26. SEPTEMBER 2009 –

DER DIRTY GIRLS SOCIAL CLUB

»Aber ich werde aussehen wie ein Junge!«

»Das wirst du nicht, ich versprech’s. Und nebenbei, macht es dich nicht krank, dass du stinkst wie ein Junge?«

»Mir egal«, sagt Janette und verschränkt trotzig die Arme. »Du fasst mein Haar nicht an. Und ich stinke nicht.«

»Und ob du stinkst, Kumpel, glaub mir.« Sie rührt sich nicht. »Das ist doch hier keine Modenschau, Janet.« Himmel, ich glaube, meine Mutter sagte mir wortwörtlich das Gleiche, als ich auf der Highschool war, wenn ich in einem schrecklichen schwarzen Netzshirt und neonrosa Basketballschuhen die Treppe runterkam.

Janettes Gefühle sind mir im Augenblick scheißegal. Es muss was passieren, und das bedeutet: Zwangshaarschnitte heute, hier und jetzt.

Mich stört das nicht. Ich habe schon seit ein paar Jahren kurze Haare. Früher trug ich eine lange wilde Mähne mit ein paar Strähnchen drin, aber dann beschlossen meine Mom und ich, alles für ›Locks of Love‹ abzuscheren, diese Organisation, die Perücken für Chemopatienten macht. Das war noch bevor sie Krebs bekam, eine Art Ironie des Schicksals, nehme ich an. Oder ist das eher die Alanis-Morissette-Ironie? Nicht so richtig witzig, mehr so ein Ist-das-Leben-nicht-zufällig-scheiße-Galgenhumor. Wie auch immer, wir beide fanden dabei heraus, dass es uns gefiel, kurzes Haar zu tragen, und so behielten wir es bei. Als Mom ihre Diagnose bekam, rasierte ich mir aus Solidarität den Kopf kahl. Es ist natürlich wieder nachgewachsen, aber heute werden wir es absäbeln.

Damals hab ich noch gewitzelt, dass die Perücke, die meine Mom bekam, vielleicht aus ihrem eigenen Haar gemacht war, oder aus meinem. Oder so eine Art hybride Frankensteinperücke aus unser beider Haaren. Sie trug sie nicht oft. Sie sah gut aus mit Glatze, und ich glaube, ihren kahlen Kopf anzunehmen und hoch zu tragen hat ihr Kraft gegeben.

Wie auch immer, Janette und ihre Befindlichkeiten sind irrelevant. Meine Sorge gilt Flöhen oder, schlimmer, Läusen. Ohne eine funktionierende Dusche ist es unmöglich, sich auch nur annähernd sauber zu halten. Ich glaube, dies ist der erste Schritt. Holly nimmt es tapfer wie ein Champ und wirklich, sie könnte schlimmer aussehen. Janettes langem Gesicht mit dem breiten Kinn schmeichelt kurzes Haar nicht wirklich, sie sieht ein bisschen aus wie – jemand, etwas, ich kriege es nicht recht zu fassen … aber ganz bestimmt sieht sie nicht wie ein Junge aus, jedenfalls nicht wie ein hässlicher.

Ich fühle förmlich, wie es uns zusammenschmiedet, als hätten wir gemeinsam einen Tag im hinterletzten Schönheitssalon der Provinz verbracht. Es gibt keine Gesichtsmasken oder Meersalzmassagen, aber wir sehen anders aus und fühlen uns auch so – besser.

Peter Pan. Genau, daran erinnert mich Janette, an das Mädchen, das auf der Bühne Peter Pan gespielt hat. Ich würde es ihr sagen, aber ich glaube nicht, dass sie es als Kompliment auffasst. Ich wünschte, sie wäre Peter Pan, ich wünschte, sie könnte einfach losfliegen und abhauen und für uns alle Hilfe finden.

210298.jpgKOMMENTARE

Bruce:

26. September 2009 16:56 Uhr

Haarschnitt, gute Idee. Eine Stelle weniger, an der sie einen packen können. Wir hocken jetzt seit einer Woche in einer Bibliothek gefangen … nur drei von uns von ursprünglich siebenunddreißig sind übrig. In dieser Gegend gibt es überwiegend Dümpler, wie du sie nennst. Bücher sind das Einzige, was uns aufrecht hält. Es wird nicht mehr lange dauern, wir haben keine Waffen, und sie durchbrechen langsam unsere Verteidigung. Hoffe, ihr habt mehr Glück als wir.

Allison:

26. September 2009 18:01 Uhr

Bruce! Du bist genial! Ich hatte gar nicht an die Verteidigungsvorteile gedacht. Das muss ich Janette erzählen, ich bin sicher, es wird sie aufmöbeln zu erfahren, dass ihr Kurzhaarschnitt sie zum für Zombies unpackbaren Ninja-Superkämpfer macht. Viel Glück euch in der Bibliothek. Und was heißt hier keine Waffen? Schnapp dir ein fettes Wörterbuch und wirf den Wälzer, als ginge es um die verdammten Olympischen Spiele.