21. Kapitel
Selbst mitten in der sternenerhellten Wüstennacht war es offensichtlich, dass Obi-Wan diesen Ort nicht nur wegen seiner Sicherheit, sondern auch wegen seiner Schönheit gewählt hatte. Mehr Haus als Hütte, stand das Gebäude auf einem Vorsprung am Rande des Westlichen Dünenmeeres, hoch genug über dem Auf und Ab der Sandhügel, um näher kommende Fahrzeuge frühzeitig zu erkennen, aber auch weit genug zurückgelagert, um nicht ständig in einen Schleier aus herumwirbelndem Staub gehüllt zu sein. Der einzige andere Zugangsweg – der Weg, auf dem Herat sie hinaufführte –, war eine schmale, gewundene Schlucht, die man von einem Fenster an der Rückseite der Hütte in ihrer ganzen Länge einsehen konnte. Mit seinen abgerundeten Linien und seinem schmucklosen Äußeren verschmolz das Gebäude so sehr mit der Landschaft – zumindest bei Nacht –, dass Leia das Haus erst erkannte, als der Hoverscout drei Meter davon entfernt war.
»Ich sehe keine Turbolaser herumliegen.« Han drehte den Gleiter herum, sodass sie im Falle eines Notfalls schnell fliehen könnten, und öffnete dann die Zugangsluken. »Wonach sollen wir suchen?«
»Ich weiß es nicht.« Das gab Leia nur ungern zu. Sie hatte gehofft, dass ihre innere Stimme deutlicher würde, wenn sie sich der Klause näherten, doch wenngleich das Gefühl, hier sein zu müssen – das Gefühl der Sicherheit –, unvermindert stark war, überkamen sie doch langsam Zweifel an ihrer Motivation. »Ich schätze, wir werden es wissen, wenn wir es gefunden haben.«
»Großartig.« Han zog seinen Blaster und winkte Chewbacca hinter das Blastergeschütz. »Vermutlich wartet da drin schon ein Kraytdrache auf uns.«
»Bbberddle awdoway tchters«, sagte Herat.
»Kenobis Haus ist zu klein für einen Kraytdrachen, aber Sie sollten sich vor Anoobas hüten«, übersetzte C-3PO. »Sofern Sie nichts dagegen haben, werde ich hier warten und dabei helfen, die Umgebung im Auge zu behalten.«
Nachdem sie das Gelände im Mondlicht überprüft hatten – wobei es außer einem alten Evaporator hinter der Hütte nicht sehr viel zu überprüfen gab –, fanden sie nur C-3PO am Blastergeschütz vor. Chewbacca kniete im hinteren Teil des Hoverscouts und hatte den Arm in den Frachtbereich hinter den Sitzen gestreckt, wo Herat in einer Ecke kauerte und etwas an ihre Brust presste. Die beiden knurrten und quäkten wütend. Die Geräusche erinnerten an kämpfende Wompratten.
Han öffnete die hintere Frachtluke, packte Herat am Nacken und zerrte sie aus dem Fahrzeug.
»Willst du die ganze Nachbarschaft wecken?«
Die Jawa brabbelte etwas und ließ ein Militär-Datapad unter ihrer Kutte verschwinden. Chewbacca knurrte sie an.
»Dreipeo?«, rief Leia.
Der Droide starrte weiterhin zum Himmel hinauf. »Wie überaus faszinierend. Prinzessin Leia …«
»Dreipeo, hör auf, die Sterne zu zählen, und tu, wofür du gebaut wurdest!« Han musste beinahe schreien, um Herat zu übertönen.
»Gewiss, Captain Solo, aber diese …«
»Dreipeo!« Er hob ihre Jawa-Begleiterin ein Stück weiter in die Höhe. »Was sagt Herat?«
»Dass sie das Datapad gefunden hat und dass es ihr gehört.« C-3PO wandte sich wieder dem Himmel zu. »Sie sollten wirklich …«
»Später, Dreipeo«, sagte Leia. »Wir geben dir Bescheid, wenn wir es hören wollen.«
Chewbacca grummelte, dass er das Gerät nur deshalb sehen wollte, weil darauf ein Bild von Han abgespeichert war. Die Jawa verstand natürlich kein Wort – und genau das war das Problem, erkannte Leia.
»Herat«, sagte sie, »wir machen dir ein Angebot.«
Ihr Zorn verrauchte augenblicklich. »M’kwat kenza?«
»Lass mich ein paar Minuten das Datapad sehen, danach kannst du es haben.«
Herat zwitscherte eine Frage.
»Sie möchte wissen, wie viel Mietgebühr dabei für sie drin wäre.«
»Wie viel würdest du denn zahlen, damit ich dich nicht fallen lasse?«, fragte Han.
Herat holte das Datapad unter der Kutte hervor und reichte es Leia. Ein paar Sekunden später war die Prinzessin bereits auf eine Nachricht mit dem Titel »Anordnung des Kommandanten TS3519, Betreff: Mutmaßliche Rebellen« gestoßen. In schneller Folge huschten Bilder von Han, Leia und Chewbacca über den Schirm.
Die Stimme eines Kommunikationsoffiziers gab währenddessen ihre Namen an.
