20. Kapitel

Die Augen fest auf die blauen Linien des Frontsichtdisplays gerichtet steuerte Han den Hoverscout auf einem neuen Kurs durch die Wüste. Sie konnten die Holokarte nicht benutzen, also prägte er sich Richtung, Geschwindigkeit und Zeit ein, um im Kopf eine neue Route zur Oase zu berechnen. Diese Sache schien schwieriger zu werden, als er erwartet hatte, nun, da die Imperialen eine Rettungsmission vorbereiteten und die Tusken sie bereits im Visier hatten.

Zudem hätte er um ein Haar Leia verloren. Wäre ihr Kopf ein wenig weiter nach hinten gebeugt gewesen, hätte das Geschoss nie seine Seite der Kabine erreicht. Er blickte zu ihr hinüber, nur um zu sehen, dass sie ihn mit bleichem Gesicht beobachtete. Ihre Lippen zitterten noch immer.

»Flieg vorsichtiger, Han!«, sagte sie.

Er wandte sich wieder den Linien auf der Windschutzscheibe zu. »Das war ganz schön knapp, hm?«

»Zu knapp.« Ihre Stimme war brüchig. »Sie hätten dich fast erwischt.«

»Mich? Ich bin nicht derjenige, auf den sie gezielt haben.«

»Da ist was dran.« Seltsamerweise klang ihre Stimme nun fester. »Wir müssen ein Versteck finden. Dieser TIE wird bald hier sein, und wegen unserem Gespräch mit der Schimäre habe ich allmählich auch ein ziemlich mieses Gefühl.«

»Allmählich?«, fragte Han. »Also, mir lief es dabei eiskalt den Rücken hinunter.«

Chewbacca grollte einen Kommentar von den hinteren Sitzen.

»Du hast recht«, sagte Leia. Sie streckte den Arm aus und stellte die Klimakontrolle von Hans Sturmtruppenrüstung ein. »Er hat vergessen, die Kühlung herunterzudrehen.«

Schließlich fand Han eine tiefe Schlucht. Er bremste den Hoverscout und fuhr dann mehrmals am Rand der Kluft auf und ab, um die Kreaturen zu vertreiben, die dort lauern könnten – und um das Feuer von Tusken-Räubern auf sich zu ziehen, die in der Nähe ihr Lager aufgeschlagen haben mochten. Als nichts geschah, ließ er den Gleiter in die Schlucht sinken und stellte ihn im Schatten eines großen Felsbrockens ab. Nach einem letzten Blick auf die mondbeschienenen Wände deaktivierte er sämtliche Systeme, mit Ausnahme des Blastergeschützes.

»Sieht sicher aus«, meinte Leia. »Hier unten werden die Tusken ganz bestimmt nicht nach uns suchen.«

»Es ist so sicher wie unser Bett daheim auf Coruscant«, meinte Han. »Warum siehst du dir nicht wieder das Tagebuch deiner Großmutter an? Ich will wissen, ob Watto auf ihren Trick hereingefallen ist.«

»Natürlich. Du willst mich doch nur von den Sandleuten ablenken.«

»Nein, wirklich.« Er wartete, bis sie sich vorbeugte, um das Tagebuch vom Boden aufzuklauben, dann blickte er über die Schulter zu Chewbacca, hob zwei Finger an seine Augen und bedeutete dem Wookiee, das Blastergeschütz zu bemannen. »Du bist viel zu nervös.«

»Bin ich das, ja?« Leia richtete sich auf, kaum dass Han den Kopf wieder nach vorne gedreht hatte. In der Hand hielt sie das Tagebuch, aber ihr Blick galt Chewbacca, der versuchte, unschuldig dreinzuschauen, während er sich hinter das Geschütz schob. »Ich hab’s genau gesehen – aber danke.«

Sie schaltete das Tagebuch ein und drehte den Schirm herum. Han erblickte das von der Wüste abgehärtete – aber noch immer attraktive – Gesicht einer Frau mit kastanienbraunen Augen, die ebenso schön und würdevoll wirkte, wie er sich Leia in zwanzig Jahren vorstellte. Ihre Stimme war ein Flüstern.

16:04:21

Und nun der Clou, Annie. Ich fühle mich … Nun, ich weiß nicht recht …. Mein Herz schlägt so schnell, und meine Hände zittern. Ich sollte mich nicht schuldig fühlen, weil wir Watto betrügen – aber ich tue es. Vielleicht habe ich auch nur Mitleid mit ihm.

