17. Kapitel
Das Summen war zunächst so leise, dass Leia glaubte, die Kühlung des Tagebuches hätte vor dem Sand kapituliert. Voller Sorge, dass der Speicherschaltkreis schmelzen könnte, schaltete sie das Gerät aus, doch das Geräusch war auch weiterhin hörbar. Als sie aufblickte, sah sie, dass Han sich in seinem Sattel herumgedreht hatte und den Himmel hinter ihr beobachtete. Sie drehte ebenfalls den Kopf, wobei sie feststellte, dass Chewbacca, die Squibs und mehrere der Askajianer in ihrer Nähe – wabernde, dunkle Flecke im strahlenden Licht – bereits nach oben starrten.
Mit der Kühlung des Tagebuchs war alles in Ordnung. Es war ein TIE-Jäger, der das Summen verursachte.
Sie hob den Arm und neigte ihn in einem steilen Winkel, um die beiden Sonnen auszublenden, doch noch immer breitete sich über ihr ein zitterndes, blau-weißes Inferno aus. Sie suchte den Himmel ab, bis dunkle Flecke durch ihr Blickfeld trieben, dann schloss sie die Augen gegen den Schmerz und wandte das Gesicht ab. Wo immer der TIE auch war, sie konnte nur hoffen, dass sein Pilot und seine Instrumente ebenso von der glühenden Hitze des Großen Schotts geblendet wurden wie sie.
Ein paar Sekunden später wurde das Surren leiser, und als ihm kein Überschallknall folgte, wusste Leia, dass sie nicht entdeckt worden waren. Hätte der Jäger sie bemerkt, hätte das Summen sie entweder weiterbegleitet, während die Maschine über ihnen kreiste, um Informationen zu sammeln, oder es wäre lauter und schriller geworden, während der TIE zu einem Angriff auf sie niedersauste.
Als das Bild vor ihren Augen sich wieder geklärt hatte, aktivierte sie die Zeitmessfunktion ihres Chronometers. Falls der Sternenjäger einem Suchmuster folgte, mochte es sich als unbezahlbar erweisen, die Intervalle zwischen den Überflügen zu kennen. Nur so konnten sie darauf hoffen, dauerhaft einer Entdeckung zu entgehen. Leia schob das Tagebuch zurück in die Tasche und nahm stattdessen wieder den Hirtenspeer und die Zügel auf. Sie konnte vielleicht nichts tun, um den Taurücken schneller über das trügerische Terrain zu bewegen, doch das Heulen eines TIE-Jägers würde das Tier mit Sicherheit zur Eile antreiben.
Han schwankte nun stärker auf seinem Sattel hin und her, doch noch war er geistesgegenwärtig genug, um regelmäßig zu trinken. Innerhalb der nächsten zehn Minuten sah sie zweimal, wie er die Flasche an die Lippen hob, und sie erkannte, dass er – ebenso wie sie – den Alarm seines Chronos benutzte, um sich an diese Pflicht zu erinnern.
Der braune Wall der fernen Berge hing weiter am Horizont, und das blaue Wogen der Fata Morgana waberte noch immer wie ein schwebender See an seinem Fuße. Darunter war eine weitere Wüstenerscheinung zu sehen, ein sich windender, dunkler Streifen, der keines irdischen Ursprungs zu sein schien. Er fiel Leia erst jetzt auf – als sie das letzte Mal zu Han hinübergeblickt hatte, war er noch nicht da gewesen. Sie sah, dass dieser Streifen an einem Ende dicker und schwärzer war als am anderen, und sie fragte sich, ob es vielleicht der Schatten sein könnte, den die Schimäre aus dem Orbit auf den Großen Schott hinabwarf. Für gewöhnlich flogen Sternenzerstörer nicht so nahe an einen Planeten heran, es sei denn, die Imperialen wollten ihn bombardieren – viele ihrer wichtigen Schiffe hatten sie bereits durch Turbolaserbeschuss von der Oberfläche verloren –, doch dieser neue Admiral hatte bereits bewiesen, dass er alles andere als gewöhnlich war.
