Poker-runden
ZOCKEN UND RITUALE
Ich habe ja in diesem Buch schon häufiger das Pokern erwähnt bzw. meine Pokerrunden. Ja, ich habe mehrere, und ich möchte keine von ihnen missen. Pokern ist ja sozusagen eine Trendsportart geworden, nicht nur in Deutschland, es gibt Weltmeisterschaften und Promipokern, selbst der unsägliche Boris Becker pokert. Aber von diesem halbprofessionellen Pokern rede ich nicht.
UM DAS GELDGEWINNEN GEHT ES MIR UND MEINEN KUMPELS NICHT, SONDERN UM EINE GANZ SPEZIELLE RITUALISIERTE FORM DES ZUSAMMENSEINS.
Ich bin Mitglied in insgesamt drei Pokerrunden. Die eine besteht schon seit ungefähr zwanzig Jahren. Es ist die bei meinem Freund Jan. Dort treffen sich die ehemaligen Mitglieder unserer legendären Band The Sadoboys plus deren Unterstützer und Freunde. Und dann gibt es noch zwei Runden, die in eher unregelmäßigen Zeitabständen stattfinden, mit Arbeitskollegen und Freunden. In allen drei Gruppen spielen wir die Variante »Texas Hold’em«, und - das ist mir wichtig zu sagen - es geht nie um viel Geld. Aber es muss ein bisschen um Geld gehen. Wenn man richtig schlecht spielt, verliert man vielleicht zehn oder zwanzig Euro an einem Abend.
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(Oops! Während ich das hier schreibe, fällt mir gerade auf, pokern um Geld ist ja verbotenes Glücksspiel. Ich korrigiere also, was ich gerade gesagt habe.) In diesen Runden spielen wir nur um Chips und nicht um Geld. Ja? Nur, damit das klar ist. Man kann theoretisch die Chips natürlich hinterher in Geld eintauschen, was man vorher eingezahlt hat, in eine gemeinsame Kasse, aber das ist nicht erlaubt und deshalb machen wir das auch nicht.
Also, wo war ich? Pokern ist ja ein Glücksspiel, aber in gewisser Weise auch ein Strategiespiel. Man braucht Menschenkenntnis, muss sich konzentrieren, Wahrscheinlichkeiten ausrechnen. Aber darum geht es mir hier eigentlich gar nicht.
WAS SPASS MACHT, IST, MIT ANDEREN ALTEN SÄCKEN ZUSAMMENZUSITZEN, EIN BIER ZU TRINKEN, SPRÜCHE ZU KLOPFEN UND SICH AN DIESEN ABENDEN IM GRUNDE WIEDER SO WIE FRÜHER ZU FÜHLEN.
Das wird mir besonders klar bei der Runde bei Jan, die, wie gesagt, schon seit zwanzig Jahren pokert, alle vierzehn Tage. Ich bin nicht jedes Mal dabei, aber immer wieder, wenn ich hingehe, dann ist es, als wenn die Zeit stehengeblieben wäre. Wir sitzen bei Jan, und Buddy, Ulf, der Perser, Ducken und ich sind wieder zwanzig, spielen in einer Band und haben das Leben noch vor uns. Ja, das klingt jetzt sentimental, das weiß ich, aber genau das schätze ich so, das Unverstellte, beinahe konservativ Natürliche dieser Runden. Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.
UND NATÜRLICH GIBT ES HIER AUCH SCHÖNE RITUALE.
Zum Beispiel eine genaue Rollenaufteilung zwischen Quatschköpfen, Phlegmatikern, Kaffeekochern, Zu-spät-Kommern, Zu-selten-Kommern und ähnlichen Geschichten.
Vor allem aber verbinden uns, obwohl wir uns ansonsten selten sehen, an diesem Abend die gemeinsamen dreißig Jahre, die wir uns kennen und, zumindest in unserer Jugend, doch sehr intensiv gemeinsam verbracht haben. Ständig Anspielungen an früher, Witze, Sprüche; der ganze Abend ist von einer sentimentalen »Weißt-du-noch-damals?«-Stimmung durchtränkt, und das brauchen wir alten Säcke zwischendurch mal.
WIR SIND ALLE IN UNSEREN JOBS ZWÄNGEN UND EINEM ZU KLEINEN ZEITBUDGET FÜR PRIVATES AUSGELIEFERT UND MÜSSEN DARAUF ACHTEN, DASS DER QUATSCHKOPF, DER ALBERNE KERL IN UNS, NICHT ZU KURZ KOMMT.
Und das kann man sehr gut - vielleicht sogar am besten - mit alten Kumpels von früher. Vielleicht muss man sie nicht jeden Tag oder jede Woche beziehungsweise jedes Wochenende sehen, so wie früher, aber wenn man da war, hat man immer eine Menge Spaß gehabt.
Deshalb mein Rat: Suchen Sie sich eine Pokerrunde, gründen Sie eine, fragen Sie Ihre alten Kumpels, ob sie nicht Lust haben - und dann »good luck«!
Alter Sack, was nun
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