»Der Nachrichtendienst der Schimäre hat Grund zur Annahme, dass besagte Rebellen nach dem Killik-Zwielicht suchen. Der Befehl lautet, sie lebend zu fassen. Falls ein Soldat einen von ihnen tötet, werden seinem Zug eine Woche lang sämtliche Freiheiten und einen Monat lang der Sold gestrichen. Sollte mehr als einer der Gesuchten getötet werden, summiert sich die Strafe.«
»Sie wissen also, wer wir sind«, murmelte Leia. »Das ist nicht gut.«
»Ja, aber sie werden uns nicht töten«, entgegnete Han. »Das ist gut.«
Sie lauschten dem Rest der Anordnung. »Falls die Rebellen nicht lebend gefasst werden können, lautet der Befehl, sie ungeachtet der zuvor angeführten Konsequenzen zu töten. Wer die Rebellen entkommen lässt, wird des Verrats am Imperium verurteilt und hingerichtet. Dem betreffenden Zug werden ein Jahr sämtliche Freiheiten aberkannt, und der Sold für den Rest ihres Dienstes gestrichen.«
Hans Kiefer klappte nach unten, doch einen Moment später hatte er sich wieder gefasst. »So schlecht ist das gar nicht«, meinte er. »Sie werden zögern, bevor sie schießen – das verschafft uns einen Vorteil.«
Chewbacca heulte und nickte.
Ein neues Bild erschien auf dem Datapad. Es zeigte einen standardmäßigen YT-1300-Frachter. »Der Nachrichtendienst der Schimäre vermutet, dass sie mit dem Millennium Falken reisen, einem leichten Frachter der Corellianischen Ingenieursgesellschaft, ähnlich dieser Abbildung. Das Schiff könnte getarnt sein als Regina Galas, Süße Überraschung, Fernschuss, Sonnenrecht oder ein anderes falsches Transpondersignal benutzen. Wahrscheinlich hält es sich in der Region um Mos Espa auf. Der Soldat, der dem Nachrichtendienst der Schimäre den Standort dieses Schiffes meldet, wird um zwei Ränge befördert und von allen bestehenden Strafen und Einschränkungen befreit.«
»Das ist schlecht«, meinte Han. »Wenn ihnen jemand von der Schmugglerhöhle erzählt, stecken wir in Schwierigkeiten.«
Chewbacca brummte eine Frage.
Leia überprüfte das Datum der Anordnung. »Vor zwei Tagen.«
»Dann stecken wir in Schwierigkeiten«, sagte Han.
Als der Schirm dunkel wurde, rief Leia das Verzeichnis auf, um zu sehen, ob noch weitere hilfreiche Anweisungen abgespeichert waren. Stattdessen stieß sie auf eine Nachricht, die sich auf das Killik-Zwielicht bezog.
Ein Bild des Gemäldes erschien auf dem Datapad, und ein anderer Kommunikationsoffizier erklärte, was sie bereits in Mos Espa von Wald erfahren hatten, nämlich, dass ihr Versuch, das Killik-Zwielicht zu vernichten, die Imperialen auf seine Bedeutung aufmerksam gemacht hatte.
»Unter keinen Umständen darf dieses Bild zerstört werden«, wies die Stimme an. »Jeder Soldat, der für die Beschädigung des Gemäldes verantwortlich ist, wird des Verrats schuldig gesprochen und hingerichtet. Sollte eine Einheit zulassen, dass die Rebellen mit dem Gemälde entkommen oder es zerstören, werden ihren Mitgliedern für den Rest ihrer Dienstzeit Sold und sämtliche Freiheiten gestrichen.«
»Jetzt wissen wir zumindest, wie das Imperium seine Lohnkosten senkt«, meinte Leia.
Sie wollte die Nachricht schon unterbrechen, doch Han griff über ihre Schulter und fror das Bild ein. Zunächst glaubte sie, er hätte etwas entdeckt, was ihr entgangen war, doch er starrte nur gedankenverloren auf das Bild, versuchte sich daran zu erinnern, wie es aussah, wenn man direkt davorstand. Diese Wirkung hatte das Zwielicht auf fast jeden.
»Prinzessin Leia, möchten Sie es jetzt hören?«
»Was?« Sie hatte fast vergessen, dass der Droide ihnen etwas hatte mitteilen wollen. »Ja, jetzt ist ein guter Zeitpunkt.«
C-3PO deutete zum Rand des Dünenmeeres, wo mehrere Sterne dicht über dem Horizont hingen. »Ich glaube, das dort drüben könnte ein TIE-Staffel sein.«
»TIEs?« Han setzte Herat unsanft in den Hoverscout und griff nach dem Elektrofernglas. »Wo?«
Der Feldstecher bot nur einen eingeschränkten Sichtbereich, und so entdeckte Leia die Gruppe wandernder Sterne mehrere Sekunden vor Han. Es waren sechs Lichtpunkte, die in einem gleichmäßigen Rhythmus aufblinkten und wieder verschwanden, während sie zwischen den Dünen und den gezackten Rissen der Jundland-Wüste hin- und herstreiften.
»Ich sehe sie. Zwillingsionenantrieb. Definitiv TIEs. Ungefähr fünfzehn Kilometer entfernt.« Ohne das Fernglas von den Augen zu nehmen fragte Han: »Herat, ist die Geister-Oase dort drüben?«
»Bzabzabert, uqiqi! Chichichi!«
»Sie möchte wissen, warum sie Ihnen das verraten sollte, Sie Verräter«, sagte C-3PO. »Das sage ich natürlich nur als Übersetzer. Zudem klagt sie über Schmerzen im Bein.«
Chewbacca pflückte Herat aus dem Hoverscout und hob sie über den Kopf. Einen Moment sah es so aus, als wollte er ihr nur die TIEs zeigen.
»Yuyu.«
»Das dachte ich mir.« Han wandte sich an seine Frau. »Sie wären direkt über uns hinweggeflogen. Zum Glück habe ich auf dein Gefühl vertraut.«
»Zum Glück«, erwiderte Leia.
Sie konnte nur hoffen, dass dieses Gefühl Kitster nicht das Leben kostete – oder die Neue Republik den Schattenfunk-Codeschlüssel. Andererseits hätten sie weder den einen, noch das andere retten können, wenn sie in eine Falle der Imperialen getappt wären. Sie mussten einen Weg um die Falle herum finden, bevor sie weiterflogen.