Das Summen ertönte wieder, diesmal laut genug, um jegliche Zweifel über seinen Ursprung auszuräumen. Leia überprüfte ihr Chrono und stellte fest, dass seit dem letzten Überflug vierzehn Minuten vergangen waren, anschließend schirmte sie ihre Augen ab und blickte nach oben. Es dauerte ein paar Sekunden, doch dann entdeckte sie schließlich das blaue Leuchten des Ionenabflusses, das dicht über dem Horizont dahinglitt und immer wieder flackerte, als Ströme aufsteigender Luft es verzerrten. Wenn sie Glück hatten, blieb ihnen noch ein Überflug, bis der TIE nahe genug heran war, um sie zu entdecken.
Leia blickte sich um und versuchte herauszufinden, welcher der wabernden Umrisse vor ihr Borno war. Er hatte sie gewarnt, dass er im Falle eines Kampfes keine andere Wahl hätte, als sie an die Imperialen auszuliefern, und sie sah keine Möglichkeit, wie sie sich hier auf freiem Feld vor ihren Häschern verstecken könnten. Zudem würde es einige Vorteile mit sich bringen, wenn sie die Karawane verließen: Ohne die Taurücken konnten sie sich unter den Felsbrocken verbergen und so auch einer Sensorabtastung aus nächster Nähe entgehen – und wenn die Askajianer ohne sie weiterzogen, konnten sie die Sturmtruppen vielleicht überzeugen, dass es keine besondere Bewandtnis mit der plötzlichen Kursänderung der Karawane auf sich hatte.
Doch wo immer Borno auch war, er schien kein Interesse daran zu haben, sie zurückzulassen. Vielleicht sah er dieselbe Schwäche in Leias Plan, die auch ihr selbst bewusst war. Ohne die Askajianer würden sie und ihre Begleiter keinen Tag in dieser Wüste überleben. Vermutlich dachte er, dass ihre Chancen selbst in imperialer Gefangenschaft besser standen. Die verstreute Karawane setzte ihren Weg mit derselben gemächlichen Geschwindigkeit fort, während der TIE hinter ihnen durch den Himmel pflügte, und Han schwankte in seinem Sattel, als er zum Horizont zurückblickte.
Leia wollte sehen, wie es ihm ging, und versuchte, ihre Echse näher an sein Reittier heranzubugsieren. Ihr Taurücken ging für ganze zwei Schritte in einen Trott über, dann warf er sie beinahe ab, als eines der Packtiere auf dem felsigen Grund das Gleichgewicht verlor und stolperte. Nach diesem Zwischenfall weigerten sich die Echsen, schneller zu gehen, ganz gleich wie oft Leia sie auch mit dem Hirtenspeer anstupste.
Das ferne Summen des TIE-Jägers verhallte im Nichts, und sie setzte den Zeitzähler ihres Chronos auf null zurück. Vierzehn Minuten, wenn sie Glück hatten. Das war nicht viel Zeit. Wenn sie und die anderen Nicht-Askajianer die Karawane nicht jetzt sofort verließen, bliebe ihnen keine Zeit, sich einzugraben und zu verstecken. Doch wie konnte sie die anderen über ihren Plan informieren, ohne ein Risiko einzugehen und ihr Komlink zu benutzen? Die Karawane schob sich zwei weitere Minuten gemächlich dahin, dann hörte – und spürte – sie ein tiefes Brummen, dem Laut nicht unähnlich, der die auseinanderpreschenden Taurücken wieder zusammengeführt hatte.
Hans Tier, ebenso wie die Echsen von Chewbacca und den Squibs, gingen in einen unbeholfenen Galopp über und stürmten stolpernd und taumelnd nach vorne. Leias Reittier wollte ihrem Beispiel folgen, blieb dann aber stehen, als es erkannte, dass es noch immer an die beiden anderen Taurücken gebunden war. Es zischte wütend und schüttelte den Kopf. Die Askajianer begannen, ihre Packtiere loszumachen, und mehr und mehr Echsen rannten hinter Han und den anderen her. Verwirrt – und in der Hoffnung, dass Borno einen Plan verfolgte und sie nicht einfach nur Hals über Kopf die Flucht ergriffen – drehte Leia sich herum, um die beiden Echsen zu befreien, die an ihrem Sattel festgebunden waren. Kaum, dass sie den zweiten Knoten gelöst hatte, gingen die drei Tiere in einen ungestümen Trott über.
