16. Kapitel

Es war gerade früher Vormittag, und doch fühlte Leia sich bereits, als bestünde ihr Kopf aus Kristallplas. Die Zwillingssonnen schienen sich direkt durch ihre Kapuze hindurchzubrennen und ihr Gehirn in ihrem heißen, grellen Licht zu rösten. Obwohl sie ihre getönte Schutzbrille aufgesetzt hatte, war die Ebene vor ihnen ein schimmernder weißer Nebel, gekrönt von der hämisch wabernden blauen Fatamorgana eines Meeres dicht unter dem Horizont. Die Luft war still und erdrückend, jeder Atemzug erstickend heiß.

Die Karawane zog geschwind dahin, auf das Versteck zu, das laut Borno die erste Wahl der Jawas für einen Unterschlupf während des Sturmes gewesen wäre. Von dort aus würden sie ihre Suche fortsetzen, je nachdem, was sie fanden … sofern sie überhaupt etwas fanden. Wieder hatte Leia das Gefühl, als würde die Macht sie beeinflussen, sie in die Wildnis von Tatooine hinausführen – doch aus welchem Grund, das blieb ihr ein Rätsel. Der Große Schott war ebenso weit wie leer, und sie konnte sich nicht vorstellen, dass es dort draußen einen Ort gab, an dem ein weiteres Geheimnis über ihre Familie – oder sonst etwas – auf sie wartete.

Die Askajianer waren über die Ebene verstreut, und sie achteten darauf, keine Reihen oder Gruppen zu bilden, die es einem hoch fliegenden Überwachungsdroiden erleichtern könnten, die Karawane zu orten. Weder schwankten ihre üppigen Körper auf den Satteln hin und her, noch hüpften sie auf und ab – trotz der bebenden Schritte der Taurücken.

Han ritt schräg vor Leia. Seine Packechsen waren zu Reittieren für Chewbacca und die Squibs geworden, er musste also keine zusätzlichen Taurücken führen. Dennoch forderte die Hitze ihren Tribut von ihm. Er schwankte hin und her, er hüpfte auf und ab, und hin und wieder musste er darum kämpfen, nicht aus dem Sattel zu fallen.

Leia trieb ihre Echse vorwärts und setzte sich neben Han. Eine Schutzbrille und ein Schal verbargen seine Augen und sein Gesicht, was es unmöglich machte, seine Miene zu lesen, doch seine herabhängenden Schultern und sein nach vorn gesunkenes Kinn zeigten Leia, dass es ihm nicht gut ging.

»He …« Ihre Kehle war so trocken, dass es schmerzte zu sprechen.

Hans Brillengläser ruckten zu ihr herum. Er straffte die Schultern – ein tapferer Versuch, ihre Sorgen zu zerstreuen –, aber sein Kinn hing weiter auf seine Brust herab. Kein gutes Zeichen.

Leia hob einen Finger, während sie ihre Flasche unter den Gesichtsschutz schob und trank. Das Wasser war so heiß wie Kaf. »Trinkst du auch regelmäßig?«

Er hob seine Flasche in die Höhe und nickte kraftlos. »Wenn du noch einmal versuchen möchtest, mich zur Farm der Darklighters zu schicken, vergiss es!« Seine Stimme war zu gedämpft, um Aufschluss über seinen Zustand zu geben. »Ich klinge zumindest nicht wie ein Profogg – höchstens ein bisschen.«

Leia lächelte unter ihrem Schal und spürte, wie ihre Lippen aufplatzten. »Keine Sorge, das habe ich aufgegeben«, sagte sie, auch wenn das nicht ganz der Wahrheit entsprach. »Ich möchte über etwas anderes mit dir sprechen.«

