26. OKTOBER 2009 – BESESSEN, TEIL 1
»Ugh. Nicht gut. Kopf tut weh.«
»Ich befürchte, diese Pillen waren doch nicht die beste Idee.«
Teds verschwommenes Gesicht starrt mich an diesem Morgen nach meinem kleinen Abenteuerausflug ins antike Griechenland an. Einen Freund zu sehen bessert meinen Zustand nicht, nicht wirklich, und der Kaffee, den er mir in die Hand drückt, hilft auch nur minimal weiter.
»Danke, Ted«, grummle ich, und ein stechendes weißes Licht schmerzt in meinen Augen. »Du bist jetzt offiziell der schlimmste Drogenhändler in der Geschichte übler Drogenhändler.«
»Bist du in Ordnung? Du hast ausgeflipptes Zeug geredet.«
»Nicht wichtig«, antworte ich und hänge meine Nase tief in den Styroporbecher. »Sprich niemals darüber. Kaffee ist jetzt alles, was wichtig ist. Kein Essen, noch nicht. Es gibt … noch einen anderen Skywalker.«
An diesem Morgen – als der Kater erst mal verschwunden war – entdecke ich ein neues Gefühl. Bald begreife ich, dass ich mich daran gewöhnen muss: die Trostlosigkeit eines Insassen, der auf sein Gefängnis beschränkt ist.
Und ich muss mich bei euch allen für die große Lücke im Bericht entschuldigen. Ich wollte euch nicht in Sorge versetzen. Es gibt einen guten Grund für das Fehlende. Schön, vielleicht keinen »guten« Grund im eigentlichen Sinne des Wortes … Ich versuche, die Ereignisse der letzten Woche in allen Einzelheiten klar zu beschreiben, aber manches ist für immer verloren, der Erinnerung entkommen, und das hat nichts mit abgelaufenen Medikamenten zu tun.
Wie ihr euch vorstellen könnt, hat die Ankunft von Collins Frau einen kleinen Knüppel in die Speichen meiner Pläne für ein normales Leben geworfen. Welche Verheerungen auch bisher unsere Überlebenden heimgesucht haben. Seit der Ankunft seiner Frau Lydia und ihrer Gefährten hat sich die Situation zugespitzt. Ein zusammengewürfelter Haufen ohne wirkliche Beziehung zueinander – ein Rechtsanwalt, ein Gärtner, ein Wirtschaftsprüfer –, verbunden nur durch das gemeinsame Ziel, lange genug zu überleben, um den Campus und die Arena zu erreichen. Sie haben auch die Meldung im Radio gehört und das Schlimmste befürchtet, als die Übertragung ausblieb. Ohne Lydia und ihre verbissene Ausdauer wären sie wahrscheinlich nie angekommen.
Lydia ist eine große, üppige Amazone mit pfeilglattem silbernem Haar und einem offenen, künstlerisch edlen Gesicht. Das Erste, was mir in den Sinn kam, als ich sie sah, war »zu viel« – zu viel Haar, zu viel Frau, zu viel Eis. Sie erinnerte mich an einen wohl gerundeten Schneemann mit dünnem, geraden Mund und einem blanken Bettlaken aus dicken Haaren.
Ich versuchte, nicht schlecht von ihr zu denken – wirklich. Ich habe versucht, objektiv zu bleiben, aber Objektivität ist in diesem Fall völlig unmöglich. Entweder spürt sie, dass zwischen mir und Collin etwas war, oder sie kann mich generell nicht leiden. Habe ich erwähnt, dass die Macht auch mit den Sith ist?
Unser erstes Zusammentreffen war unbeholfen und gezwungen und, glücklicherweise, weit weg von Collin. Von allen verantwortlichen Personen nahm Lydia prompt mich aufs Korn. Sie entdeckte mich, als ich gerade mit einer Hand voll Gemahlinnen der schwarzen Erde diskutierte, die wieder mal gegen Collins Führerschaft aufbegehrten.
»Hallo«, sagte sie und schob sich dabei mit einer Hand das vor den Augen hängende Haar aus dem Gesicht. Ich schätze, sie ist etwa so alt wie Collin. Sie spricht irgendwie theatralisch, verleiht jedem ihrer Worte gleichermaßen melodisches Gewicht, mit einem beinahe unverständlichen, wässrigen Akzent von Gott weiß woher.
