5. Kapitel

Der Weequay, Grunts, führte Leia und die anderen über einen Umweg zu den Espahöhen, sodass sie sich Banais Zuhause von hinten näherten und über die Sandverwehungen einer Gasse auf das Haus hinabblicken konnten. Wie die meisten Gebäude in diesem Teil der Stadt bestand es aus einer großen und drei kleineren Kuppeln, die rautenförmig um einen zentralen Hof angeordnet waren. In diesem Hof war ein rostiger Wartungsdroide gerade dabei, mit einem Schaufelsauger die Sandhaufen zu entfernen, die der Sturm herbeigeweht hatte, und das Surren übertönte sämtliche anderen Geräusche, die aus den Lüftungsschlitzen in den Dächern dringen mochten. Durch die Fenster in den Kuppelwänden konnten sie jedoch umgestürzte Möbelstücke und vorbeifliegendes Geschirr sehen.

Chewbacca warf Grunts einen finsteren Blick zu und brummte.

C-3PO beugte sich über die Schulter des zusammengekauerten Weequay und übersetzte die Äußerung des Wookiees – auf recht diplomatische Weise, wie Leia fand – als: »Master Chewbacca hatte gehofft, dass wir vor den Imperialen hier eintreffen würden.«

»Wer sagt denn, dass sie schon hier sind?«, entgegnete Grunts. »Selbst wenn sie gesehen haben, wer das Gemälde genommen hat, würde ihnen niemand sagen, wo Kitster lebt – nicht, nachdem Quenton Mawbo so übel mitgespielt hat.«

Chewbacca knurrte eine abfällige Bemerkung, und Leia war froh, dass Grunts kein Shyriiwook verstand.

C-3PO erklärte: »Master Chewbacca fragt sich, wie Sie so sicher sein können, dass es keine Imperialen sind. Unser Blickwinkel ist doch recht eingeschränkt.«

Grunts wirbelte so energisch herum, dass C-3PO nach hinten taumelte. »Er behauptet, was ich sage stimmt nicht?«

Chewbacca fletschte die Zähne und machte einen Schritt auf den Weequay zu, um sich ihm auf eine Weise zu erklären, die auch Grunts verstehen würde. Leia und Han stellten sich zwischen die beiden. Da die Imperialen nach einem Devaronianer und einer Twi’lek Ausschau halten würden, hatten sie sich ihrer Verkleidung entledigt und waren nun nur noch durch ihre tief ins Gesicht gezogenen Kapuzen getarnt. Han versuchte, Grunts zu beruhigen, während Leia vor den Wookiee trat und den Kopf weit in den Nacken legte, um hinauf in sein Gesicht sehen zu können.

»Was hast du vor, Großer?«

Er erklärte ihr, dass er die Gliedmaßen des Weequays neu arrangieren wollte.

Leia zog die Augenbrauen zusammen. »Chewbacca, wir haben keine Zeit für diesen Unsinn. Wir müssen dort hinunter und herausfinden, was mit Kitster und dem Killik-Zwielicht geschehen ist.« Sie schob ihn sanft zurück. »Außerdem geht Grunts ein großes Risiko ein, indem er uns hilft. Ich möchte, dass du dich bei ihm entschuldigst.«

Chewbacca knurrte und starrte den Weequay über ihren Kopf hinweg drohend an. Grunts erwiderte den Blick aus zornig zusammengekniffenen Augen. Leia stemmte die Hände in die Hüften und wartete mit strenger Miene darauf, dass der Wookiee ihrer Aufforderung nachkam. Obwohl sie sein Vertrauen nicht auf die Probe stellen wollte, wusste sie doch, dass er ihr gegenüber beinahe ebenso loyal war wie zu Han. Einen Moment hielt er ihrem Blick stand, dann senkte er den Kopf und brummte widerwillig.