Zweifelsohne hatte der Gedanke, direkt zur Oase zu gehen, sie deshalb mit solchem Unbehagen erfüllt. Nach der Vision in der Höhle und ihrer Entscheidung, Bornos Vorschlag abzulehnen und die Karawane zu verlassen, hatte die Macht sie also einmal mehr berührt – und von drohender Gefahr fortgelenkt –, als sie über die Hochebene geflogen waren.
Nun musste sie nur noch herausfinden, warum die Macht sie zu Obi-Wans Hütte geführt hatte – schließlich war allein der Gedanke an diesen Ort mit einem starken Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit verbunden gewesen. Doch ihr blieb nicht viel Zeit.
»Sehen wir uns drinnen um«, schlug sie vor.
Han reichte Chewbacca das Elektrofernglas und bedeutete ihm, an das Blastergeschütz zurückzukehren, dann zog er seine eigene Waffe und betrat die Hütte. Als keine Schüsse ertönten, zog Leia einen Glühstab aus ihrer Tragetasche und folgte ihm.
Das Innere des kleinen Hauses mit seinen kalkgetünchten Wänden und geschwungenen Linien bestand praktisch nur aus einem Wohnraum, durch viereckige Säulen in verschiedene Bereiche unterteilt. Seit Leias letztem Besuch war die Hütte offensichtlich mehrmals durchsucht und von Dutzenden Kreaturen – intelligenten wie primitiven – als Unterschlupf benutzt worden. Der Sockel des schlichten Herdes, die Löcher in den Wänden, wo sich Wasserleitungen befunden hatten, und die Entlüftungsöffnung in der Decke zeigten an, dass jemand die Küche ausgeschlachtet hatte, zudem war sämtliches Werkzeug von der verstaubten Werkbank in der hinteren Nische verschwunden, von wo aus man auf die Schlucht hinunterblicken konnte. In der gegenüberliegenden Ecke lag eine zerfetzte Matratze, die aussah, als hätte sie kürzlich einer trächtigen Wompratte als Nest gedient. Doch nichts von alledem konnte der Aura der schlichten Behaglichkeit und der spirituellen Zuversicht Abbruch tun, die der spartanischen Einrichtung innewohnte.
Leia schritt durch die verschiedenen Bereiche des Raumes, ließ den Glühstab willkürlich über die Wände und den Schmutz streifen und versuchte, ihre Hand von der Macht leiten zu lassen. Der letzte Eintrag in Shmis Tagebuch hatte sie davon überzeugt, dass die Macht sie zu Obi-Wans Hütte lenkte und dass sie gut beraten wäre, ihr zu folgen. Die Farm gehört nicht uns, hatte Cliegg gesagt, wir gehören der Farm. Das, so glaubte Leia nun, war die Nachricht, die die Stimme in ihrer Vision ihr mitteilen wollte. Mein. Luke und Han und alles andere, was Leia für sich in Anspruch nahm, gehörte der Macht. Sie gehörte der Macht. Mein. Wie das Leben auf Tatooine ließ sich auch die Macht nicht bekämpfen. Man musste sich ihr hingeben und einen Weg finden zu nutzen, was sie einem gab. Mein.
»Schon etwas gefunden?«, fragte Han.
»Noch nicht.«
»Vielleicht ist hier auch nichts. Vielleicht hast du nur die Gefahr bei der Oase gespürt.«
»Vielleicht.« Sie versuchte, nicht weiter über das kleine, stachelige Ding nachzudenken, das gerade, von dem Glühstab aufgeschreckt, durch ein Fenster nach draußen gehuscht war. »Aber ich fühle noch immer, dass ich hier sein muss.«
»Wie meinst du das: Du fühlst es? So, wie Luke fühlt?«
»Wie kann ich wissen, was Luke fühlt«, entgegnete sie. »Ich bin keine Jedi. Aber ich glaube, es ist die Macht. Es ist zu stark, um irgendetwas anderes zu sein.«
Han nahm den Glühstab und schwenkte ihn durch den Raum. »Ich meine ja nur, dass es hilfreich wäre zu wissen, wonach wir eigentlich suchen.«
»Vielleicht«, sagte Leia. »Vielleicht auch nicht.«
Sie verbrachten die nächsten Minuten damit, die Hütte zu durchsuchen, in dunkle Ecken zu spähen und den Müll zu durchwühlen, der sich seltsamerweise in jedem verlassenen Gebäude anzusammeln scheint. Dabei entdeckten sie nur wenig Interessantes, und nichts, was Leias Gefühl gerechtfertigt hätte. Schließlich hielt Han den Glühstab vor die Löcher und leeren Stellen in der Küche, ließ das Licht in die Nischen und Regale scheinen.
»Fehlt irgendetwas?«, fragte er.
»Seine Rezepteschachtel?«
Er leuchtete ihr ins Gesicht. »Sehr witzig.« Anschließend wandte er sich dem hinteren Teil des Gebäudes zu. »Die Zisterne. Der Energiegenerator.«
Leia führte ihn zu einer verborgenen Falltür im Boden hinter der Werkbank und stieg hinab in den großen Keller. Ein Dutzend schwarzer, stachelbewehrter Dinge – so wie das, das sie oben gesehen hatte – flüchtete sich in eine Ecke und drängte sich dort zu einem großen, stacheligen Ding zusammen. Einige große, zehnbeinige Spinnen zischten und vibrierten in ihren Netzen an der Decke.