»Hey«, erwiderte ich und hoffte, ich klang so besorgt, wie ich mich fühlte.
»Du musst Allison sein.«
»Ja, das bin ich. Tut mir leid, ich hab hier gerade viel zu tun.«
Das schien sie nicht zu kümmern. Sie blieb neben mir stehen und betrachtete mich mit kaltem, unergründlichem Blick, die Hände in die Hüften gestemmt. Mit erhobenem Kopf und schrägem Blick musterte sie mich von Kopf bis Fuß. Ned kam herüber, um mir beizustehen. Ohne dass ich ein Wort sagen musste, trat er vor die Gemahlinnen und versuchte, mit ihnen zu verhandeln. Sie verlangten mehr Essen, mehr Kleidung, mehr, mehr, mehr. Er hat so eine Art, sie zu beschwichtigen und für ein, zwei Tage zur Ruhe zu bringen. Meist erliegen sie kollektiv seinem Charme, seiner gelassenen Persönlichkeit und seinen Blicken, aber mir scheinen sie uneingeschränkt zu misstrauen.
»Ist das Ned?«, fragte Lydia, als ich mich anschickte zu gehen. Ich fand, es sei das Beste, Ned das Feld zu überlassen. Außerdem gab es drüben bei den Esstischen jede Menge Dosen zu öffnen. Eine der Gemahlinnen streckte ein selbstgebasteltes Kreuz vor sich aus, und Ned senkte behutsam ihr Handgelenk, um die Eisstiele nicht ins Gesicht zu bekommen.
»Ja. Er ist hier eine große Hilfe und ein guter Freund.«
»Hm, aus der Entfernung wirkt er größer.«
»Tja, er ist nicht gerade der Koloss von Rhodos, aber aus Ihrer luftigen Höhe wirkt wohl fast jeder wie ein Liliputaner.« Schluck, nicht mein bester Auftritt. Ich erwartete nicht, dass Lydia mir antworten würde, aber das Leben ist voller unangenehmer Überraschungen.
»Ich habe mich für Swift nie wirklich begeistern können.«
»Tja, falls er sich plötzlich auch aus dem Grab erhebt, werde ich ihn das wissen lassen.«
Hier endetet das Gespräch. Ich kann mich nicht dazu bringen, ihr ins Gesicht zu sehen, ebenso wenig, wie ich Collin gegenübertreten mag. Es scheint mir nicht fair, zu verlangen, dass er sich entscheidet oder die Situation ihr gegenüber rechtfertigt. Niemand ist dafür verantwortlich, wie es gelaufen ist.
Wie gewöhnlich kann ich Ted nirgends auftreiben. Es ist typisch für ihn, in den schlimmsten Momenten verschwunden zu sein, immer dann, wenn ich ihn am meisten brauche. Ned beweist ein mitfühlendes Ohr. Er hat beschlossen, an meiner Seite zu stehen, und für diese Entscheidung bin ich zutiefst und aufrichtig dankbar. Seine Zuneigung allerdings ist zugleich Teil dessen, was zu einem kleinen Ärgernis geführt hat, und wenn ich kleines Ärgernis sage, meine ich ein Loch voll Scheiße, so tief, dass es gut bis zum Mittelpunkt der Erde reichen könnte. Jules Verne wäre stolz darauf.
Die Gemahlinnen der Schwarzen Erde haben eine Entscheidung getroffen: Sie wollen ausziehen. Jetzt, auf der Stelle.
Von Collin erreicht uns die Direktive, dass niemand sie aufhalten soll. Schließlich leben wir nicht in einem Faschistenstaat, sie sollen uns verlassen, wenn sie wollen. Es ist ihre Beerdigung. Ned besteht darauf, dass ich bei ihm bleibe, solange der Schock von Lydias Ankunft noch frisch und schrecklich ist und mich in einen Dämon verwandelt, mit angriffslustigem Gemüt und einer Neigung zu bizarren Halluzinationen. Er erkennt, was die anderen nicht wahrnehmen: Das Fundament meiner Stabilität bestand unglücklicherweise in der Verbindung mit Collin, und jetzt werde ich mir ein neues suchen müssen. Experimente mit Drogen haben hier ihre Grenzen, das weiß ich.