»Master Chewbacca möchte seinen Respekt dafür zum Ausdruck bringen, dass Master Grunts das Geheimnis unserer wahren Identität für sich behalten hat«, verkündete C-3PO. »Des Weiteren weiß Master Chewbacca zu schätzen, dass Master Grunts Captain Solos Bitte um Hilfe ohne Zögern nachgekommen ist. Es fällt ihm nur schwer, sich in der Nähe von Weequays zu beherrschen. Ihr Geruch erinnert ihn an einen hungrigen Katarn, der aus dem Wald geschlichen kommt.«

Grunts musterte den Droiden skeptisch. »Und das hat er alles mit einem Knurren gesagt?«

»Natürlich«, sagte Leia. »Dreipeo ist ein Droide. Er kann nur wiedergeben, nicht ausschmücken.«

C-3PO beugte sich zu Grunts vor. »Ich glaube, für einen Wookiee ist das eine Entschuldigung.«

Der Weequay erklärte, dass er die Entschuldigung akzeptiere, wenngleich auf eine Art, die offenließ, ob er das ernst meinte, dann blickte er wieder zu Banais Haus hinüber. »Es sind keine Imperialen. Die hätten Wachposten aufgestellt.«

Chewbacca schnaubte leise.

Grunts sprang auf und ballte die Fäuste. »Was hat er jetzt schon wieder über mich gesagt?«

Han griff nach seinem Arm. »Beruhig dich! Er meinte nur, dass du wahrscheinlich recht hast.« Er zog seinen Blaster. »Aber es gibt nur eine Möglichkeit, um auf Nummer sicher zu gehen: Wir gehen hinunter und sehen nach.«

Der Weequay zog einen leichten Repetierblaster unter dem Umhang hervor, und Leia konnte sehen, wie sich Chewbaccas Fell aufstellte.

»Ähm … Grunts, vielleicht wäre es besser, wenn du uns von hier oben aus Rückendeckung gibst.« Sie drückte ihm ein Komlink in die Hand. »Ob die Leute nun mit Quenton kooperieren wollen oder nicht, er wird herausfinden, wo Kitster lebt. Hier kann jede Minute eine Einheit Sturmtruppen auftauchen.«

Grunts warf Chewbacca einen finsteren Blick zu, nahm das Komlink aber entgegen. Er klickte es kurz an, um es zu testen, dann nickte er und kletterte auf einen großen Müllcontainer, von wo er einen besseren Überblick hatte, und kauerte sich dort zusammen.

C-3PO hob die Hand. »Prinzessin Leia, vielleicht sollte ich lieber hierbleiben und …«

»Vergiss es, Goldjunge!« Han kletterte über den Rand und rutschte den Hang zu Banais Haus hinab. »Wir brauchen jemanden, der sich mit dem Wartungsdroiden unterhalten kann.«

Leia folgte ihrem Ehemann, dann schob Chewbacca C-3PO vor sich her den Abhang hinunter. Als sie den Rand des Hanges erreicht hatten, sprang Han leichtfüßig auf das Dach hinüber. Leia landete dicht neben ihm, und gemeinsam kletterten sie zur Spitze der hinteren Kuppel hinauf.

Als sie über die Schulter zurückblickte, sah sie C-3PO am Rand des Hanges stehen. »Oh je, ich fürchte, ich bin nicht für derartige Manöver geschaffen. Ohne Repulsoren …«

Chewbacca hob den Droiden kurzerhand vom Boden hoch und presste ihn an seine Brust.

»Hilfe!«, rief C-3PO. »Der Aufprall wird mich in meine Schaltkreise zerlegen!«

Der Wookiee ignorierte ihn, nahm Anlauf und sprang. Er landete unterhalb von Leia und Han auf der Kuppel und drückte C-3PO mit der Brust aufs Dach, während er seine Krallen ausfuhr. Als er sicheren Halt gefunden hatte, schob er den Droiden zu den anderen hinauf.

Unten im Hof hatte der Wartungsdroide sich herumgedreht. Seine Fotorezeptoren blickten in ihre Richtung. C-3PO stieß ihm ein knisterndes Rauschen entgegen, und die andere Maschine antwortete mit einem ähnlichen Laut.