Shmis Gesicht wurde ersetzt durch das verschwommene Bild einer überfüllten Verkaufstheke. Ein paar Minuten später betrat ein stämmiger, menschlicher Farmer mit einer energieversiegelten Kiste den Aufnahmebereich. Anakins Mutter trat neben ihn und küsste ihn auf die Wange. Nachdem er die Kiste abgestellt hatte, schwebte ein dickbäuchiger Toydarianer aus dem Büro hinter der Theke und beäugte den Behälter.

»Das ist es also, hm?« Wattos Stimme war kaum hörbar. »Ich will es sehen.«

Er griff nach den Verschlüssen, doch der Farmer – das musste Cliegg Lars sein – legte seine Hand auf die Kiste.

»Erst der Preis.« Seine Stimme war tief und klar verständlich. »Dann die Linse.«

»Ich will nur die Ware überprüfen. Glaubst du etwa, ich werde ein Vermögen für eine geschlossene Kiste bezahlen?«

»Was ist mit den Konditionen?«

»Konditionen? Die Linse hat mir gehört. Ich weiß es.« Watto wandte sich an seine Sklavin. »Der Jedi hat sie dir geschickt. Ich bin schließlich nicht dumm.«

»Jetzt gehört sie Cliegg«, sagte Shmi. »Wenn du sie haben willst, musst du sie ihm abkaufen.«

Watto drehte sich wieder zu dem Farmer herum. »Also gut. Wenn die Linse echt ist und in mein Schiff passt, dann bekommst du ein Viertel des Verkaufspreises.«

Cliegg schwieg weiterhin, die Hand auf der Kiste.

»Nun sag schon etwas! Mein Käufer verlässt den Planeten in einer Stunde. Wenn die Linse bis dahin nicht installiert ist, ist sie wertlos für mich.«

»Du weißt, ich will kein Geld.«

»Shmi? Du solltest lieber das Geld nehmen. Von so einer Summe könntest du dir ein Dutzend Frauen wie sie kaufen.«

»Ich will Shmi.«

Watto dachte eine Minute darüber nach, dann sagte er: »Wie wäre es damit: Ich gebe dir ein Viertel des Verkaufspreises – und Shmi. Du kannst sie eine Woche im Monat haben.«

Cliegg hob die Kiste auf und wandte sich zum Gehen.

»Na schön! Seitdem sie dich getroffen hat, war sie ohnehin keine gute Sklavin mehr.« Watto blickte Shmi an. »Du wolltest von Anfang an bei ihm sein, nicht wahr?«

»Ja. Ich habe es dir doch gesagt.«

»Ich weiß.« Watto schien ein paar Zentimeter nach unten zu sacken, dann blickte er auf sein Chronometer. »Lass mich jetzt die Linse sehen. Ich muss mich beeilen, wenn ich den Käufer noch abfangen will, bevor er nach Pavo Prime aufbricht.«

»Erst will ich den Deaktivatorstab«, forderte Cliegg. »Und dann wirst du mir sagen, wo sich die Sprengkapsel befindet.«

»Hinter ihrem Kiefer, auf der linken Seite.« Watto tippte sich ans eigene Kinn, dann griff er unter seine Weste und holte einen kleinen, elektronischen Deaktivator hervor. Sämtliche Statuslichter waren dunkel. »Hier – aber du wirst ihn nicht brauchen. Ich habe die Sprengkapsel schon vor langer Zeit deaktiviert.«

»Was?« Shmi blieb die Luft weg. »Wann?«

»Ein paar Monate, nachdem ich den Jungen verloren hatte.« Der Toydarianer wandte sich ab, und es sah aus, als würde er über seine Augen wischen. »So betrübt, wie du warst, hatte ich Angst, du würdest dich selbst in die Luft sprengen.«

»Du meinst, ich hätte gehen können? Jederzeit?«

Watto zuckte die Achseln. »Aber du bist geblieben.«

Er reichte Cliegg den Stab, dann flatterte er zu der Kiste hinab und streckte die Hände nach den Verschlüssen aus.

»Watto!«, rief Shmi, »warte …«

Doch der Toydarianer hatte den Deckel bereits angehoben. Ein grelles Licht quoll durch den Spalt, und der Bildschirm des Tagebuchs wurde von leuchtenden Farbblitzen überzogen.

