22. Kapitel
Als der klobige Umriss des Sandkriechers hinter den Kuppen der Dünen außer Sicht verschwand, hüllte Tatoo I bereits die gesamte Weite des Westlichen Dünenmeeres in ihr goldenes Licht. Leia blickte zu Han hinauf, der auf dem Dach des Hoverscouts lag und mit dem Elektrofernglas in den Himmel hinaufstarrte.
»Er ist fort«, sagte sie. Gemeinsam mit Chewbacca, C-3PO und den Squibs warteten sie vor der Mündung eines schattigen Canyons am Rande des Dünenmeeres, ungefähr zehn Kilometer von Obi-Wans Hütte entfernt. »Tut sich etwas?«
»Da fliegt immer noch nur dieser eine TIE hinter ihm her.« Han senkte das Fernglas und rutschte vom Dach des vorderen Frachtabteils. »Sieht aus, als würde dein Plan funktionieren.«
»Falls Herat ihr Wort hält«, warf C-3PO vom Beifahrersitz aus ein. »Ich persönlich empfinde es nie als ratsam, einem Jawa zu vertrauen.«
Chewbacca, der neben dem Droiden hinter dem Steuer des Hoverscouts kauerte, knurrte fragend. »Das hat nichts damit zu tun«, sagte C-3PO. »Ich habe keinen Moment lang geglaubt, dass Prinzessin Leia mich zu einem Teil des Handels machen würde.«
»Ziemlich selbstsicher für einen Droiden«, meinte Han, ehe er sich Leia zuwandte. »Aber mit einem hat er recht: Herat geht ein großes Risiko ein. Vielleicht kommt sie zu dem Entschluss, dass es zu groß ist.«
»Kommt darauf an«, sagte Sligh. Er und Grees saßen auf der Rückbank, wo sie an den Kom-Einheiten zweier Sturmtruppenhelme arbeiteten, die sie in der Höhle an sich genommen hatten. »Habt ihr sie denn auch schon hintergangen?«
»Wir haben niemanden hintergangen«, erklärte Leia. »Ihr wart diejenigen, die das Geschäft im Canyon für nichtig erklärt haben. Wir waren also nicht verpflichtet, euch den Zündungskern zurückzugeben.«
»Wo wir gerade davon sprechen, wie habt ihr es geschafft, den Reaktor zum Laufen zu bekommen?«, fragte Han.
»Die Baradium-Ladung aus einem Thermal …«
»Sligh!«, blaffte Grees. »Sie haben nicht für diese Information bezahlt.«
Der andere Squib ging sofort wieder auf die Frage über Herat ein. »Sie wird es tun. Wir haben euch ja nicht umsonst empfohlen, der Jawa statt eures Protokolldroiden ein Diagnosekit vom Falken anzubieten. Ein Quaxcon Typ Fünfzehn ist viel zu wertvoll, als dass ein Jawa dieses Angebot ausschlagen würde. Solange sie glaubt, dass ihr Wort haltet und ihr das Kit überlasst, wird sie das Risiko eingehen.«
Blechernes Rauschen drang aus dem Lautsprecher des Helms, den Grees auf seinen Schoß gelegt hatte. Der Squib drückte einen Knopf an der Kinnpolsterung, dann nickte er und blickte zu Sligh hinüber.
»Der Droide hat recht.« Er reichte Chewbacca den Helm nach vorne. »Sie haben die Einstellungen verändert. Jetzt ist es Code Blau.«
»Natürlich hatte ich recht«, sagte C-3PO. »Das imperiale Datapad hat mir versichert, dass ein Modus-Wechsel zur Standardprozedur gehört, wenn das Kommunikationsgerät verloren gegangen ist.«
Sligh änderte die Frequenz an seinem Helm und gab ihn dann ebenfalls nach vorne.
An Han gewandt meinte er: »Wir setzen großes Vertrauen in euch.«
»Warum riskiert sie dann ihr Leben?« Er deutete auf Emala, die in ihrem gelbbraunen Mantel neben Leia stand, im Arm ein Sturmtruppen-Blastergewehr, das viel zu groß für sie war, und über der Schulter einen Wasserbeutel, der vermutlich halb so viel wog wie sie selbst. »So dringend brauchen wir nun auch keine Gesellschaft.«
»Ich komme mit, um euch zur Geister-Oase zu führen«, sagte Emala. »Wir denken nur an die Abmachung.«
Obwohl Leia wusste, dass den Squibs ihre eigenen Interessen wichtiger waren als der Ausgang dieser Operation, versuchte sie nicht einmal zu widersprechen. Abgesehen von Herats Beschwerde, dass die Rückgabe des Sandkriechers allein keine angemessene Kompensation für das Risiko war, das sie einging, war dies der größte Streitpunkt ihrer überhasteten Verhandlungen gewesen. Die Squibs weigerten sich, dem Plan zu folgen, es sei denn, einer von ihnen begleitete Han und Leia zur Oase – ungeachtet der Tatsache, dass ihre Verkleidung dadurch stark an Glaubwürdigkeit verlor.
