15. NOVEMBER 2009 –

ÜBER DIE FREIHEIT

Noch vor knapp zwei Monaten war ich gewöhnlicher Durchschnitt. Hätte man mir damals eine Axt gegeben, so hätte ich geglaubt, wir würden Feuerholz hacken oder müssten einen abgebrochenen Ast zerkleinern. So bin ich nicht, nicht mehr.

Das ist hier nicht Utopia. Das muss ich wahrscheinlich nicht extra betonen. Es ist nicht das Paradies, nicht auf lange Sicht. Aber ich glaube, ich kann etwas dazu sagen, was ich vorher von keinem Ort mit Sicherheit sagen konnte: Es ist mein Zuhause.

Sicher, im Buchladen dachte ich, alles sei verhältnismäßig gut, und in den Apartments darüber glaubte ich, das würde funktionieren, und ich hatte wirklich gehofft, aus der Arena könnte eine dauerhafte Sache werden, aber das hier – das ist ein wirkliches Heim mit richtigen Gebäuden, echter Privatsphäre, echten Betten und Leuten, die willens sind, eine Gemeinschaft zu bilden. Das macht den Unterschied. Wir sind hier eines Geistes. Nicht in einem bizarren, intellektuellen Sinn, wir wollen einfach nur dasselbe – Stabilität, Sicherheit, die Möglichkeit, wieder etwas Dauerhaftes aufzubauen.

Es gibt hier Mauern, unvorstellbar dicke Mauern, die mich früher vielleicht gestört hätten. Ich habe mich daran gewöhnt. In diesem Leben, in diesen Tagen, hat ein Heim eben dicke Wände. Wir tun, was wir können, um sie draußenzuhalten und uns in Sicherheit hier drin. Ungefähr dreißig Meter vor den Mauern verläuft ein Graben. Wenn er zu voll wird, setzen wir ihn in Brand. Die Mauern sind mit angespitzten Holzpfählen verstärkt, aber keiner von den Untoten hat es bisher je so weit geschafft. Das Village gleicht mehr einem Fort, einem gut befestigten Campingplatz. Alle Lebenden sind willkommen. Wenn es jemand bis an die Tore geschafft hat, hat er es auch verdient hereinzukommen, so lautet das Gesetz.

Das Feuer der Barrikaden halten wir in Gang, unsere Soldaten bleiben bewaffnet und wachsam, und wir versuchen, gute Sachen auf die Beine zu stellen. Schöne Dinge, auf die man sich freuen kann. Es ist leichter, einen Haufen Zombies zu verbrennen, wenn du weißt, dass du am nächsten Morgen kleinen Kindern Spanisch beibringst. Fast überall in den Straßen liegt Schrott und Schutt; die ausgebrannten Häuser werden nur langsam restauriert. Über dem Stadtzentrum weht eine Fahne mit einem grünen Unendlichkeitssymbol auf weißem Grund. Es signalisiert, dass alle willkommen sind und dass wir weitermachen, für immer weitermachen.

Wir haben eine Schule gegründet, die Clarke School. Mein Vorschlag, sie Julian-Clarke-Schule des galligen Sarkasmus zu nennen, wurde einstimmig abgelehnt. Ted unterrichtet Biologie und Chemie, Renny gibt Kunststunden, und ich tue das, wofür ich mal studiert habe: Ich unterrichte Literatur.

Es belustigt mich, wenn ich daran denke, dass meine Mutter immer die bessere Gelehrte war. Als ich auf die Grundschule kam, hatte ich stets das unheimliche Gefühl, dass alle mich kannten … dabei kannten sie nur meine Mutter, denn es waren ihre Kollegen oder vielmehr ihre Bewunderer. Sie sprengte sich eine Schneise mitten in ihren trockenen, exklusiven Akademiker-Herrenclub und bewies allen, dass eine Frau ein Buch lesen und, genau wie sie, darüber alle möglichen hanebüchenen Theorien aus dem Boden stampfen kann. Das wollte ich auch. Ich wollte in einer Welt leben, in der Männer ihre Nasen über mich rümpfen, damit ich sie an selbigen packen und sie damit in meine grotesk überrecherchierten Abhandlungen stoßen konnte.

Ich musste das niemals wirklich tun. Ich habe diese Leute gar nicht angetroffen, Snobs, die mich hassen, weil ich eine Frau bin, die naturgemäß nicht klug genug ist, nicht weise genug, nicht hart genug … vielleicht existieren sie ja auch gar nicht mehr. Ihr Platz in der Welt hat sich wohl erledigt. Was ich vorfand, war eine Horde kleiner Kinder, die keine Schule hatten, keine Bücher, keine Lehrer.