Hans Brillengläser blieben auf sie gerichtet. »Ja …?«

»Ich, ähm …«

Ihre Kehle fühlte sich plötzlich wieder trocken an, und diesmal hatte es nichts mit der Hitze zu tun. Seit der Auktion hatte sie nur wenig Gelegenheit gehabt, über dieses Thema zu reden, und die meisten ihrer Gedanken hatte Leia bislang für sich behalten. Weder hatte sie Han von ihren beiden Visionen erzählt noch von Lukes Warnung darüber, dass die Macht sie lenkte. Noch nicht einmal das Tagebuch ihrer Großmutter hatte sie erwähnt. Zudem musste sie ihm erklären, ihm verständlich machen, dass es einen guten Grund für ihre Angst gab, Kinder zu haben. Dass sie, ganz gleich, wie sehr sie es wünschte, diese Entscheidung nicht treffen konnte … nicht, solange dieses dunkle Gesicht über ihr schwebte, das sie an Bord des Falken gesehen hatte.

»Was willst du mir sagen?«, frage Han.

Das ferne Zischen eines Fluggefährts erklang hinter der Karawane, und als sie beide den Kopf drehten, sahen sie den wabernden Fleck eines Ionenantriebes. Das Schiff selbst war nicht zu sehen, doch die Länge des Ionenschweifes deutete an, dass es groß sein musste – vermutlich eines der Überwachungsshuttles der Schimäre, das die lokalen Kom-Kanäle abhörte.

Dieser Anblick erinnerte Leia an ein weiteres Problem: Sie musste so bald wie möglich einen sicheren Ort finden, um das Holokom aufzubauen und einen Missionsbericht abzugeben. Andernfalls würde Mon Mothma davon ausgehen, dass das Killik-Zwielicht verloren und der Schattenfunk kompromittiert war, und dann würde sie womöglich entscheiden, die Gespenster-Staffel zurückzurufen – ganz gleich, was das für die askajianischen Widerstandskämpfer bedeutete.

Nachdem sie einen Moment lang den Ionenschweif angestarrt hatte, fragte sie: »Was denkst du? Ein Signalfänger?«

Han schüttelte den Kopf. »Die Imperialen sollten Anchorhead mittlerweile durchsucht haben. Es wird ein Angriffsshuttle sein.« Er musste nicht erst erwähnen, dass der Admiral der Schimäre eine großangelegte Suche nach ihnen starten würde, wenn die Piloten des Shuttles die Askajianer nicht an der vermuteten Position antrafen – jedes Mitglied der Karawane war sich dessen bewusst, seitdem sie vor zwei Stunden von ihrer ursprünglichen Route abgewichen waren. »Ist es das, worüber du reden wolltest?«

Leia schüttelte den Kopf. »Han, ich …«

Die Squibs tauchten auf der anderen Seite von Hans Taurücken auf. Sie saßen zu dritt auf einem Sattel und schwankten unkontrolliert hin und her.

»Gartal!«, fluchte Leia. »Genau zum falschen Zeitpunkt, wie immer.«

»Siehst ein bisschen wacklig aus, Käpt’n«, meinte Grees. Er saß vorne auf dem Sattel, beide Hände um den Knauf gelegt, die Zügel um seine Knöchel geschlungen. »Hör auf deine Partnerin, oder du wirst sie noch zur Witwe machen.«

»Mir geht es gut.« Han blickte zu dem Squib hinüber. »Nicht, dass es dich etwas angehen würde.«

»Das sieht dir ähnlich.« Sligh saß in der Mitte, beide Arme um Grees’ Mitte geschlungen, den Hirtenspeer auf halber Länge unter seine Armbeuge geklemmt. »Immer nur denkst du an dich. Was glaubst du wohl, wie wir uns fühlen werden, wenn die Sonne dich umhaut und wir dich hier zurücklassen müssen?«

»Ich bin sicher, es wird euch das Herz brechen«, sagte Han. »Versucht nicht, mir einen Gefallen zu tun.«

Leia hielt den Mund geschlossen. Vor den Squibs konnte sie wohl kaum eine ernsthafte Unterhaltung führen.

