Kapitel 12

 

 

 

Ihr Herz klopfte wild und die Angst ließ ihren Adrenalinspiegel steigen. »Nein, lasst mich los, verdammt. Was wollt ihr von mir?«

Isabel trat wild um sich, aber es half ihr nichts. Die beiden Mönche hatten sie fest in ihren Klauen und schleiften sie um den Mauervorsprung herum auf die andere Seite des Dachbodens.

Es gab nur eine einzige Lichtquelle, welche an einem der vielen Balken montiert war. Dies erklärte, warum in die hintere Ecke kaum Helligkeit gelangen konnte. François folgte ihnen. Dabei stieß er noch immer dieses kranke Lachen aus, welches Isabel eine Gänsehaut nach der anderen über den nackten Rücken kriechen ließ. Die Situation an sich bereitete ihr schon Todesangst. Was sie aber nun erblickte, ließ sie erschaudern. Sie bewegten sich auf die Außenwand des Giebels zu, vor der ein schwarzes Andreaskreuz und ein merkwürdiger Tisch aus Metall standen. Isabel hatte so etwas schon einmal gesehen. Schlagartig erinnerte sie sich an Fotos, wo man eine Leiche auf so einem Tisch obduziert hatte. Grausige Bilder formten sich in ihrem Kopf und ihr stellten sich die Nackenhaare auf.

»Nein. Hilfe! Seid ihr verrückt? Was soll das ...?«, schrie sie so laut und schrill, dass es ihr selbst in den Ohren schmerzte.

»Stopp«, befahl François und trat vor das Mädchen. Er holte aus und schlug ihr kräftig mit dem Handrücken ins Gesicht.

Seine Miene hatte sich bis zur Unkenntlichkeit verfinstert und Isabel bekam den Eindruck, dass sich gar ein dritter Charakter im selben Körper zeigte. Wie konnte sie diesen Mann jemals attraktiv finden? Noch vor wenigen Minuten hätte sie beim Gedanken an ihn dahinschmelzen können. Was sie jetzt in seinen Augen las, war nur noch beängstigend. Wenn er sprach, bewegte sich sein gesamtes Gesicht und erzeugte dabei tiefe Furchen auf der Stirn und um den Mund herum. Er war nicht wiederzuerkennen. War dies wirklich der Adonis aus dem Antiquariat? Und was sollte das alles hier?

»Du kleine Fotze sprichst ab jetzt nur noch, wenn du gefragt wirst. Sonst reiße ich dir höchstpersönlich die Zunge raus und schieb sie dir in dein kleines, jungfräuliches Arschloch. Oder bin ich da falsch informiert? Hmm? Wie sieht es aus? Hat dich schon mal jemand richtig in den Arsch gefickt, du kleine Hure?«

Er war so in Rage, dass er ihr beim Sprechen mehrfach ins Gesicht spuckte. Aus der Schwärmerei wurde abgrundtiefer Ekel vor dem Mann, der ganz offensichtlich unter schweren Persönlichkeitsstörungen litt. Anders war sein krankes Verhalten nicht zu erklären.

»Los, ans Kreuz mit ihr«, keifte er sabbernd seine beiden Helfer an.

 

Sie zerrten Isabel hinüber und fixierten ihre Hand- und Fußgelenke mit stabilen Ledermanschetten, die an jedem Ende des Kreuzes angebracht waren. Die junge Frau versuchte sich mit heftigen Bewegungen daraus zu befreien, jedoch ohne Erfolg.

François trat an Isabel heran und musterte jeden Millimeter ihres Körpers. Seine Nase war plötzlich direkt über ihrer Haut und streifte sie hier und da. »Ah, du riechst gut.«

Ihr Unbehagen wuchs exponentiell zu ihrer Furchtsamkeit. Sie begann zu zittern und die ersten Tränen rannen ihr aus den Augenwinkeln. Aus Angst, er könnte seine Drohung ernst gemeint haben, brachte sie keinen Mucks hervor. Der Einschüchterungsversuch des Mannes war voll und ganz gelungen. Dieser Wahnsinn, der sein Gesicht gezeichnet hatte, versetzte Isabel in Todesangst. Sie schluchzte nur leise vor sich hin und wendete ihren Blick angewidert ab, als er anfing, sie zu berühren. Er nahm eine ihrer Brustwarzen zwischen die Finger und drehte sie zunächst nur leicht hin und her. Sie kniff krampfartig die Augen zusammen und presste eine Gesichtshälfte seitlich gegen das lackierte Holz des Kreuzes.