Leia nahm ihren Helm und blickte zu Emala hinab. »Ich hoffe, du kannst mit uns mithalten«, sagte sie. »Ohne temperaturregulierte Rüstung wird das ein langer, heißer Marsch.«
»Genau darum geht sie mit euch«, sagte Grees. »Sie ist die Zähste von uns.«
Emalas Ohren zuckten vor Stolz.
Han verdrehte die Augen, dann nahm er seinen Helm und tippte Chewbacca auf den Arm. »Versuch, gegen keinen Felsen zu fahren, und wenn du den Falken erreicht hast, zerkratz ja nicht …«
Der Wookiee blickte zum Himmel hinauf und grollte in gespielter Empörung.
»Han, das Schiff hat noch Brandspuren vom Angriff auf den ersten Todesstern.« Leia blickte Chewbacca an. »Zerkratz ihn, so viel du willst. Vielleicht lässt er den Vogel ja dann endlich neu lackieren.«
Chewbacca nickte enthusiastisch und aktivierte den Repulsorantrieb, dann schwebte er mit C-3PO und den beiden männlichen Squibs den Canyon hinauf, wobei er gelassen über die Schulter winkte. So verabschiedeten sich Wookiees in einer derartigen Situation; große Gesten zu machen würde bedeuten, dass man nicht glaubte, den anderen wiederzusehen.
Han legte den Arm um Leias Schulter, und gemeinsam blickten sie dem Hoverscout nach, bis er hinter einer Biegung verschwand.
»Du glaubst also wirklich, dass das funktionieren wird?«, fragte er.
»Ich weiß es nicht.« Sie blickte ihn an. »Hast du denn einen besseren Vorschlag?«
Han lächelte. »Ja.« Er schlang die Hände um ihre Hüften, zog sie zu sich heran, bis ihre Brustplatten gegeneinanderstießen, und beugte sich zu ihr hinab. »Wie wäre es damit?«
Emala stöhnte.
Leia ignorierte sie und küsste Han, bis ihr Bauch zu kribbeln begann – und dann noch ein wenig länger. Nicht, weil dies vielleicht die letzte Gelegenheit dazu sein mochte, sondern weil sie es gemeinsam durchstehen würden. Schließlich schob sie sich von Han fort und lächelte ihn an.
»Zeit zum Abmarsch, Soldat.«
Sie setzten ihre Helme auf und gingen in Richtung der Oase los, wobei Emala sich einen halben Kilometer zurückfallen ließ, um ihnen Rückendeckung zu geben – und damit man sie nicht sofort sah, sollten Han und Leia überraschend auf eine Aufklärungseinheit stoßen. Sie achteten darauf, im Schatten am Rande der Klippen zu bleiben. So schützten sie sich vor der Sonne und verringerten gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit, dass ein Spähposten – ob nun der Imperialen oder der Tusken – sie entdeckte.
Trotz der Kühleinheiten in den Rüstungen war der Marsch mühsam und lang. Han hatte in dem Sandkriecher aus Einzelteilen einen Körperpanzer zusammengebastelt, der Leia beinahe passte. Dennoch war sie gezwungen gewesen, ihn mit Tomuon-Wolle auszupolstern. Die Platten an Schienbeinen und Unterarmen waren noch immer zu lang, und jeder Schritt glich einem Kampf, ihre Knöchel, Knie und Ellbogen zu beugen. Vier Stunden lang stapften sie durch den Sand und kletterten über Felsen, ehe sie die ersten vier Kilometer zurückgelegt hatten, und als sie sich schließlich in einer schmalen Seitenschlucht in eine Nische duckten, fühlte Leia sich wund und erschöpft.
Doch sie beklagte sich nicht. Sie wusste, dass es Kitster Banai sehr viel schlechter erging als ihr – sofern er noch lebte –, und sollte es ihnen nicht gelingen, das Killik-Zwielicht rechtzeitig zu finden und Mon Mothma zu kontaktieren, dann würden zudem hunderte askajianischer Widerständler durch die Nadeln imperialer Verhördroiden Qualen erleiden, die unendlich viel schlimmer wären als ihre Schmerzen.