»Wie interessant«, meinte C-3PO schließlich. »Da sind offenbar drei Squibs in der Wohnung. Er meint, es wird bestimmt Wochen dauern, das Durcheinander aufzuräumen.«

»Squibs?« Leia blickte kopfschüttelnd zu Han hinüber, dann packte sie ihn am Arm. »Chewie, gib uns Deckung!«

Sie rutschten in den Hof hinunter und blickten sich mit gespannten Sinnen um, während der Wookiee ihnen mit C-3PO auf den Armen folgte. Der metallene Körper des Droiden klirrte bei der Landung, doch das Summen des Schaufelsaugers übertönte das Geräusch.

Gemeinsam überquerten sie nun den Hof und spähten durch die Transparistahltür der Hauptkuppel. Eine blonde Frau von ungefähr fünfunddreißig Jahren kauerte ihnen gegenüber in einer Ecke. Sie hatte die Hände vor die Augen gepresst und biss sich auf die Lippe, während die drei Squibs um sie herumrannten, wahllos Gegenstände aufhoben, sie an ihre Wange drückten und dann auf den Boden schleuderten.

»Sieht nicht so aus, als hätten sie unser Bild schon gefunden«, flüsterte Han. »Wie sollen wir vorgehen?«

»Nun, Drohungen werden uns nicht weit bringen«, meinte Leia. »Wir sollten zuerst einmal diese Squibs zur Räson bringen. Wenn wir das Vertrauen der Frau gewinnen, sagt sie uns vielleicht, was sie weiß. Sie macht sich bestimmt Sorgen um ihren … ähm … Vater?«

Han presste das Gesicht gegen den Transparistahl, dann schüttelte er den Kopf. »Wohl eher nicht. Sie ist zu alt, um seine Tochter zu sein.«

Sligh schleuderte eine blaue Alasl-Schale an die Wand über dem Kopf der Frau, und als die Splitter auf sie herabregneten, konnte sie nicht länger an sich halten und begann zu schreien.

Grees sprang auf und brüllte so laut, dass sie noch durch die Tür hindurch deutlich hörbar war. »Wo ist er?«

»Das habe ich euch doch schon gesagt: bei der Auktion!«

»Lügnerin!« Grees öffnete einen Schrank aus verzierten Bantha-Knochen und warf Teller auf den Boden. »Da kommen wir doch her!«

Leia und Han warfen einander einen kurzen Blick zu, um sicherzustellen, dass die Kapuzen der Mäntel ihre Gesichter verbargen, dann öffnete die Prinzessin die Tür.

Niemand schien sie zu bemerken.

»Dann ist er woanders hingegangen«, schluchzte die Frau. »Ich habe jedenfalls keine Ahnung, wo er ist.«

Sligh sprang an ihre Seite und zerrte ein Komlink aus ihrer Tasche. »Ich bin sicher, eine schlaue Frau wie du weiß, wie man das benutzt.«

»Soll ich ihn kontaktieren?«

»Großartige Idee!«

Sie streckte eine zitternde Hand aus, doch Sligh knurrte sie böse an, während er das Komlink an seiner Wange rieb.

»Das reicht jetzt, ihr drei!«, rief Han und trat entschlossen in die Mitte des Raumes.

Die Squibs wirbelten herum. Ohne die Hörner und Tentakel schienen sie ihre Geschäftspartner nicht zu erkennen, und so verteilten sie sich und kamen mit gebleckten Zähnen näher.

»Verschwindet besser so schnell ihr könnt«, zischte Grees. Er schob die Hand hinter den Rücken, als würde er nach einem Blaster greifen, doch Leia hatte gesehen, dass die drei unbewaffnet waren. »Das hier geht euch nichts an.«

»Und ob es uns etwas angeht.« Leia hob den Arm, woraufhin auch Chewbacca und C-3PO den Raum betraten. »Vielleicht kennt ihr ja noch unsere Partner.«

Grees kniff die Augen zusammen. Er blaffte etwas auf Squibbianisch, und Emala und Sligh blieben stehen. »Du!«, knurrte er dann den Wookiee an. »Du hast uns die Auktion verdorben!«

Chewbacca zeigte die Zähne und grollte.