Anschließend verbringen wir zwei Stunden im Sportstudio. Es ist brutal, aber genau die Ablenkung, die ich jetzt dringend brauche. Dann nehmen Ned und ich Dapper mit zum abgesperrten Teil des Parkplatzes, auf dem die Fahrzeuge stehen. Die Gemahlinnen der Schwarzen Erde sollen einen der langen Transporter bekommen, die sechs bis acht Sitzbänke haben. Meines Erachtens haben sie ein solch großzügiges Geschenk nicht verdient.
»Was ist los mit mir? Ich habe mich in eine alte Vettel verwandelt«, schimpfe ich und überprüfe den Kofferraum auf unerwünschte Nachzügler. Wir wurden angewiesen, den Transporter zu säubern und seine Funktionstüchtigkeit sicherzustellen. Es gibt schlimmere Aufgaben, etwa Zombiekörperteile in eine Grube schaufeln oder in frostiger Stille mit Lydia eine Tasse Tee trinken.
»Halt dich verflixt noch mal einfach fern von ihr. Das ist alles, was du tun kannst.«
»Du hast recht. Mir kann man nicht trauen.«
Ned lacht, seine sprühenden blauen Augen blitzen, als er einen tränentreibenden Haufen Staub aus dem Transporter fegt. Ich lasse sein Vatergebaren unkommentiert.
»Falls es dich tröstet, ich mag sie nicht besonders.«
»Sie findet, du bist klein«, versichere ich ihm bestärkend.
»Und ich finde, sie ist eine verkommene Schlampe.«
»Best friends forever, Ned. Best friends forever.«
Dapper springt auf einen der Sitze, beansprucht ihn für sich. Mir erscheint es unvorstellbar, dass ich irgendwo in Ruhe schreiben kann, also setze ich mich auf den Platz neben ihn und nehme das Laptop aus seinem Futteral. Ned schraubt sein Arbeitstempo auf Schneckengang herunter. Falls jemand kommt, um nach uns zu sehen, wirken wir beschäftigt. Wir sind beide ziemlich erfolgreich darin, die Arbeit im Lazarettzelt zu vermeiden. Teds Gotteskomplex wird von der harten Knochenarbeit etwas besänftigt, doch Ned und ich ziehen Schießübungen oder das Sportstudio vor. Draußen auf dem Parkplatz ist es kalt, und meine Finger werden allmählich etwas taub beim Tippen. Dapper versucht, mir das Handgelenk zu lecken, während ich schreibe.
Ab hier verschwimmt meine Erinnerung. Ich weiß noch, dass Ned mit gebeugtem Kopf vor der offenen Wagentür steht und irgendetwas unter dem Beifahrersitz untersucht. Und ich erinnere mich, Schritte draußen auf dem Pflaster zu hören. Dann ist da ein Flüstern und ein fahler brauner Blitz und etwas Hartes, Schweres, das mich am Hinterkopf trifft.
Ich erwache, und mein Hinterkopf fühlt sich weich und nass an. Um mich herum ist es dunkel, feucht und kalt. Mein Gedächtnis ist lückenhaft, aber ich gebe mein Bestes, um mich an das Geschehene zu erinnern. Es fühlt sich an wie der Keller der Arena, riecht aber anders. Metallischer und staubiger. Ich taste an meinem Hinterkopf herum, und meine Finger werden feucht und klebrig. Ein Lecken an ihnen sagt mir, dass sich Blut an meinem Kopf befindet, aber es gerinnt bereits, und die Wunde beginnt zu heilen. Stöhnend setzte ich mich auf und spähe in die Finsternis.
»Hallo?«, krächze ich. »Ist da jemand? Bitte nicht wieder dieser Scheiß. Kacke. Odysseus?«
Statt einer Antwort hallt meine Stimme aus verschiedenen Richtungen wider. Wenn ich Glück habe, werden diesmal keine epischen Schlachten geschlagen, und keine griechischen Helden prügeln sich herum. Der dünne Duft eines Parfüms hängt über meinem Kopf in der Luft. Einen knappen Meter über dem Boden. Es riecht ein bisschen wie Lavendelseife mit einer scharfen, trockenen Beimischung.