Wattos Stimme war kaum zu hören, als er schrie: »Ich bin blind! Das habt ihr …«

Der Eintrag löste sich in weißes Rauschen auf.

»Von solchen Linsen habe ich schon gehört«, sagte Han. »Sie wurden für die Photonenantriebe der alten Renatta-Schiffe benutzt. Man sagt, eine gute Tobal-Linse könnte Hitze mit fast hundertprozentiger Effizienz in Licht umwandeln.«

»Meinen Datenbanken zufolge können volle hundert Prozent erreicht werden«, warf C-3PO ein. »Abhängig von der Erfahrung des Gemmologen, der die Linse geformt hat, versteht sich.«

Herat wollte eine Frage stellen, wurde jedoch von Chewbaccas drängendem Heulen übertönt. Als Han den Kopf drehte, deutete der Wookiee auf den Himmel hinter ihnen, wo die Zwillingsemissionsspuren eines TIE-Ionenantriebes in einer geschwungenen Linie durch die Nacht streiften. Nach ihrer kleinen Darbietung war er vermutlich auf dem Weg, um sie vor den Tusken zu »retten«.

In atemloser Stille beobachteten sie, wie die Lichtpunkte jenseits der Schluchtwand verschwanden, und warteten dann weitere zwei Minuten auf die Rückkehr der Maschine. Als der Himmel dunkel blieb – oder zumindest frei von leuchtendem Ionenabfluss –, lenkte Han den Hoverscout vorsichtig zur Mündung der Kluft hinauf.

»Kann jemand etwas erkennen?« Er und Leia mussten die rissüberzogenen Fenster herunterlassen, um freie Sicht auf den Himmel zu haben. »Nehmt euch ruhig Zeit.«

Nachdem sie zehn Minuten Ausschau gehalten hatten, konnten sie schließlich sicher sein, dass der TIE verschwunden war, und so verließen sie die Schlucht und machten sich wieder auf den Weg in Richtung Oase.

Sie waren noch nicht lange unterwegs, da sagte Leia unvermittelt: »Han, vielleicht sollten wir uns in Obi-Wans Hütte verstecken und ein paar Stunden warten, bis die Dinge sich wieder beruhigt haben.«

Er zögerte, ehe er antwortete, doch nicht, weil er über den Vorschlag nachdachte, sondern weil er sich fragte, was in seine Frau gefahren war. Sie war nicht die Art Mensch, die sich von Beinahekatastrophen einschüchtern ließ.

Schließlich sagte er: »Kitster hat vielleicht nicht so viel Zeit – außerdem wird deine Chefin die Gespenster-Staffel in zweiundzwanzig Stunden zurückrufen.«

Leia nickte seufzend. »Das weiß ich. Aber da ist etwas, das ich dir sagen muss.«

In Hans Kopf schrillten die Alarmglocken. »Schon wieder?« Er blickte zu ihr hinüber, sah, dass sie auf ihrer Lippe herumkaute und auf den Boden blickte. »Jetzt? Es ist ein wenig spät, um mir zu sagen, dass du für den Provisorischen Rat ein altes Lichtschwert aus Obi-Wans Hütte besorgen sollst.«

Sie schüttelte den Kopf. »Das würde ich dir nie antun.«

»Ich weiß nicht. Es gibt immer ein zweites Mal.«

»Han, ich hatte keine Gelegenheit, es dir zu sagen.« Leia deutete auf die Windschutzscheibe, um ihn daran zu erinnern, dass er noch immer den Hoverscout steuerte. »Seit unserer Ankunft hier habe ich … nun … Machterlebnisse.«

»Machterlebnisse?«, wiederholte Han, während er sich wieder der Terrainanzeige zuwandte. »Wie meinst du das? Bist du über dem Boden schwebend aufgewacht? Hat ein Taurücken zu dir gesprochen? Hast du versehentlich mit deinem Geist einen Sandkriecher bewegt?«

Sie holte tief Luft. »Es waren Visionen – und Gefühle.«

»Meine Frau hat Halluzinationen, willst du mir das damit sagen?«

»So einfach ist es nicht, fürchte ich«, murmelte Leia. »Dieser Traum, den ich an Bord des Falken hatte? Darin sah ich Luke. Er trug Darth Vaders Maske. Zumindest glaube ich, dass es Luke war.«

Nun begann Han, sich Sorgen zu machen. »Aber es war doch nur ein Traum, oder?«

»Das dachte ich auch – bis ich dein Swoop in der Wüste liegen sah.«

»Wie meinst du das, du hast es gesehen?«

»Das Bild war direkt vor meinen Augen, wie ein Hologramm. Als die Darklighters die Maschine später fanden, sah sie ganz genauso aus.« Sie hielt inne, als wollte sie noch ein weiteres Beispiel geben, doch dann sagte sie nur: »Ich habe Machtvisionen.«

Chewbacca knurrte eine Frage.

