27. SEPTEMBER 2009 – DIE BLUTIGE KAMMER
»Erzähl’s ihnen. Mach schon. Erzähl ihnen, was du mir erzählt hast.«
»Hab ich nicht das Recht, die Aussage zu verweigern?«
»Nein, das hast du nicht, Allison. Erzähl es ihnen jetzt, sonst mache ich es.«
Stellt es euch bildlich vor: Ich stehe vor der versammelten Gruppe und schwitze wie ein Schwein, ein stinkendes Schwein mit einem Heckenscheren-Haarschnitt. Sie starren mich an, denn sie haben Teds Miene gelesen und wissen, dass ich etwas wirklich Schlimmes gemacht habe, etwas zum In-die-Ecke-Stellen und Schämen. Es ist wieder wie in der Grundschule. Vorführen und Petzen, der demütigende Spießrutenlauf durch hochgezogene Augenbrauen und verkniffene Münder. Alle sind mürrischer als sonst, als hätte Matts miese Laune sich verbreitet und alle infiziert. Es ist jetzt spät im September, und es beginnt kalt zu werden. Feuchtigkeit kriecht durch die Mauern und macht unsere kleine Welt klamm und noch düsterer. Holly hat einen Schnupfen. Ich habe inzwischen erfahren, wie Brooks & Peabody seine Prioritäten setzt: Die Überwachungskameras laufen auf Notstrom, nicht aber die dringend benötigte Heizung.
Ich zappele nervös herum. Ich glaube, ich räuspere mich.
»Ich betreibe jetzt seit einiger Zeit einen Blog. Es begann zunächst als Hilferuf, aber dann – ich weiß nicht, es fühlte sich gut an, sich mit jemandem darüber auszutauschen, was passiert ist, also hab ich weitergemacht.« Ich weiß nicht, warum es so schwer ist, das zu sagen, aber es fühlt sich an wie Verrat, und ich kann sehen, dass Holly den Tränen nahe ist. »Es gibt gute und schlechte Nachrichten. Die gute Nachricht ist, dass es immer noch andere Menschen gibt, die leben. Sie sind da draußen, sie haben mir zurückgeschrieben. Die schlechte Nachricht lautet: Sie sitzen fest wie wir, gefangen, hilflos.«
»Ich nehme nicht an, dass einige von ihnen Polizisten oder Rettungskräfte sind?«, fragt Matt trocken und verdreht die Augen.
»Ich weiß es nicht. Aber das bringt uns zu einem anderen Punkt.« Ich sehe Ted an, der ernst nickt. Wir beide haben unter vier Augen Kriegsrat gehalten und einstimmig beschlossen, die Initiative zu ergreifen. Und wir haben uns für eine bestimmte Vorgehensweise entschieden. Nun ist es Zeit, es der Gruppe zu sagen, und ich weiß schon, dass das nicht so reibungslos laufen wird. Wenigstens ist Dapper da, sitzt ruhig zu meinen Füßen wie eine alte, weise Statue, ein Talisman gegen die aufgebrachten Blicke, die mich treffen. »Ted und ich gehen heute hoch in die Apartments. Die Nahrung wird schon wieder knapp, und wir müssen alle über etwas Dauerhafteres nachdenken.«
»Etwas Dauerhafteres?«, echot Holly. Ihr Gesicht ist vollkommen weiß geworden und ihre Fingerspitzen verharren an ihrem Mundwinkel. Sie hat sich in letzter Zeit angewöhnt, an den Nägeln zu kauen.
Ted und ich wechseln einen Blick.
»Die Sache ist die: Die Nachrichten, die uns von draußen erreichen, klingen nicht gut. Chicago wird auch angegriffen, und –«
»Angegriffen?«, fragt Janette und krallt ihre Hand in Matts Knie. Ich wünschte, sie würden aufhören, alles zu wiederholen, was ich sage, und irgendetwas Neues beisteuern, aber das ist wohl zu viel verlangt. Es ist mein Fehler, ich hätte es besser formulieren müssen. Ich meine, ein Angriff impliziert noch die Möglichkeit einer Abwehr. Ich weiß, dass sie so denkt. Das würde ich auch tun.
»Chicago ist überrannt.«
Danach entsteht eine lange Pause. Ich beobachte, wie sich nach und nach hauchfeine Partikel der ganzen Wahrheit auf ihren Gesichtern ablagern, zu einem erschreckenden Dunst verschmelzen, der ihnen Falten auf die Stirn legt und die Mundwinkel angstvoll nach unten zieht. Holly schlägt sich die Hand vor den Mund und gibt einen rasselnden, würgenden Laut von sich.
Ich sollte wütend sein. Das ist doch alles eure Schuld. Du, Anonymus, und du, Bruce, ihr solltet euch was schämen. Als ich feststellte, dass da draußen jemand ist, nämlich ihr zwei, hab ich fast meine Limonade in die Tastatur gespuckt. Und dann in meinem Überschwang Ted von euch beiden erzählt und dabei mein heimliches kleines Internetleben enthüllt. Ted war verständlicherweise nicht erbaut.