»Wir versuchen aber, dir einen Gefallen zu tun«, erklärte Emala. Sie saß hinten, in einer Hand das Ende des Speeres, die andere um Slighs Hüfte gelegt. Bei jedem Schritt des Taurückens hüpfte sie höher als ihre beiden Gefährten. »Näher kommen wir der Darklighter-Farm nicht mehr. Wenn wir …«

»Nein.«

Chewbacca trieb seine Reitechse neben Leia. Der Wookiee saß so lässig im Sattel, als wäre er auf einem Taurücken geboren, und seine Beine hingen weit am Bauch des Tieres hinab. Er beugte sich herüber, wobei er sich auf eines von Leias Packtieren stützte, und grollte in Hans Richtung.

»Ich sagte nein.« Der Corellianer warf Leia einen Blick zu. »Ich nehme an, du bist auch Teil dieser Verschwörung.«

»Es ist das erste Mal, dass ich sie darüber reden höre …«

»Aber sicher doch.« Er schüttelte den Kopf. »Du gibst nie auf, Liebling. Das ist eine der Eigenschaften, die ich so an dir liebe.«

»Han, wenn ich sage, ich habe nichts damit zu tun, dann habe ich nichts damit zu tun.«

»Na schön, du bist also nicht Teil dieser Verschwörung.«

»Das bedeutet aber nicht, dass ich es für eine schlechte Idee halte.«

»Deshalb muss es aber noch lange keine gute Idee sein«, sagte Han. »Ich weiß, wie das läuft, Leia. Erst lasse ich mich überreden zu gehen, und dann redest du mir ein, zu gehen wäre der beste Einfall, den ich je hatte. Schon hundert Mal habe ich gesehen, wie du diesen Trick bei Regierungsvertretern benutzt. Da hab ich keine Chance.«

»Du bist kein Regierungsvertreter«, erklärte sie, »und ich versuche auch nicht, dich zu etwas zu überreden, was du nicht tun möchtest«

»Ach nein?« Die Stimme, die aus Hans ausgetrockneter Kehle drang, war brüchig. »Worüber wolltest du dann mit mir sprechen?«

»Überwachungssatelliten.« Es war keine Lüge – zumindest nicht so richtig. Der Gedanke an Satelliten beschäftigte sie, seitdem der TIE auf seinem Aufklärungsflug über sie hinweggebraust war. »Die Schimäre hat bestimmt Satelliten an Bord, und wir sind hier alles andere als geschützt.«

»Glaub mir, das weiß ich.« Han nahm einen tiefen Schluck aus seiner Wasserflasche, ehe er fortfuhr. »Aber im Augenblick könnte uns kein noch so genauer Sensor aufspüren. Die Energiereflexion schützt uns.«

»Energiereflexion?«

»Der Große Schott ist wie ein riesiger Spiegel.« Han deutete auf den weißen Boden der Salzebene. »Um diese Tageszeit, wenn beide Sonnen herabscheinen, sieht ein Spionagesatellit nur Hitze und Licht – ebenso wie die hoch fliegenden Überwachungsdrohnen. Wenn die Imperialen uns wiederfinden wollen, müssen sie also herkommen, und das dauert seine Zeit.«

»Darum hat Borno erst nach Sonnenaufgang die Richtung geändert.«

Ihr Mann nickte. »Er weiß, wie man einem Feind ausweicht«, sagte er, dann blickte er in das bleiche Schimmern vor ihnen hinaus. »Ich hoffe nur, wir finden bald einen Unterschlupf. Wenn das Shuttle uns nicht an der erwarteten Position findet, wird bald eine TIE-Staffel systematisch die Wüste absuchen.«

Einer der Askajianer ritt hinter sie, so leise und schnell, dass Leia beinahe aus dem Sattel gefallen wäre, als sie plötzlich seine Stimme hörte.

»Warum seid ihr so dicht beisammen?« Er deutete mit dem Speer zum Himmel hinauf. »So macht ihr es den Himmelsaugen leichter, uns zu finden. Verteilt euch, oder Borno wird euch die Taurücken wegnehmen und euch hier für die Weißhelme zurücklassen.«

Die Squibs schwenkten sofort zur Seite davon, Chewbacca hingegen, der nie eingeschüchtert auf Drohungen reagierte, bleckte die Zähne und starrte den Askajianer an, bis dieser schließlich den Blick abwandte.

