»Du musst einfach mehr chillen«
ALS ALTER SACK ZUR RUHE KOMMEN
Also, wenn Sie total entspannt sind. Wenn Sie so
was von zenmäßig im Hier und Jetzt schweben. Wenn Sie die Ruhe
selbst sind: Dann müssen Sie dieses Kapitel nicht lesen.
Wenn Sie hingegen manchmal - oder sogar oft - eher
unruhig sind. Wenn Sie häufig gereizt, unausgefüllt und reichlich
genervt sind - dann, ja dann ist das hier was für Sie.
Auf mich treffen die letztgenannten Eigenschaften
leider ab und an zu. Ich bin, wie wir hier im Norden sagen, oft
»fickerig«. Klingt anzüglich, meint aber lediglich unruhig,
hibbelig, nervös. Sagen wir es mal so: Ich bin nicht entspannt,
verdammt noch mal.
Na ja, ist schon viel besser geworden mit den
Jahren. Ich kann auch mal nix tun und nur so sitzen (siehe auch das
Kapitel »Ich will hier nur so sitzen«). Aber oft bin ich nicht
»gechillt«, wie meine Söhne sagen.
VIELE MÄNNER IN DEN BESTEN JAHREN SIND NICHT
GECHILLT. WIR SOLLTEN DAS ÄNDERN. GECHILLT SEIN IST GESÜNDER UND
MACHT ZUFRIEDENER.
Ich habe beim Versuch, ruhiger und ausgeglichener
zu werden, beinahe alles ausprobiert, was es so an
Entspannungstechniken gibt: autogenes Training, progressive
Muskelentspannung, innere Gedanken-Reisen, Massagen, Hypnose,
Meditation.
ICH HABE SOGAR MAL KURZ DARAN GEDACHT, MIR
WIEDER DAS KIFFEN ANZUGEWÖHNEN. DAS, SO ERINNERE ICH MICH, HAT
EINEN DAMALS ECHT VOLL RUHIG GEMACHT.
(Moment, ich will hier meinen Söhnen nur kurz
was sagen: »Männer, euer Vater hat das früher mal probiert, aber
ich habe nicht inhaliert.«)
Aber ich habe das dann gelassen. Muss man sich
doch nur mal vorstellen: Ich schleiche in Hamburg über den Kiez und
frage einen jungen Dealer, ob er »mal ‘n Piece für’n Zwanni hat«.
Ist doch absurd. Der Mann würde mich wahrscheinlich für einen etwas
mickrigen Zivilfahnder halten und umgehend das Weite suchen.
OKAY, ALSO KEINE »TÜTEN« AUF MEINE ALTEN
TAGE.
Aber was bringt es denn nun in Sachen
Entspannung?, werden Sie sich nun fragen und vielleicht schon ein
bisschen ärgerlich werden. Oder? Ich soll endlich aufhören zu
labern und mal konkret werden?
Sie haben die Schnauze echt voll von langatmigen Einleitungen und
so und wollen wissen, was zum Teufel einen denn nun »runter
bringt«? Und das wollen Sie jetzt lesen, oder Sie hauen mir gleich
voll was …
Okay, Sie haben es wirklich nötig. Gehen wir mal
die wichtigsten Sachen durch, die ich ausprobiert habe:
AUTOGENES TRAINING
Kurz gesagt, eine Form der Selbstsuggestion. Durch
das ständige Wiederholen von stumm gesprochenen Sätzen werden
nacheinander Schwere, Wärme im Körper - vor allem in Armen und
Beinen -, eine Beruhigung des Pulses und der Atmung usw. erreicht.
Die Übungen beginnen etwa mit dem Satz »Mein linker Arm ist
schwer«. Man geht dann den Körper durch, macht verschiedene
Übungen, und tatsächlich: In einer Gruppe mit einem guten Lehrer
(der dann die Sätze laut sagt) ist das ungemein entspannend und
funktioniert gut. Zu Hause allein lief das bei mir nicht so rund.
