12. Kapitel
Obleich sie im hinteren Teil einen Landgleiter und ein Swoop festgemacht und im vorderen Teil sechs Stühle und eine Ansammlung von Notfallsensoren mit Magnetklammern am Boden befestigt hatten, war das Marktskiff der Darklighters groß genug, um auch all den Wesen Platz zu bieten, die an dieser Suche teilnehmen würden. Darüber hinaus war es so schwer, dass es vereinzelten Böen trotzen konnte – weshalb Jula sie alle an Bord drängte und losflog, kaum dass die Windgeschwindigkeit unter hundert Stundenkilometer gefallen war.
Gavins Eltern saßen in der Pilotenkabine und gaben vor, lediglich das zu sein, was sie eigentlich auch waren: zwei Feuchtfarmer auf der Suche nach Überlebenden des Sturms. Leia und die anderen saßen im vorderen Frachtbereich – einer Kühlkammer für verderbliche Früchte –, wo sie zitternd die Sensoren im Auge behielten. Nach zwei eisigen Stunden, während derer sie nur den moschusartigen Geruch von Hubba-Kürbissen eingeatmet und die Leere der Wüste auf ihrem optischen Scanner angestarrt hatte, fühlte Leia sich gleichermaßen erschöpft und gelangweilt. Als sie zu Zeiten der Rebellion an einigen militärischen Operationen teilgenommen hatte, war es ihr ganz ähnlich ergangen, das wusste sie noch. Ein langer Flug in die Schlacht brachte die Stille in einem Soldaten zum Vorschein und ließ selbst die geselligste Frohnatur grüblerisch und schweigsam werden.
Doch sie flogen nicht in die Schlacht, und die Frage, die sie alle sich stellten, hatte nichts damit zu tun, wie sie auf die Gewalt und das Chaos reagieren sollten, sondern damit, was sie finden würden, wenn sie die Hauptsuchzone erreichten – einen großen, fächerförmigen Abschnitt der Wüste, wo die Chancen, Han zu finden, laut Julas Berechnungen am besten standen. Die Squibs hatten eine umfassende Liste möglicher Verstecke aufgestellt, in denen der Corellianer während des Sturms Zuflucht finden könnte, und ein genaues Gittermuster für eine Sensorabtastung des Bereiches erstellt. Doch keiner von ihnen wusste, ob sie wirklich etwas finden würden. Die Grundlage für ihre Suchzone waren Vermutungen. Vermutungen darüber, wo Han sich aufgehalten hatte, als er per Kom Kitsters Unfall mit dem Sandkriecher meldete. Tatsächlich könnte er ebenso gut in der Nähe von Mos Eisley gestrandet sein.
Als der Sturm zurückwich, normalisierte sich auch der Kom-Verkehr wieder, dennoch widerstand Leia dem Drang, Han über ihr Komlink zu rufen. Mehrere imperiale Spionageschiffe flogen bereits Warteschleifen hoch über der Wüste, und zweifelsohne überwachten sie jeden Kanal, überprüften sie jedes Signal auf Hinweise, die ihnen den Aufenthaltsort des Killik-Zwielichts und seines Diebes verraten konnten. Han und Leia benutzten beide die beim Militär gebräuchlichen Zerhacker – eine solche Übertragung, die von einem lokalen Marktskiff stammte, würde mit größter Wahrscheinlichkeit eine Kompanie Sturmtruppen auf den Plan rufen.
Stattdessen versuchte Leia also noch einmal, sich Han in Anchorhead vorzustellen, wie er auf sie wartete, an seinem Gizer-Bier nippte und mit den Fingern auf die Tischplatte trommelte, und einmal mehr verschwand das Bild aus ihrem Kopf. Es wurde aber nicht durch ein im Sand vergrabenes Swoop ersetzt, sondern durch ein gedämpftes Heulen, das so eindeutig und echt wirkte, dass sie die Augenbrauen zusammenzog und zur Dachverkleidung hinaufblickte.
Chewbacca grollte eine Frage.
»Kannst du es nicht hören?«, fragte sie.
»Was denn?«, wollte Sligh misstrauisch wissen.
Leia neigte den Kopf. Da war ganz eindeutig ein Heulen. »TIEs.«
Die Squibs blickten erst einander, dann Chewbacca an. Der Wookiee breitete die fellbedeckten Arme aus und zuckte die Achseln. Einen Moment später erklang Julas Stimme über das Interkom.