Der Hirtenspeer schlug gegen einen Fels und wurde ihr aus der Hand gerissen, und im Laufe der nächsten Sekunden hing sie weit nach hinten gebeugt auf ihrem Sattel und versuchte, ihre Füße in den Steigbügeln zu halten, während sie nach einer der Halteschlaufen tastete. Die Hitze machte aus diesem schwierigen Unterfangen ein beinahe unmögliches, und als sie den Knoten schließlich zu fassen bekam, waren die Gläser ihrer Brille so beschlagen, dass sie nichts mehr sehen konnte.
Leia hatte kaum genug Kraft, sich wieder in eine aufrechte Position zu ziehen, und ihr drehte sich alles vor Hitze und Erschöpfung. Sie hob ihre Brille an, damit das Kondenswasser in Tatooines trockener Luft verdunsten konnte, und als sie sie wieder über ihre Augen schob, sah sie, dass die schattenhafte Linie vor ihnen zu einem gewaltigen Keil aus Dunkelheit herangewachsen war. In der Überzeugung, die Schimäre hätte sich vor die beiden Sonnen geschoben, blickte sie über die Schulter.
Doch über ihr waren nur die beiden brennenden Kugeln.
Sie wandte sich wieder nach vorne. Die Karawane strömte vor ihr zusammen, wobei die Packtiere die Reitechsen überholten. Die Askajianer blieben ihnen aber dicht auf den Fersen, und auch Chewbacca hielt mit ihnen mit. Han und die Squibs fielen hingegen rasch zurück, wobei die drei pelzigen Wesen sich nur durch akrobatische Körperbeherrschung im Sattel hielten. Han war nach vorne gesackt, hatte beide Arme um den Hals seines Taurückens geschlungen. Leia stieß ihrer Echse die Hacken in die Flanken und schlug ihr mit der Hand auf den Nacken, damit das Tier sie in Hans Richtung trug, doch es schien die Hiebe nicht einmal zu bemerken.
Plötzlich verschwanden die Taurücken vor ihr.
Zunächst glaubte Leia, sie wären einfach nur weit genug davongezogen, um hinter dem schimmernden Schleier der Hitze zu verblassen, doch als ihr Tier weiterhastete, stellte sie fest, dass die anderen Echsen größer und deutlicher wurden, bevor sie aus ihrem Blickfeld verschwanden. Der Schatten unterhalb der Fata Morgana wuchs indes weiter heran, und nun schien es, als würden die Taurücken alle in derselben Entfernung davon verschwinden.
Nein, sie verschwanden nicht einfach so – sie rannten eine Schräge hinab. Erst verschwanden ihre Beine, dann ihre Leiber und ihre Schädel und schließlich auch ihre Reiter, als die ersten Askajianer den Abhang erreichten. Nun löste sich der Schatten von der Fata Morgana und verwandelte sich in eine breite, tiefe Schlucht. Chewbacca erreichte den Rand der Schrägen und folgte den Karawanentreibern außer Sicht.
Einen Moment später kippte Han aus seinem Sattel.
Leia stemmte sich sofort gegen ihre Steigbügel. Sie riss ihren Schal nach unten und schrie: »Chewie! Warte!«
Ihre trockene Kehle brachte kaum mehr als ein lautes Krächzen zustande, doch zumindest einer der auf- und abhüpfenden Squibs drehte sich zu ihr herum. Leia deutete auf die Stelle, wo Han gestürzt war – zwischen den verschwommenen Felsen konnte sie seinen Körper nicht länger sehen.
»Han ist von seinem Taurücken gefallen!« Ihre Stimme war brüchig und viel zu leise. »Holt Chewie!«
Der Squib rief ihr etwas zu, das sie nicht verstehen konnte, dann sprang einer von ihnen noch etwas höher aus dem Sattel und wedelte mit den Armen, während die beiden anderen auf den Hals ihres Taurückens einschlugen, damit er wendete und zu Han zurückrannte.
Das Tier hastete weiter seinen Artgenossen nach.