Aus meiner Sicht ist das autogene Training eine schwer zu
erlernende Methode. Wenn man zur Ungeduld neigt, nerven die
aufeinander aufbauenden Übungen leicht, weil man eine gewisse
Disziplin braucht, um den erwünschten Effekt zu erreichen.
Mein Fazit: eine gute, aber nicht
einfache Methode, vor allem für das Mitmachen in einer Gruppe
geeignet.
PROGRESSIVE MUSKELENTSPANNUNG
Der Entspannungseffekt entsteht hier durch das
gezielte Anspannen und anschließende Lockerlassen von verschiedenen
Muskelgruppen des Körpers. Verblüffend einfach und dabei sehr
wirkungsvoll. Der Renner in Volkshochschulen und in der
Verhaltenstherapie. Man spürt schnell den gewünschten Effekt. Aber
auch hier gilt: in der Gruppe, wenn ein Lehrer Anweisungen gibt,
ist alles prima. Zu Hause braucht man ebenfalls eine Menge Geduld,
und es ist gar nicht so einfach, vom linken Arm bis zum großen Zeh
nacheinander alles anzuspannen und locker zu lassen. Da verliert
man schon mal den Faden und schweift in Gedanken ab.
Mein Fazit: Anfangs schnell zu
erlernen, aber über einen bestimmten Anfänger-Status kam ich nicht
hinaus. Auch mehr was für Gruppen.
MASSAGEN
Muss ich wohl nicht erklären. Mich entspannt das
ungemein. Großartig sind vor allem Fußreflexzonen-Massagen. Das
chillt total. Wird aber gar nicht so oft angeboten und muss von
einem Profi gemacht werden. »Killert« auch nicht! Auch die
traditionelle thailändische Ganzkörpermassage ist ein Knaller.
Moment, ich rede nicht vom erotischen Kneten im Bangkok-Puff. Das,
was ich meine, ist was ganz Seriöses und wird in Fitness-Centern
und Beauty-Spas empfohlen. Bei dieser Massage werden Arme und Beine
dezent gezogen, massiert, gedehnt, der Rücken sanft bearbeitet, man
wird gedreht und gewendet, es tut gar nicht weh und ist total
super. Ich habe die mal im »Nivea-Haus«, einem Wellness-Tempel
mitten in Hamburgs feinster Einkaufsmeile, ausprobiert. Und wie
gesagt: Es geht nicht darum, sich von einer unbekleideten, jungen
Asiatin einölen und auswuchten zu lassen. Ich behielt ein T-Shirt
und eine Jogging-Hose an, und die Masseurin war eine zupackende,
sympathische junge Frau, diplomierte Masseurin und Badetherapeutin
mit unzähligen Zusatzausbildungen. Sie führte mich in einen
behaglichen Raum. Das Licht wurde gedimmt. Leise, fernöstliche
Musik tröpfelte aus verborgenen
Lautsprechern. Ich legte mich auf eine Matte, und die Dame begann,
mit kundigen, magischen Händen an mir zu ziehen und zu drücken.
Füße, Beine, Arme. Kopf. Es war wunderbar. Total entspannend. Ich
lag auf der Matte und genoss. Keine Spur von Schmerz oder
Unwohlsein. Ich kann die seriöse thailändische Ganzkörpermassage in
unseren Breiten ohne Einschränkung empfehlen - man darf sich
lediglich an der fernöstlichen Entspannungsmusik nicht
stören.
Aber egal, ob Sie die oder eine andere Form des
Knetens machen lassen: Suchen Sie unbedingt nach Entspannungs- und
Wohlfühlmassagen. Medizinische Massagen durch kräftiges Personal
können auch wehtun und haben, wie der Name schon sagt, vor allem
eine medizinisch-therapeutische Funktion.
Mein Fazit: Massagen entspannen
sehr. Aber sie sind sozusagen nur der schnelle Kick. Nachhaltig ist
das eher nicht.