»Was die Gefühle betrifft, bin ich mir nicht sicher«, meinte Leia. »Bestimmte Dinge hier auf Tatooine kommen mir vertraut vor … und ich bin mir sicher, dass mich die Macht leitet – oder sagen wir besser: herumschubst. Ich bin während dieser Reise schon zu oft meinem Vater begegnet, als dass es ein Zufall sein könnte.«

»Und was ist mit der Oase?«, fragte Han. »Siehst du, dass dort etwas Schlimmes passieren wird?«

»Es ist mehr ein Gefühl, dass es keine gute Idee wäre, jetzt dorthin zu fliegen.«

»Das hätte ich dir auch ohne die Macht sagen können«, meinte er. »Aber ich glaube nicht, dass wir eine andere Wahl haben – oder dass die Lage sich beruhigt, falls wir warten. Wenn der TIE uns nicht findet, werden die Imperialen Verdacht schöpfen. Und diese Tusken haben sich nicht zufällig dort draußen herumgetrieben, als wir vorbeikamen. Das war eine Nachhut. Sie sichern den Rückzug der Gruppe.«

Chewbacca grollte zustimmend. Je früher sie die Oase erreichten, desto größer waren Kitsters – und ihre eigenen – Chancen. Welche Chancen er meinte, behielt der Wookiee aber für sich.

Herat hingegen hatte eine ganz andere Idee, wie C-3PO nach einem längeren Quäken seitens ihrer Jawa-Begleiterin mitteilte.

»Sie sagt, es sei Ihre Pflicht, jetzt umzukehren und dabei zu helfen, den Sandkriecher ihres Clans von den Squibs zurückzufordern, da Ihre Versprechungen, die drei könnten den Reaktor nicht zünden, offensichtlich etwas vorschnell waren.«

»Das kann sie vergessen«, brummte Han.

»Warum ist sie so sicher, dass es ihr Sandkriecher ist, wegen dem der TIE abgedreht hat?«, fragte Leia.

Herat zwitscherte eine Antwort.

»In diesem Gebiet gibt es nur Platz für einen Clan und einen Sandkriecher«, übersetzte C-3PO.

»Na, dann werden wir sie auch später noch problemlos finden können«, entgegnete Han.

Er hielt weiter auf die Oase zu. Leias Geständnis beunruhigte ihn zwar, aber er wusste nicht, was sie sonst tun sollten. Die Squibs kannten diese Region, und es war durchaus möglich, dass sie sich zusammengereimt hatten, was mit dem Gemälde geschehen war, und sich nun ebenfalls auf dem Weg zu der Geister-Oase befanden. Was bedeutete, dass die Imperialen diesen Ort ebenfalls bald erreichen würden, sofern sie den Sandkriecher aus der Luft überwachten. Ihre beste – und wohl auch einzige – Chance bestand darin, schneller ihr Ziel zu erreichen als die anderen. Doch noch waren sie eine Stunde von dort entfernt.

Ein paar Minuten später schien Leia zu dem Schluss zu gelangen, dass er recht hatte, was den Umweg zu Kenobis Hütte anging, und so widmete sie sich wieder dem Tagebuch ihrer Großmutter. Han konzentrierte sich auf das Gelände, lauschte aber mit einem Ohr Shmis Bericht über ihren Einzug auf Clieggs Feuchtfarm. Sie hatte nur ihre Klamotten, das Tagebuch und den Droiden mitgenommen, den Anakin vor Jahren für sie gebaut, aber nie ganz fertiggestellt hatte.