»Deaktiviert die Sensoren! Wir haben …«
Ein ohrenbetäubendes Jaulen vibrierte durch das Dach des Skiffs, als ein TIE-Jäger dicht über ihnen hinwegflog. In der Ferne vor ihnen war zudem das Brummen eines größeren Schiffes zu hören.
Leia sah nach oben. »Das habt ihr aber gehört, oder?«
Den Squibs stand das Fell zu Berge, und Chewbaccas Nase zuckte beunruhigt.
»Also, ich habe es eindeutig gehört«, sagte C-3PO.
Das Skiff wurde langsamer, und Silya erklärte: »Wir gehen besser zu Operation Leichensack über. Ein Angriffsshuttle hat gerade eine Aufklärungseinheit abgesetzt.«
Chewbacca entrollte die Plane, die an der Decke befestigt gewesen war, und das Bild einer dunklen Wand fiel vor den Sensoren herab. Die Squibs zerrten einen Leichensack in die Nähe der Tür und kletterten gemeinsam hinein, während Leia sich in ihren eigenen legte. Chewbacca benötigte gleich zwei Säcke – einen zog er sich über die Beine, den anderen über den Oberkörper. Sie verbargen ihre Waffen unter den Hüften, wo sie aber sofort griffbereit wären.
C-3PO war der Letzte, der seine Position einnahm. Nachdem er die Innenbeleuchtung des Frachtabteils abgeschaltet und den Raum in völlige Dunkelheit getaucht hatte, deaktivierte er sich und sank gegen die Zugangstür. Ein paar Minuten später kam das Marktskiff vollends zum Stillstand. Leia konnte über Interkom hören, wie ein Sturmtruppler Jula ansprach, wenngleich seine Worte durch die Plane gedämpft wurden.
»Anchorhead-Freiwillige?«
Das stand auf dem Magnetschild, das sie an der Seite des Skiffs befestigt hatten.
»Such- und Rettungsdienst«, erklärte Jula. Über seine Stimme hinweg war das Heulen des Windes – und das Trommeln der Sandkörner gegen eine Plastoidrüstung – zu hören. »Der Sturm wird Ihnen doch wohl aufgefallen sein, oder?«
»Natürlich«, sagte der Sturmtruppler. »Nennen Sie den Grund Ihres Hierseins.«
»Das habe ich doch gerade«, brummte Jula verärgert. »Werfen Sie mal einen Blick auf die Seite des Schiffes. Such- und Rettungsdienst. Wir versuchen, Überlebende zu finden.«
»Hier werden Sie kein Glück haben«, meinte der Imperiale.
»Was ist mit diesem großen Swoop?«, wollte Jula wissen. »Irgendjemand muss ja darauf hierhergeflogen sein.«
»Das Swoop geht Sie nichts an«, sagte der Sturmtruppler. »Wie viele Überlebende haben Sie gefunden.«
»Keinen Einzigen«, antwortete Jula ungezwungen, »so wie immer.«
»Keinen Einzigen?«
»Wir suchen nach Dingen, die wir bergen können«, sagte Silya, ihre Stimme süß und zerbrechlich. »Das mit dem Rettungsdienst ist mehr ein Euphemismus.«
»Ein was?«, fragte der Sturmtruppler. »Ach, vergessen Sie’s. Wir werden Ihr Skiff durchsuchen.«
Das Interkom verstummte. Leia fluchte lautlos, dann streckte sie ihre Hand durch den Reißverschluss und brach eine der Geruchskapseln auf, die Feuchtfarmer benutzten, um Profogg-Höhlen auszuräuchern, wenn diese lästigen Tiere ihre Tunnel zu nahe an den hydroponischen Kammern gruben. Der Gestank war nicht wirklich mit dem einer menschlichen Leiche vergleichbar, aber doch abschreckend genug, um einer genaueren Inspektion des Frachtabteils vorzubeugen. Nachdem sie den Reißverschluss wieder zugezogen hatte, hielt sie den Atem an. Sie wünschte, sie könnte ihn ewig anhalten.
Die Tür des Raumes öffnete sich zischend, und C-3PO fiel dem Sturmtruppler entgegen. Der Mann fluchte durch seinen Stimmfilter, und der Droide kippte vor den Eingang – so, wie sie es beabsichtigt hatten. Als die heiße Wüstenluft hereinwehte, wurde es augenblicklich wärmer in Leias Leichensack.