Alles, was irgendeinen Wert gehabt haben mochte, war längst von den Jawas mitgenommen oder von den Tusken zerstört worden. Der Generator fiel in erstere Kategorie, die Zisterne in letztere – ihre Abdeckung lag in drei Teile zerbrochen auf dem Grund.
»Hier ist nichts«, sagte Leia. »Gehen wir.«
Doch Han sprang in die Zisterne und bückte sich außer Sicht, sodass Leia in der Dunkelheit zurückblieb. Spinnennetze raschelten über ihrem Kopf.
»Han, ich meine es ernst. Lass uns …«
»Man möchte meinen, ein Jedi wäre etwas einfallsreicher …«
Die Teile der zerbrochenen Abdeckung landeten neben ihr auf dem Boden und ließen ein Dutzend stacheliger Dinge zurück in die Düsternis huschen.
»Han, gib mir diesen verdammten …«
»Halt mal!«
Er drückte ihr den Glühstab in die Hand, und sie schwenkte ihn automatisch über den Boden und die Decke.
»Ich meinte eigentlich, du sollst den Stöpsel beleuchten.«
»Ein Stöpsel?« Sie hielt den Stab über die Zisterne und sah, dass Han sich wieder gebückt hatte und etwas zwischen seinen Füßen betastete. Zwei klickende Geräusche ertönten, dann hob er einen dicken Plastoid-Deckel vom Boden und legte ihn beiseite. »Was hast du gefunden?«
»Den ältesten Schmugglertrick, den es gibt.« Han spähte in das dunkle Loch hinab. »Ein Geheimfach.« Er zog eine Tasche hervor, so groß wie sein Oberkörper, und reichte sie Leia. »Ist es vielleicht das, wonach du gesucht hast?«
Sie öffnete die Tasche und fand ein veraltetes Datapad und eine Sternenkarte darin, doch nichts, was ihre Empfindung der Macht veränderte. Nicht, dass sie darauf vertrauen könnte. Nur weil sie beschlossen hatte, der Macht zu folgen, bedeutete das noch lange nicht, dass hinter jedem Schauder eine Vorahnung steckte. Sie würde Luke bitten müssen, ihr beim Umgang mit diesem Gefühl zu helfen.
»Ich habe keine Ahnung«, sagte sie.
Als Han nichts Weiteres entdeckte, nahmen sie das Datapad und kehrten nach draußen zurück. Chewbacca hatte entdeckt, dass die TIEs einem Suchmuster folgten, und den Hoverscout zwischen einige Felsen gesteuert, damit er nicht so leicht zu entdecken wäre. Allerdings schienen die Imperialen noch immer genauso weit entfernt wie zuvor.
Leia aktivierte das Datapad und starrte plötzlich in Obi-Wan Kenobis graubärtiges Gesicht.
»Ich warte, mein Freund.«
»Worauf?«, fragte sie.
»Die Losung.«
»Das muss es sein«, flüsterte Han.
»›Das muss es sein‹ ist nicht die korrekte Losung«, erklärte Obi-Wans Bild.
»Möge die Macht mit dir sein«, sagte Leia.
Kenobi lächelte geduldig. »Und auch mit dir, mein Freund.« Seine Züge nahmen wieder ihren vorigen Ausdruck an. »›Möge die Macht mit dir sein‹ ist nicht die korrekte Losung.«
Leia drückte ihren Daumen auf den Mikrofonschlitz und drehte sich zu C-3PO herum. »Versuch du es!«
»Ich? Aber ich kenne die Losung nicht. Nur weil ich ebenfalls Chips in meinem …«
»Versuche, mit ihm zu reden«, sagte sie. »Wenn ich noch eine falsche Losung nenne, wird das vermutlich eine Sperre auslösen.«
»Ich verstehe, und ich werde tun, was ich kann.«
Leia zog den Daumen zurück, woraufhin C-3PO und das Datapad begannen, elektronisches Surren auszutauschen. Eine Sekunde später wurde der Bildschirm dunkel. Chewbacca grollte verächtlich.
Der Droide wandte sich um und beugte den Körper nach hinten, um zu dem Wookiee aufzublicken. »Es gibt keinen Grund, persönlich zu werden, Chewbacca. Für ein Datapad war es sehr kooperativ.«
»Wenn das kooperativ war, möchte ich nicht wissen, was ein unhöfliches Datapad tut«, meinte Han.
»Hören wir uns an, was er zu sagen hatte.« Leia sah C-3PO an. »Hast du irgendetwas Nützliches herausgefunden?«
»Eigentlich nicht, fürchte ich«, erklärte der Droide. »Das Datapad war so freundlich, mir mitzuteilen, dass Hyperraumrouten in die Unbekannten Regionen auf ihm abgespeichert sind. Meister Kenobi hatte wohl in Betracht gezogen, eine Suche nach einem sogenannten Extragalaktischen Flugprojekt zu leiten.«
»Was war das für ein Projekt?«, fragte Leia.
»Das wollte das Datapad mir leider nicht verraten«, berichtete C-3PO. »Als ich es um eine Erklärung bat, meinte es, Obi-Wans wahre Freunde würden wissen, was es ist. Anschließend hat es sich deaktiviert.«
Sie blickte Han und Chewbacca an. »Habt ihr schon einmal von einem Extragalaktischen Flugprojekt gehört?«
»Nein.« Han blickte in Richtung Oase. »Klingt aber nicht, als wäre es etwas, das uns helfen könnte, an diesen Imperialen vorbeizukommen.«
Chewbacca schüttelte ebenfalls den Kopf.
»Oh, und das Datapad würde übrigens gerne aufgeladen werden«, fügte C-3PO noch hinzu. »Es wurde schon seit Jahren nicht mehr mit frischer Energie versorgt.«
Leia schloss das Datapad ans Ladegerät des Hoverscout an – aber erst, nachdem sie Herat gewarnt hatte, dass es ihnen gehörte – und wandte sich wieder Han und dem Wookiee zu.