Zitternd krieche ich auf dem Boden herum und versuche, die Grenzen dieses Raums zu erkunden. Er ist klein, ungefähr drei mal drei Meter, mit zwei Wänden aus groben Ketten, die stark nach Rost riechen. Die anderen Wände bestehen aus rauem, kaltem Zement. Kein Licht, auf das sich das Auge einstellen könnte, aber ich kann eine Art Fenster über mir ausmachen. Es ist mit Pappe verdeckt, um das Sonnen- oder Sternenlicht auszuschließen. Ich habe keine Ahnung, wie spät es ist, keinen Schimmer, wie viel Zeit vergangen ist, seit ich im Transporter gesessen habe. In einer Ecke steht ein Eimer, und ich nehme an, er soll mir als Klo dienen.
Was mich am meisten beunruhigt, ist der Umstand, dass ich alleine bin. Weder Dapper noch Ned scheinen in der Nähe zu sein.
An die Wand gekauert warte ich mit meinen Fragen als einziger Gesellschaft. Stunden vergehen. Ich fühle fast nichts mehr, denn ich weiß, was auch immer jetzt passiert, liegt wahrscheinlich nicht in meinen Händen. Kein Aufbrausen von Kraft, kein Augenblick großer Wut, denn ich kann mich nicht erinnern, jemals hilfloser gewesen zu sein. Es gibt nur eine Möglichkeit: warten.
Endlich, mit knurrendem Magen, in dem es alle zwanzig Sekunden wild rumort, höre ich Schritte. Eine Taschenlampe taucht auf, der dünne, gelbe Strahl tanzt über den Beton. Ich sehe, dass ich in einem Keller bin, der wahrscheinlich mal ein Lagerraum war. Die Taschenlampe beleuchtet einen Haufen erschlaffter Fuß- und Basketbälle und in einer entfernteren Ecke die Überreste eines kleinen Hockeytors. Das Licht trifft in meine Pupillen und lässt in meinem empfindlichen Kopf wieder den Schmerz explodieren. Ich bedecke meine Augen und blinzle dann in das stechende Licht, um zu erkennen, wer da zu mir kommt. Eine sehr große, ausladende Gestalt mit breiten, männlichen Schultern und einem Mopp lockiger Haare, die an ihrem Kopf kleben wie ein fettiger Helm. Ihr Mund ist klein und runzlig und ihre Augen sind eng zusammengezogen. Sie ist etwa so groß wie Ned, mindestens einsachtzig.
»Wo bin ich?«, frage ich, wobei ich feststelle, dass meine Stimme noch heiserer geworden ist.
»Du isst jetzt«, knurrt eine Frauenstimme, und die Gestalt kniet sich unter großer Mühe hin, um durch einen Spalt in der Kettentür einen flachen Teller zu schieben. Ein großes, fieses Vorhängeschloss hängt um die Türklinke. »In ein paar Stunden komme ich zurück.«
»Warte bitte«, sage ich und krabble auf allen vieren vorwärts. »Kannst du mir nicht einfach sagen, wer du bist? Wer bist du?«
»Nicht wichtig«, antwortet sie mit einem schweren deutschen oder vielleicht schwedischen Akzent, der anscheinend erst vor kurzem aus dem Mutterland importiert wurde. »Ich komme bald wieder zu dir.«
Eine verfluchte Lügnerin, denn sie kehrt für Stunden nicht zurück. Zwischenzeitlich esse ich, was sie mir gebracht hat – eine magere, wässrige Portion Haferbrei. Er schmeckt schal, und ich kann mir vorstellen, wie er für Jahrzehnte im hintersten Winkel einer Speisekammer voller Spinnweben dahinvegetierte. Aber ich esse ihn und hoffe, dass er nicht mit irgendwas versetzt ist. Ich versuche mir etwas einfallen zu lassen, um die Zeit einzuschätzen. Aber ohne einen Sonnenstrahl auf dem Boden ist es unmöglich, das Zeitgefühl zu behalten.
Inzwischen fantasiere ich, durch die Wand zu brechen wie Superman, durch die Luft zu fliegen mit meinem Adlerblick und das Land nach meiner Mutter abzusuchen. Dann stoße ich hinab, greife sie und nehme sie mit auf eine Festung auf einer Bergspitze, wo wir schüsselweise Karamellpudding essen, bis wir daran sterben.