»Was denkst du dir eigentlich? Du benutzt dein verdammtes Laptop? Du verschwendest Energie«, fauchte er und sah mich finster an. Er hatte den Haarschnitt verweigert, und seine Fransen hingen ihm schon über die Brille. Mit einem ärgerlichen Fuchteln wischte er sie beiseite. »Ich kann es nicht glauben. Warum hast du nichts gesagt?«
»Das ist was Gutes, Ted, ich fühle das. Sieh mal, wenn es noch drahtlose Verbindung gibt, dann gibt es Leute, die dafür sorgen, dass es funktioniert, richtig? Die was auf die Beine stellen! Oder anders, es heißt zumindest, dass noch nicht jeder im Arsch ist, verstehst du? Ich meine … weißt du, was ich meine?«
»Du musst es den anderen sagen«, flüsterte er und schüttelte mit gerunzelter Stirn seinen dunklen Strubbelkopf. »Sie haben ein Recht darauf, alles zu wissen. Ich hätte ein Recht darauf gehabt, es zu wissen. Ich wünschte, du hättest mir gesagt, was du vorhast.«
»Schön, jetzt weißt du es. Es war nicht vorsätzlich. Ich hab doch gar nicht erwartet, dass was dabei herauskommt, verstehst du? Es war mehr so eine Art Therapie, kein ernst gemeintes SOS. Von jetzt an keine Geheimnisse mehr, Ted, versprochen.«
Das schien ihn ein wenig zu beruhigen, und so kam unsere Zweierversammlung auf ein anderes Thema: Dapper. Der Hund bellt nicht. Er hat noch keinen von uns aus irgendeinem Grunde angebellt. Vielleicht hat er die Gefahr, in der wir uns alle befinden, so verinnerlicht, oder vielleicht versucht er, sich einfach nur einzufügen und so liebenswert wie möglich zu sein (was ihm, nebenbei bemerkt, gut gelingt). Aber in der letzten Nacht, nach dem Haareschneiden, hörten wir plötzlich Geräusche über uns. Laute, scharrende Geräusche, als würden Möbel herumgeschoben. Anfangs haben wir uns dabei nicht viel gedacht, aber dann fing Dapper auf einmal an, sich die Seele aus dem Leib zu bellen, sprang hoch wie ein Wilder und fletschte die Zähne gegen die Decke.
Ted und ich haben entschieden, dass es bedeutsam sein muss. Das Gebell und die Geräusche – wir vermuten, da oben könnten noch Überlebende sein. Das erscheint auch plausibel, wenn man bedenkt, dass sie im Obergeschoss sind. Ich habe keine Ahnung, wie beweglich diese untoten Dinger sind. Sie könnten sich schwertun mit Treppen, und wenn Treppen sie ein Weilchen aufhalten, dann haben die Bewohner oben es möglicherweise geschafft, sich zu verbarrikadieren. Wir fragen uns, ob Dapper vielleicht aus einer der Wohnungen da oben kommt und dies seine Art ist, uns mitzuteilen, dass wir hochgehen sollen.
Und das bringt uns zu der unangenehmen Herausforderung, wieder einmal zu fragen, wer sich freiwillig meldet. Ted und ich sind unsicher, ob wir heil durch den Laden kommen – hinten raus und dann die Feuerleiter hoch –, wenn wir nur zu zweit sind. Eine dritte Person wäre gut. Jemand, der uns den Rücken deckt, einfach ein Paar Augen mehr, die Wache halten.
Ich kann sehen, wie Matt sich für einen Einwand wappnet – er rückt ein bisschen vor, als wollte er sich zwischen uns und Janette stellen. Matt hat eine lange, nachdenkliche Pause gebraucht, um seine Gedanken zu ordnen und sich für den unvermeidlichen Showdown zu wappnen. Sein Todesblick fährt hoch und fixiert sich, bereit für die Schlacht.
»Nein«, sagte er schließlich wie vorhergesehen. »Keine Chance. Das ist Selbstmord.«
»Es ist kein Selbstmord, Matt. Sei nicht so melodramatisch.«
»Du hast keine Ahnung, was da oben los ist, wie viele dort oben sind.«
»Aber was, wenn es gar nicht so übel ist? Wenn wir da sauber machen können? Wir könnten tatsächlich leben wie richtige Menschen, mit Sofas und Tischen und Betten!«, sage ich hektisch. Das läuft nicht gut. Wenn er weiter düsteres Verhängnis beschwört, wird sich keiner freiwillig melden, um uns zu helfen.
Und dann Janette, die wundervolle, großartige Peter-Pan-Janette. Kaum hörbar murmelt sie: »Ein Bett wäre schön.«
Matt starrt sie wütend an, sichtbar verprellt und niederträchtig verraten, dann rückt er heftig zurück an die Schränke. Er kreuzt die Arme über der Brust und schaut in eine andere Richtung.
Ich hoffe, das bedeutet, dass Janette zu uns stoßen wird, aber sie bleibt still. Ted und ich blicken uns an und treten verlegen von einem Bein aufs andere. Ich fühle, wie die Frustration wächst. Ich will losbrüllen: Kriegt ihr es nicht mit? Seht ihr nicht, was passiert? Wir müssen einfach weitermachen! Das ist alles, was wir tun können, einfach Scheiße noch mal weitermachen!