»Es tut mir leid.« Sie war völlig ratlos. »Ich habe keine Ahnung, warum ich euch hierhergeführt habe.«
»Ich für meinen Teil bin hocherfreut, dass wir hier sind«, verkündete C-3PO. »Andernfalls würden wir jetzt vermutlich durch eine schmale Schlucht rasen und von einer ganzen Staffel TIE-Jäger beschossen werden.«
»Da hat der Blecheimer ausnahmsweise recht.« Han legte seinen Arm um Leias Schulter. »Denken wir doch eine halbe Stunde über die Situation nach. Vielleicht fällt uns ja ein Ausweg aus dieser Klemme ein.«
»Vielleicht auch nicht.« Sie legte ihre Hand auf seine. »Aber was können wir schon tun? Das hier ist Tatooine.«
Der Morgen nahte bereits, doch sie hatten noch immer keine Lösung gefunden – tatsächlich erschien ihre Lage immer auswegloser. Fünf Minuten, nachdem Leia und die anderen sich in der Hütte hingesetzt hatten, waren zwei Angriffsshuttles in der Nähe der Oase gelandet und hatten jeweils eine Kompanie Sturmtruppen abgesetzt, eine in der Jundland-Wüste und die andere im Dünenmeer. Eine Stunde später waren dann ein paar Blasterstrahlen zu sehen gewesen – zu wenige für eine richtige Schlacht –, und anschließend waren die Shuttles und TIEs gemeinsam davongeflogen. Han vermutete, dass die Sturmtruppen rings um die Geister-Oase in Position gingen. Sie umkreisten die Tusken und warteten auf das Eintreffen der Solos.
Leia war überzeugt davon, dass ihr Mann recht hatte.
Nun saß sie neben ihm am Rande des Felsvorsprunges. Ihre Schulter pochte dumpf, aber sie fühlte sich gut genug, um mit dem Elektrofernglas Wache zu halten. Falls irgendwelche TIEs über der Oase kreisten, mussten sie sehr hoch fliegen, denn trotz vierhundertfacher Vergrößerung konnte sie nichts sehen. Hinter ihr und Han fluchte Chewbacca laut, während er versuchte, den Transponder aus der Holokarte des Hoverscout zu entfernen, ohne dabei den Alarm auszulösen. Sie wussten noch immer nicht, wie sie sich an zwei Kompanien Sturmtruppen vorbeischleichen, Kitster retten, das Killik-Zwielicht finden und anschließend lange genug überleben sollten, um Mon Mothma von ihrem Erfolg zu berichten. Was sie jedoch wussten, war, dass sie die Holokarte brauchen würden, und das wiederum bedeutete, dass der Transponder ausgebaut werden musste, bevor sie etwas unternehmen konnten.
»Wie viele Moosgemälde hat Ob Khaddor denn gezüchtet?« Han hatte sich das Datapad der Imperialen von Herat »geborgt« und starrte nun wieder gebannt das Killik-Zwielicht an. »Wie macht man so etwas überhaupt?«
»Falls du vorhast, ein Khaddor-Verehrer zu werden, solltest du wissen, dass der richtige Ausdruck entwerfen und nicht züchten ist«, sagte Leia. »Aber ich würde nie verraten, wie es funktioniert. Kein guter Alderaaner würde das tun.«
»Du willst es nicht einmal deinem Mann sagen?«
Ihre Stimme wurde sanfter. »Meinem Mann vielleicht schon.« Sie ließ das Elektrofernglas sinken. »Aber einem der schnellsten Schmuggler in der Galaxis? Ich weiß nicht …«
»Ich bin nicht nur einer der schnellsten, ich bin der schnellste. Und es wäre ein Verbrechen, eine Kunstform einfach so aussterben zu lassen. Ich kann nicht glauben, dass die Alderaaner so etwas wollen würden.«
»Vorsicht Han, da kommt gerade deine sensible Seite zum Vorschein.« Nie hätte sie Han für jemanden gehalten, der Mooskunst mochte … andererseits waren Khaddors Werke viel mehr als nur Mooskunst. »Dass dieses Genre ausstirbt, ist außerdem der Sinn der Sache. Es unterstreicht die Verzweiflung der alderaanischen Kultur. Das ist auch eines der Kernthemen, mit denen der bekannteste Maler des Planeten sich beschäftigt hat.«
»Also wollte Khaddor, dass seine Kunst stirbt?«
»Er hat es nie direkt gesagt, aber er hat auch nie die Techniken weitergegeben, die es ihm ermöglichten, so intensive Farben zu entwerfen. Außerdem wird es in seiner Arbeit offensichtlich. Du musst dir nur seine Bilder ansehen.«
Han verfiel in Schweigen, und als Leia zu ihm hinüberblickte, sah sie, dass er wieder das Gemälde studierte. Schließlich schüttelte er den Kopf.
»Also, ich sehe es mir an«, meinte er, »aber ich kann nichts Derartiges erkennen.«
»Das Bild stellt den Preis der Kapitulation vor der Finsternis dar.«
»Tut es nicht.«
»Han, die besten Kunstkritiker der Galaxis sind sich einig, dass …«
»Ist mir egal«, meinte er. »Sie irren sich.«
Leia seufzte frustriert, dann drückte sie Han das Fernglas in die Hand und nahm ihm das Datapad ab. »Vermutlich liegt es an der Wiedergabequalität des Bildschirms. Eine elektronische Version kann niemals die Farben …«
»Es liegt nicht an den Farben.« Er setzte den Feldstecher an die Augen und blickte zur Oase hinüber. »Als ich das Gemälde bei Mawbo sah, dachte ich genau dasselbe.«
Leia musterte das Bild. Die Farben waren bei Weitem nicht so stark wie beim Original, aber die Töne stimmten – die Sturmwolken, die über der Killik-Kolonie aufzogen, die Insektengestalten, die über ihre Schulter in die nahende Dunkelheit blickten. Es war noch immer schön, und es hatte noch immer denselben tiefgreifenden Effekt.