»Tut mir leid«, sagte Jula. »Die Fracht muss sich gelöst haben. Einige dieser Böen sind noch immer ziemlich heftig.«
»Dieser Gestank.« Kein Luftfilter, der in einem Helm Platz fand, war stark genug, um den Geruch in dem Frachtabteil vollständig zu neutralisieren, und der Imperiale klang, als würde er das Gesicht verziehen. »Was ist das?«
»Na, was glauben Sie wohl?«, entgegnete Jula. »Wir haben ein paar Leichen gefunden … Sind nicht mehr ganz frisch.«
»Ich dachte, Sie würden nach Bergungsgütern suchen.«
»Das tun wir auch – und dabei finden wir jede Menge Leichen«, sagte Silya. »Sollen wir sie etwa einfach dort draußen liegen lassen?«
»Davon abgesehen gibt es manchmal eine Belohnung«, fügte Jula hinzu.
Der Sturmtruppler schwieg einen Moment lang. Leia musste Luft holen und war dankbar für das würgreizreduzierende Tonikum, das Silya ihr mit einem Löffel eingeflößt hatte, bevor sie aufgebrochen waren. Der Gestank blieb zwar unerträglich, aber zumindest musste sie nicht mit ihrem Körper ringen, um leise zu bleiben.
»Haben Sie auch Menschen gefunden?«, fragte der Sturmtruppler.
»Ein paar«, antwortete Jula. »Wenn Sie nach jemandem Bestimmten suchen, nur zu!«
»Das wird nicht nötig sein«, erklärte der Imperiale hastig. »Wir suchen nach einem Mann namens Kitster Banai. Hier ist ein Hologramm …«
»Nicht nötig«, sagte Jula. »Ich kenne Kitster. Aber warum glauben Sie, ihn hier draußen zu finden? Er ist nicht die Art Mensch, die …«
»Ich stelle die Fragen«, unterbrach ihn der Sturmtruppler.
»In Ordnung. Wenn Sie das glücklich macht«, brummte Jula, nur um einen Moment später bereits die nächste Frage zu stellen. »Was ist mit dem Kerl, der dieses Raketen-Swoop geflogen hat?«
Leias Puls pochte plötzlich so heftig, dass sie nur das Ende von Julas nächster Frage mitbekam.
»… den Toten abnehmen? In dieser Hitze fängt eine Leiche unglaublich schnell an zu stinken.«
Leiche! Leia musste sich zusammenreißen, um nicht hochzuschrecken. Wenn die Imperialen noch immer nach Banai suchten, dann konnte es sich bei dem Toten nur um eine Person handeln … Sie war unfähig, den Gedanken zu Ende zu verfolgen. Doch falls es stimmte, würde sie diesen Ort nicht ohne ihn verlassen. Sie konnte ihren toten Ehemann nicht in den Händen einer Einheit Imperialer zurücklassen …
»Es gibt keine Leiche«, sagte der Sturmtruppler da. »Haben Sie einen dieser Toten in der Nähe gefunden?«
»Die lagen alle zu weit entfernt, um Ihr Swoop-Pilot zu sein«, antwortete Jula.
Leia begann wieder zu atmen. Es gab also noch Hoffnung. Han war zu Fuß in der Wüste von Tatooine unterwegs, mit einer TIE-Staffel und einer Sturmtruppenkompanie auf den Fersen, doch das war keine ausweglose Situation. Nicht für Han Solo.
Neben dem Skiff fuhr Jula fort: »Die haben wir alle in der Nähe der großen Gleiterpassage gefunden. Also … Was haben Sie jetzt mit diesem Swoop-Wrack vor?«
»Die Pläne des Imperiums gehen Sie nichts an, Farmer. Was ist mit Squibs?«
Julas Stimme klang gekränkt. »Was soll mit ihnen sein?«
»Haben Sie welche eingesammelt?«
»Squibs? Himmel, nein! Niemand zahlt eine Belohnung für Squibs.«
Der Sturmtruppler machte eine kurze Pause, dann fragte er: »Und Sie sind sicher, dass Sie keine Squibs gefunden haben?«
»Ich weiß, wie ein Squib aussieht«, entgegnete Jula. »Wenn Sie mir nicht glauben, dann klettern Sie doch rein und sehen Sie sich um. Da drinnen wird es bestimmt niemanden stören.«
Die Stimme des Sturmtrupplers wurde undeutlicher, als er sich umdrehte und über den knirschenden Sand zum Heck des Skiffs ging. »Was ist im hinteren Frachtabteil?«
»Bergungsgut.« Jula ließ die Tür geöffnet, als er dem Imperialen folgte. »Wie viele Squibs sagten Sie doch gleich, suchen Sie?«
»Ich erwähnte nicht, wie viele.« Die Stimmen wurden immer leiser. »Warum?«
»Weil ich ein Swoop gefunden habe, das Sie vielleicht interessieren könnte«, erklärte Jula. »Es hat drei kleine Sitze, die vielleicht …«
Was danach gesagt wurde, war nicht mehr zu verstehen. Nicht zu sehen, was draußen vor sich ging, wurde Leia nun unerträglich, und so öffnete sie den Reißverschluss des Leichensackes gerade so weit, um hinausspähen zu können. Vor der Tür sah sie im Wirbel eines mit vierzig Stundenkilometer relativ milde dahinfauchenden Windes fünf Sturmtruppler um das Raketen-Swoop herum Wache stehen, mit dem Han davongeflogen war. Es war auf die Seite gekippt, halb in einer Düne begraben, der Bereich unter der Schutzscheibe mit Sand gefüllt.