Solange die Echsen ihr Brummen ausstießen, würden sie sich weder lenken noch abbremsen lassen, das wusste Leia. Sie zog einen Stiefel aus dem Steigbügel und schwang ihr Bein über den Rücken des Tieres, sodass sie nun auf Hans Seite der Echse hing. Die Gewichtsverlagerung ließ den Taurücken zur Seite stolpern, und weil sie Han nicht sah, musste sie sich plötzlich Sorgen darum machen, ihn nicht zu zertrampeln.
Da sprangen die Squibs aus ihrem Sattel. Sie breiteten ihre Mäntel aus, damit die Luft den Stoff aufblähte und ihren Sturz abfederte, doch es nutzte ihnen nichts. Einer nach dem anderen prallten sie auf dem Boden auf, wo sie von ihrer eigenen Geschwindigkeit niedergerissen wurden und sich zu überschlagen begannen.
In diesem Moment hätte Leia sie am liebsten geküsst.
Um nicht denselben Fehler zu begehen wie die Squibs, hielt sie nach einem sandbedeckten Fleck Ausschau, ehe sie auch den anderen Stiefel aus dem Steigbügel zog, sich abstieß und die Arme über den Kopf riss.
Ihr Fuß versank bis zum Knöchel im Boden, und sie stürzte auf die Seite. Der Aufprall presste ihr die Luft aus der Lunge.
Normalerweise wäre sie schmerzverkrümmt liegen geblieben und hätte versucht, wieder Atem zu schöpfen, doch der Sand war so heiß, dass er selbst durch den schweren Mantel ihre Haut verbrannte, und sie sprang hastig auf die Beine, noch während die Pein durch ihre Schulter brandete.
Sie blickte an sich herab und stellte fest, dass ihr Arm schlaff von der Seite hing. Als sie versuchte, ihn zu heben, wäre sie vor Schmerzen beinahe zusammengebrochen.
»Stang! Vom Regen in die …« Sie blickte zum Himmel hinauf und schüttelte den Kopf. »Ich wünschte, ich würde aus dem Regen kommen.«
Emala rannte zu ihr herüber, wobei sie von Fels zu Fels sprang. Zehn Meter hinter ihr zerrten Grees und Sligh Han gerade in eine sitzende Position.
»Hast du den Verstand verloren, dass du von einem rennenden Taurücken springst?«, fragte Emala.
»Zumindest habe ich nicht versucht zu fliegen.« Leia schwang ihren tauben Arm zur Squib herum. »Hier. Du musst mir helfen.«
Emala packte den Arm mit beiden Händen … dann zog sie die Füße an und hängte ihr ganzes Gewicht an Leias Handgelenk.
Ein lautes Plopp ertönte, und die Prinzessin sank auf die Knie.
Emala schob ihr pelziges Gesicht dicht vor Leia und blickte sie durch den Vorhang ihrer Wimpern hindurch an. »Besser?«
Leia antwortete zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch. »Ich werde … dich … töten.«
»Wer soll dir dann mit deinem Mann helfen?«, fragte die Squib. Sie wirkte völlig unbeeindruckt. »Außerdem dachte ich nur an …«
»Sag es nicht! Denk es nicht einmal!« Leia stand auf und bewegte ihren Arm. Ein Stromschlag schoss durch ihren Körper, aber ihre Hand hob sich. »Trotzdem … danke.«
Sie folgte Emala zu den anderen hinüber. Sligh und Grees hatten sich jeweils einen von Hans Armen um die Schulter geschlungen.
»Was ist mit ihm?«, fragte sie.
»Er könnte ein wenig abnehmen«, meinte Grees. »Schnapp dir ein Bein und dann los!«
»Einen Moment noch.« Sie ging um Han herum, schob ihre Hand unter seinen Schal und fühlte den Puls – er war schwach und langsam, außerdem fühlte seine Haut sich so trocken wie ein Stein und glühend heiß an. »Er schwitzt nicht mehr. Das ist ein schlechtes Zeichen.«
»Sollen wir ihn hierlassen?«, fragte Sligh.