»Bitte?«, fragte ich seufzend.
»Ich gehe mit. Verdammt, ja, ich komme mit.«
Das war Phil. Er steht auf und blickt mit leichtem Hohn auf seine Kameraden. Endlich ist er aufgewacht. Er nickt nachdrücklich – sei es, um sein Selbstvertrauen zu untermauern oder unseres, das kann ich nicht sagen – und schreitet zur Tür. »Gut. Worauf warten wir noch? Gehen wir jetzt raus oder nicht?«
»Ja, natürlich tun wir das, aber gib uns eine Minute, um uns fertig zu machen, okay? Keine Hektik«, sagt Ted und zieht Matts Hemd vom Tresen. Er sieht skeptisch aus, kaut auf seiner Unterlippe, und ich sehe, warum: Phil wirkt etwas zu zuversichtlich.
Er weigert sich rauszugehen, wenn er nicht den Baseballschläger bekommt. Sehr gut. Im Tresorraum holen wir den Feuerlöscher von der Wand und geben ihn Ted. Wir nehmen an, dass er sie damit zumindest ausbremsen kann, wenn sie uns zu nahe kommen. Ich habe keine Ahnung, was der Strahl eines Feuerlöschers in einem Gesicht anrichtet, aber das will auch keiner von uns testen.
Der Plan ist, schnell voranzukommen, keinesfalls irgendwo im Laden stecken zu bleiben. In Bewegung bleiben, bis wir es nach draußen geschafft haben. Wir hoffen, wenn wir erst die Feuertreppe erreicht haben, werden die Stöhner, die uns bis dorthin vielleicht gefolgt sind, sich wieder zerstreut haben, sobald wir zurückkommen. Ich hab die Monitore überprüft, und der Laden wirkt friedlich und still. Beim Gassigehen mit Dapper und den Abstechern durch den Flur zu den Toiletten haben wir das meiste Chaos in der näheren Umgebung beseitigt. Allerdings bin ich weniger zuversichtlich, was den hinteren Teil des Ladens anbelangt, denn da gibt es jede Menge Bücherregale, wo man sich verstecken, herumschleichen oder einen Hinterhalt legen kann.
Aber meine wahre Angst gilt dem Rausgehen. Wenn wir erst mal die Türen geöffnet haben, die aus dem rückwärtigen Lagerraum nach draußen führen, wissen wir nicht, was uns erwartet.
Wir haben unsere Köpfe umwickelt und Matt eingeschärft, dicht bei der Tür zu bleiben und ein waches Ohr zu haben. Heimlich haben wir auch Holly gefragt, ob sie nach uns lauschen kann. Von uns dreien sieht Phil mit Abstand am dämlichsten aus. Er benutzt eine alte Windjacke als Kopfwickel, seine Brille lugt heraus, ein wenig gestützt von dem Stoff. Sein weißes Polohemd sieht jetzt weniger weiß als vielmehr fleckig gelb aus, und seine Khakihosen sind hoffnungslos zerknittert. Murrend zerrt er seine Hosen hoch und nickt Ted zu, dessen Hand auf der Türklinke liegt.
Wir gehen erfrischend unaufgeregt raus. Das Areal vor der Tür ist leer, und man hört nichts als den entfernten Klang einer Autoalarmanlage.
Phil und ich marschieren voran, Ted hält die hintere Position. Wir wenden uns nach rechts, gehen die Stufen hoch, vorbei an den leeren Kühlschränken und den Kassen. Es ist schwer, den Bücherregalen zu widerstehen, aber ich habe meine Lektion gelernt und weiß, dass hinter jedem von ihnen ein ganzer Sauhaufen von Untoten lauern kann. Vor dem Rausgehen hat Ted mich noch gebeten, erst auf dem Rückweg Lektüre zu hamstern und nur ein Buch zu nehmen, wenn ich nicht anders kann, höchstens zwei. Kleiner Frechdachs.
Sobald man die Kassen hinter sich hat, kommen rund zehn Meter Bücherregale, bevor man den hinteren Lagerraum erreicht. Wir halten uns möglichst weit rechts und haben so nur eine offene Flanke für einen Angriff. Dann ertönt von links ein tiefes Knurren, und Phil fährt kampfbereit herum. Breitbeinig hebt er den Baseballschläger und führt aus sicherem Stand einen harten Schlag aus, noch bevor ich überhaupt dazu komme, einen Warnlaut von mir zu geben. Ich tausche einen kurzen Blick mit Ted, der sofort weniger skeptisch aussieht, sogar durch Matts Flanellhemd.
Der Boden ist übersät mit Büchern, fleckigen, ruinierten Büchern, deren Seiten in Gott weiß was am Boden kleben. Ich hacke ein paar Stöhner nieder, bevor wir uns rechts zum Lagerraum wenden. Ich kann erkennen, dass zwischen den Regalen noch mehr sind und dass sie uns bemerkt haben. Aber der Plan ist, in Bewegung zu bleiben. Das tun wir. Wir halten einen hastigen, unordentlichen Trab, bis wir endlich den rückwärtigen Raum erreicht haben und rennen können. Der Lagerraum ist ein großes, offenes Areal mit langen Tischen, um eingehende Lieferungen zu sortieren. Es gibt zwei Bereiche – zunächst ein großes Gebiet, in dem hauptsächlich leere Verpackungen und Nachfüllsortiment lagern, und einen hinteren Teil des langen Raums mit Türen, die nach draußen führen. Wir sind fast da, und ich weiß, dass die letzten Meter hart werden – die Geräuschkulisse, das Knurren, das schmerzvolle Stöhnen von Dutzenden Untoter, das uns umgibt. Sie haben unser Ziel vorausgesehen und sind langsam ausgeschwärmt, um uns hier zu stellen.