Es lag auf derselben Seite und im selben Winkel wie auf dem Bild, das Leia im Landgleiter erschienen war. Die Düne bedeckte das Triebwerksgehäuse bis zur selben Höhe, der Sand quoll in demselben fächerförmigen Haufen aus der Auspuffgondel, türmte sich auf dieselbe Weise unter der Schutzscheibe, und vom Sitz war nur dieselbe, abgewetzte Ecke zu sehen. Die Bilder waren einander nicht nur ähnlich, sie waren identisch. Es ließ sich nicht länger leugnen – sie hatte es sich nicht nur eingebildet, hatte nicht halluziniert. Leia hatte eine Machtvision gehabt.
Es überraschte sie nicht wirklich. Schon vor langer Zeit – als Luke ihr die Wahrheit über ihren Vater erzählt hatte – war ihr klar geworden, dass viele der diplomatischen Fähigkeiten, die sie auf ihre Intuition zurückführte, tatsächlich ein Echo ihres ungeschulten Jedi-Potenzials waren. Die Vision, die sie im Cockpit des Falken gehabt hatte, fiel ihr wieder ein. Sie berührte die Macht, genau wie Luke gesagt hatte. Doch hatte er auch mit den anderen Dingen recht? Schwebte sie in ebenso großer Gefahr wie Han?
Jula Darklighter stapfte zurück in ihr Blickfeld. Gefolgt vom Anführer der Sturmtruppen und zweien seiner Männer ging er zu den Soldaten beim Swoop hinüber. Der Feuchtfarmer umkreiste die Maschine zweimal, dann beugte er sich über ihre dem Wind zugewandte Seite und starrte auf den Boden. Der Sturmtruppler stellte sich vor ihn, und seine gefilterte Stimme wollte etwas wissen, das Leia nicht hören konnte.
Jula schüttelte den Kopf. Der Imperiale verlangte nach einer Antwort, woraufhin der Farmer mit den Schultern zuckte und auf den Boden deutete. Sein Finger bewegte sich nach vorne, beschrieb eine Linie zum Horizont. Der Anführer der Sturmtruppen rief fünf seiner Männer herbei, dann ahmte er Julas Geste nach und deutete in dieselbe Richtung. Die Soldaten nickten, stiegen auf ihre Düsenschlitten und verteilten sich über die Wüste, während sie dem windwärtigen Horizont entgegenflogen.
Jula wandte sich um und stellte eine Frage bezüglich des Swoops, auf die der Sturmtruppler mit einem nachdrücklichen Kopfschütteln reagierte. Der Farmer hob die Hände und ging wieder auf das Skiff zu, noch immer dicht gefolgt vom Anführer der Soldaten.
»… Imperium dankt Ihnen für Ihre Hilfe, Bürger. Sollten Sie einen Sandkriecher oder Jawas sehen, melden Sie es umgehend.«
»Das werde ich.« Julas Tonfall war zynisch. »Ich würde die Augen aber noch weiter offen halten, wenn ich dieses Swoop bergen dürfte.«
»Ich sagte doch schon, ich habe Befehl, darauf aufzupassen, bis eine genaue Untersuchung durchgeführt wurde. Aber Sie haben meine Dienstnummer. Melden Sie sich. Ich werde mit meinen Vorgesetzten reden und ihnen mitteilen, wie überaus kooperativ Sie waren. Vielleicht können Sie es dann haben, wenn die Untersuchung abgeschlossen ist.«
Jula trat neben das Skiff und streckte die Hand nach der Tür aus. »Na schön, wenn das wirklich der einzige Weg ist.«
»Das ist es. Der einzige Weg. Und meine Vorgesetzten werden Ihrem Gesuch bestimmt wohlwollender gesinnt sein, wenn Sie uns helfen, diesen Sandkriecher zu finden.«
Jula schlug auf den Knopf. »Da bin ich mir sicher.«
Die Tür schloss sich mit einem Zischen, und das Marktskiff setzte seinen Weg fort. Das Frachtabteil erwachte zu neuem Leben, als Leia und die anderen aus ihren Leichensäcken kletterten.