Doch davon ließ Grees sich nicht einschüchtern. »Es gibt immer ein nächstes Mal, Wookiee. Du hast noch lange nicht gewonnen.«

»Er hat nichts getan, was gegen die Abmachung verstoßen hätte«, sagte Han. »Wenn du ein Problem mit ihm hast, hast du ein Problem mit uns allen.«

»Oh, jetzt habe ich aber Angst.« Sligh trat vor den Corellianer und neigte den Kopf nach hinten. Die Spitze seiner Schnauze befand sich auf gleicher Höhe mit Hans Gürtel. »Was ist denn mit deinen Hörnern passiert?«

»Hab sie während einer Schießerei verloren.« Han schob die Kapuze tiefer ins Gesicht und deutete dann auf die weinende Frau in der Ecke. »Warum entschuldigt ihr euch nicht bei der netten Dame und verschwindet von hier. Wir kümmern uns um alles Weitere.«

»Wir sollen gehen?« Emala schüttelte nachdrücklich den Kopf und trat an Slighs Seite. »Der Vertrag ist nicht länger gültig. Du hast versucht, uns umzubringen. Wir sind sehr enttäuscht von euch.«

»Wenn er versucht hätte, euch zu töten, dann wärt ihr jetzt auch tot, glaubt mir.« Leia ließ ihren Blaster sinken. »Davon abgesehen haben wir unseren Teil der Abmachung eingehalten. Bei Mawbo wartet ein ganzer Batzen Credits auf euch. Ihr müsst sie nur holen.«

»Mawbo?«, schnappte Sligh. »Bist du verrückt? Im Moment würde sie uns vermutlich erschießen, wenn wir uns ihrem Schuppen auch nur nähern.«

»Das ist nicht unser Problem.« Han steckte den Blaster zurück ins Halfter, dann blickte er zu Chewie hinüber, nickte und hob die Hände.

Der Wookiee warf ihm seinen Bogenspanner zu, dann ließ er sich auf die Knie fallen und packte Grees und Sligh, ehe die beiden auch nur reagieren konnten.

Emala sprang knurrend auf seinen Rücken und riss mit ihren scharfen Zähnen Büschel seines Fells aus, um zu seiner Haut vorzudringen. Der Wookiee klemmte sich die beiden männlichen Squibs unter den linken Arm, dann griff er mit dem rechten über die Schulter und packte Emala.

»Lass mich los!«, befahl sie. »Andernfalls muss ich dir die Gurgel herausreißen!«

Chewbacca stand auf und ging brummend zu Vordertür hinüber.

»Halt!«, schrie Grees. »So einfach werdet ihr uns nicht los!«

Der Wookiee trat mit seiner Last nach draußen auf die Straße, und Leia hoffte, dass es ihm gelingen würde, die Squibs so weit einzuschüchtern, dass sie sich zurückzogen. Sie ging zu der Frau in der Ecke hinüber und wollte sich schon hinknien, als sie sah, dass der Boden mit gezackten Scherben übersät war. Also beugte sie sich zu der Tatooinerin hinab und nahm ihre Hand.

»Es ist vorbei«, sagte sie. »Sie sind weg.«

Die Frau richtete ihre schockgeweiteten blauen Augen auf Leia. Die Falten an ihren Augenwinkeln waren lang und tief, ihre Wimpern dicht und geschwungen.

»Gehören diese … Monster etwa zu euch?«

»Wir hatten eine Vereinbarung mit ihnen.« Leia ließ ihren Blick über die Verwüstung schweifen und entdeckte dabei auch Kindertuniken und einen Spielzeuggleiter, der unter einer umgestürzten Vidkonsole begraben lag. Die Überreste eines Plüschbantha waren überall im Raum verstreut. »Aber damit hatten wir nichts zu tun.«

Han hob einen umgekippten Stuhl auf und trug ihn herüber. »Bei der Auktion sind die Dinge ein wenig außer Kontrolle geraten.«

Leia blickte der Frau bei diesen Worten direkt in die Augen, doch sie wirkte kein bisschen überrascht.