Phil ist immer noch völlig konzentriert bei der Sache und knackt ein paar von ihnen die Schädel. Ich erkenne keinen dieser Stöhner wieder, was es leichter macht, mit ein paar gut gezielten Axthieben ins Genick hinter Phil aufzuräumen. Am schwierigsten ist es dabei, den nötigen sicheren Abstand zu Phil zu halten, der sich mit bewundernswertem Eifer in die Arbeit stürzt. Ted bildet die Nachhut. Er verschießt laute Gasstrahlen aus dem Feuerlöscher, hält sie damit auf Abstand, damit Phil und ich Zeit haben, sie auseinanderzunehmen. Wir entwickeln einen Rhythmus.
Als der Lagerraum geklärt und der Boden mit klebrigem, schwarzem Matsch bedeckt ist, gönnen wir uns einen Moment zum Durchatmen. Phils Schultern zittern vor Erschöpfung, er beugt sich vor und stützt seine Hände auf die Knie. Ich vergaß, wie träge wir geworden sind, wie wir den ganzen Tag herumsitzen, das eine Buch, dieselben Magazine, dieselben Spielkarten herumgehen lassen, nichts als Junkfood essen und schlafen.
Der Lagerraum ist nichts Bemerkenswertes. Lange Tische und ein paar uralte Computerterminals, um die Lieferungen zu fakturieren, etwas Ware und ein Haufen Verpackungsmaterial. Ich erkenne, dass die Hintertüren einen Spalt offen stehen und eine dünne, geisterhafte Linie aus Sonnenlicht über die Mitte des Bodens verläuft.
Phil rappelt sich auf und marschiert weiter, hält verwegen auf die Türen zu. Es fühlt sich irgendwie groß an, irgendwie bedeutungsvoll. Wir haben etwas erobert, haben ein Ziel erreicht, das zuvor nur eine vage Vorstellung war, ein gänzlich fiktives »dort«.
Ich sorge mich um Phil. Ich weiß, dass er ein erwachsener Mann ist und auf sich selbst aufpassen kann, aber ich bin unsicher, ob er darauf vorbereitet ist, was wir zu sehen bekommen, wenn diese Türen ganz offen sind. Und ich weiß nicht, ob ich selbst darauf vorbereitet bin.
Phil drückt kräftig gegen die schwere Tür, die ein langes metallisches Kreischen erzeugt. Die Welt da draußen ist grau, durchbrochen von ein paar dünnen Sonnenstrahlen, die durch die Wolken dringen. Es ist kälter als erwartet. Später September, trübe und schneidend kühl. Ich liebe diese Art Wetter, Pulloverwetter, noch nicht zu kalt, um in eine Decke gewickelt draußen zu sitzen. Doch Wichtiges fehlt: der üppige Duft von brennendem Herbstlaub, Eichhörnchen, die in den Bäumen herumtoben. Da sind nur verlassene Gebäude in der Ferne, die herumstehen wie vergessene Monumente, die Lichter gelöscht, die Menschen fort.
Wieder höre ich diesen Autoalarm, allerdings keine laufenden Motoren. Ich sehe kein geheimnisvolles Fahrzeug, das naht, um uns zu retten. Es herrscht gespenstische Stille. Die Laderampe vor der Tür ist leer. Keine Begrüßungsparty der Untoten unterbricht diese schreckliche Ruhe. Das hier war mal eine Stadt, ein lebendiger Ort, nun ist er verlassen, stumm und grau.
Phil stolpert auf die Rampe hinaus, ohne auf die Kälte zu achten, aber ich kann sehen, wie sich die Härchen auf seinem Arm aufrichten und er eine Gänsehaut bekommt. Ich folge ihm die Rampe hinunter. Der große Recyclingcontainer und der Müllcontainer sind offen und durchwühlt. Papiere und Kartons liegen verstreut auf dem Pflaster. Ted boxt mich kräftig in den Rücken. Ich drehe mich um und sehe, dass er auf etwas zeigt – ein Auto, Phils Auto, und plötzlich wird alles klar.
Phil rennt auf seinen alten maroden LeSabre zu, bevor einer von uns auch nur die Hand heben kann, um ihn aufzuhalten. Das würde auch nichts nutzen, denn Phil ist ein Riesenkerl mit den Schultern eines Quarterbacks und genug Gewicht, um uns beide ohne Anstrengung umzuwerfen. Schon ist er über den Platz gerannt und hastet zu seinem Auto, doch bevor er es erreicht hat, hält ihn etwas auf.