»Was für ein Gestank!«, keuchte Emala. »Da wünscht man sich ja, man wäre tot.«
Sie schalteten das Licht ein, und Leia trat ohne Umweg vor das Interkom.
»Jula, das war Hans Swoop.«
»Das dachte ich mir schon«, sagte der Farmer. »Es ging ihm noch gut, als er aufgebrochen ist, also keine Sorge.«
»Warum auch?« Sie benutzte denselben zynischen Tonfall, mit dem Jula zuvor den Sturmtruppler bedacht hatte. »Wie können Sie sich da überhaupt sicher sein?«
»Ich weiß es eben«, lautete die Antwort. »Neben dem Swoop befand sich ein imperialer Ortungssender, und General Solo war schlau genug, ihn nicht zu zerstören, bevor er sich auf den Weg machte. Er wollte nicht gefunden werden.«
»Und das bedeutet, dass er nicht verzweifelt war«, fügte Silya hinzu. »Wenn ein Mensch verdurstet, will er auf jeden Fall gefunden werden.«
»In Ordnung«, sagte Leia. »Warum sind die Sturmtruppen davongeflogen? Was haben Sie auf dem Boden gefunden?«
»Nichts.«
Sie wartete auf eine genauere Erklärung. Als keine folgte, fragte sie: »Wohin fliegen sie dann?«
»Nirgendwohin.«
»Ich fürchte, Jula hat sie ein wenig hinters Licht geführt«, sagte Silya. »Er ließ sie glauben, er hätte etwas gesehen, das überhaupt nicht da war. Dann begannen sie auch, es zu sehen, und schon flogen sie davon.«
»Sie müssen ziemlich dumm sein. Selbst für imperiale Maßstäbe,« sagte Emala.
»Dabei weiß doch jeder, dass ein durstiges Wesen sich niemals gegen den Wind wendet«, ergänzte Sligh.
»Um die Wahrheit zu sagen, ich wusste es noch nicht«, gestand Leia. »Aber es ergibt einen Sinn. Jula, haben Sie etwas gefunden? Wirklich, meine ich?«
»Wichtiger ist, was ich nicht gefunden habe«, erklärte er. »Ihr sagtet, Ulda hätte das Swoop mit einer Vidkarte ausgerüstet?«
»Ja.«
»Sie ist nicht mehr da.«
Chewbacca, der gerade den Squibs dabei half, die Plane wieder aufzurollen, heulte einen Einwand. C-3POs Übersetzung war ein wenig gedehnt, da seine Systeme gerade erst wieder hochgefahren wurden. »Master Chewbacca bezweifelt, dass diese Information uns weiterhelfen kann. Solange wir nicht wissen, wohin Captain Solo aufgebrochen ist …«
»Ich wette, er will zum Jawa-Becken«, sagte Sligh.
»Um wie viel willst du wetten?«, fragte Jula.
»Jula!«, tadelte Silya. »An so einer Situation bereichert man sich nicht. Wir sind nördlich des Beckens, Grees.«
Die beiden männlichen Squibs legten die Ohren an, und Emala kicherte, woraufhin Grees sie wütend anknurrte. Schließlich fragte er: »Dann denkt ihr wohl an die Bantha-Höhlen?«
»Ich würde jedenfalls dorthin gehen«, erklärte Jula. »Was meint ihr?«
»Die Sarlacc-Gärten wären ein besserer Zufluchtsort«, sagte Sligh.
»Aber Han ist nicht aus Mos Espa«, gab Silya zu bedenken. »Woher sollte er den Mönchsbrunnen kennen?«
Leia blickte Chewbacca an, und der Wookiee stieß ein verneinendes Grollen aus. Er hatte noch nie von einem solchen Ort gehört. Han also vermutlich auch nicht.