»Einige Imperiale sind dort aufgetaucht.« Han wischte die Sitzfläche des Stuhls ab und streckte der Tatooinerin auffordernd die Hand entgegen, doch sie ignorierte ihn vollkommen. »Es kam zu einem Handgemenge.«

Immer noch kein Anzeichen von Sorge oder Erstaunen. »Sind Sie hier, um mir zu sagen, dass Kitster etwas zugestoßen ist?«, fragte sie nur.

Leia wusste sofort, dass diese Frage sie in die Irre führen sollte. Ihrem Benehmen nach zu schließen wusste die Frau bereits, dass Banai in Sicherheit war. Was bedeutete, dass sie Leia und die anderen zu ihm führen konnte – und zum Killik-Zwielicht.

»Wir glauben, dass Kitster entkommen konnte.« Sie entschied, dass Han wohl recht gehabt hatte, was die Identität der Frau anging. Eine Tochter würde Banai nicht bei seinem Vornamen nennen. »Hören Sie zu, wir machen uns große Sorgen um Ihren Ehemann …«

»Tamora«, murmelte die Frau. Das Wort trug keine Spur von Erleichterung in sich, nur diese knappe Information.

»Entschuldigen Sie bitte«, sagte Leia. »Sind Sie denn nicht mit Kitster verheiratet?«

»Mehr oder weniger.« Zu guter Letzt gestattete sie Han nun doch, ihr auf die Beine zu helfen. »Mein Name ist Tamora.«

»Ich verstehe.«

Leia blickte sich noch einmal um. Obschon die Squibs alles durchwühlt hatten, machte das Haus einen zu ordentlichen Eindruck, als dass Tamora einfach die Kleider oder Spielzeuge ihrer Kinder herumliegen lassen würde. Jemand musste sie über den Zwischenfall bei der Auktion informiert und sie gewarnt haben, dass jemand kommen würde, der nach ihrem Mann suchte. Sie war gerade dabei gewesen, ihre Sachen zu packen, als Sligh, Grees und Emala hereingestürmt waren.

»Tamora, sind Ihre Kinder in Sicherheit?«

Nun legte sich doch so etwas wie Überraschung in ihren Blick. »Meine Kinder?«

Leia hob eins der kleinen Hemden auf. »Der Junge, dem das hier passt.« Sie deutete auf den Kopf des zerfetzten Banthas. »Das Mädchen, das damit spielt.«

In Sekundenschnelle verwandelte Tamoras ausweichendes Verhalten sich in Zorn. Sie sprang vom Stuhl auf, stapfte auf nackten Füßen durch das Zimmer und drehte sich erst am Eingang der Küche wieder zu Leia herum. »Ji und Eli geht es gut«, sagte sie. »Sie sind in Sicherheit – und sie haben nichts mit dieser Sache zu tun.«

»Wenn Sie das sagen.« Leia versuchte, nicht auf die verschlossene Plastahltür in der Küche zu blicken, die zur Speisekammer führte. Sie musste Tamoras Vertrauen gewinnen, und das würde ihr ganz sicher nicht gelingen, wenn sie der Frau den Eindruck vermittelte, ihre Kinder wären in Gefahr. »Sie haben von uns nichts zu befürchten, das verspreche ich Ihnen.«

»Dieses Versprechen wäre sehr viel glaubwürdiger, wenn ich wüsste, von wem es kommt«, sagte Tamora.

