zu Han hinüber und sah, dass er finster auf das Hologramm starrte. »Das wird er gerne hören. Unsere Leute sollen bitte sämtliche Kommunikationskanäle überwachen. Ich weiß noch nicht, wie wir wieder Verbindung aufnehmen können, aber diese Einheit werden wir nicht mehr benutzen.«

»In Ordnung«, sagte Mon Mothma. »Und Leia … möge die Macht mit euch sein!«

»Danke. Wir werden sie brauchen.«

Sie unterbrach die Verbindung, dann schaltete sie das Gerät sofort aus und öffnete die Verschalung.

»Das mag ich an dieser Frau nicht.« Han kniete sich neben sie, entfernte den Geisterwellen-Chiffrierer und verband die Signalempfänger miteinander, sodass das Gerät wieder wie ein ganz normales Holokom funktionierte. »Sie geht immer auf Nummer sicher.«

»Und sie hat damit Erfolg.«

»Das ist noch etwas, was mir nicht gefällt.«

Er steckte den Chiffrier-Chip in seine Tasche, klappte die Verschalung wieder zu und ging mit dem Kom zu Borno hinüber.

»Danke, mein Freund.« Er reichte dem Askajianer das Gerät. »Seid vorsichtig!«

»Ihr auch, meine Freunde. Möge der Sand nie die Sohlen eurer Stiefel zum Schmelzen bringen.«

»Mögt ihr unter den Sonnen stets Schatten finden«, erwiderte Leia. »Falls die Regierung der Neuen Republik noch irgendetwas für euch tun kann, bitte …«

»Für uns tun?« Borno lachte. »Das wage ich zu bezweifeln, Prinzessin. Wir verstecken uns vor Regierungen.«

Der Askajianer wendete seinen Taurücken und winkte mit einer schweren Hand, während er die Echse zum Galopp antrieb.

Der Geist von Tatooine
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