Emala schlich ein paar Minuten später durch die Schlucht. Ihre Bewegungen waren so unauffällig und ihr sandfarbener Mantel eine so perfekte Tarnung, dass Leia sie erst entdeckte, als die Squib schon an ihnen vorüber war. Rasch trat sie aus ihrem Versteck und winkte die pelzige Kreatur herüber. Emala wirkte noch erschöpfter als die Prinzessin, und sie seufzte matt, als sie sich in die Nische fallen ließ.
»Wie fühlst du dich, Emala?«, fragte Leia.
»Ich habe es bis hierher geschafft, oder etwa nicht? Glaubt ja nicht, ihr könnt mich hier zurücklassen …«
»Ganz ruhig«, sagte Han. »Uns liegt nur dein Wohl am Herzen.«
Emala warf ihm einen finsteren Blick aus ihren Rehaugen zu, wirkte dabei aber nur putzig. »Als ob ich euch das glauben würde. Ich kenne euch Menschen.«
»Musst du dich ausruhen?«, fragte Leia. »Chewie und die anderen sollten mittlerweile den Rand der Salzebene erreicht haben. Sie können den Canyon erst verlassen, wenn wir das Zeichen gegeben haben.«
Emala nahm einen kräftigen Schluck aus dem Wasserbeutel, der von ihrer Schulter hing, dann stand sie auf und hob ihr Blastergewehr. »Ich gebe euch Rückendeckung.«
Leia stülpte sich den Helm wieder über den Kopf, nahm eines der Komlinks, die sie an sich genommen hatten, von ihrem Allzweckgürtel und blickte Han an. Ihre eigenen zu benützen könnte die Imperialen auf ihre Fährte locken, also hatten sie entschieden, über das Kom-Netz der Schimäre zu kommunizieren und so ihren Funkverkehr zu tarnen. Mit etwas Glück würden die Imperialen den zusätzlichen Nachrichtenaustausch nicht einmal bemerken.
»Chubba! Nun klick es schon an!« Emala hob den Arm und drückte kurz auf den Sendeknopf.
Chewbacca antwortete fast sofort mit einem Doppelklick.
Leia und Han schlichen die Schlucht entlang, bis sie einen klaren Blick über das Dünenmeer hatten, dann kniete Han sich hin und hob das Elektrofernglas, um die Lage zu sondieren. Eine Minute verging, dann zwei, und Leia fragte sich langsam, ob Herat letzten Endes vielleicht nicht doch beschlossen hatte, dass das Risiko zu groß war.
Da sagte Han schließlich: »Sie fallen darauf herein.«
Er reichte ihr das Fernglas, und sie sah ein Dutzend TIEs – eine ganze Staffel – über dem Dünenmeer herabsinken. Sie aktivierte den Entfernungsmesser, woraufhin eine Eins und zwei Stellen sich ständig ändernder Ziffern erschienen.
»Einhundert Kilometer? Das kann nicht stimmen.«
»Ich tippe eher auf hundertfünfzig«, sagte Han. »Herat muss den Reaktorkern auf maximale Leistung hochgefahren haben. Sie will dieses Typ Fünfzehn unbedingt, so viel steht fest.«
»Nach dem hier hat sie es sich auch verdient.«
Sie gab ihm den Feldstecher zurück und tippte noch einmal die Sendetaste des Koms an. Diesmal antwortete Chewbacca nicht, da sie beschlossen hatten, die Kommunikation auf ein Minimum zu beschränken, um nicht unnötige Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Leia schätzte, dass er den Hoverscout gerade durch die letzten paar hundert Meter der Schlucht auf das Große Mesra-Plateau zusteuerte, dem Versteck des Falken entgegen. Falls ihre Ablenkung funktionierte, sollten die Imperialen sich ganz auf das Dünenmeer konzentrieren, bis er im regulären Verkehrsstrom zwischen Mos Espa und Mos Eisley untertauchen konnte. In etwa einer Stunde würde er das Schiff dann erreichen, und der Flug hierher zurück sollte nicht länger als drei Minuten dauern – sofern der Falke sich noch in der Schmugglerhöhle befand, wenn der Wookiee dort eintraf.
Eine Reihe von blauen Strichen blitzte in der Ferne über den Himmel.
»Sie haben das Feuer eröffnet«, meinte Han.
»Auf Herat?«, fragte Emala.