»Ich weiß.« Leia nickte unter der schweren Kapuze. »Aber so ist es sicherer – für uns alle.«

»Wenn Sie das sagen – sie sind schließlich die mit dem Wookiee an ihrer Seite.«

Leia erkannte, dass sie keinen Schritt weitergekommen waren, und so ging sie durch das Zimmer, während sie nach einem anderen Ansatzpunkt suchte. Hatte diese Bemerkung über den Wookiee vielleicht andeuten sollen, dass Tamora wusste, wer sie waren? Das war natürlich möglich, aber Leia sah keinen Sinn darin, weiter darauf einzugehen. Alles in dem Haus kündete von den Geldsorgen, die Banai vor der Auktion erwähnt hatte – ein edel verziertes Besteckfach, gefüllt mit billigen Plastahlmessern und -gabeln, helle Flächen an den Wänden und eine leere Stelle in einer Ecke, wo sich einmal Gemälde und Skulpturen befunden hatten.

Zweifelsohne waren diese finanziellen Nöte der Grund, aus denen Banai sein Leben für das Killik-Zwielicht riskiert hatte. Die Aussicht auf einen reichen Geldsegen hatte wohl auch Tamoras Lippen versiegelt, als die Squibs über ihr Haus hergefallen waren. Wenn Leia das Gemälde in ihren Besitz bringen wollte, musste sie die Frau also davon überzeugen, dass sie mehr dafür zahlen konnte als die Imperialen – und zwar bevor Kitster sich an Quenton wandte.

Neben einem Transparistahlregal blieb Leia stehen. Auf dem oberen Fach lag nur wenig Staub – vermutlich hatte der Sturm ihn durch die Fenster hereingeblasen –, aber doch genug, um erkennen zu können, dass sich an der leeren Stelle in der Mitte bis vor Kurzem ein rechteckiger Gegenstand befunden hatte.

»Hat Kitster dort den Holowürfel aufbewahrt?«

»Der Skywalker-Würfel?« Tamora nickte. »Ja. Kitster hat sich dieses Bild gerne angesehen. Manchmal war er so darin vertieft, dass er mich gar nicht hörte, wenn ich den Raum betrat.«

»Wirklich?« Es fiel Leia schwer, sich vorzustellen, dass jemand sich gerne an Anakin Skywalker erinnerte. »Standen sie sich wirklich nahe? War das nicht nur eine Geschichte, um potenzielle Käufer einzuwickeln?«

»Anakin war sein bester Freund. Ich wollte nicht, dass Kit den Würfel verkauft, aber …« Tamora brach ab, dann wandte sie sich um und wischte mit den Fingern über ihre Augen. Als sie Leia wieder anblickte, musste sie auf ihre Unterlippe beißen, um zu verbergen, wie sehr sie zitterte. »Nachdem Anakin das Boonta gewonnen hatte, verkaufte der Jedi, der ihn mitnahm, den Podrenner an einen anderen Fahrer, und ein paar der Credits gab Anakin Kit. Das hat sein Leben verändert.«

Über Tamoras Schulter sah Leia, wie Han auf sein Chrono tippte und dann den Zeigefinger kreisen ließ. Beeil dich, die Imperialen können jede Sekunde hier sein!

Sie nickte ihm zu, ehe sie sich wieder auf die Frau konzentrierte.

»Sein Leben verändert?« Sie würden offensichtlich mehr brauchen, als nur ein paar Millionen Credits. »Inwiefern?«

Tamora bückte sich und wühlte in den Gegenständen herum, die sich einmal auf dem Regal befunden hatten. Holowürfel, die sie und ihre Kinder zeigten, ein anderer, auf dem Kitster am Eingang eines großen Anwesens draußen in der Wüste zu sehen war, ein paar Figuren aus Bantha-Stoßzähnen. Schließlich förderte sie ein altes Flimsiplastbuch hervor und hielt es Leia hin.