Meine Mom ist nicht hier, noch nicht. Ich halte natürlich jeden Tag nach ihr Ausschau, nehme mir ein, zwei Momente frei vom Unterrichten, setze mich auf den Wall und warte und warte. Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, noch nicht, nicht jetzt, wo ich weiß, dass unglaubliche Dinge geschehen können, dass Menschen einen mit ihrem Lebenswillen wirklich überraschen können.

Was ich von meiner Mutter weiß, was ich mit Sicherheit weiß, ist, dass sie stolz wäre. Ich weiß nicht, ob ihr euch noch an eine Zeit erinnern könnt, wo ihr Die Schatzinsel nicht kanntet oder Eine Geschichte aus zwei Städten oder Die drei Musketiere. Auch die Kinder hier hören diese Geschichten zum allerersten Mal. Ich weiß, das klingt trocken, ist es aber nicht. Diese Bücher gab es nicht in Fort Morgan – in Liberty Village –, als wir ankamen. Die Bücherhalle war geplündert, zerstört, die Bücher waren zu Asche verbrannt. Und so habe ich vor zwei Tagen eine spezielle Rettungsmission durchgeführt. In meinen Augen waren Stevenson, Dickens und Dumas Gefangene, und es war meine Pflicht, ihnen zu helfen. Jetzt sind sie in Sicherheit, erfreuen sich der Wertschätzung dort, wo sie hingehören, in die Hände von Kindern, die dachten, ihr Leben wäre schon vorbei. Man weiß nicht, was Elend ist, bis man in das Gesicht eines Sechsjährigen schaut und erkennt, dass er in seinem kurzen Leben schon schlimmere Tragödien erlebt hat, als man in seinem ganzen Dasein erfahren wird.

Aber sie lächeln. So wie jetzt, wenn wir im geräumigen Postbüro im Kreis zusammensitzen und abwechselnd laut vorlesen. Sie sehen mich fragend an, wollen Führung und Erklärungen.

»Was bedeutet erhaben?«, fragen sie. »Was ist besudeln?«

Es läuft nicht immer alles glatt, ist nicht immer alles einfach. Selbstredend gibt es auch Schwierigkeiten, Überraschungen und Schocks. Als ich jenen Park verließ, glaubte ich, eine Gruppe Freunde zu verlassen, die ich nie wiedersehen würde. Aber ich habe mich geirrt. Tatsächlich haben Ned, Evan, Mikey und Collin überlebt. Sie waren sogar noch vor uns hier, die verrückten Bastarde.

Wir sind ihnen erst am zweiten Tag über den Weg gelaufen. Am ersten Tag taten wir nichts außer essen, schlafen und ausruhen. Man gab uns auf dem Feuer geröstetes Hühnchen, und wir fraßen wie die Wilden, rissen das angekohlte Fleisch von den Knochen, schwelgten in den heißen Säften, die uns über das Gesicht rannen. Ich erinnere mich an einen Moment, als Renny mit Fleisch- und Kohlestückchen in den Zähnen lächelte und ich mich so erlöst fühlte, als hätte ich uns vier den ganzen Weg auf meinem Rücken hergeschleppt. Das ist natürlich nicht wahr. Wir haben alle unseren Teil der Last getragen. Ich sagte nichts über das eklige Zeug zwischen ihren Zähnen, sie war so zufrieden und befreit.

Tag zwei brachte eine ganze Wagenladung voller Überraschungen. Als wir endlich erwachten (irgendwann gegen Mittag, schätze ich), warteten Gäste vor unserer Behausung. Die Hütten hier sind nicht groß, aber massiv, auf dieselbe Weise errichtet, wie die Pioniere damals ihre Grenzerhütten bauten. Colorado war in dieser Hinsicht schon immer etwas lächerlich, aber wie die Leute hier dem Unglück mit Herz und Verstand begegnet und wie sie daran gewachsen sind, ist bemerkenswert. Als wir (Ted, Renny und ich) es endlich geschafft hatten, unsere Hintern aus den Betten zu wälzen, stießen wir prompt auf Ned und seine Kinder, die schüchtern draußen warteten. Evan trug sein Piraten/Wall-E-Kostüm, zu dem Ned ihm einige Tage nach Halloween verholfen hatte. Ned zufolge wollte er es nicht mehr ausziehen – ›nicht, bis Allison es gesehen hat‹.