»Kann ich nicht sagen.«
»Das sind Warnschüsse.« Leia rief sich die Anordnung ins Gedächtnis, die sie auf dem Datapad gesehen hatten. »Der Kommandant der Schimäre will uns lebend, und mehr noch als das will er wissen, wo wir sind. Sie werden nicht das Risiko eingehen, den Reaktorkern zu treffen und den gesamten Sandkriecher in die Luft zu jagen.«
Zwei weitere Minuten folgten sie schweigend dem Geschehen, und Leia wartete darauf, dass Stimmen aus dem Empfänger in ihrem Helm drangen – ein Offizier, der Befehle erteilte, ein Soldat, der eine Frage stellte, irgendetwas, das Aufschluss darüber gab, wie die Schimäre auf ihr Ablenkungsmanöver reagierte. Unter normalen Umständen hätte sie auch etwas gehört, doch die beiden Kompanien in der Wüste hielten mit einer Disziplin ihre Funkstille ein, wie man sie seit den Tagen des Imperators nicht mehr bei Sturmtruppen gesehen hatte. Kein Hinweis darüber, ob ihr Plan funktionierte, drang aus dem Äther.
»Verdammt!«, sagte Han. »Wir werden das wohl auf die harte Tour machen müssen. Sie schicken bestimmt gerade eine weitere Kompanie aus dem Orbit herunter.«
Leia nickte. »Wir hätten wissen sollen, dass Verstärkung bereitstehen würde. Diese Imperialen … sie sind besser organisiert als je zuvor.«
Han steckte das Elektrofernglas ein, dann machten sie sich wieder auf den Weg in Richtung Oase, wobei die beiden Menschen fünfzig Meter vorrückten, dann Emala Deckung gaben und nach Imperialen Ausschau hielten, während die Squib zu ihnen aufschloss, und dann die nächsten fünfzig Meter vorrückten. Nach zweihundert Metern wurde das Dröhnen blökender Banthas hörbar, und so zogen sie sich tiefer in die Jundland-Wüste zurück. In der windstillen Schlucht am Rande des Dünenmeeres entlangzuschleichen war der schnellste und sicherste Weg zur Oase – doch es war auch der offensichtlichste.
Dreißig Meter weiter stießen sie auf die ersten Sturmtruppler. Die beiden Soldaten lagen auf einem Hang, ihre Waffen neben sich. Blut bedeckte ihre Rüstungen. Im Sichtschlitz eines Helmes klaffte ein Einschussloch, der andere Mann war in den Hals, in die ungeschützte Stelle zwischen Brustpanzer und Kinn getroffen worden.
»Wir haben uns wohl für die falsche Verkleidung entschieden.« Durch den Vokabulator des Helmes gefiltert klang Hans Stimme wie die jedes anderen Sturmtrupplers, den Leia je gehört hatte. »Haben wir für so etwas auch einen Plan?«
»Nicht wirklich. Kannst du den Schützen sehen?«
Han blickte mit dem Fernglas mehrere Minuten zur anderen Seite des Hügels hinüber, ehe er den Kopf schüttelte. »Nein, aber hier gibt es viele Stellen, wo man sich verstecken kann.«
»Vermutlich hat er sich zurückgezogen«, spekulierte Leia.
»Ja, vermutlich«, stimmte er zu. »Gib mir trotzdem Deckung.«
Das Blastergewehr feuerbereit erhoben rannte Han an den Leichen vorbei und duckte sich auf der anderen Seite der Senke zwischen zwei Felsen. Leia folgte ihm, dann wandte sie sich um und sah, wie Emala ihre Wange an den Helmen der Sturmtruppen rieb. Als sie damit fertig war, schlang sie sich die Ausrüstungsgürtel der Soldaten wie Patronengurte über die Schulter und trottete ebenfalls zu den Felsblöcken herüber.
Als ihr die Blicke der Solos auffielen, meinte sie: »Ich musste doch wohl sichergehen, ob sie tot waren, oder? Es hätte ja auch eine Falle sein können.«
Han schüttelte den Kopf und begann, den Hügel hinaufzuklettern, doch dann hielt er abrupt inne, als das Donnern mächtiger Repulsorantriebe von den Schluchtwänden widerhallte. Leia zog ihn zurück nach unten zwischen die Felsen, und als sie in die Richtung des Geräusches blickte, sah sie eine Staubwolke über der Kluft aufsteigen. Einen Moment später wurden die Umrisse eines gepanzerten imperialen Angriffsshuttles sichtbar, das um die Biegung herumschwebte und nur wenige Meter über ihren Köpfen hinwegflog, bevor es jenseits der Schluchtmündung verschwand.