»Siehst du denn nicht, dass die Killiks vor dem Sturm flüchten?«, fragte Leia. »Dass sie untergehen werden, weil sie der Dunkelheit den Rücken zugewandt haben?«
»Nein.«
Hans Stimme hatte diesen eisernen Unterton, der klarmachte, dass er nicht von seiner Meinung abzubringen war und jeden, der ihm widersprach, für ebenso intelligent hielt wie einen Fels-Worrt.
Nichts hasste Leia mehr als diesen Unterton.
»Was siehst du denn darin?« Normalerweise musste sie den ungeduldigen Klang bewusst in ihre Stimme legen, doch diesmal kam er wie von selbst. »Erleuchte mich bitte!«
»Na schön.« Er senkte das Fernglas und tippte auf den unteren Teil des Bildschirms. »Was tun die Killiks denn da?«
»Sie blicken zurück auf das, was sie verlieren werden«, sagte Leia. »Ihre Gesichter werden ganz bewusst nicht gezeigt. Niemand weiß, wie die Killiks wirklich aussahen, und Khaddor wollte nicht anmaßend wirken.«
»Hat er das gesagt?«
»Nicht direkt.« Leia versuchte sich an den Namen des Kritikers zu erinnern, der diese Feststellung gemacht hatte. »Aber es ist doch wohl offensichtlich.«
»Nicht für mich«, meinte Han. »Sie blicken nicht einfach zurück, sie drehen sich um. Sieh nur, wie ihre Körper sich an der Taille krümmen.«
»Das ist ein Datapad. Du kannst solche Details nicht …«
»Ich vielleicht nicht, aber du schon. Jahrelang hast du dieses Bild jeden Morgen gesehen. Da wirst du doch die Augen schließen und dich daran erinnern können, ob ihre Körper gewunden sind.«
Leia musste nicht erst ihre Augen schließen. Die Taillen der Killiks waren gewunden, zwar nur leicht und auch nur bei den Anführenden – aber sie waren gewunden. Die meisten Kritiker sahen darin eine atypische Ungenauigkeit der Form, die sie auf ein Problem mit dem Wachstumsmedium zurückführten.
»Vielleicht hast du recht, aber das bedeutet noch lange nicht, dass sie sich ganz umdrehen. Sie sind Insektoide. Du kannst keine Schlüsse über ihre Anatomie ziehen.«
»Ebenso wenig wie Khaddor. Er hätte sie auf jede Weise malen – entwerfen – können, die ihm beliebte, und doch stellte er sie mit gewundener Taille dar. Ich sage dir, sie wenden sich dem Sturm zu.«
»Und was soll das bedeuten?«
»Sie wissen, dass das Ende naht, und sie stellen sich ihm«, erklärte Han. »Es ging Khaddor nicht um den Preis der Kapitulation vor der Dunkelheit – er wollte zeigen, wie man auf den Sturm reagieren soll. Man blickt ihm ins Auge.«
Leia schwieg, zunächst, weil sie nach einem Argument suchte, um Hans Interpretation zu entkräften, dann, weil sie erkannte, wie sinnlos das wäre. Sie diskutierten über das, was sie in dem Bild sahen, und Khaddor wäre der Erste, der zugestimmt hätte, dass die Interpretation ganz im Auge des Betrachters lag.
»Ich möchte wetten, Ob Khaddor hasste Kritiker.« Han hatte dieses Siegerlächeln im Gesicht, das Leia so liebte – es sei denn, er zelebrierte damit einen Sieg über sie. »Habe ich recht?«
»Er mochte sie nicht.« Leia würde keine Tatsachen verfälschen. »Aber dass du recht hast, bedeutet nicht, dass der Rest der Galaxis sich irrt. Man kann ein Bild auf mehr als nur eine Weise betrachten, weißt du?«
»Dann gibst du es also zu?« Hans Lächeln wurde noch übermütiger. »Ich habe recht.«
»Von all den arroganten …« Da erkannte sie den neckischen Tonfall in seiner Stimme, und ihr wurde klar, dass er sie nicht erniedrigen wollte, sondern nur auf der Gültigkeit seiner eigenen, persönlichen Meinung beharrte – und diese Meinung gehörte zu den Dingen, die Leia an ihm liebte. Meistens, zumindest. »Das habe ich doch gerade gesagt, oder?«
»Was man sieht, hängt also vom Blickwinkel ab?« Er legte den Arm um ihre Hüfte und zog sie näher an sich heran. »Das ist bei vielen Dingen so.«
Leia erwiderte nichts, obwohl sie wusste, worauf er anspielte. Es ging nicht länger um das Killik-Zwielicht, und er meinte auch ganz bestimmt nicht die TIEs über der Oase. Er sprach von ihrer Zukunft. Schon wieder.