Ich kann es nicht erklären. Jeder weiß, wie ungemütlich und herzerweichend es ist, einen ausgewachsenen Mann weinen zu sehen, aber wenn es sich um deinen Boss handelt, ist es noch schlimmer. Kurz vor seinem Auto sinkt er auf die Knie und wiegt ruckartig den Oberkörper vor und zurück, als bekäme er Stromschläge. Der Tankverschluss steht offen. Mit dem nächsten Auto, Janettes, ist es das Gleiche. Kein Sprit. Er wurde abgesaugt, gestohlen.
Phil ist mit uns gekommen, um zu fliehen. Das ist jetzt klar. Ich hätte diese Möglichkeit bedenken sollen. Am liebsten würde ich ausrasten, ihn hochzerren und durchschütteln und ihm ins Gesicht schlagen. Aber ich kann es nicht. Ich will ihn fragen: Wo wolltest du hin? Was glaubst du, wo man hingehen kann?
Stattdessen gehe ich zu ihm und lege ihm freundlich die Hand auf die Schulter. Er ist vollkommen verkrampft, ein einziger Knoten aus Nerven und Frustration. »Ist schon in Ordnung, wir werden es den anderen nicht sagen.«
Wir müssen in Bewegung bleiben, weiter vorstoßen, aber ich weiß nicht, wie ich ihn aus seiner Verzweiflung reißen kann. Es ist nur eine weitere Welle des Schreckens, eine weitere in der endlosen Serie unwillkommener Überraschungen. Phil hört nach einer Weile auf zu zittern und kommt auf die Füße. Er sabbert sich auf den Handrücken, als er versucht, sich Rotz und Tränen von Wangen und Kinn zu wischen. Eine Träne hat sich in seinem Spitzbart verfangen, aber ich sage nichts darüber.
»Hinten drin liegen Golfschläger«, sagt er mit einer traurigen, ruhigen Stimme. Er zieht einen Schlüsselring aus seinen Khakihosen und geht zum Kofferraum. Darin wartet eine glänzende Ledertasche voller Golfschläger, deren dicke Köpfe mit Hauben bedeckt sind wie jene von Delinquenten am Galgen. Phil beugt sich hinüber und zieht vorsichtig, fast liebevoll einen der Schläger heraus. »Ist er nicht eine Schönheit?«
Doch, das ist er.
»Hier, einen für jeden von uns.«
Phil reicht mir einen Schläger und sagt, es handele sich um einen Driver. Er ist leicht, unnatürlich leicht angesichts der ernormen Größe des Metallkopfes. Ich ziehe das Häubchen ab, und selbst im matten, trüben Licht glänzt das silbrige Material. DIABLO ist ins Metall geätzt.
»Wir nehmen die Driver und die Eisen«, sagt Phil, reicht Ted einen Schläger und behält selbst zwei.
Er scheint sich wieder zu fangen. Ich habe den Eindruck, einfach die Schläger wieder in der Hand zu halten hat ihm ein Stück Normalität zurückgegeben.
Höchste Zeit, uns wieder in Bewegung zu setzen. Es macht mich nervös, so lange auf freiem Feld herumzustehen. Ich stelle mir fortwährend vor, wie hinter der Stützmauer rechts von uns eine ganze Armee Stöhner gegen uns vorrückt. Wir gehen zurück zur Laderampe, wo Ted Phil auf den Rücken klopft und ihm für die Schläger dankt.
Die Feuerleiter hängt von den oben liegenden Wohnungen herab und endet ein Stück über der Rampe. Ich bin zu kurz, um das Ende alleine zu erreichen. Ted baut mir eine Räuberleiter, indem er die Hände zu einem Steigbügel formt und mich hochstemmt. Eigentlich bin ich gar nicht scharf darauf, als erste eine Leiter hochzusteigen, die mich sehr gut in einen Raum voller Untoter führen kann. Aber da hängt ein schimmernder neuer Golfschläger an meinem Gürtel, und ich habe nichts dagegen, ihn auszuprobieren. Nicht, dass ich der Axt müde geworden wäre – es ist einfach schön zu wissen, etwas in Reserve zu haben.
Die schmiedeeiserne Feuertreppe ist eisig kalt. Kleine Rostgrate, die mir in die Hände schneiden, bedecken sie. Ich klettere, so schnell ich kann, und hoffe, dass ich oben bin und durch ein Fenster schlüpfen kann, bevor die Kreaturen, die womöglich drinnen warten, überhaupt mitkriegen, dass wir im Anmarsch sind. Wir wissen immer noch nicht, wie sie uns eigentlich orten – nur mit ihrem Geruchssinn? Oder ist es etwas viel Schlimmeres, eine böse übernatürliche Gabe, im Moment des Todes erworben?
Meine Zähne klappern, als ich die Metallplattform mit dem Lattenboden erreiche. Wenn der Adrenalinspiegel erst mal sinkt, dringt die eisige Kälte ein, kriecht in deine Kleider und friert deine Knochen ein. Das Fenster direkt vor der Feuertreppe steht weit offen. Kein gutes Zeichen. Wer immer hier drin gewohnt hat, muss versucht haben zu fliehen. Und warum sollte er das tun, wenn er sicher und gesund in seinem Apartment untergebracht war?