HYPNOSE
Hab ich mal versucht. Ging bei mir nicht. Aber mir
fällt in diesem Zusammenhang ein großartiger Kalauer ein: Neuer
Trend: »Durch Rauchen Hypnose abgewöhnen.«
INNERE REISEN UND VISUALISIERUNGEN
Dabei versetzt man sich unter Anleitung an
wunderschöne Orte, relaxed geistig am Meer, stellt sich vor, man
sei ein Adler, der in warmen Aufwinden kreist oder ein Clownsfisch
in einem pittoresken Riff.
Eine andere Variante ist, dass man seinen eigenen
Körper bereist und wirklich wahrnimmt.
Kommt alles gut, geht aber aus meiner Sicht nur
unter Anleitung.
MEDITATION
Davon hat jeder eine Vorstellung, oder? Man sieht
sofort Folgendes vor sich: einen Menschen im Lotussitz, Daumen und
Zeigefinger beider Hände berühren sich, die Augen sind geschlossen,
das Gesicht entspannt. Im Hintergrund dudelt meditative Musik, ein
Zimmerbrunnen plätschert, eine Kerze brennt. Herrlich, oder?
Eines gleich vorweg. Ich finde Meditation klasse,
bin zwar noch ein Anfänger, habe aber gute
Anfangserfahrungen.
MAN MUSS WEDER BUDDHIST NOCH CHRISTLICHER
MYSTIKER SEIN, UM ZU MEDITIEREN UND KANN GETROST ALLE VORURTEILE IN
BEZUG AUF DIESE METHODE KNICKEN.
Vorausgesetzt, man gerät an die richtigen
Kurse/Lehrer. Das muss man in Ruhe checken und einiges einfach mal
antesten. Man merkt eigentlich sehr schnell, ob man »in guten
Händen« ist.
Ich habe in einem buddhistischen Zentrum in
Hamburg mit der Meditation angefangen, in einem Anfängerkurs. Der
Kursleiter, eine freundlicher Herr um die fünfzig, begrüßte uns,
bat jeden, sich eine Matte und eine Decke zu nehmen, und dann
sollten wir uns hinlegen. Er fing mit einfachen Entspannungsübungen
an, machte gedankliche Reisen durch den Körper, und dann hieß es:
langsam in den Schneidersitz begeben und die Augen schließen. Die
eigentliche Meditation begann mit einfachen Atemübungen.
EIN, AUS, EIN, AUS. ES IST FASZINIEREND, WIE
SEHR ALLEIN SCHON DIESES SIMPLE BEWUSSTE ATMEN ENTSPANNEN
KANN.
Ich will hier nicht zu sehr ins Detail gehen, aber
im Grunde geht es in der Meditation vor allem darum, den ewigen
Fluss der Gedanken auszuschalten, einfach nicht zu denken, sondern
nur zu sein. Hört sich vielleicht blöd an, ist aber genau das,
worum es geht.
NICHT DENKEN! RUNTER KOMMEN. EINMAL HABE ICH ES
TATSÄCHLICH GESCHAFFT. ICH HABE NICHT GESCHLAFEN, ABER ICH HABE AN
NICHTS GEDACHT, WAR EINFACH NUR DA. WAR EIN SUPER GEFÜHL. WILL ICH
WIEDER HABEN.
Wie gesagt, bisher habe ich das in dieser Klarheit
nicht mehr geschafft. Aber es geht schon ganz gut, mich auf meinen
Atem oder ein Mantra zu konzentrieren. Und allein das ist schon
ziemlich entspannend. Nach der (versuchten) Meditation fühlt man
sich ziemlich gut.
Im letzten Urlaub auf La Palma habe ich dann jeden
Morgen versucht zu meditieren, bin vor den anderen aufgestanden,
saß ungestört auf einem Stuhl in der Morgensonne und habe mit
geschlossenen Augen vor mich hin geatmet. Den Gedankenfluss konnte
ich nicht oder nur selten abschalten. War aber trotzdem super. Ich
bin bestens gelaunt an den Frühstückstisch geschlendert.
Mein Fazit: Meditation ist
klasse. Ideal für den genervten alten Sack. Einfach ist sie
beileibe nicht. Aber man kann ohne große Vorbereitung anfangen, und
irgendwann läuft es dann schon.