»Nein!« Leia blickte auf ihr Chronometer. »Aber wir haben nicht mehr genug Zeit, um den anderen zu folgen. Dieser TIE wird in zwei Minuten wieder hier sein.«
Die Squibs blickten zur Schlucht hinüber. Nun, da sie näher am Boden waren, schien auch der See der Fata Morgana näher zu sein. Der Rand des Canyons war indes verschwunden, nur den dunklen Schatten, der sie zuerst auf seine Existenz aufmerksam gemacht hatte, konnten sie noch sehen.
»Na und?« Grees begann, Han auf den Canyon zuzuschleifen. »Der Jäger hat uns auch vorhin nicht gesehen.«
»Diesmal wird er viel näher sein.« Leia sah sich nach etwas um, das Ähnlichkeit mit einem Unterschlupf hatte, und deutete schließlich auf den schmalen, flackernden Schatten unter einem Gesteinsblock. »Helft mir, ihn dort hinüberzubringen, dann sucht euch einen anderen Felsen und versteckt euch.«
Die Squibs blickten skeptisch drein, kamen ihrer Aufforderung aber nach und trugen Han bis dicht neben den Felsen. Der Sand war zwar auch hier alles andere als kühl, aber zumindest nicht gar so versengend heiß wie in der Sonne. Han würde keine Verbrennungen davontragen, wenn er ein paar Minuten hier lag, hoffte Leia.
Dreißig Sekunden später erklang das Summen des TIEs, und schnell schwoll es zu einem schrillen Jaulen an. Diesmal musste der Jäger wirklich dicht an ihnen vorüberfliegen, und Leia war sicher, hätte sie es gewagt, ihren Kopf hinter dem Felsen hervorzustrecken, hätte sie die Solarflügel erkennen können, die dicht über dem Horizont dahinschossen.
Während sie dem Heulen der Maschine lauschte, nahm sie Han die Brille ab und schob seinen Mantel zurück – wenngleich es ihr nicht leichtfiel, die Verschlüsse mit einer Hand zu öffnen –, dann schüttete sie das Wasser aus ihrer Flasche auf sein Gesicht und seine Kleider. So heiß sie auch war, würde die Flüssigkeit doch eine kühlende Wirkung haben, wenn sie verdunstete.
Hans Augen öffneten sich, glasig und ausdruckslos, und er krächzte: »Schon wieder ein Bad?«
»Nur eine Dusche.« Leia wusste nicht, ob er scherzte oder halluzinierte. Sie bettete seinen Kopf in ihren Schoß und nahm die Flasche von seinem Gürtel. »Kannst du etwas trinken?«
»Wenn’s ein Gizer ist.«
»Ich kann dir nur ein wenig lauwarmes Wasser anbieten.«
»Zum Glück bin ich nicht wählerisch.« Er stützte sich an ihrer Schulter ab, um sich aufzusetzen, und als sie dabei das Gesicht verzerrte, runzelte er die Stirn. »Was ist passiert?«
»Ich habe mir die Schulter ausgerenkt. Aber es ist nicht schlimm – ich kann meinen Arm noch bewegen.«
Han nickte, und erst da schien ihm das Heulen des TIEs aufzufallen. Er blickte zum Himmel empor. »Ich hoffe, es ist nicht dein Schussarm.«
»Nein.«
»Gut, dann haben wir ja nichts zu befürchten.« Er nahm die Wasserflasche und trank ein paar Schlucke, woraufhin sich sein Gesicht in eine Grimasse verwandelte. »Das nennst du lauwarm?«
Das Heulen des Sternenjägers wurde nun leiser, und Leia rief die Squibs aus ihrem Versteck herbei, doch Han wollte nicht von ihnen über die Felsen gezerrt werden und beharrte darauf, dass er aus eigener Kraft gehen könne. Leia bereute jeden Vorwand, den sie je benutzt hatte, um sich vor der Unterweisung in der Macht zu drücken. Ein Trick, um sture Ehemänner schweben zu lassen, wäre jetzt genau das Richtige.
Han schleppte sich fast ein Dutzend Schritte dahin, bevor seine Augen nach oben rollten und er wieder zusammenbrach. Leia streckte instinktiv die Arme aus – beide Arme –, um ihn aufzufangen, und nun bereute sie wirklich, dass sie ihn nicht schweben lassen konnte. Als sie die Schmerzen schließlich niedergekämpft hatte, griffen sie und Emala nach seinen Beinen, während Grees und Sligh seine Arme nahmen.