Als Phil und Ted oben bei mir sind, spähe ich durch das Fenster. Ich schaue in eine fremde Küche. Sie ist total durchwühlt. Die Schubladen und Schränke stehen offen oder liegen auf dem Linoleum. Silber und Geschirrfragmente sind über den Boden und die Arbeitsflächen verstreut, auch die Kühlschranktür steht offen. Ich sehe keine direkte Gefahr, also steige ich ein und mache Platz für Ted und Phil. Sie quetschen sich durch die schmale Öffnung, seufzen und ächzen, als sie sich durch das Fenster hineinzwängen.
Das Innere ist erfüllt von dieser Art schauriger Stille, die einen an Geister denken lässt. Hier kann nichts Gutes passiert sein. Es gab hier keine Freude und kein Gelächter, nicht, als das Gefühl des nahen Todes hereinkroch und alles andere überlagerte. Nicht mal der helle, fröhlich gelbe Anstrich kann die Angst in Schach halten. Ich checke die Regale, nur um sicherzugehen, aber da ist nichts, nicht mal ein Krümel. Jemand war schon da und hat das Apartment vollständig ausgeräumt. Es gibt keine Nahrung, nichts von essbarer Art, und der Kühlschrank stinkt nach Schimmel und vergammelter Milch. Ich schließe ihn und gehe weiter in einen schmalen, winzigen Flur. Die gerahmten Fotografien hängen schief, sind aber noch intakt. Ich versuche, nicht auf die gestellten Familienbilder zu schauen, das hoffnungsvolle Lächeln und die kunterbunten Pullis.
»Scheiße«, höre ich Ted murmeln. Ich denke dasselbe. Wenn man in ständiger Angst lebt, schärft das die Instinkte, und man fühlt, wenn etwas im Argen liegt. Dieses Gefühl ereilt mich, als ich durch das Wohnzimmer über die verdächtigen roten Flecken auf dem elfenbeinfarbenen Plüschteppich gehe. Und es kommt wieder, nachdem wir die Wohnung Raum für Raum durchquert und niemanden gefunden haben, nur Chaos, nichts als Chaos, herausgerissene Schubladen über herausgerissene Schubladen. Ein Telefonhörer hängt herunter und gibt kein Freizeichen von sich.
Wir verlassen die Wohnung und gehen raus ins Treppenhaus. Dort treffen wir ein paar unserer untoten Freunde, und Ted und ich können mit den Schlägern üben. Ich habe mich nie besonders für Golf interessiert, aber ich könnte mich bestimmt dafür erwärmen. Der Driver ist leicht, aber tückisch. Er entfernt ein beachtliches Stück aus dem Gesicht des ersten Stöhners. Ich ziehe die Axt vor, sie ist verlässlicher, tödlicher, aber der Driver lässt sich leichter, weit weniger ermüdend schwingen. Es ist am leichtesten, sie über das Treppengeländer auf die darunterliegenden Stufen zu prügeln, also machen wir es so und lauschen dem befriedigenden Knirschen ihrer weichen Körper, die im Erdgeschoss aufschlagen.
Das Treppenhaus ist dunkel, die Wände in Rosarot mit Blumenborte tapeziert. Es stehen noch mehr Türen offen, und mir jagt ein Schauer das Rückgrat hoch. Ich will da nicht hineingehen, aber ich weiß, wir sollten es tun. Die ersten beiden Wohnungen sind fast genauso wie das andere Apartment – durchwühlt, kalt, leer und erfüllt vom durchdringenden Dunst gequälter Seelen. Nun bleiben noch zwei Apartments übrig, und nur eins davon hat eine dicht verschlossene Tür. Wir gehen zuerst in die offene Wohnung.
Ich danke Gott für die Kälte.
Da ist er, ein Mann in mittlerem Alter, wahrscheinlich kaum älter als fünfunddreißig. Er sitzt in einem Schaukelstuhl, merkwürdig in der Mitte des Wohnzimmers platziert, ziemlich weit ab vom Sofa, vom Fernseher, von der Großvateruhr. Die Rückseite des Stuhls ist rot, was sie nicht sein sollte. Sein Kopf ist zurückgeworfen, seine sehr dunklen Locken fallen über die Lehne. Ich gehe näher heran. Phil und Ted sind an der Tür stehen geblieben, und ich kann Phil im Flur würgen hören. Der Hals des Mannes klafft auf, aber nicht von Bissen der Untoten, sondern vom sauberen, scharfen Schnitt eines Messers.
»Nein, das ist nicht richtig«, sage ich kopfschüttelnd. Seine Augen sind geöffnet, starren milchig weiß, wo sie blau sein sollten. Der Raum ist so kalt, dass die Verwesung noch nicht eingesetzt hat. Alle paar Sekunden kommt mir der gleiche Gedanke: Selbst wenn wir diesen Ort gründlich reinigen, selbst wenn es hier sicher ist, wie sollten wir hier leben können?
Dann renne ich in den Flur und kotze auf die Treppe. Ich kann nicht anders, es ist schlimmer, so viel schlimmer als die anderen Dinger, die laufenden untoten Dinger. Man kann fühlen, wie er hier in der Falle saß, den stummen Schrei, den weit geöffneten Mund, der um sein Leben bettelt.