Als ich das nächste Mal ein Geräusch höre, kommt es aus einem Raum neben meinem. Die Taschenlampe kehrt zurück, und mit ihr dieselbe Frau, aber statt meine Tür zu öffnen und nach mir zu sehen, öffnet sie den nächsten Raum und stößt jemanden hinein. Ich höre das Scharren von Füßen auf dem Boden und einen Knall, als die Tür zufällt und ein Vorhängeschloss um die Klinke gelegt wird.
»Wehr dich nicht, dir wurde eine Chance gegeben.«
Diesmal spricht nicht die Kerkerfrau, sondern eine andere, tiefe Frauenstimme, die mir vage bekannt vorkommt. Die Lampe ist fest auf den Boden gerichtet, sodass ich ihr Gesicht nicht sehen kann.
»Leck mich.«
Mein Herz fliegt in meinen Hals. Gott sei Dank. Es ist Ned.
Er spuckt auf den Boden, und ich höre ein entrüstetes Keuchen von der Frau und ein aufgesetztes Lachen von der großen Deutschen mit den Schlüsseln. »Möge der Herr Erbarmen mit dir haben, Edward. Obwohl ich nicht denke, dass er das wird.«
Sie gehen, der Lichtkegel tanzt von dannen, bis sie um eine Ecke und verschwunden sind.
»Ned? Bist du das?«
»Himmel, Allison, du bist am Leben!«, sagt er. Es ist beunruhigend, dass ihn dieser Umstand so überrascht. Ich kann hören, wie er sich an unsere gemeinsame Wand schiebt. Ich krieche auch in diese Richtung und lasse meine Hände über die Ketten gleiten, bis ich seine Fingerspitzen fühle.
»Wo sind wir?«, frage ich, so dankbar für Gesellschaft, dass mir die Tränen in die Augen treten.
»Ich glaube, in einer alten Vorschule oder so was. Die Wände oben sind alle rosa, gelb und grün.«
»Und Dapper?«
»Ich habe ihn nicht gesehen«, sagt Ned, und sein düsteres Stirnrunzeln ist in seiner Stimme zu hören. »Ich kann gar nicht glauben, dass du lebst. Gott, Allison, es ist schrecklich. Das sind schreckliche Leute. Ich weiß nicht, was mit uns passieren wird.«
»Beruhige dich – wer ist schrecklich?«
»Die Gemahlinnen, die Gemahlinnen der Schwarzen Erde, sie sind … verdammt. Sie haben den Transporter genommen, so muss es gewesen sein, und uns vermutlich mitgenommen.«
»Aber das ergibt doch keinen Sinn. Warum sollten sie uns mitnehmen? Wofür das riskieren?«, frage ich. Ich fühle, wie seine Hände zittern, weil sie die Ketten schütteln und sie zart klingeln lassen wie ein Windspiel.
»Es geht um mich. Sie wollen – wollten – mich.«
»Dich?«
»Danke vielmals.«
»Das war kein Kommentar der Wertschätzung, Ned, ich meinte nur, wofür denn?«
»Sie sind durchgedreht, Allison, sie alle. Sie sind verrückt …«
»Aber wenn sie dich wollen, warum bist du dann hier unten bei mir?«
»Ich wollte nicht … Ich wollte nicht tun, was sie verlangten. Es ist wie ein Ritual oder so, etwas Übles. Ich weiß nicht, was zum Teufel los ist«, sagt er, und seine Stimme versagt in der Mitte des Satzes. Etwas Entsetzliches quält ihn, die Kettenwand zittert heftiger. »Sie haben versucht … sie haben versucht, Sex mit mir zu machen.«
»Himmel.«
»Genau, Allison. Sie denken, es ist das Ende der Welt, Armageddon. Sie wollen die Erde wieder bevölkern, aber nur mit wahren Gläubigen. Sie haben mich die ganze Zeit Adam genannt … Und Corie … Sie stand daneben, direkt daneben, und hat nichts getan, hat nicht versucht, sie aufzuhalten. Und jetzt … ich vermute, sie werden uns wahrscheinlich töten.«
»Uns töten? Was zur Hölle habe ich denn getan?«
»Wir sind Sünder … und ich … ich kann nicht … sie haben meine Jungs. Sie haben Evan und Mikey.«
»Himmel, Ned«, sage ich und fühle, wie meine Haut sich zusammenzieht, als ob sie versucht abzuhauen. Der schale Haferbrei droht unvermittelt wieder hochzukommen. »Du hättest … du solltest tun, was sie verlangen. Mach dir keine Sorgen um mich. Bring einfach deine Kinder in Sicherheit. Ich meine, was ich sage, das ist so was wie ein ausdrücklicher Befehl.«
»Sei nicht dumm«, sagt er. »Ich würde nie zulassen, dass meine Jungs mich so sehen. Ihnen wird nichts passieren, schließlich … Schön, ich weiß es nicht, aber sie sind doch nur Kinder.«
»Also, was nun?«, frage ich und streichle seine Finger.