Nach der Verblüffung und der Freude darüber, sie hier anzutreffen, musste ich Collin finden. Ned erzählte mir mit dem üblichen Charme von seiner Anwesenheit und seinem Überlebenskampf und erinnerte mich mit einem sehr dezenten Wink daran, stark zu sein und für mich einzustehen. Ted und Renny starrten ihn an, als ob wir wirres Zeug schwätzten, aber ich wusste genau, wovon er sprach. Ich verließ sie, damit sie nachholen konnten, was sie sich an Geschichten zu erzählen hatten. Ich würde schon noch alles über Evans Halloween erfahren, und ich wollte wissen, wie sie uns gefunden hatten. Ned hatte es mir nicht erzählt, sondern nur gesagt: »Frag Collin, es war seine Schuld.«

Ich fand Collin, der beim Bau des neuen Waisenhauses half. Ein Gebäude aus roh behauenen Baumstämmen in der nordwestlichen Ecke der Stadt. Er hatte seine schwarze Militärkluft endlich abgelegt und trug ein verwaschenes graues T-Shirt und Jeans. Er sah entzückend aus, etwas abgenutzt und sehr englisch. Sein Gewehr lehnte in sicherer Nähe an der Mauer und sah gut gewartet aus.

Ich brachte ihm eine Limonade.

»Danke«, sagte er. Wir entfernten uns ein Stück von der Baustelle.

Die Limonade war lauwarm. Wir suchen immer noch nach einer Möglichkeit, Eis zu machen. Collin nippte an seinem Getränk und betrachtete mich mit seinen dunklen, ernsten Augen über den Rand des Pappbechers hinweg.

»Ich bin froh, dass du es geschafft hast«, sagte er und wischte sich den Schweiß von den Schläfen. »Ich wusste, du packst das.« Da war ein Schmunzeln, das ich nicht richtig einordnen konnte, eine leise Selbstzufriedenheit, die mir Rätsel aufgab.

Rätsel …

»Scheiße.«

»Was?«, fragte er, und ich sah ein Lächeln hinter dem Pappbecher hervorschießen.

»C in C. Du bist C in C.«

»Rätsel gelöst«, sagte er und neigte seinen Kopf wie vor einem alten geschätzten Kollegen. »Gut gemacht, Holmes.«

»Dann … dann hast du gewusst, wie du herkommst? Du hast meinen Blog gelesen?«

»Wir sind bei einer Familie in Rockford untergekommen, die so freundlich war, uns ihren Computer benutzen zu lassen«, erklärte er. Klar, ein Teil von mir war darauf gefasst, dass er sich mir entzieht, zu der alten familiären Bindung steht, die ihn von mir trennt, aber sein Gesichtsausdruck blieb geradezu schmerzhaft offen, regelrecht gespannt. Der andere Teil von mir hoffte gegen jede Vernunft, dass es etwas gab, worum man kämpfen konnte. Physisch hatte er sich nicht verändert. Da war ein neuer Kratzer auf seiner Wange und vielleicht ein bisschen mehr Grau an den Schläfen, aber er stand da, groß und aufrecht, wie ich mich an ihn erinnerte. Aber in der Art, wie er mich ansah, lag etwas Neues, etwas von ungewohnter Dringlichkeit, von unersättlicher Neugier, das ich noch nie zuvor gesehen hatte oder das ich vielleicht ganz vergessen hatte.

Und ich fühlte, wie ich instinktiv zurückwich, mich auf die unweigerliche Zurückweisung vorbereitete, die sicher gleich kommen würde. Jetzt würde er jeden Moment auf sie zu sprechen kommen, und das wäre der Beginn einer langen und qualvollen Freundschaft.

»Wie zur Hölle hast du es geschafft, hierher durchzukommen?«, fragte ich.

»Im LKW, im Auto, wie wir gerade konnten«, antwortete er und senkte den Limonadenbecher. Mit unruhigem Blick starrte er auf den Boden das Bechers. »Es hat mir so leid um deinen Freund getan, als ich davon las.«

»Ja. Ihm hätte es hier gefallen.« Das war das Einzige, was mir dazu einfiel. Ich spürte, wie sich ein Klumpen in meiner Kehle bildete, und sah zu Boden, starrte auf meine Füße. Ich wollte nicht über Julian reden.

»Und Lydia?«, fragte ich schließlich.

Ich hatte sie bis jetzt noch nicht gesehen, weder bei Ned und den Kindern noch schmollend im Hintergrund. Merkwürdigerweise fehlte auch Finn. In der Arena war er der rotschopfige Schatten von Collin gewesen. Er marschierte mit seinem Gewehr und in düsterem Gemütszustand immer irgendwo im Hintergrund herum. Es war schwer, nach so vielen Wochen etwas anderes als das Schlimmste zu erwarten. Ich konnte nur ahnen, wie Collin über mich dachte oder darüber, was ich über sie, über ihn gesagt hatte.