»Wir müssen ihn hier rausschaffen«, sagt Ted. Ich stimme zu, und meine Achtung vor Ted wächst wieder mal ein bisschen, als wir vorsichtig die Leiche anheben, ich an den Füßen, er an den Schultern. Wir sind nicht sicher, wo wir den Toten hinbringen sollen. Schließlich setzen wir ihn am anderen Ende des Flurs ab, in einer stille Ecke neben der Tür eines Abstellraums. Er liegt schwer in unseren Armen, auch ohne sein Blut, und ich kann den Blick nicht von dem lösen, was aussieht wie ein rohes, rotes Band, das um seinen Hals genäht wurde. Nachdem wir ihn in die Ecke gelegt haben, gehen wir zurück in die Wohnung und finden ein sauberes Laken im Wäscheschrank des Mannes. Eines der wenigen Dinge, die nicht mitgenommen wurden. Wir breiten es über ihn und betrachten das weiße Gewebe, das seinen Körper bedeckt, ihn verschleiert wie einen Märtyrer, der seinen Frieden gefunden hat.
Ich denke über die roten Flecken auf dem Teppich des ersten Apartments nach und frage mich, wo die Leichen sind.
Es gibt nichts zu sagen, also gehen wir leise zur letzten Tür. Da sie abgeschlossen ist, haue ich mit der Axt auf den Knauf. Durch die leicht geöffneten Fenster im Wohnzimmer weht eine rauschende Brise herein. Auch hier ist es frostig, und ich bin wieder dankbar dafür, denn ich stoße auf eine weitere Leiche, eine alte, gebrechliche Frau mit Händen, bedeckt von Altersflecken, die Haut so alt, dass sie wie Pergament über den Knochen spannt. Die Greisin sieht glücklich aus, wie sie mit einem blassen Lächeln auf ihrer vollgestopften Couch sitzt. Ich frage mich, ob sie eine Herzattacke hatte, ob sie den Aufruhr draußen gesehen hat, zurück auf ihre Couch gestolpert und einfach gestorben ist. Sie lässt sich leichter tragen, ist aber so zerbrechlich und dürr, dass ich Angst habe, wir zerdrücken sie zu Staub. Wir legen sie neben den Mann und bedecken auch sie.
Phil bezieht Stellung vor der Tür, seinen Baseballschläger und den glänzenden Golfschläger im Anschlag.
Als wir zurück in ihre Wohnung gehen, finden wir alles, wo es sein soll. Das Porzellan, das Silber, die Töpfe und Pfannen und Handtücher und Bettzeug. Alles wirkt sehr sauber, aber mit einem leichten Geruch nach Staub, als ob die Besitztümer sehr alt sind und aus einer anderen Zeit stammen. Ich nehme ein Stück Abopost vom Flurtisch, Ms Jane Weathers. Dann gehe ich in ihre hellgrün gestrichene Küche. Dort stehen ein paar Pflanzen auf dem Fensterbrett, allerdings schon verwelkt und eingeschrumpelt.
Als ich die Küchenschränke unter der Spüle öffne, muss ich an mich halten, um nicht loszulachen. Ich versuche auch, nicht zu kichern, ehrlich, aber das ist einfach zu viel. Das Apartment ist ein Referenzmodell für Notstandssurvival. Die arme Ms Weathers muss eindeutig ein Produkt der »duck and cover«-Atombunkerpropaganda gewesen sein. Es ist unübersehbar. Ted entdeckt zwei Generatoren in ihrem Garderobenschrank und ein antiquiertes tragbares Kurz- und Mittelwellenradio mit Nummern auf den Knöpfen, die wahrscheinlich noch aus dem Weltraum lesbar sind. In den Küchenschränken finde ich genau jene Sorte Konserven, die normalerweise in den hintersten Winkeln einer Speisekammer schmachtet – grüne Bohnen, weiße Bohnen, Pfirsiche, Instant-Kartoffelbrei.
»Sieht so aus, als würde unser Lebensstandard jetzt auf das Niveau ›Das kluge Eichhörnchen sorgt vor‹ steigen«, sage ich und halte eine Dose Zuckermais in die Höhe, damit Phil sie sehen kann. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zum letzten Mal solche Sachen gegessen habe, aber alles klingt besser als Käsechips.
Die Wohnung ist perfekt: sauber, weiträumig und gut bestückt. Ich weiß nicht, ob wir hier alle reinpassen und ob wir das überhaupt versuchen sollten. Es gibt ja noch die anderen Apartments, nur dass mir die Blutflecken auf dem Teppich nicht aus dem Kopf gehen. Dabei wäre eines von ihnen wohl die vernünftigste Wahl, denn es hat die praktische Feuertreppe. Wir könnten einen Teppich über die Flecken legen, wir könnten etwas …
»Sie kommen!«
Phil schreit und prügelt im Türrahmen auf die heranschlurfenden Kreaturen ein, die versuchen hereinzukommen. Ich sehe einen vergammelten Arm und drei Finger, die nach ihm greifen, und ereiche gerade rechtzeitig die Tür, um sie abzuhacken. Ted ist da, der Feuerlöscher pufft los, kreischt in mein Ohr. Ich schnappe mir eine braune Papiertüte und fülle sie mit Dosen und einem Dosenöffner und kehre zu den Jungs zurück, die einen Pfad freigekämpft haben, der zurück in das Apartment mit der Feuertreppe führt. Wir stürmen hinein, und ich drücke Ted die Tüte in die Arme. Er und Phil gehen zuerst, ich decke ihren Rückzug, indem ich zwei Stöhner weghacke, die uns auf den Fersen gefolgt sind. Dann ziehe ich von außen das Fenster zu, lasse es nur einen kleinen Spalt geöffnet.