»So hatte ich mir das schon eher vorgestellt«, sagte Leia.
Sie konnte sich beinahe bildlich vorstellen, was während der letzten Minuten an Bord von Herats Sandkriecher geschehen war. Eine Sturmtruppenkompanie hatte sich am Seil auf das Fahrzeug herabgelassen, ein Loch in die Decke geschnitten und mit einer Durchsuchung begonnen, nachdem sie die Brücke verlassen vorgefunden hatten. Auf dem unteren Frachtdeck waren sie auf einen imperialen Hoverscout gestoßen, mit defekter Holokarte und dem Transponder, der das Interesse des Schimäre-Nachrichtendienstes auf sich gezogen hatte, als er so willkürlich durchgebrannt war. Anschließend hatte jemand Herat entdeckt, eingesperrt in einem Werkzeugschrank, erleichtert, dass die Entführer den Sandkriecher verlassen hatten, und voller Dank für die Imperialen, die ihr Leben gerettet hatten – bis ihr auffiel, dass einige brandneue Düsenschlitten gestohlen worden waren. Daraufhin hatte der Offizier widerwillig die Funkstille gebrochen und gemeldet, dass die Rebellen womöglich mit diesen Spähfahrzeugen durch das Dünenmeer flüchteten.
Leia nickte zufrieden. »Sie sind darauf hereingefallen.«
»Vielleicht«, entgegnete Han. »Vielleicht soll das Shuttle auch nur eine Gruppe …«
Eine Stimme aus den Helm-Koms unterbrach ihn. »Kompanie A, kehren Sie zu Ihrem Shuttle zurück und machen Sie sich zum Abflug bereit. Kompanie B, verteilen Sie sich neu und bleiben Sie in Bereitschaft.«
»Wir sollen hierbleiben? Allein?«, fragte eine wütende Stimme. »Ich habe bereits die Hälfte meiner Kompanie an diese …«
Nun meldete sich eine andere, tiefe Stimme. »Stellen Sie etwa gerade Ihre Befehle infrage, Captain?«
Schlagartig wurde der Captain leise und unterwürfig. »N-nein, Sir. Ich habe nur um Klarstellung gebeten.«
»Ah, eine Klarstellung«, sagte die Stimme. »Ich möchte, dass sie sich neu verteilen und die Abfangposition im Dünenmeer und in den Canyons halten. Ihre Verluste sind belanglos, solange sie noch genügend Männer haben, um die Rebellen zu stellen, sofern sie einen dieser Wege nehmen. Wenn ich den richtigen Zeitpunkt für gekommen sehe, das Gemälde sicherzustellen, werde ich ihnen Verstärkung schicken. Ist das klar genug?«
»J-jawohl, Sir.«
»Sehr schön, Captain. Ab sofort wieder Funkstille für alle Einheiten. Prioritätsstufe Gelb.«
Leia blickte zu Han hinüber. »Warum zweifelst du nur immer an mir.«
»Ich bin wohl von der langsamen Sorte.«
Sie wiesen Emala an, hinter den Felsen zu bleiben, dann robbten Han und Leia den sandbedeckten Hang hinauf, ehe sie dicht unterhalb der Kuppe zu einer vorspringenden Steinplatte hinüberkrochen. Dort rutschte Han auf allen vieren in eine langgezogene, V-förmige Rinne hinein, die sie nach fast allen Richtungen abschirmen sollte. Leia gab ihm Deckung, bis er ein Stück nach unten gekrochen war und ihr bedeutete, ihm zu folgen. Den Blaster vor sich gestreckt schlich sie los – doch dann sah sie die in Fetzen gekleidete Gestalt eines Tusken-Räubers hinter Han aufspringen, den Gaffi-Stab zum Schlag erhoben.
Sie hielt inne und drehte ihr Blastergewehr herum, und im selben Moment fiel ein Schatten über die Steinplatte neben ihr. Han riss seine Waffe hoch, doch da schwang der Tusken hinter ihm bereits seinen Stab.
»Han! Hinter …«
Die Brust des Tusken explodierte in einem Blitz aus Rauch und Licht nach außen, dann zuckte ein Blasterstrahl über Hans Kopf hinweg und traf etwas links hinter Leia. Ein gewürgtes Keuchen erklang über ihr, dann verschwand der Schatten. Sie blickte über die Schulter, da zerschnitt ein dritter Lichtblitz die Luft und zerfetzte etwas rechts hinter ihr. Diesmal sah sie sich nicht um. Sie stand auf und rannte los, dann sprang sie über Han hinweg auf die andere Seite der Rinne.