»Das hat Kitster sich von Anakins Geld gekauft.«

Leia runzelte die Stirn. »Par Onthams Ratgeber für gutes Benehmen

»Ein Klassiker!« C-3PO stakste zu ihnen hinüber, wobei seine schweren Droidenfüße die Scherben auf dem Boden noch weiter zerrieben. »Die neueste Ausgabe ist selbstverständlich in meinen Datenbanken abgespeichert, aber ich habe noch nie eine originale Monografie gesehen. Dürfte ich?«

Das Knirschen des zerbrochenen Porzellans schien Tamora in die Gegenwart zurückzuholen, und das Vertrauen, das Leia so mühsam aufgebaut hatte, verdunstete vor ihren Augen ins Nichts. Sie zog das Buch zurück, als C-3PO danach greifen wollte, und reichte es der Tatooinerin. »Danke. Ich nehme an, Kitster hat umgesetzt, was er aus diesem Buch gelernt hat.«

Tamora nahm den Benimmratgeber entgegen, doch als sie sprach, war ihre Stimme voller Misstrauen. »Er bekam eine Anstellung als Page im Drei Monde und verdiente dort genug Geld, um sich seine Freiheit zu erkaufen. Später wurde er dann zum Verwalter des Rendala-Anwesens.« Sie warf einen traurigen Blick auf den Holowürfel, der Banai vor dem Gebäude in der Wüste zeigte, dann drehte sie sich um und starrte Han argwöhnisch an. »Aber Sie sind ja wohl kaum hier, um über Kitsters Kindheit zu reden.«

»Eigentlich nicht, nein«, sagte Han. »Hören Sie, wir wollen ihm nichts Böses.«

»Tatsächlich sind wir Ihrem Mann sogar zu Dank verpflichtet, weil er das Gemälde gerettet hat«, fügte Leia hinzu. Das entsprach mehr oder weniger der Wahrheit. Die Verwirrung, die das Verschwinden des Gemäldes unter den Imperialen ausgelöst hatte, hatte es ihnen nämlich ermöglicht, unbemerkt zu fliehen. »Wir werden Kitster auch angemessen belohnen – aber wir müssen dieses Bild zurückhaben, Tamora.«

»Zurückhaben?«, echote die Tatooinerin. »Wer sind Sie?«

»Das ist nicht wichtig«, erklärte Leia rasch. »Wichtig ist nur Folgendes: Wir können Ihnen so viel Geld anbieten, dass Sie und Kitster nie wieder finanzielle Schwierigkeiten haben werden – und wir werden dafür sorgen, dass Sie Ihr Leben in Sicherheit genießen können.«

»Das ist ja sehr großzügig von Ihnen«, meinte Tamora. »Leider habe ich keine Ahnung, wovon Sie reden.«

»Das ist nicht wahr.« Leia hielt eine der Kindertuniken in die Höhe. »Sie waren gerade dabei zu packen, als die Squibs hier auftauchten. Sie wissen genau, was bei der Auktion geschehen ist. Kitster – oder ein Freund – hat mit Ihnen Kontakt aufgenommen.«

In diesem Moment erklang plötzlich Grunts Stimme aus Hans Komlink. »Ich sehe Sturmtruppen am Fuße des Hügels. Eine ganze Einheit.«

Jegliche Farbe wich aus Tamoras Gesicht, und sie wirbelte zu dem großen Fenster an der Vorderseite des Hauses hinüber, aber dort waren nur die Häuser auf der anderen Straßenseite zu sehen.

»Wir können Ihnen ebenso viel Geld bieten wie das Imperium.« Han streckte den Arm aus und machte ein paar Schritte auf Tamora zu. »Sie sind es Ihrer Familie schuldig, sich unser Angebot anzuhören. Jetzt müssen Sie aber erst einmal von hier verschwinden – Sie alle. Das Imperium hat keine Skrupel, Kinder als Druckmittel einzusetzen.«

»Ich sagte doch schon, meine Kinder sind nicht hier.« Sie wich in Richtung Küche zurück. »Trotzdem, netter Versuch.«

Leia bedeutete Han, stehen zu bleiben. »Was er sagt, stimmt. Sie werden das Haus auseinandernehmen, und wenn sie Ihre Kinder finden, werden sie sie als Geiseln nehmen – dann können Sie von Glück reden, wenn Sie überhaupt etwas für das Gemälde bekommen.«

»Und Sie würden so etwas natürlich nie tun, hm?«, schnappte Tamora.