»Gut«, sagte Collin und blickte mich forschend an. »Es geht ihr gut … ich meine, das letzte Mal, als ich sie sah, ging es ihr ganz gut … soweit es einem gut gehen kann, denke ich, in Anbetracht der Zeiten.«

»Okay«, sagte ich nach einem zweifellos fehlgeschlagenen Versuch, meine Neugier zu tarnen.

»Und du?«, fragte er. »Du …«

»Gut.«

»Gut!«

»Es ist gut … ich meine, es ist schön, dich zu sehen«, sagte ich und schob die Hände in meine Gesäßtaschen. Meine Wangen prickelten vor Wärme und wurden heiß, als ich im Geiste all die Beleidigungen Revue passieren ließ, mit denen ich Lydia in meinem Blog bedacht hatte. Und die unzähligen Male, in denen ich hirnverbrannte Eseleien über Collin verzapft hatte. Und Odysseus, oh, Himmel, Odysseus … Also, es gibt Verlegenheit, das Gefühl, dass man im Erdboden versinken möchte, und es gibt regelrechte Treibsand-Gefühle, Ich-wünschte-ich-wäre-tot-Anwandlungen. Ich hatte plötzlich einen sehr schweren Fall von Letzterem.

»Tja, wow, du bist hier, das ist … ich bin froh. Ich bin froh, dass wir alle hier sind, zusammen«, sagte ich und tigerte dabei auf und ab.

»Ich auch.«

»Himmel, Collin! Wirst du es mir jetzt sagen, oder willst du mich unbedingt foltern?«

Er lächelte mit fast kindlicher Süße, und ich wusste, er hatte darauf gewartet, dass mich meine Neugier endlich überwältigte. Es war angenehm, ihn ohne seinen Kampfanzug zu sehen. In Zivilkleidung sah er mehr nach einem Professor aus, einem Lehrer, einem normalen Mann und weniger wie ein Soldat. Schließlich holte er tief Luft und begann, langsam zu sprechen.

»Man könnte sagen, es ist kompliziert, aber ich denke eigentlich nicht, dass es das ist«, sagte er und rieb sich mit dem Handballen das Haar. »Sie ist in Rockford geblieben und Finn auch. Es war ihre Entscheidung, und ich … ich bin einfach froh, dass sie glücklich und in Sicherheit sind.«

»Du meinst, sie – Finn und Lydia – sind zusammen? So richtig zusammen?«

Ich konnte fühlen, wie das Frühstück, das ich nicht gehabt hatte, sich in meinem Magen zu drehen begann.

»Ja, genau.« Er kicherte. »Sie war so freundlich, mich wissen zu lassen, dass … tja, dass sich ihre Gefühle geändert hätten. Ich hätte es kommen sehen müssen, wirklich, aber als es geschah, war ich ein bisschen verwirrt«, sagte er und schlug sich müßig den Hammerkopf in die Hand. Seine lächelnden Augen glühten in dem kühlen, gedämpften Sonnenschein.

»Das ist verrückt. Ich meine, das ist unglaublich, Collin. Es tut mir so leid«, stammelte ich in dem Wissen, dass Mitgefühl meine Pflicht war, meine absolut erste Pflicht als Freund. Ich wollte mir den Freudentanz für später aufheben, wenn ich allein war.

»Nein, das tut es nicht«, korrigierte er mit Recht. »Und mir auch nicht.«

»Aber sie hat dich verlassen, für einen jüngeren Mann, deinen Neffen

»Man kann ihr Vorgehen sicher rechtfertigen, wenn man meins in Augenschein nimmt«, sagte er schnell und lachte wieder. Dann wich sein neckendes Lächeln einer gerunzelten Stirn. »Hm, ich Trottel. Ich dachte, das würde dich freuen.«

»Freuen? Freuen? Ich – du – ach, scheiß auf dich!«

Ich fühlte mein Herz, das verdammte Ding, wie es sich meine Brust hochpresste, aus meiner Kehle zu springen versuchte, um in die Wolken zu streben. Wenn ich dieses Gefühl in Flaschen füllen könnte … Aber das konnte ich nicht. Es war zu viel Gefühl, um es festhalten zu können. Collin ließ den Hammer auf den harten, gefrorenen Boden fallen, stürmte auf mich zu und umarmte mich. Wir hielten uns fest umschlungen, und ich suchte, wie ich es immer tue, nach bedeutenden Worten. Glücklicherweise ersparte mir Collin diese Demütigung.