Als ihr kein Gaffi-Stab den Helm zertrümmerte, erhob sie sich wieder und schob ihren Kopf über den Rand der Mulde, das Blastergewehr feuerbereit im Anschlag.
Doch alles, was sie sah, waren die drei Sandleute, die um die Steinplatte herumlagen, mit rauchenden Löchern in ihren Körpern, zwei von ihnen reglos und offensichtlich tot, während der dritte nach seinem Gaffi-Stab tastete und etwas Unverständliches vor sich hin murmelte. Han zielte über ihre Schulter und erschoss ihn.
»Niemand schleicht sich hinterrücks an meine Frau heran.«
Leia musterte die drei Krieger einen Moment lang, während sie versuchte, ihr Zittern unter Kontrolle zu bekommen, dann blickte sie zu Han hinüber. »Wer hat uns da gerade gerettet? Ist Lando etwa in der Gegend?«
»Wohl kaum.« Er deutete auf den nächsten Hügelkamm, der ungefähr zweihundert Meter entfernt aufragte. »Die Schüsse kamen von da drüben.«
Plötzlich tauchte ein Sturmtruppler aus einer Spalte auf. In der Hand hielt er etwas, das aussah wie ein zwei Meter langer Stab – ein Scharfschützengewehr. Er winkte ihnen zu, und Han erwiderte die Geste, woraufhin ein zweiter Soldat – er trug die orange Schulterplatte eines Truppenführers – ihnen bedeutete herüberzukommen. Leia hob bestätigend den Arm, dann half sie Han, die drei Leichen außer Sicht zu zerren. Anschließend drehte sie sich herum, wie um einen Gaffi-Stab aufzuheben, und wollte Emala vor dem Scharfschützen warnen.
Doch von der Squib war keine Spur zu sehen.
»Da ist ein Scharfschütze«, sagte sie dennoch. »Sei vorsichtig!«
»Glaubt nicht, dass ihr mich so leicht loswerdet«, flüsterte ein naher Fels. »Ich weiß genau, was ihr vorhabt.«
Leia wusste, dass es keinen Sinn hatte, mit Emala zu streiten, also wandte sie sich ohne ein weiteres Wort ab und folgte Han zu dem Truppenführer, wobei sie zwar darauf achteten, kein allzu leichtes Ziel für etwaige in der Umgebung verborgene Tusken abzugeben, aber nicht länger versuchten, sich zu verstecken. Sie konnten nun mindestens ein Dutzend Sturmtruppler sehen, die in ähnlicher Manier auf das Dünenmeer zumarschierten, und von ihrem Verhalten abzuweichen, würde nur Misstrauen erwecken.
»Wie sieht dein Plan aus?«, fragte sie. »Warten, bis wir nahe genug heran sind und sie dann erschießen?«
»Nur, wenn uns keine andere Wahl bleibt. Erst einmal sollten wir aber etwas anderes versuchen. Hast du noch das Datapad aus dem Hoverscout?«
Sie drehte ihm den Rücken zu, damit er es aus ihrem Gürtel ziehen konnte, dann stiegen sie weiter den Hang hinunter – wobei sie zwei weitere tote Sturmtruppler passierten – und traten dann vor den Truppenführer, der sich in einer Nische zwischen zwei Sandsteinvorsprüngen hinter eine niedrige, steinerne Brustwehr zurückgezogen hatte.
Er musterte Leia von Kopf bis Fuß, wobei ihm zweifelsohne ihre schlecht passende Rüstung und ihre geringe Größe auffiel. »Dienstnummer?«, fragte er dann.
»Er führt einen taktischen Effizientest durch«, sagte Han und deutete mit dem Daumen auf Leia. »Ich bin sein Begleitschutz.«
Der Truppenführer blickte die Prinzessin weiterhin an. »Haben Ausbilder etwa keine Dienstnummer?«
»Ich gehöre zum Kommandostab, nicht zu den Ausbildern.« Leia blickte auf die Sichtschlitze ihres Gegenübers und ließ die Worte in der Luft hängen, als wären sie Antwort genug.