»Haben wir etwa versucht, die Tür zur Speisekammer aufzubrechen?«, entgegnete Leia. »Wir befehlen Ihnen nicht, mit uns zu kommen – wir bitten Sie darum.«

Tamoras entschlossener Gesichtsausdruck machte Ratlosigkeit Platz. »Kit sagte mir, ich solle niemandem vertrauen.« Die Worte galten augenscheinlich mehr ihr selbst als Leia oder Han. »Nicht dem Imperium – und auch sonst niemandem.«

»Er hat guten Grund, so vorsichtig zu sein.« Leia war sicher, dass Tamora sie letzten Endes um Hilfe bitten würde. Sie hatte gar keine andere Wahl. »Kitster ist in eine sehr ernste Angelegenheit hineingeraten. Er weiß gar nicht wie ernst.«

Banais Frau blickte sich im Zimmer um, dann schüttelte sie den Kopf. »Offensichtlich nicht. Er meinte, ich solle ein paar Klamotten in eine Tasche packen und gehen – aber ich bin nicht einmal bis zur Tasche gekommen.«

»Seien Sie froh, dass es die Squibs waren und nicht die Imperialen«, meinte Leia. »Tamora, Sie hatten nie eine Chance.«

Hans Komlink erwachte wieder zum Leben. Diesmal war es Chewbacca, der sie drängte, das Haus so schnell wie möglich durch die Hintertür zu verlassen.

»Wir haben keine Zeit mehr.« Han trat auf Tamora zu.

Leia griff nach seinem Arm und zog ihn auf den Ausgang zu. »Es ist Ihre Entscheidung.«

Sie hatten die Tür noch nicht erreicht, da rief Banais Frau: »Warten Sie!«

»Na endlich!« Han ging zur Küche hinüber. »Holen wir die Kinder.«

Tamora stellte sich ihm in den Weg. »Zeigen Sie mir Ihre Gesichter.«

»Sie wollen gar nicht wissen, wer wir sind«, erklärte der Corellianer. »Das würde uns alle nur in noch größere Gefahr bringen.«

»Sie meinen wohl, es würde Sie in noch größere Gefahr bringen«, erwiderte Tamora. »Wenn Sie meine Hilfe wollen, dann müssen Sie mir schon vertrauen.«

Han blickte zu Leia hinüber, und sie nickte. »Sie vertraut schließlich auch uns.«

»Noch vertraue ich niemandem«, widersprach Tamora.

»Tja, wir haben wohl keine Wahl.« Han schlug die Kapuze zurück und entblößte sein charismatisches Gesicht. Dort, wo er die Lösungscreme nicht dick genug aufgetragen hatte, waren noch immer Spuren von Rot entlang seines Haaransatzes zu sehen. »Wundern Sie sich nicht, wenn Ihnen mein Gesicht bekannt vorkommt. Ich habe früher viel Zeit auf Tatooine verbracht.«

Die Art, wie Tamora die Kinnlade nach unten klappte, machte deutlich, dass ihr sein Gesicht tatsächlich bekannt vorkam – aber sicher nicht aus einer schummrigen Cantina.

Nun zog auch Leia ihre Kapuze nach hinten. »Ich hoffe, das ist Vertrauensbeweis genug.« Sie blickte durch das vordere Fenster – noch waren keine Sturmtruppen zu sehen, doch sie konnten nicht mehr weit sein. »Wir müssen dringend von hier verschwinden.«

»Das ist allerdings ein Vertrauensbeweis.« Tamora hastete durch den Raum, fort von der Küche. »Gehen wir durch den Hof, das ist unauffälliger.«

»Ähm – haben Sie nicht etwas vergessen?« Han blickte mit hochgezogenen Augenbrauen zur Tür der Speisekammer. »Ihre Kinder zum Beispiel?«

»Sie sind hinten.« Tamara deutete zu der Kuppel auf der anderen Seite des Hofs. »Oder glauben Sie etwa, ich bin die Art Mutter, die ihre Kinder in der Speisekammer einsperrt?«

Der Geist von Tatooine
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