»Jeder Tag war eine Version des vorherigen, ein Tag, an dem ich versuchte, dich zu vergessen. Ich musste etwas tun. Ich musste dich finden«, sagte er. Und das mit dieser Stimme, dieser wunderschönen, goldenen Stimme, die vor so langer Zeit durch das Radio zu mir durchgedrungen war und mich in ein neues Leben geführt hatte wie ein Fährmann ans Licht. »Vielleicht ist es gut, dass ich nicht bei dir war«, sagte er und küsste mein Gesicht. Ich trug immer noch frische Verbände von meinem kleinen Missgeschick mit dem Jeep im Kino. »Du hast mir mit manchen deiner Stunts fast einen Herzschlag verpasst.«

»Und du bist nicht sauer geworden wegen dem Kram, den ich geschrieben habe?«, fragte ich.

»Nein, nein, natürlich nicht. Ein bisschen ungehalten vielleicht«, sagte er lachend. »Aber nie sauer.«

Es gibt, wie immer, Enttäuschungen. Meine Mom ist nach wie vor verschollen, Ted flirtet mit einem frühen Tod, und ein guter Mann starb, um mich herzubringen. Aber es gibt auch Freuden. Wir müssen uns auf den Winter vorbereiten, die Jahreszeit des Überlebenskampfes, der Härten und der Zusammenarbeit. Und die erfordert einen Partner, einen guten Partner. Ich glaube, wir machen uns bald auf, um Unsere kleine Farm zu suchen. Collin und ich bereiten eine weitere Expedition zur Aufstockung der Bibliothek vor. Perspektiven, die wir hier so dringend brauchen. Wir sind gar nicht so schlecht dran, waren es eigentlich nie. Und Dapper wird bald im Schnee rumtoben. Evan und Mikey werden Schneemänner bauen, und vielleicht kann Collin uns beibringen, wie man einen Iglu baut. Collin und ich hoffen, dass unsere eigene Hütte fertig wird, bevor der Winter einsetzt. Wir sind wahrscheinlich gar nicht in der Lage, schnell genug eine zu bauen, aber wir versuchen es jedenfalls.

Und bald wird der erste wirklich gefährliche Frost kommen, und vielleicht wird er die Untoten außer Gefecht setzen. Vielleicht hört dann das Gewehrfeuer von den Wällen auf. Wenn die Schneeflocken sich an den Scheiben sammeln und wir Wasser abkochen müssen, um am Leben zu bleiben, wenn die Fenster mit Eisblumen bestickt sind, finden wir vielleicht einen Moment des Friedens. Danach wird der Frühling kommen, und vielleicht schafft es meine Mutter hierher, bringt das Lächeln mit, das ich so gut kenne, und das Gesicht, das nicht mein Gesicht ist, und die Liebe, die auf jeden Fall meine Liebe ist.

Vielleicht umfängt mich dann Ruhe, und jeder von uns blickt zum Himmel auf und sagt: Es ist gar nicht so schlecht. Die Untoten mögen ihr Unwesen treiben, und vielleicht können wir hier nicht raus, aber es ist gar nicht so schlecht.

Vielleicht habe ich ja auch gelogen. Vielleicht ist dies tatsächlich auf eine Art Utopia – auf eine verdrehte, schwierige Art – ein Paradies der unendlichen Möglichkeiten.

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Isaac:

2. Januar 2010 13:55 Uhr

Ich melde mich nur, um zu sagen, dass wir in Sicherheit und gesund sind, wenn auch ein wenig mitgenommen. Kanada ist wunderschön und gewaltig in dieser Jahreszeit. Ich kann wohl nicht auf weitere Updates von euch hoffen, fürchte ich. Euer letztes Posting ist schon Monate her. Ich hoffe einfach weiterhin, euch geht es gut und ihr macht uns stolz in Liberty Village.

steveinchicago:

16. Januar 2010 15:31 Uhr

noch da. haben weihnachten und die zeit danach überstanden. wir sind dankbar für jeden tag, den wir kriegen, und dankbar, dass ihr es dorthin geschafft habt, wo ihr seid.

Norwegen:

2. Februar 2010 12:30 Uhr

Oslo ist gefallen, Drammen ist gefallen, die Untoten rücken nach Norden vor. Aber das geht klar, wir sind auf sie vorbereitet. Ich dachte schon, ich hätte diesen Kram hier zum letzten Mal gelesen und für immer auf Wiedersehen gesagt. Ich hab es trotzdem sporadisch weiter versucht. Immer wieder. Nur für den Fall. Ich versuche es wahrscheinlich auch in Zukunft weiter, alle paar Tage mal, und bleibe nach Kräften optimistisch, bis die Lichter endgültig ausgehen.