»Dann die Bantha-Höhlen«, sagte sie. »Brunnen oder nicht – Han würde sich keinem Ort nähern, der einen Sarlacc im Namen trägt.«
Der Boden des Skiffs schien sich nach vorne zu neigen, als sie beschleunigten. »Fahrt schon mal die Sensoren hoch«, forderte Jula sie auf. »Die Imperialen wissen jetzt, dass wir hier draußen sind, sie sollten also nicht allzu aufdringlich werden, selbst wenn sie uns entdecken. Außerdem könnten wir auf etwas Hilfreiches stoßen.«
Chewbacca und die Squibs machten sich an die Arbeit. Leia griff derweil nach einem Elektrofernglas und schob die Tür des Frachtraums gerade weit genug auf, um eine klare Sicht zu haben. Obwohl der Sturm vorüber war, wehte der Wind auch weiterhin eine feine Staubwolke vor sich her, die die Sicht in Bodennähe auf wenige hundert Meter begrenzte. Der Himmel hingegen war klar und von einem so tiefen Blau, dass er beinahe violett erschien. In der Ferne vor ihnen sank die erste der Zwillingssonnen bereits einer gezackten Linie brauner Berge entgegen, wobei sie einen Fächer goldener Strahlen über die Wüste warf. Leia stellte das Fernglas auf maximales Sichtfeld und tauschte die strenge Pracht Tatooines gegen die winzige Chance ein, ihren Ehemann zu finden, indem sie den trüben Dunst nach dunklen Flecken oder scharfkantigen Umrissen absuchte, hinter denen sich ein Körper oder ein auf dem Boden liegender Ausrüstungsgegenstand verbergen mochte.
Während ihr Blick über die Landschaft schweifte, beschwor sie Hans Gesicht vor ihrem inneren Auge herauf, in der Hoffnung, es möge sich in eine Machtvision verwandeln und ihr einen Hinweis darauf liefern, wo er sich befand. Doch das Einzige, was sich veränderte, war das Bild von Han – der unverschämte, aber liebenswerte Gauner, der versuchte, sie vom Todesstern zu retten, der ernst dreinblickende Geliebte, der in Karbonit eingefroren werden sollte, der verwirrte Verehrer auf Endor, der ihr anbot, nicht im Weg zu stehen, wenn sie lieber mit Luke zusammen sein wollte – ihrem Bruder.
Chewbacca setzte sich hinter sie und blickte über ihren Kopf hinweg nach draußen, wobei er seine Hände auf ihre Schultern legte. Jede davon war so schwer wie ein voller Marschrucksack, aber Leia versuchte, sich das nicht anmerken zu lassen, denn so groß und schwer sie auch waren, boten sie ihr doch auch Trost – außerdem wusste sie, dass der Wookiee ebenso besorgt war wie sie.
Er knurrte einen Vorschlag.
»Ich versuche es ja«, sagte sie, »aber im Moment scheinen ich und die Macht nicht auf derselben Wellenlänge zu liegen.«
Chewbacca drückte ihre Schulter und brummte leise.
»Nichts ist gut, Chewie«, widersprach sie. »Ich habe Han in diese Lage gebracht. Nun muss ich ihn daraus befreien. Das bin ich ihm schuldig.«
Sie hob das Elektrofernglas wieder an die Augen, während sie weiter über die Ebene glitten. Schließlich änderte das Skiff seinen Kurs, sodass Leia nun direkt auf die Berge hinausblickte. Der Wind erstarb, und als die Staubwolke sich auflöste, wurde in einigen hundert Metern Entfernung ein schimmerndes Labyrinth brauner Canyons und gezackter Klippen sichtbar, von den dunklen Kreisen tausender großer Öffnungen überzogen wie von Pockennarben.
»Die Bantha-Höhlen?«, vermutete Leia.
»Gut geraten.« Emala trat neben sie und stellte sich auf die Zehenspitzen, um Leias Fernglas nach oben zu drücken. »Gib Bescheid, wenn du Urusais oder Skettos am Himmel kreisen siehst.«
»Und was sind Urusais und Skettos?«
»Aasfresser und Blutsauger.« Grees hielt sich nicht mit Taktgefühl auf. Vermutlich waren Squibs nicht in der Lage, dieses Konzept zu verstehen. »Wenn du sie am Himmel siehst, wäre das ein gutes Zeichen.«
»Und wenn ich sie am Boden sehe?«
»Das möchtest du nicht wissen«, meinte Sligh. »Emala wird den Boden im Auge behalten.«
Sie glitten weiter an der Gebirgskette entlang. Einmal flog ein Trio von TIEs eine Schleife über ihnen, um das Marktskiff genauer in Augenschein zu nehmen. Einen Moment lang hielt Leia sie für Urusais, doch die Sternenjäger waren bereits über sie hinweggeheult und wieder verschwunden, bevor sie Jula zurufen konnte, er solle halten. Die nächste Minute verbrachten sie mit der Frage, ob die TIEs vielleicht Sensoren an Bord hatten, die die teilweise offen stehende Tür erfassen konnten, aber die Schiffe kamen nicht zurück, und schließlich entspannten sie sich wieder.