Der Fährte der Karawane über das gezackte Terrain zu folgen erwies sich als überraschend schwierig. Hier, so nahe am Boden, kochte die Luft, und die Reflektion der Sonnen war so grell, dass Leia nur ein schmerzhaft intensives Glühen sah, als sie nach Spuren Ausschau hielt. Der Schatten wurde so zu ihrem einzigen, groben Anhaltspunkt. Schon bald erkannten sie, dass ihr zügiges Dahintrippeln zu schnell war, denn bereits nach einer Minute schwankten sie ob der Hitze und der Erschöpfung, und nach drei Minuten mussten sie anhalten, um sich auszuruhen und zu trinken.
»Wie weit … ist es noch?« Grees formte mit den Händen einen Trichter vor seiner Schutzbrille und blickte in die wabernde Luft. »Es wirkte so nahe?«
»Am Boden ist der Effekt der Fata Morgana noch stärker.« Was sie während ihres militärischen Trainings bei den Rebellen gelernt hatte – dass in einer Wüste Entfernungen für gewöhnlich dreimal so weit waren, wie sie erschienen –, behielt sie jedoch für sich. »Wir werden die Schlucht bald erreichen.«
Die Squibs blickten sie an, als hätte sie ihnen gesagt, es würde gleich regnen, dann steckten sie ihre Flaschen ein und hoben wieder Hans Körper an. Diesmal bewegten sie sich langsamer als zuvor, und fünf Minuten später schälte sich schließlich wieder der Schatten aus der Fata Morgana heraus und wurde zur Schlucht.
Sligh hielt inne und hob den Arm, wobei er beinahe Han fallen gelassen hätte. »Wo will denn dieser Wookiee hin?«
Leia blickte in die Richtung, in die sein Finger deutete, und sah einen wabernden Turm aus Fell, der hinter ihnen durch die Wüste rannte. Sie ließ Hans Bein los und winkte.
»Chewbacca!« Als er stehen blieb und zu ihnen herumwirbelte, fügte sie etwas leiser hinzu: »Beeil dich!«
Ein paar Sekunden später war er bei ihnen, mit glasigen Augen und einem fröhlichen Brüllen auf den Lippen. Auch er schwankte.
Leia überprüfte ihr Chrono. »Chewie, wir haben noch vier Minuten, bevor …«
Doch da hatte der Wookiee sich Han bereits über die Schulter geworfen und sich wieder dem Canyon zugewandt. Die Squibs hüpften hinter ihm her, und Leia folgte ihnen in einem gemächlichen Trott, von dem sie hoffte, ihn trotz der Hitze halten zu können. Doch nach zwei Minuten taumelte sie nur noch und war in Schweiß gebadet. Der Vorhang des glühenden Waberns hatte sich inzwischen geteilt und den Blick auf die goldenen Wände der Sandsteinschlucht freigegeben, die in einer Reihe felsiger Terrassen und schattiger Überhänge in den Wüstenboden hinabsanken. Jenseits des Canyons war die Fata Morgana zu einem schmalen blauen Band zusammengeschrumpft, das über den gezackten Hängen am Fuße der braunen Berge lag.
Leias Puls hämmerte in ihren Ohren, und sie wurde langsamer, bis sie schließlich nur noch ging. Der Rand der Schlucht lag zwanzig Meter vor ihr. Sie hatte mehr als genug Zeit, ihn zu erreichen – sofern sie nicht zusammenbrach.
Ihr Blickfeld verdunkelte sich von den Rändern aus, und sie nahm die Flasche vom Gürtel. Sie kam ihr merkwürdig leicht vor, und da erinnerte sie sich daran, was sie mit ihrem letzten Rest Wasser getan hatte.
Ihre Schulter pochte, kurz darauf drehte sich alles in ihrem Kopf, und dann klingelten auch noch ihre Ohren. Halt, nein, nicht ihre Ohren! Ihr Handgelenk. Das Klingeln war der Alarm des Chronos. Sie hatte noch eine Minute.