»Han?«
»Ja?«
»Sollte nicht einer von uns nach Imperialen Ausschau halten?«
Der Arm zog sich zurück, und Hans Stimme wurde ernst. »Wir müssen uns darüber unterhalten, Liebling. Das ist nicht allein deine Entscheidung, weißt du?«
»Ach nein? Nun, dann hoffe ich, du kannst dich mit einer Adoption anfreunden.« Leia bedauerte die Äußerung, kaum dass sie ihren Lippen entflohen war. Sie wusste, dass sie ein adoptiertes Kind ebenso lieben würde wie ein eigenes, zumal sie dann von ihren Ängsten befreit wäre. Doch als sie sich herumdrehte, um sich zu entschuldigen, war Han bereits aufgestanden. »Ich weiß, wir müssen dieses Gespräch führen – aber bitte nicht hier und jetzt. Nicht bei alldem, was uns morgen bevorsteht.«
»Warum?« Das Mondlicht spiegelte sich in seinen Augen und verwandelte seinen Blick in Silber. »Was wird morgen geschehen?«
»Nichts.« Leia musste zu ihm aufsehen. »Ich werde nicht zulassen, dass etwas geschieht.«
»So? Vielleicht wird trotzdem etwas geschehen – aber du darfst keine Angst davor haben, du musst dich den Dingen stellen. Das ist es, was Khaddor mit dem Bild sagen will, Leia.« Er gab ihr das Elektrofernglas. »Behalt die Oase im Auge. Ich werde mal einen Rundgang machen.«
Sie wandte sich wieder der Wüste zu, doch sie war so aufgewühlt, dass sie kaum registrierte, was sie sah. Sie würde nicht so weit gehen, ihre Frustrationen Probleme zu nennen, aber Han hatte recht – sie mussten darüber sprechen. Unglücklicherweise waren ihre Gefühle Anakin Skywalker gegenüber noch immer zu verworren, als dass sie eine vernünftige Diskussion über Kinder führen konnte. Doch jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, sich von dieser Sache ablenken zu lassen – das wäre gefährlich.
Sie ließ den Feldstecher lange genug sinken, um das Tagebuch zu aktivieren, dann wandte sie sich erneut der Oase zu und rief den nächsten Eintrag auf. Han hatte einen großen Teil der Nacht damit verbracht, ihrer Großmutter zu lauschen, während sie über Anakins Schicksal rätselte und von ihrem harten, aber glücklichen Leben auf der Feuchtfarm berichtete, und Leia wusste, dass Shmis Erzählungen gerade so viel ihrer Aufmerksamkeit beanspruchen würden, dass sich der Rest auf ihre Aufgabe konzentrieren konnte.
21:45:24
Owen hat mich ertappt, wie ich draußen im Hof deinen Geburtstag gefeiert habe – zwanzig Jahre alt seid ihr jetzt beide. Owen hat inzwischen eine reizende Freundin, Beru Whitesun. Sie reden nicht darüber, aber ich weiß, dass sie ans Heiraten denken. Wenn ich sehe, wie Owen sich entwickelt, muss ich immer an dich denken. Bist du glücklich? Bist du bereits ein Jedi-Ritter? Würde ich dich überhaupt noch wiedererkennen, wenn ich dich heute sehen würde?
Was dich betrifft sind mir nur noch Fragen geblieben – Fragen und Liebe. Ich hoffe, du weißt, dass ich dich liebe, Annie, und dass ich stolz auf dich bin – auf ewig.
Am nächsten Tag erzählte Shmi, dass sie draußen auf der Ebene Banthas gehört hatten. Während der weiteren Einträge wurde Leias Herz immer schwerer, als die Anwesenheit von Tusken-Räubern immer offensichtlicher wurde. Sie fanden Spuren im Sand, und jemand testete ihre Schutzzäune. Clieggs Gemüt wurde düster, und selbst Owen wirkte beunruhigt. Shmi gestand, dass sie sich Sorgen um Berus Sicherheit machte – das Mädchen war für ein paar Tage zu Besuch auf der Farm.
22:45:25
Heute sind noch mehr Tusken draußen auf der Ebene. Wir können sie nicht sehen, aber das Blöken ihrer Banthas ist kilometerweit zu hören. Owen und Cliegg sagen, dass uns nichts geschehen kann, solange wir nachts nicht nach draußen gehen. Ich würde mich vielleicht ein wenig besser fühlen, wenn sie nicht ständig ihre Blaster tragen würden – sogar drinnen. Aber hier draußen gibt es nicht viel zu fressen für die Banthas. Die Tusken werden also bald weiterziehen müssen. Und morgen will Cliegg zu den Dorrs fliegen, um die Farmer in der Gegend zu mobilisieren. Uns wird nichts geschehen, Anakin, da bin ich sicher.
Leia suchte zwischen den Sternen über der Oase weiter nach dem Glühen von Ionentriebwerken oder einem anderen Anzeichen für imperiale Aktivität und rief den nächsten Eintrag auf.
Das Tagebuch blieb stumm.
In der Vermutung, auf einen weiteren Datensprung gestoßen zu sein, sagte sie: »Weiter zum nächsten Eintrag!«
Als auch weiterhin Stille herrschte, blickte Leia auf das Gerät hinab und fand einen Schriftzug auf dem Bildschirm: KEINE WEITEREN DATEN.
Sie schaltete das Datapad ab und zwang sich, wieder ihrer Aufgabe nachzukommen, allerdings musste sie erst Tränen aus ihren Augen blinzeln, ehe sie das Fernglas wieder ansetzen konnte. Sie hatte keine Ahnung, wie das Tagebuch an den Ort gelangt war, wo Anya Darklighter es gefunden hatte – es gab unzählige Möglichkeiten. Sie persönlich hielt es für wahrscheinlich, dass Shmi das Gerät bei sich getragen hatte, als die Tusken kamen, und dass sie es in eines der Beete geworfen hatte, damit Cliegg oder Owen es fanden und es eines Tages ihrem Sohn überreichen konnten.
Keinerlei Zweifel bestand jedoch daran, dass Anakin das Tagebuch nie erhalten hatte, andernfalls wäre es nicht neben einem Evaporator gefunden worden. Sie fragte sich, ob es das Leben ihres Vaters wohl verändert hätte – und ob es vielleicht all diese Jahre verborgen geblieben war, um nun ihr Leben zu verändern.