Nur fünf Minuten nach diesem Zwischenfall entdeckte Leia einen Schwarm von Kreaturen mit ledrigen Flügeln, die über einem Spalt in der Canyonwand kreisten. Ohne das Fernglas sahen sie aus wie Flitnats. »Dort drüben, in der Schlucht!«
»Urusais«, erklärte Emala.
»Ich sehe sie.« Jula richtete das Skiff auf den Canyon aus. »Ich werde wenden und uns so nahe wie möglich an die Kluft heranbringen.«
Ein paar Sekunden später erklang ein ohrenbetäubender Knall vom Dach des Schiffes.
»Wir werden bombardiert!«, schrie C-3PO. »Wir sind verloren!«
»Das sind nur Steine, Bolzenhirn!«, schnaubte Grees. »Die Urusais verteidigen ihre Beute.«
Die Squibs zogen ihre Blaster, und nachdem Leia und Chewbacca einander einen beunruhigten Blick zugeworfen hatten, machten auch sie ihre Waffen feuerbereit. Das Donnern schwoll zu einem beständigen Grollen an, und die ersten Dellen wurden an der Decke sichtbar. Leia ließ C-3PO eine Notiz abspeichern, dass sie den Darklighters die Credits für ein neues Marktskiff schicken mussten.
Schließlich schwenkte Jula das Skiff herum und brachte es neben einer hundert Meter hohen Wand aus Fleckstein zum Stehen, die senkrecht und glatt wie eine Mauer auf Coruscant war. In ihrer Mitte klaffte die einen Meter breite Kluft, die Leia zuvor schon entdeckt hatte. Selbst durch den Spalt der geöffneten Tür konnte sie die Brise spüren, die aus dieser Schlucht wehte – sie war nicht wirklich kühl, aber doch weniger heiß als der Fels ringsum. Offensichtlich handelte es sich bei dieser Öffnung tatsächlich um eine gewundene, sandgefüllte Klamm, die sich ein ganzes Stück in den Berg hineinfraß. Im Licht der untergehenden Sonnen wirkte sie dunkel und bedrohlich.
Die Squibs drängten sich an Leia und Chewbacca vorbei.
»Wir übernehmen jetzt«, sagte Grees.
»Haltet ihr uns die Urusais vom Leib«, fügte Sligh hinzu.
Chewbacca grollte, und Leia schüttelte den Kopf.
»Wir werden auf keinen Fall hierbleiben«, machte die Prinzessin deutlich. »Mein Mann könnte dort draußen sein.«
»Wir haben nur euer Bestes im Sinn«, entgegnete Emala. »Der Wookiee wird nach drei Schritten stecken bleiben, und wir werden ganz bestimmt nicht auf euch warten, falls Han von den Jungen eines Kraytdrachen dort hineingezogen wurde.«
»Lasst die Squibs gehen«, riet Silya über die Gegensprechanlage. »Sie werden schneller vorankommen, und Geschwindigkeit könnte entscheidend sein.«
Widerstrebend knurrte Chewbacca seine Zustimmung, dann griff er nach Leias Arm, um zu verhindern, dass sie eine Dummheit beging.
Grees schlug auf den Türöffner, und die Squibs sprangen hinaus in die Kluft, wobei sie sich dicht an den Wänden hielten und immer wieder von einer Seite auf die andere huschten und über Felsbrocken hinwegsprangen, die aus dem Boden ragten.
Ein lautes Klappern wurde hörbar, als die Urusais über ihnen hinwegflogen und faustgroße Steine in die schmale Schlucht hinabfallen ließen. Leia und Chewbacca eröffneten von der Tür des Skiffs aus das Feuer und holten innerhalb von drei Sekunden ebenso viele Tiere vom Himmel. Anschließend ließ das Bombardement nach, und nun galt es nur noch, hin und wieder einen Schuss abzugeben, wenn eine der Kreaturen vorüberflog, um nachzusehen, was hier vor sich ging.
Ein paar Minuten später ertönte ein merkwürdiges, krächzendes Geräusch aus den Tiefen der Schlucht, und dann begannen die Squibs, mit wütender Stimme zu diskutieren.
»Han?« Leia machte einen Schritt auf den Felsspalt zu, doch Chewbacca hielt sie zurück – und so fest, wie seine Finger sich um ihren Arm schlossen, wusste sie, dass es keinen Sinn hatte, mit ihm zu argumentieren. »Was ist da los?«
Wieder dieses sonderbare Krächzen, wieder die Stimmen der Squibs.