Ihr Blickfeld schmolz zusammen, und sie fühlte sich, als müsste sie ersticken. Sie riss sich den Schal vom Gesicht und rannte los, um Chewbacca und die Squibs einzuholen. Nun schwitzte sie nicht mehr, ihr wurde unter den hellen Sonnen von Tatooine nur immer heißer.
»Chew …« Sie konnte ihre Stimme nicht hören. »Chew …«
Es war zwecklos. Der Wookiee hatte den Rand des Hanges erreicht und wurde immer kleiner, als er ihn hinabrutschte, dann verschwanden auch die Squibs. Die Kraft wich aus Leias Beinen.
Dennoch rannte sie weiter. Drei Schritte konnte sie ihrem Körper noch abringen, dann gaben ihre Knie nach. Ihr wurde schwarz vor Augen, und sie fiel blind dem Rand der Schlucht entgegen.
Der Boden sackte unter ihr weg. Kurz fürchtete sie schon, dass sie in einer Ohnmacht versank, dass sie in Wirklichkeit im Sand vor der Schlucht lag, wo die Sensoren des TIE-Jägers sie problemlos erfassen konnten.
Einen Moment später brandeten Schmerzen durch ihre angeschlagene Schulter. Sie spürte, wie sie sich zweimal überschlug und über ein Paar weiche Körper rollte, bis sie schließlich gegen ein Bein prallte, das sich wie ein pelziger Baumstamm anfühlte. Ein leises Jaulen erfüllte ihre Ohren, und ihr erster Gedanke war, dass sie einen der Squibs verletzt hatte. Doch dann erkannte sie das immer schriller werdende Geräusch. Der TIE war zurückgekehrt.
Leia hatte das Gefühl, als würde sie eine Ewigkeit daliegen, und sie fragte sich, ob sie weit genug in die Schlucht hineingerollt war, ob der Rand der Schrägen sie verbarg.
Es schien Stunden zu dauern, bis der TIE heran war. Die grauen Schlieren vor Leias Augen verwandelten sich in ein goldenes Strahlen, dann wurde das Heulen der Triebwerke von den Felswänden um sie zurückgeworfen. Sie erkannte, dass die Flugbahn des Jägers ihn diesmal vielleicht direkt über die Schlucht hinwegführte. Ein Rebellenpilot mochte auf Nummer sicher gehen und tiefer in den Canyon eindringen, doch die Piloten des Imperiums hielten sich strikt an ihre Befehle. Sie wichen nicht von den Vorschriften ab – meistens zumindest.
Leia wartete, lauschte auf das Heulen der Maschine, das zwischen den goldenen Wänden widerhallte. Ihre Sicht wurde klarer, und als sie vor sich die Schlucht erblickte, erwartete sie beinahe, die Solarflügel und das runde Cockpit eines TIE-Jägers hinter der nächsten Biegung auftauchen zu sehen.
Doch dieser Pilot blieb weiter auf seinem vorgeschriebenen Kurs. Das Heulen seines Antriebs wurde nicht länger schriller, sondern tiefer, und sein Echo wanderte den Canyon entlang, wo es schließlich vollends verklang.
Das nächste Geräusch, das sie hörte, war Slighs wütende Stimme.
»So dankst du uns für unsere Hilfe?«, blaffte er. »Indem du versuchst, uns umzubringen?«
»Das Geschäft ist geplatzt!«, erklärte Grees. »Dir kann man nicht vertrauen.«
Leia stemmte sich in eine sitzende Position, musste sich aber sofort wieder hinlegen, als sich alles um sie herum schlagartig drehte.
Chewbaccas Gesicht tauchte über ihr auf, brummte leise.
»Mir geht es gut.« Sie stützte sich auf ihre Ellbogen. »Ich brauche nur etwas Wasser.«
Der Wookiee schnappte eine Flasche aus Emalas Händen und reichte sie Leia. Gierig trank sie, und dann, als in ihrem Kopf nicht länger alles umherwirbelte und sie es wagen konnte, sich aufzurichten, sah sie, warum die Squibs erneut ihren Vertrag aufkündigen wollten. Am Grunde der Schlucht, in den kühlen Schatten unter einem Überhang aus Sandstein so gut wie unsichtbar, ragten die hinteren Raupenketten eines Jawa-Sandkriechers auf.