»Ich bitte euch«, sagte der Reiter, nun etwas weniger barsch. »Wir sollten kein Risiko eingehen.«

Chewbacca knurrte eine Entschuldigung, doch so, wie die Augen des Askajianers sich weiteten, bezweifelte Leia, dass er die Bedeutung des Grollens verstand. Der Wookiee stieß ein bellendes Lachen aus und lenkte seinen Taurücken zur Seite. Leia, die noch immer hoffte, unter vier Augen mit Han reden zu können, blieb an seiner Seite, um zu sehen, ob der Askajianer zumindest sie beide nebeneinander herreiten ließ.

»Für dich ist es noch wichtiger, den anderen fernzubleiben«, sagte er. »Du führst Packtiere mit dir.«

»Natürlich.« Sie wünschte, sie hätte ebenfalls Reißzähne, die sie entblößen könnte, gleichzeitig wusste sie aber, dass der Askajianer nur versuchte, sie alle zu schützen. Sie blickte zu Han hinüber und zog an ihren Zügeln. »Können wir später reden?«

»Das weißt du doch.« Seine Augen hinter der Schutzbrille erwiderten ihren Blick. »Ich werde nirgendwo hingehen.«

Leia ließ sich zwanzig Meter zurückfallen. Selbst auf diese kurze Entfernung verwandelten die Hitzeverzerrungen Hans schimmernde Gestalt in einen unförmigen Schatten, doch zumindest würde sie es sehen, wenn er aus dem Sattel fiel oder sein Taurücken ziellos dahinwatschelte. Sie merkte, dass ihr die Zunge am Gaumen klebte und griff nach der Wasserflasche. Drei tiefe Schlucke zwang sie ihre Kehle hinunter, ehe sie sie wieder absetzte. Sie hatte vermutet, dass in dieser Hitze jedes Wasser ein Labsal sein müsste, doch was da in ihrer Plastoidflasche umherschwappte, schmeckte allmählich nach Rancorspeichel. Sie stellte ihr Chrono ein. In einer Viertelstunde würde ein Alarm sie daran erinnern, wieder zu trinken.

Die Ebene wurde felsiger und ungleichmäßiger. Flächen weichen Sandes erstreckten sich zwischen droidengroßen Gesteinsbrocken. Hier kam die Karawane nur noch langsam voran, und aus dem Schreiten der Taurücken wurde ein langsames, rhythmisch schwankendes Kriechen.

Hans wabernde Gestalt schien sich in ihrem Sattel herumzudrehen und in die Richtung zurückzublicken, aus der sie gekommen waren. Leia wusste, dass ihn dieselben Gedanken umtrieben wie sie. Die TIEs mussten mittlerweile mit ihren Suchflügen begonnen haben, und diesmal würden keine Kameras oder Sensoren unter ihren Cockpits hängen. Wenn sie die Karawane entdeckten, würden sie sie schnell und gewaltsam aufhalten.

Bald schon zeigte sich, dass die Taurücken schneller vorankamen, wenn sie sich ohne Einmischung durch die Reiter ihren eigenen Weg bahnen konnten. Nun, da Leia nichts mehr hatte, womit sie sich von ihren Sorgen um Han ablenken konnte und sie noch eine Stunde von ihrem Ziel entfernt waren, suchte sie nach etwas, um sich zu beschäftigen. Sie schob den Hirtenspieß durch die Halteschlaufe und band die Zügel um den Sattelknauf, dann zog sie das Tagebuch ihrer Großmutter aus der Tasche und sah sich die nächsten Einträge an.

Es dauerte nicht lange, bis Shmi eine überraschende Neuigkeit verkündete.