»Sie werden nach ihrem Adam suchen, ich schätze, wir … tja, wir werden wohl nicht mehr gebraucht. Sie reden die ganze Zeit vom Opfern, von einer Opferung der Unwürdigen. Sie bauen die Welt wieder auf, nehme ich an, so wie sie sie sich vorstellen.«
Alles wäre besser, als dort zu sein, wo wir jetzt sind. In einem Tank voller hungriger Haie zu schwimmen wäre besser. Sogar mit Collin und seiner Frau für den Rest der Ewigkeit in einer Toilette eingesperrt zu sein, wäre besser als dies. Evan und Mikey sind da oben mit einem Haufen Verrückter, wahrscheinlich zu Tode verängstigt, und fragen sich, wo ihr Dad ist. Und wer weiß, was man ihnen erzählt oder zeigt …
»Wir kommen hier raus«, sage ich und drücke nochmals seine Hand. »Wir müssen. Es ist noch nicht vorbei, nicht, ehe wir tot sind. Wir sind zu weit gekommen, um hier zu sterben. Ich lasse nicht zu, dass mich eine Horde durchgeknallter Weiber ermordet, nicht, nachdem ich es so weit geschafft habe.«
Es gibt keine Hoffnung, aber ich suche trotzdem nach ihr, versuche, tief zu graben, und vergesse fast, dass ich es nicht länger mit hirnlosen Untoten zu tun habe. Ich will alles vergessen, einen tauben Raum finden, in dem es kein Denken gibt, kein Gefühl … Aber etwas verhindert das. Etwas sagt mir, ich müsse mich wieder aufrappeln. Etwas sagt mir, dass es mir nicht gestattet ist, mich vernichten zu lassen. Ich will meinen Hund wieder. Ich will meine Freiheit, und am meisten will ich ein Zuhause. Ich will meine Mami.
KOMMENTARE
Steveinchicago:
26. Oktober 2009 17:27 Uhr
ja! du bist zurück. entschuldige das rip. wie auch immer, ich kenne dieses gefühl, allison. ich will auch meine mami. halte dich jetzt von verschreibungspflichtigen medikamenten fern, sie betäuben die sinne.
Isaac:
26. Oktober 2009 18:01 Uhr
Es ist schön, dich, na ja, am Leben zu wissen. Ich glaube, wir wollen alle unsere Mamis. Aber jetzt mach schon, und erzähle uns den Rest, Frau!
Elizabeth:
26. Oktober 2009 20:46 Uhr
Ich denke, das ist das letzte Mal, dass ich mich melde. Es wird immer schwerer, eine aktive Verbindung zu finden. Wir lagern Fisch in großer Menge ein, nur für den Fall, dass die Seuche das Ökosystem des Meeres ruiniert. Wir haben Gerüste über Gerüste voll getrocknetem Fisch. Ich würde für einen Burrito töten, aber ich sollte glücklich über unsere Nahrungsversorgung sein, über jede Art von Nahrung. Der Ozean war unser Retter, und ich bin an jedem einzelnen Tag für unsere Sicherheit dankbar. Ich weiß, dass du nicht herkommen kannst, Allison, aber ich wünschte, du könntest. Wenn du es jemals bis an die Küste schaffst, hast du Freunde auf den Wellen.