Die Aufzeichnungen der nächsten sechs Monate waren sporadischer und von Datenlücken durchzogen, doch Han hörte genug, um zu erkennen, dass Shmi – obwohl sie Cliegg und auch Owen sehr liebte – Anakin mit jedem Tag mehr vermisste. Ihre nächtlichen Einträge wurden länger, waren angefüllt mit Erinnerungen an seine Kindheit, und manchmal spekulierte sie darüber, was er wohl im Jedi-Tempel trieb oder an welchen Ort in der Galaxis er gerade reiste.

Schließlich rief Leia einen Eintrag auf, der vollständig intakt war.

20:07:22

Annie, deine Mutter ist jetzt eine verheiratete Frau. Cliegg hat mir erst letzten Monat den Antrag gemacht – ich schätze, er wollte sichergehen, dass ich ihn liebte und nicht nur die Freiheit. Es war eine schlichte Zeremonie in Anchorhead. Owen war natürlich da, und ein paar von seinen und Clieggs Freunden. Kitster, Wald und Amee sind auch gekommen. Sie haben nach dir gefragt. Oh, ich wünschte, du hättest dabei sein können. Aber ich weiß, dass die Jedi das nicht erlaubt hätten, selbst wenn unsere Nachricht weitergeleitet worden wäre. Ich verstehe das – wirklich, das tue ich.

Trotzdem wäre es schön gewesen.

Obwohl er nicht eingeladen war, ist überraschenderweise auch Watto aufgetaucht. Ich dachte, er würde wütend werden, als er Owen sah, doch er kniff nur die Augen zusammen und sagte »Du!«, dann bot er Cliegg einen Rabatt auf Ersatzteile an und sagte mir, ich könnte jederzeit zurückkommen, falls das Leben auf der Farm zu hart für mich würde, weil Wald einen erbärmlichen Assistenten im Laden abgebe. Er hat noch immer keinen Käufer für das Nadelschiff gefunden – aber er verlangt auch eine Million Credits! Wer soll nur so viel Geld aufbringen?

Einen Moment wurde Shmi still, dann fuhr sie fort.

Ich vermisse dich so sehr, Anakin. Ich kann Owen nicht ansehen, ohne an dich zu denken. Es ist nicht so, als würde ich dich in ihm sehen, nein. Owen ist stark wie sein Vater, nüchtern und selbstsicher, dankbar für die einfachen Freuden und für sein Leben auf der Feuchtfarm. Deine Augen waren immer auf die Sterne gerichtet. Selbst als kleiner Junge wolltest du dich stets beweisen, wolltest du bei allem der Beste sein. Für dich wäre dieser wundervolle Ort ein Gefängnis gewesen.

Aber ich liebe euch beide über alles, und ich bin sicher, falls – nein, wenn ihr euch eines Tages trefft, werdet ihr euch großartig verstehen.

Leia rief den nächsten Eintrag auf – und fluchte.

Als Han hinüberblickte, sah er Datenlinien ohne Aufzeichnungen und Einträge, die unter elektronischem Rauschen begraben waren.

»Noch mehr Datensprünge?«

Leia nickte. »Han, verfügt das Frontsichtdisplay eines imperialen Hoverscouts über eine Netzhauterkennung.«

»Ähm, nein.«

»Nun, dann schlage ich vor, du behältst deine Augen auf den Terrainscanner gerichtet«, schnappte sie. »Ich kann da draußen nämlich überhaupt nichts erkennen.«

Er blickte wieder nach vorne und lenkte den Gleiter um einen banthagroßen Felsbrocken herum, von dem er hoffte, dass keiner der anderen ihn sehen konnte.

Leia durchstöberte weiter das Tagebuch, bis sie ein Jahr nach der letzten Aufzeichnung wieder eine Reihe intakter Einträge entdeckte. Die meisten befassten sich mit typischen Farmerthemen – Getreideanbau, die niedrige Luftfeuchtigkeit, Sorgen über die Marktpreise.

20:32:23

Der heutige Tag fing schrecklich an, Annie. Als ich in die Gewächskammer ging, sah ich, dass ich am Vorabend zu wenige Geruchskapseln verteilt hatte, und nun haben Profoggs die gesamte Tangawurzel-Ernte ruiniert. Das war zu viel für mich. Nach den trockenen Winden und den verfaulten Pallies glaube ich allmählich, ich habe einen Fluch über diese Farm gebracht. Ich habe mich einfach hingesetzt und geweint.