19:17:10

Als ich heute nach Hause kam, wartete eine Falleen vor der Tür. Sie machte einen sehr schroffen Eindruck, Annie, aber nicht nur wegen ihrer schmalen Augen und spitzen Zähne. Sie war noch größer und noch hübscher als die meisten weiblichen Vertreter ihrer Spezies, aber ihr Haar war versengt, und sie hatte eine Brandwunde auf der Nase, außerdem waren Löcher in ihrem Overall, und darunter konnte man vernarbte Schuppen und Schwellungen an ihrem Rückenkamm sehen.

Neben ihr stand eine Plastahl-Schachtel, darum dachte ich, sie hätte Speicherchips dabei, die ich reinigen sollte. Ich sagte ihr also, dass sie mich im Voraus bezahlen müsste – ich wurde schon oft von Raumfahrern betrogen, auch wenn es sich bei den meisten von ihnen um Corellianer handelte –, aber sie sagte mir, die Schachtel stamme von Coruscant. Sie entschuldigte sich dafür, dass es so lange gedauert hätte, sie hierherzubringen, und sagte, es wäre ein Geschenk von Qui-Gon Jinn.

Annie, ich war so aufgeregt, dass ich überhaupt nicht an die Schachtel dachte. Da war jemand von Coruscant, jemand der Qui-Gon gekannt hatte. Das bedeutete, dass sie dich auch kennen musste. Doch sie meinte, sie wäre nur eine Botin aus den Jedi-Hangars, die nichts über die Geschehnisse im Tempel wüsste. Ich glaubte ihr nicht, fragte sie, wer sich nun um meinen Sohn kümmerte, und schließlich erklärte sie, du seist in guten Händen und dass ich mir keine Sorgen um dich machen sollte.

Ich glaube nicht, dass sie nur eine Botin war. Auch wenn ich kein Lichtschwert an ihr entdecken konnte, hätte sie doch eine Jedi sein können – sie war so zuversichtlich. Oh, ich hoffe, sie erzählt dir von ihrem Besuch, damit du weißt, wie glücklich es mich macht, dass du deinen Träumen folgst.

Als der Eintrag endete, schimmerten Shmis Augen feucht, und Leia stellte überrascht fest, dass auch sie den Tränen nahe war. Es erschien ihr falsch, Anakin dafür zu verurteilen, dass er seinen Träumen gefolgt war – obgleich diese Träume sich für den Rest der Galaxis in einen Alptraum verwandelt hatten. Wäre Shmi doch nur bewusst gewesen, welches Schicksal vor ihrem Sohn lag … Wäre sie dann stark genug gewesen, ihm zu verbieten, dass er dem Jedi half? Stark genug, ihn zu einem Leben in Knechtschaft zu verurteilen?

Leia wusste nicht, wie sie in einer solchen Situation entschieden hätte.

19:19:11

Ach ja, die Schachtel! Darin befand sich eine Nachricht von Qui-Gon. Während er darauf gewartet hatte, dass der Jedi-Rat dich testete, hatten er und sein Padawan eine galaxisweite Suche im HoloNet durchgeführt, um …

Rauschen füllte den Bildschirm, und Shmis Stimme wurde zu einem unverständlichen Kratzen. Leia spielte den Eintrag noch ein paarmal ab, und dabei gelang es ihr, einige weitere Worte herauszuhören.

»Stell dir vor, ein Jedi wie Qui-Gon Jinn nimmt sich die … obwohl es doch bestimmt so viele Dinge gab … Aufmerksamkeit bedurften. Die Galaxis wird … glücklich, dass er in unser Leben trat.«

Schließlich gab sie es auf, nach dem Sinn des Eintrages zu forschen und hob den Kopf. Als sie sah, dass Han schief und zusammengesunken auf seinem Sattel saß, griff sie nach dem Hirtenspeer und trieb ihren Taurücken zur Eile an, doch das Tier keuchte irritiert und weigerte sich, schneller über den unebenen Untergrund zu kriechen.