»Sieh mich an«, befahl François.

Sie schüttelte den Kopf.

»Du sollst mich verdammt nochmal ansehen.«

Seine Stimme wurde laut und wieder so tief, wie Isabel sie aus dem Laden in Erinnerung hatte. Und während er sprach, drückte er so fest zu, als wolle er ihr die Mamille zerquetschen. Auf ihren schrillen Schmerzensschrei folgte ein weiterer Schlag mit dem Handrücken. Der protzige Siegelring, den François am kleinen Finger trug, verletzte dabei ihre linke Wange. Fasziniert und geistig abwesend erscheinend beobachtete er das feine Rinnsal, das aus der Wunde trat. Dann näherte er sich, streckte die Zunge heraus und leckte das Blut ab.

»Ah, köstlich. Ein absoluter Hochgenuss. Wir werden wahrlich viel Spaß haben, meine kleine Isabel.« François ließ seine Zunge weiter über ihren bibbernden Körper gleiten, stoppte jedoch kurz vor ihrer Scham. »Isabel, Isabel. Du hast dich nicht gut vorbereitet. Also ehrlich, welches junge Ding läuft denn heutzutage noch unrasiert durch die Gegend? Das ist ekelhaft. Willst du mir das erklären, Isabel?«

Sie nahm seine Aufforderung zu sprechen wahr und schrie ihn an: »Woher kennen Sie geistesgestörter Irrer eigentlich meinen Namen? Lassen Sie mich hier raus! Mein Freund weiß genau, wo ich bin und er wird die Polizei verständigen, wenn ich nicht wieder auftauche.« Die Drohworte waren vielmehr ein verzweifeltes Wimmern als eine klare Ansage.

Bei François lösten sie lediglich erneutes Gelächter aus, während er sich an seine Helfer wandte, die wie Wachsfiguren neben dem Kreuz parkten und sich offenbar nur auf seinen direkten Befehl hin bewegten. »Der Anwärter soll sie enthaaren. Es soll seine Belohnung sein. Er hat uns einen vortrefflichen Ersatz für seine Verfehlung herangetragen.«

Einer der beiden griff zu einem Mobiltelefon und nuschelte etwas hinein.

François blickte auf sein Opfer. »Schön. Dein Freund wird also die Polizei benachrichtigen. Ich stelle mir das Gespräch durchaus interessant vor. Hören Sie, Herr Wachtmeister, meine Freundin ist nicht wieder aus dem Laden aufgetaucht, in den wir eingebrochen sind. Schicken Sie doch mal eine Streife vorbei«, verhöhnte er sie.

Isabel war sich bewusst, dass sie nur geblufft hatte. Doch irgendwas würde Nico schon unternehmen, um sie hier herauszuholen. Dieser Gedanke war ihr letzter Anker. Ihre letzte Hoffnung und ihr einziges Ass im Ärmel.

 

Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis eine weitere Gestalt die Treppen hinaufkam. Auch diese war in eine Mönchskutte gehüllt. Die übergroße Kapuze ins Gesicht gezogen, trug der Mann eine Wasserschüssel vor sich her. Der Anwärter wartete unterwürfig das Kopfnicken des Meisters ab, bevor er die letzten Stufen hinaufstieg und auf den Dachboden trat. Er stellte das Behältnis vor dem Kreuz ab und zog ein blitzendes Rasiermesser aus der Kutte.

»Was ... nein, bitte ...« Wieder riss sie an ihren Fesseln, doch das Ergebnis blieb dasselbe wie bisher.

»Halt einfach still, Isabel.«

Es durchfuhr sie wie ein eisiger Dolch, der augenblicklich jede Hoffnung gefror, als Nico seine Kapuze abstreifte.