So hat Owen mich dann gefunden. Er ist ja so liebenswert, Annie. Er meinte, es wäre nicht meine Schuld, und dass er die Kammer am letzten Abend ebenfalls noch einmal überprüft hätte. Ich glaube ihm zwar nicht, aber es war nett, dass er es gesagt hat. Wir retteten, was noch zu retten war, und ich fragte, wie wir nur all diesen Problemen ein Ende bereiten könnten.

Weißt du, was Owen da getan hat? Er fing zwei Profoggs, hielt diese schuppigen, kleinen Biester in die Höhe und fragte, ob ich wissen wollte, wie man Profogg-Eintopf macht.

Was er mir wirklich sagen wollte, wurde mir aber erst am Abend klar, Annie. Wir drei aßen gerade den Profogg-Eintopf – er schmeckt noch scheußlicher, als der Name vermuten lässt –, und Cliegg und Owen redeten über den niedrigen Wasserpreis und darüber, dass wir aus den verdorbenen Pflanzen nicht viel Feuchtigkeit wiedergewinnen würden. Schließlich zuckte Cliegg die Achseln und meinte: »Die Farm gehört nicht uns, wir gehören der Farm.«

Daraufhin schob sich Owen einen großen Löffel Eintopf in den Mund, kaute genüsslich und sagte, dass wir die Sache aus dem falschen Blickwinkel betrachten würden – wir sollten eine Profogg-Farm gründen. Du hättest dabei sein und diesen widerlichen Eintopf essen müssen, um das zu verstehen. Jedenfalls fingen wir alle an zu lachen, und wir lachten, bis uns die Tränen kamen.

Da erkannte ich, was es wirklich bedeutet, ein Feuchtfarmer zu sein, Annie. Hier draußen kann man nicht gegen das Leben kämpfen. Man muss nehmen, was Tatooine einem gibt, und einen Weg finden, es zu nutzen.

Leia schaltete das Tagebuch aus und saß schweigend da. Han wollte gerade fragen, ob etwas nicht in Ordnung wäre, doch dann sah er, dass das Gelände vor ihnen in mehrere Schluchten auseinanderbrach – ein Zeichen dafür, dass sie sich dem Rande des Dünenmeeres näherten.

»Mein«, murmelte Leia. »Mein.«

»Was?«, fragte er.

»Nichts.« Sie schüttelte den Kopf. »Tut mir leid. Da ist nur etwas, was ich noch nicht ganz verstehe.«

»Und das wäre?«

»Bei Gelegenheit werde ich es dir erzählen.«

Han linste zu ihr hinüber. Ihre Augen waren geschlossen, ihr Kopf zurückgelehnt – so als hätte ihr Geist sich an einen anderen Ort zurückgezogen.

»Mein«, flüsterte sie.

»Dein?«

Ihre Augen klappten auf, und sie deutete in die Finsternis auf ihrer Seite des Hoverscout. »Bieg hier ab!«

»Ich soll abbiegen?« Er drehte den Kopf, und als sie ihn nicht sofort anwies, wieder nach vorne zu blicken, wusste er, dass es wichtig war. »Hier?«

Sie nickte, wobei sie weiter in die dunkle Wüste hinausstarrte. »Wir müssen zu Obi-Wans Hütte.«

»Das hatten wir doch gerade erst.« Han blieb auf ihrem bisherigen Kurs. »Je früher wir die Oase erreichen …«

»Vertrau mir!« Es war keine Bitte. »Wir müssen zu Obi-Wans Hütte. Das ist die einzige Möglichkeit, Kitster und uns selbst zu retten. Dort befindet sich etwas, das wir brauchen.«

»Und was soll das sein?«, fragte Han. »Ein Ersatz-Lichtschwert? Eine Wookiee-Rüstung? Eine Artilleriekanone?«

»Ich weiß es nicht«, gestand Leia. »Aber ich habe dieses Gefühl. Ich muss ihm folgen.«

Chewbacca knurrte missbilligend.

»Ganz meine Meinung«, stimmte ihm C-3PO zu. »Ich habe seit jeher größtes Vertrauen in Prinzessin Leias Urteilsvermögen. Vor allem, wenn das bedeutet, dass wir uns nicht Hals über Kopf in einen Kampf stürzen.«

»Oh, ein Gefühl!« Han schüttelte schicksalsergeben den Kopf und lenkte den Hoverscout in Richtung von Obi-Wan Kenobis Einsiedelei. »Warum hast du das nicht gleich gesagt?«

Der Geist von Tatooine
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