Hans Kopf hob sich, ebenso wie sein Knie, und er schien zu ihr zurückzublicken, wenngleich sich das in der wabernden Luft nicht mit Gewissheit sagen ließ. Einige Sekunden kauerte er noch vornübergebeugt da, dann richtete er seinen Körper schließlich auf, und eine Sichel aus weißem Wüstenlicht erschien zwischen seinen Beinen und dem Sattel, als er aufstand, um das Steigeisen zu überprüfen, das er neu eingestellt hatte.

Nun war es Leia, die laut ihren Atem entweichen ließ, während sie den Speer wieder durch die Schlinge schob, dann zwang sie sich, ein wenig Wasser zu trinken, auch wenn es noch heißer und noch übelschmeckender war als zuvor.

18:20:12

Watto hat sich heute sehr merkwürdig benommen. Als er mich losschickte, um sein Nektarot zu besorgen, drückte er mir fünf zusätzliche Truguts in die Hand, damit ich ein wenig Pallie-Wein für uns beide kaufe – und er bestand darauf, dass ich ihn bei Naduarr hole, weil ich mir ein Glas des »guten Tropfens« verdient hätte. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte!

Wie sich herausstellte, hat er vom Besuch der Falleen erfahren und davon, dass sie mit einem Schiff von Coruscant gekommen war. Er wollte nur wissen, wie es dir geht – nun, eigentlich fragte er: »Wie viele Podrennen hat der Junge schon gewonnen?« Da habe ich ihm erklärt, dass die Jedi ihren Schülern nicht gestatten, an Podrennen teilzunehmen, und dass du große Fortschritte bei deiner Ausbildung machst.

Ich bin sicher, dass ich damit nicht übertrieben habe, Annie, und Watto schien sich über die Neuigkeit zu freuen. Manchmal glaube ich wirklich, dass er dich vermisst … auch wenn er das natürlich nie zugeben würde. Er murrt dann immer nur, dass er mittlerweile reicher als ein Hutt wäre, wenn »dieser Jedi« ihn nicht betrogen hätte.

Der Eintrag endete, und Leia fragte sich, wie Shmi nur so viel Verständnis für ihren toydarianischen Besitzer aufbringen konnte. Andererseits waren viele Beziehungen kompliziert, und sie hatte durch ihre Arbeit gelernt, dass die meisten Wesen weder schwarz noch weiß, sondern eher grau waren.

Während der nächsten Aufzeichnungen wurde schnell klar, dass Watto Anakin wirklich vermisste. Er gab zwar weiter anderen die Schuld für sein »Pech«, aber nach dem, was Shmi berichtete, beschimpfte er sie nicht mehr, ließ sie sogar den Laden führen, wenn er an Wrack-Versteigerungen teilnahm – und jede Woche gab er ihr ein paar Truguts, um bei Naduarr Pallie-Wein zu kaufen, obwohl er nur manchmal darauf beharrte, dass sie ihn gemeinsam tranken. Shmi erkannte zwar nie Wattos Recht an, sie zu besitzen, aber sie schien doch Achtung vor dem Toydarianer zu haben, und bisweilen verteidigte sie ihn, wenn Kunden sich hinter seinem Rücken über ihn beschwerten.

Nach ein paar Jahren voller Routineeinträge füllte dann plötzlich wieder ein Lächeln den Schirm, wie Shmi seit Qui-Gons Nachricht keines mehr auf den Lippen gehabt hatte.

17:06:13

Heute kam ein Siedler in den Laden, ein richtiger Hüne, ruppig und direkt. Sie senkte ihre Stimme zur Imitation eines Mannes. »Ich brauche einen Satz Verstärkerspulen für meinen SoroSuub V-vierundzwanzig«, sagte er zu Watto, »und versuch nicht, mich übers Ohr zu hauen! Ich weiß, was man sich über dich erzählt.«

Nun ahmte sie überzeugend Wattos Krächzen nach. »Dann weißt du ja, dass ich ein ehrlicher Geschäftsmann bin, der versucht, in diesem trostlosen Sandloch über die Runden zu kommen. Der V-vierundzwanzig, hm? Das ist ein Klassiker. Billig werden diese Spulen nicht, falls ich überhaupt welche habe.«