Ein heftiges Gefühl des Bedauerns und des Selbstzweifels überkam sie beim Gedanken an Anakin Skywalker. War es vielleicht Bedauern, weil sie ihn nie kennengelernt hatte? Wohl kaum. Als Darth Vader hatte sie ihn hassen und fürchten gelernt, und ihn besser kennenzulernen war das Letzte, was sie wollte. Und die Selbstzweifel? Davon hatte sie mehr als genügend. Sie konnte nicht an ihren Vater denken, ohne jede zweite Entscheidung infrage zu stellen, die sie während der letzten fünf Jahre in ihrem Leben getroffen hatte.
Doch diese Gefühle, die sie nun empfand, gingen weit darüber hinaus. Das Bedauern wog wie ein schwerer Mantel auf ihren Schultern – obwohl sie wusste, dass sie kein Bedauern für Anakin empfand. Es war körperlich spürbar und auszehrend, eine Emotion, so erdrückend, dass sie Leia in die Knie zwang. Der Zweifel indes saß tiefer als alles, was sie bislang gespürt hatte, und die Fragen, die er aufwarf, ließen sie verwirrt und leer zurück.
Sie blinzelte in die Wüste hinaus und erkannte, dass sie sich unbewusst von der Oase abgewandt hatte. Obwohl die Dünen sich noch immer in den Schatten der Nacht hüllten, waren die Monde bereits hinter dem Horizont untergegangen, und Tatoo I schickte einen ersten goldenen Schimmer über die Kuppen der höchsten Sandhügel. Der Anblick erfüllte Leia mit einem intensiven Gefühl von Einsamkeit und Trauer, das sie kaum ertragen konnte, und da wurde ihr plötzlich klar, woher diese intensiven Emotionen in ihrem Inneren stammten.
Obi-Wan Kenobi.
Sie konnte ihn beinahe hinter sich spüren, wie er im ersten Licht der Sonnen über sein Versagen nachdachte. Seine Bürde musste unvorstellbar schwer, seine Sorge unvorstellbar tief gewesen sein, dass Leia sie selbst jetzt, fast neun Jahre, nachdem er diesen Ort verlassen hatte, noch spüren konnte. Hatte er jeden Morgen hier gestanden, um die Namen der Jedi und Freunde aufzuzählen, die Darth Vaders Lichtschwert zum Opfer gefallen waren? Hatte er über jede Unterhaltung nachgedacht, die er mit Anakin Skywalker geführt hatte, über jede Lektion, die er ihn gelehrt hatte? Hatte er sich bei jedem Sonnenaufgang für seine Verfehlungen als Lehrmeister gescholten?
Leia hielt es für wahrscheinlich.
Sie saß dort, wo er jeden Morgen gestanden hatte, und sie konnte spüren, wie er sein Leben von seinen Zweifeln beherrschen ließ. Jahrelang hatte er fast ausschließlich an seinen gefallenen Schüler gedacht, hatte er zugelassen, dass seine Sorgen seine Gedanken umnebelten – genauso wie Leia zugelassen hatte, dass ihr Zorn und ihr Hass den Blick auf ihren Vater verschleierten.
War es vielleicht das, was die Vision ihr mitteilen wollte – dass sie ihrem Vater um ihretwillen vergeben musste? Dass sie letzten Endes nur sich und Han schaden würde, wenn sie ihr Leben von dieser Wut beherrschen ließ?
Sie war so in ihre Gedanken vertieft, dass sie das Knirschen von Hans hastigen Schritten hinter sich erst hörte, als er bis auf wenige Meter heran war. Weil sie wusste, dass er Dinge wie Wachehalten sehr ernst nahm, hob sie das Elektrofernglas schnell wieder an die Augen und richtete ihren Blick auf die Oase.
»Glaubst du wirklich, ich falle darauf herein?«, fragte er.
»Tut mir leid.« Sie war so aufgeregt, dass ihre Stimme nicht im Geringsten entschuldigend klang. »Han, ich glaube, ich weiß jetzt, was mich hergeführt hat.«
»Kannst du mir das auch später noch erzählen?« Er bedeutete ihr aufzustehen. »Wir müssen hier nämlich so schnell wie möglich verschwinden.«
Sie sprang auf die Füße. Ihr Magen zog sich zusammen. »Die Imperialen?«
»Schlimmer.« Han hielt ihr einen kleinen Transistor mit langer Antenne hin, wie er für gewöhnlich in Ortungssystemen zum Einsatz kam. »Squibs.«
»Diese Nager verfolgen uns?«
Er nickte. »Der Sandkriecher rollt gerade die Schlucht herauf.«
»Bist du sicher, dass sie es sind?«
»Herat scheint es zumindest zu glauben«, meinte Han. »Wir werden sie vielleicht zurücklassen müssen, falls es Chewie nicht gelingt, sie wieder einzufangen.«
Leia blieb so abrupt stehen, dass Han von hinten gegen sie stieß und ihr das Fernglas aus der Hand schlug. »Das ist es!«
»Was?« Er hob den Feldstecher auf und nahm sie beim Arm. »Der Hoverscout steht da drüben zwischen den Felsen, schon vergessen?«
»Wir brauchen ihn nicht.« Sie riss sich los und rannte in die Schlucht hinunter. »Noch nicht.«
»He!«, rief Han, als er ihr nachhetzte. »Wo willst du denn hin?«
»Ein Geschäft abschließen!«, antwortete sie über die Schulter. »Ich glaube, Tatooine hat uns gerade ein paar Profoggs geschenkt.«