Im Laden ist es jetzt still, und wir bewegen uns ein bisschen langsamer. Bei den Regalen greife ich im Vorbeigehen eine Hand voll Bücher und werfe sie in Teds Tüte, ansonsten aber halte ich mich zurück, und er klopft mir auf die Schulter. Holly begrüßt uns an der Tür, Tränen der Erleichterung schimmern in ihren Augen. Ich habe nie bemerkt, wie schön sie ist, wie vorteilhaft sich ihr neuer Haarschnitt auf ihr hübsches Gesicht auswirkt, wie hoch und prachtvoll ihre Wangenknochen sind. Ich bin einfach froh, sie alle lebendig wiederzusehen. Dapper tanzt vor meinen Schienbeinen und dreht ausgelassen Runden um meine Füße, als ich Axt und Golfschläger fallen lasse und mir den Kopfwickel abnehme.
»Wir haben in den Wohnungen ein paar Golfschläger gefunden«, sage ich als Antwort auf ihre neugierigen Blicke. Phil wirft mir einen dankbaren Blick zu, und wir lassen uns alle zu einem Abendbrot aus Beef Jerky, Pepsi und grünen Bohnen nieder.
Jetzt bin ich allein im Tresorraum. Ich fühle mich erschöpft und habe solche Angst.
Die Monitore sind dunkel, alle schlafen, aber ich kann einfach nicht aufhören zu grübeln. Vielleicht sollten wir nicht in diesen Wohnungen leben. Es fühlt sich irgendwie falsch an, einen Platz zu übernehmen, der uns gar nicht gehört. Aber welche Wahl haben wir? Der Pausenraum ist zu klein, und ich sehne mich verzweifelt danach, wieder in einem Bett zu schlafen. Des Nachts etwas Weiches unter meinem Kopf zu spüren, den Anschein von Zivilisation wieder aufzurichten. Aber etwas lässt mir keine Ruhe.
Ich weiß nicht, warum wir uns so mit diesem Ort verbunden fühlen, aber es scheint unmöglich, ihn zu verlassen.
Ich drehe das Radio an, das wir in Ms Weathers’ Apartment gefunden haben. Die Batterien haben immer noch Saft. Es riecht wie feuchte alte Bücher, und unter den Knöpfen und in den Rillen hat sich Staub gesammelt. Ich kurble herum, horche nach Zeichen von Leben, höre aber nichts als statisches Rauschen, Rauschen, Rauschen.
KOMMENTARE
CptCrckpot:
27. September 2009 19:09 Uhr
In Texas ist es nicht besser, falls ihr einen Gedanken daran verschwendet habt, euch hierherzubegeben. Ich bin in einem Büro in einem Industriepark zwischen Dallas und Fort Worth. Ich habe hier für eine kleine Firma Nachtschicht im Kundendienst geschoben. Die Sache hatte gerade erst angefangen, als ich zur Arbeit kam, nicht mal eine Erwähnung in den Nachrichten. Kurz nach meinem Eintreffen hörte ich ein paar Sirenen, später Autounfälle und Schüsse aus der Ferne, aber das war’s auch. Ein Glück, dass unser Büro das letzte im letzten Industriepark nach Norden am Highway 360 ist. Ich habe mich die letzten Wochen im Büro versteckt und alles so gut befestigt und verschanzt, wie ich nur konnte.
Allison:
27. September 2009 19:34 Uhr
Captain, wir wünschen dir Glück. Gibt es dort noch andere Überlebende außer dir? In der Zahl liegt Stärke, sieh zu, dass du ein paar Mitarbeiter findest, die dir bei der Befestigung helfen.
Isaac:
27. September 2009 19:56 Uhr
Die Versorgung hier ist schlecht, und im hereinbrechenden Winter lässt sich nichts mehr einpflanzen. Ich hoffe einfach, dass wir mit den Dosenrationen durchhalten, die wir noch haben. Manchmal macht es mich nervös, dass ich tagelang nichts von diesen Kreaturen sehe, und dann schwupp, auf einmal torkelt eine von ihnen in den Hof und fängt an, an den Fenstern herumzufummeln. Ich habe ein Jagdgewehr, aber ich schieße nur, wenn es absolut notwendig ist. Eine Axt funktioniert genauso gut, wie du weißt, Allison, und verschwendet keine Munition. CptCrckpot, du hast wohl nichts, womit du dich verteidigen kannst, oder?
CptCrckpot:
27. September 2009 21:03 Uhr
Eher nicht. Hier gibt es keine Waffen außer ein paar Feuerlöschern und Brieföffnern. Die drahtlose Verbindung fällt jetzt immer öfter aus, ich glaube kaum, dass wir Ende der Woche noch Kontakt haben.