Ich habe diese Worte schon hundert Mal aus Wattos Mund gehört, aber da war etwas an diesem Siedler … vielleicht war es das Gefühl der Verzweiflung, das ihn umgab, vielleicht auch seine stolzen blauen Augen und die Art, wie er dastand – jedenfalls wollte ich ihm helfen. Also sagte ich zu Watto, dass ich erst an diesem Morgen ein ganzes Regal voller Verstärkerspulen abgewischt hatte.

»Gut«, sagte der Siedler dann. Er sah mich direkt an, und meine Knie wurden weich, so wie Amees Knie angeblich weich werden, wann immer sie Roc, Jerm oder einen anderen Jungen sieht. »Ich nehme zwei.«

Shmi begann zu kichern. Watto war so wütend, dass er eine Kiste mit Energiezellen vom Ladentisch stieß, als er herumwirbelte, um mich anzuschreien.

Leia trank ein wenig abgestandenes Wasser und vergewisserte sich, dass Han noch immer aufrecht in seinem Sattel saß, bevor sie sich wieder dem Tagebuch zuwandte. Die nächsten Einträge waren kurz. Meist wiederholte Shmi nur ihr übliches Ritual, indem sie Anakin sagte, wie stolz sie auf ihn war und wie sehr sie ihn liebte. Ein paarmal erwähnte sie auch diesen Siedler, und sie schien enttäuscht, dass sie ihn nicht wiedergesehen hatte und vermutlich auch nie wiedersehen würde – nichtsdestotrotz war sie froh, ihm geholfen zu haben.

Watto gab sich ob dieses Geschäfts überraschend philosophisch. Er meinte, dass er ohnehin nur ein paar Truguts verloren hätte und dass Shmi ihre Einmischung wiedergutmachen könnte, indem sie die Speicherchips eines gebrauchten Navicomputers für ihn säuberte. Ein paar Tage darauf zeigte sich seine Sorge um ihre Gemütslage, als er ihr den Nachmittag freigab, damit sie sich ein wenig Stoff für ein neues Gewand kaufen konnte.

Zwei Wochen später schien Shmi wieder deutlich fröhlicher auf dem Bildschirm.

23:29:15

Der Siedler war heute wieder da! Er fragte nach fünfzig Evaporator-Kühlern, aber Watto war noch immer so wütend wegen der Verstärkerspulen, dass er kein vernünftiges Angebot machen wollte, und da ist der Mann wieder gegangen.

Doch als Watto mich losschickte, sein Nektarot zu besorgen, wartete der Siedler vor der Tür auf mich. Er ging mit mir zu Naduarr. Ich war ein wenig nervös, aber er hat eine liebenswerte, umgängliche Art. Er fragte, ob ich bestraft worden wäre, weil ich ihm geholfen hatte, und entschuldigte sich, als ich ihm daraufhin von den Speicherchips des Navicomputers erzählte – obwohl das nun wirklich keine Strafe war.

Anschließend wollte er wissen, warum ich ihm denn geholfen hätte. Ich lachte und wollte schon sagen, dass es nur eine Revanche für all die Male gewesen wäre, als Watto mich angeschrien hat, aber da ist etwas an ihm, das mich davon abhielt, die Sache herunterzuspielen. Etwas an seinen Augen, das einen dazu bringt, aus seinem tiefsten Herzen zu sprechen.

Bevor ich wusste, was ich tat, hatte ich schon zugegeben, dass ich ihm vor allem geholfen hatte, weil ich ihn attraktiv fand.

Da ist er tatsächlich rot geworden! Aber er lächelte und hielt mir seine Hand hin. Er ist ein guter Mensch, Annie, und es ist so schön, einen neuen Freund zu haben. Sein Name ist Cliegg … Cliegg Lars.

Der Geist von Tatooine
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