Nach einem Moment wandte der Imperiale sich Han zu. »Und was ist mit Ihnen?«
»Antworten Sie nicht, Soldat!« Leia nahm Han das Datapad aus der Hand und reichte ihm ihr Blastergewehr. »Er wurde dem Kommandostab ausgeliehen, wenn Sie verstehen.«
Der Truppenführer, der ganz offensichtlich nicht verstand, hielt den Blick auf Han gerichtet.
Dieser zuckte die Achseln und breitete hilflos die Arme aus.
Der Imperiale wandte sich wieder an Leia. »Für Ihr Alter sind Sie ganz schön direkt.«
»Ihr Pflichteifer ist lobenswert«, sagte sie, ohne auf die Bemerkung einzugehen. »Ich werde mir eine Notiz machen. Wie lautet Ihre Dienstnummer?«
»ST-drei-vier-sieben.« Die Nummer kam beinahe schon reflexhaft über die Lippen des Sturmtrupplers. »Sir.«
»Danke sehr.« Leia tat so, als würde sie etwas in das Datapad eintippen. »Bis zu ihrem Abruf waren wir bei Kompanie A. Von jetzt an werden wir mit Ihnen arbeiten. Wir brauchen einen Aussichtspunkt über der Oase, so nahe am Geschehen wie möglich.«
»Sir?«
»Ich möchte dort nicht gestört werden. Meine Beurteilung unterliegt der Geheimhaltung.«
»Wie wäre es dort?« ST-347 deutete auf den vorderen Teil der Brustwehr. »Mit einem Elektrofernglas haben Sie von dort freien Blick …«
»Nahe am Geschehen, sagte ich«, wiederholte Leia ernst. »Ich muss dort sein, bevor Kompanie A das Gebiet verlassen hat, Sie verstehen.«
Der Imperiale seufzte durch seinen Vokabulator. »Nahe am Geschehen, hm?« Er richtete den Finger auf das Datapad. »Das sollten Sie einstecken – und halten Sie Ihren Kopf unten – die Tusken scheinen unsere Helmlinsen für Zielscheiben zu halten.«
Als sie bereit waren, führte ST-347 sie zur Hügelkuppe hinauf, dort legte er sich auf den Bauch und kroch vor ihnen her, bis das Lager in Sicht kam. Zu Leias Überraschung lag es weit draußen im Sand, ein Flecken felsigen Bodens am Fuße der ersten gewaltigen Düne. Sie konnte die pelzigen Umrisse herumstampfender Banthas und die kleinen Kuppeln der Tusken-Hütten erkennen, doch mehr ließ sich mit bloßem Auge nicht ausmachen.
»An der Spitze der Düne dort drüben wären Sie natürlich noch näher dran«, sagte der Truppenführer. »Aber da Sie bei Kompanie A waren, kommen Sie ja gerade von dort.«
»Komisch, von dort drüben sahen diese Hügel sehr viel näher aus.« Leia drehte sich zu Han um. »Sagte ich Ihnen nicht, Sie sollen die Entfernung messen, Soldat?«
ST-347 warf Han über ihre Schulter hinweg einen Blick zu, wie Soldaten ihn sich wohl zuwarfen, seitdem es Offiziere gab, dann schaute er den Hang hinter ihnen hinab und befahl zwei vorbeimarschierenden Sturmtrupplern zu warten. Anschließend ruckte sein Helm wieder zu Leia herum.
»Sie können sich Sieben-acht-neun und Sechs-drei-sechs anschließen, wenn Sie möchten, Sir. Sie bringen Sie sicher dort hinüber.«
»Sehr umsichtig von Ihnen, ST-drei-vier-sieben.« Leia rutschte von der Hügelkuppe fort und stand auf, dann richtete sie den Blick ihrer Helmlinsen erneut auf Han. »Offenbar hat man mir einen unfähigen Begleitschutz zur Seite gestellt.«
Während sie die Schräge hinabging, um sich den beiden Soldaten anzuschließen, hörte sie, wie ST-347 Han fragte: »Wer ist denn dieses Kind? Einer von Pellaeons Neffen?«
»Schlimmer«, antwortete Han. »Quentons Sohn. Direkt von der Akademie.«
»Quenton hat einen Sohn?«
»Er versucht, es geheim zu halten. Kein Wunder, wenn Sie mich fragen.«
»Ich beneide Sie nicht, Soldat«, sagte ST-347. »Viel Glück dabei, ihn am Leben zu halten.«
Vierzig quälende und erschöpfende Minuten später robbten Han und Leia die letzten Meter zur Spitze der Düne hinauf. Die Sonnen glühten gnadenlos auf den Sand hinab, und obwohl sie ihre Kühleinheiten bis zum Anschlag aufgedreht hatte, fühlte sie sich, als würde sie durch eine Bratpfanne kriechen.