»Grees? Sligh?«, rief sie. »Antwortet!«
Chewbacca fügte ein Grollen hinzu, und schließlich watschelte Sligh wieder in Sicht, wobei er von Wand zu Wand sprang, die Ohren angelegt, sein Fell bedeckt von nassem Sand. Diesmal konnte nicht einmal der Wookiee Leia zurückhalten. Sie sprang aus dem Skiff und stapfte in die sanderfüllte Kluft hinein.
»Was ist los?«, rief sie. »Was ist passiert?«
»Passiert?«, wiederholte Sligh. »Du hast einen Hutt geheiratet, das ist passiert! Denkt dein Mann denn nur an Credits?«
»Credits?«
Leia verharrte, versuchte, die Worte des Squib zu enträtseln – und dann wurde ihr plötzlich bewusst, was er sagte. Wenn Han über Credits stritt, dann war er am Leben – mehr noch: Er war bei Bewusstsein. Bei Bewusstsein und entschlossen, sich nicht übers Ohr hauen zu lassen.
Die Angst, die sie die vergangenen vierundzwanzig Stunden beherrscht hatte, verschwand, und an ihrer Stelle blieb eine Leere zurück, in die all die anderen Emotionen hineinströmten, die sie unterdrückte hatte – die Verwirrung, die Schuldgefühlte, der Zorn. Wie ein außer Kontrolle geratener Reaktorkern erreichten ihre Emotionen in einem Moment chaotischer Fusion ihren Schmelzpunkt und explodierten mit einer Geschwindigkeit und einer Wucht, die sie selbst überraschte.
»Hör zu!« Sie packte den Squib und hob ihn vor ihr Gesicht, ohne auch nur an die scharfen Zähne zu denken, die sich in seiner possierlichen, kleinen Schnauze verbargen. »Ich zahle dir, was immer du willst, nur bringt meinen Mann in das Skiff! Jetzt sofort!«
Doch ein Squib ließ sich nicht einschüchtern, auch von Leia nicht. Sligh blickte sie einfach nur an, dann hob er gelassen die Arme und begann, ihre Finger von seinem Kragen zu lösen, einen nach dem anderen.
»Ihr … Menschen … und … euer … Geld!« Er bog ihren Daumen nach hinten und ließ sich in den Sand fallen. »Wie kannst du denken, wir würden auch nur einen Credit verlangen? Das ist empörend.«
Leia starrte ihn verwirrt an. »Dann geht es also nicht ums …«
»Geld? Nur ein Jawa würde sich dafür bezahlen lassen, dass er seinen Partner rettet.« Er nahm sie bei der Hand und führte sie tiefer in die Schlucht hinein. »Er hat Angst, wir hätten ihn verraten. Er will erst herauskommen, wenn er dich sieht.«
Sie marschierten fünfzig Meter in die sanderfüllte, felsüberwucherte Schlucht hinein, und dann lag auf einmal Han vor ihnen. Sein Kopf ruhte in Emalas Schoß, und Grees benetzte seine aufgeplatzten Lippen mit Wasser. Solo sah schrecklich aus – das Gesicht war von Hitzeblasen bedeckt, die Wangen eingefallen und die Augen geschlossen und tief in den Schädel zurückgesunken. Leia ließ sich neben ihm auf die Knie fallen.
Han hob die Lider. »Leia? Bist du das?«
»Ja, Han. Ich bin hier.«
»Sicher?«
»Ganz sicher, Han.«
»Gut.« Er ließ den Kopf zurück in Emalas Schoß sinken und bedeutete Leia, sich tiefer zu ihm herabzubeugen. »Ich muss dir nämlich etwas sagen.«
Sie kam seiner Aufforderung nach. »Ja?«
Er zog sie zu sich heran, bis sich ihr Ohr neben seinem Mund befand, dann flüsterte er: »Das Killik-Zwielicht.«
»Han, mach dir darum keine Gedanken …«
»Hör zu! Sag es nicht den Squibs. Es ist …« Seine Augen klappten zu, öffneten sich einen Moment später wieder. »Es …«
»Es ist auf dem Weg nach Anchorhead«, beendete Emala den Satz. Sie wies die beiden anderen Squibs an, Hans Füße zu nehmen. »Das weiß doch jeder.«
Han schlug die Augen auf und blickte sie voll Grauen an. »Jeder weiß es?«
»Natürlich«, sagte Grees, während er ein Bein packte.
Sligh griff nach dem anderen. »Jeder Sandkriecher macht in Anchorhead Halt.«