Ihr Blick schweifte zu Han hinüber. »Alles in Ordnung da drin?«
»Mach dir um mich keine Sorgen. Hast du Emala schon entdeckt?«
»Nein, aber ich werde mir bestimmt keine Sorgen um sie machen. Wir haben ihr gesagt, dass so etwas passieren würde.«
»Bist du da sicher?«
»Was meinst du?«
»Dass du dir keine Sorgen um sie machst?«
Sie erreichten die Kuppe und blickten an der steilen Seite der Düne entlang hinab. Zweihundert Meter unter ihnen standen dreißig mit Banthawolle bedeckte Hütten zwischen den Felsen am Rande der kleinen Oase. Auf der anderen Seite des Lagers befand sich eine etwas standfestere Behausung, zwar ebenfalls mit Wolle bedeckt, aber durch einen Rahmen aus Banthaknochen gestützt. Daneben, direkt hinter einem Bogen aus Bantharippen, türmte sich etwas auf, das wie weiße Stäbe aussah, aber Leia hatte den dumpfen Verdacht, dass es sich dabei um etwas anderes handelte. Banthas stapften ungebunden durch die Oase, doch von ihren Reitern fehlte jede Spur.
Sie nahm das Elektrofernglas und richtete es auf die Hütte neben dem Rippenbogen. Man hatte die Stoffwände mit großer Mühe im Boden verankert, und ein schlichter Riegel aus Banthaknochen hielt die Tür von außen verschlossen.
»Sieh dir die Hütte neben dem Knochenhaufen an«, sagte Han.
»Habe ich schon«, entgegnete Leia trocken. »Das ist ein Gefängnis.«
Bereits vor dem Blick durch das Fernglas, der ihr den Riegel offenbar hatte, war ihr das klar gewesen. Sie musste die Hütte nur ansehen, und schon rann ihr ein Schauder über den Rücken. Es war ein Ort der Folter und des Todes, wo Leid und Verzweiflung die Macht in solchem Maße durchdrungen hatten, dass Leia es selbst von der Spitze der Düne aus noch wahrnahm. Ihre Schulter schmerzte, und einen Moment später fühlte sie all ihre alten Wunden – vor allem diejenigen, die der Verhördroide ihres Vaters ihr auf dem Todesstern zugefügt hatte.
Sie senkte das Fernglas und wandte den Blick ab. »Das wird ein Spaß.«
»Ein Spaß? Vielleicht solltest du deine Kühleinheit überprüfen.«
»Das würde nichts bringen«, sagte sie. »Ich kann die Geschehnisse dort unten fühlen.«
»Mehr Machtgefühle?« Nicht einmal der Stimmfilter konnte Hans Beunruhigung verbergen. »Meinst du damit, du kannst spüren, was dort geschehen ist – oder was dort gerade passiert?«
Sie zuckte die Achseln. »Das kann ich nicht sagen. Ich fühle nur … Phantomschmerzen.«
»Großartig … als ob echte Schmerzen nicht schon schlimm genug wären.« Sein Kopf ruckte wieder zur Oase herum. »Vielleicht ist es Kitster. Falls er noch lebt, ist er ganz bestimmt da drin.«
Leia stellte sich Banais Gesicht vor und richtete den Blick noch einmal auf die Hütte. Die Phantomschmerzen wurden nicht stärker, aber die Oase kam ihr nun plötzlich vertrauter vor, so wie es bei Mos Espa der Fall gewesen war, nachdem sie Wattos alten Laden verlassen hatten – oder bei Shmis Unterkunft, als sie sich dort versteckt hatte.
Ihr Magen fühlte sich kalt und leer an, und einen Moment später begann sie, ein zeitloses Gefühl der Einsamkeit und der Verzweiflung zu empfinden, das der Hütte entströmte. Das Fernglas glitt ihr aus den Fingern. Abwesend sah sie zu, wie es zwanzig Meter den Hang hinabrutschte, ehe es unter einer kleinen Sandlawine verschwand.
»Leia!«, keuchte Han. Er blickte in beide Richtungen am Grat der Düne entlang, dann fragte er: »Was ist los? Ich glaube, der Captain hat gesehen, dass du dein Fernglas fallen gelassen hast.«
»Hier haben sie sie gefangen gehalten«, sagte Leia. Sie stand noch immer unter Schock. »Hier haben sie Shmi Skywalker gefoltert.«