Reiznoppen und Flutschi-Simulator
WIE DER KATALOG EINES EROTIK-ANBIETERS DEM
GESETZTEN HERRN AUCH OHNE AKTIVEN SEX HELFEN KANN
Man erwartet von uns älteren Herren ja, dass wir
auch die Kunst der souveränen Unterhaltung beherrschen. Smalltalk,
pfiffige Wortbeiträge. So was wird im Alter immer wichtiger. Man
sitzt halt häufiger zusammen und redet, statt zu tanzen oder sich
in überlauten Discos lediglich Sprachfetzen (»Noch Biäää«?) ins Ohr
zu brüllen. Ein Dauerbrennerthema ist Sex. Unter Männern, aber
durchaus auch in gemischten Runden, sofern ein gewisses Niveau
nicht unterschritten wird.
Aber womit kann der Best-Ager noch im Gespräch
unter Freunden punkten?
WOMIT EINE LUSTIGE, TEILALKOHOLISIERTE
ESSENSRUNDE UNTERHALTEN?
Mit schlüpfrigen Witzen? Kann man machen. Aber ich
habe da noch was viel Besseres. Man muss etwas Pittoreskes
kommentieren. Ich rede von Katalogen von Erotikanbietern. Also, ich
weiß auch nicht mehr, woher ich den hatte. Der ist schon etwas
älter. Ich glaube, ich habe ihn beim Aufräumen gefunden. Hat wohl
mal jemand bei mir vergessen. Nun ja, aber eben dieser
Erotikkatalog hat mich doch sehr beschäftigt. Gar nicht mal so sehr
wegen der dort abgebildeten Produkte und Magazine, nein, es war
wegen der einzigartigen bizarren Sprache dieser Publikation, die
mir als studiertem Sprachwissenschaftler bisher völlig unbekannt
war. Aber seitdem erzähle ich gern und erfolgreich von diesem
Katalog, die ich wie folgt einleite:
»DORT, WO ROTLICHT GLÜHT UND DILDOS LOCKEN, IST
DIE DEUTSCHE SPRACHE ZU FREMDARTIGER PRACHT HERANGEREIFT. SOLL ICH
EUCH DAVON ERZÄHLEN?«
»Jaaaaa«, rufen sie dann, legen das Besteck zur
Seite, und dann lege ich los. Versuchen Sie es einmal und prägen
Sie sich die folgenden Zeilen ein - vorausgesetzt, es sind nicht
allzu zart besaitete, katholisch erzogene Menschen am Tisch. Denn
tatsächlich: In Sexshops und Bestellkatalogen der Erotikbranche ist
das deutsche Idiom praller, bildergewaltiger und vor allem
(unfreiwillig) komischer, als in jedem Kabarett oder Volkstheater.
Dabei geht es bei Beate Uhse und Co. noch nicht mal explizit
dreckig zu. Direkt Versautes ist auf den bunten Packungen mit den
meist fleischfarbenen Inhalten selten zu lesen. Die äußerst
kreativen Pornopoeten versuchen vielmehr mit putzigen Superlativen
und filigranen Metaphern den offenkundig traurigen Anblick der
zahllosen Penisderivate und Frauentorsi zu überdecken. So soll
wahrscheinlich ein Hauch der verbalen Pracht auf das äußerlich
meist wenig ansprechende Produkt fallen. Das Ergebnis ist zum
Brüllen komisch.
VIELVERSPRECHEND KLINGT ZUM BEISPIEL DER
»PRICKELPETER«, EIN »SEHR SCHLANKER, EXTREM GERIFFELTER
LATEXLUSTSTAB MIT SOFTEICHEL«.
Seine »unbeschreiblichen Klitorisreize« würden, so
droht der Hersteller hemdsärmelig, »durch vier zarte Zupackzacken«
erreicht. In jede Handtasche passt der »Minirüttler«. Der sei
klein, »aber oho«. Immerhin verfüge der Minivibrator über einen
»leisen, aber kraftvollen Motor« und sorge für »wonnige
Ekstaseschauer«. Erleichtert ist der Kunde, dass der
»Ich-bin-ich-Vibrator« »eine realistische Äderung« vorweist und
»griffig wie ein Echter« sei. Das Modell »Ekstase« hingegen kommt
eher dezent mit »einem schlanken Schaft« daher und ermöglicht mit
seinen »stufenlos regelbaren Verwöhnvibrationen tiefe
Prickelekstasen«.
SCHLÜPFRIG WIRD DER POMPÖSE
»FLUTSCHI-SIMULATOR« BEWORBEN. SEINE »WEICHE GENUSSEICHEL UND SEIN
WELLENFÖRMIGER SCHAFT« GARANTIEREN »GLATTES GLEITEN«.
Schließlich werde hier »extra flutschfreudiges
Softmaterial« verwandt. Ein wenig Arbeit erfordert »Herkules«.
Dieser Vibrator muss nach dem Einführen »per Pneupumpe (im Hoden)
auf den gewünschten
Umfang« gepumpt werden. Die Beschreibung des
»Vibro-Kitzler-Schnäblers« klingt ein wenig unheimlich. Da dreht
und windet sich irgendetwas »tief rein«, »Massage-Perlen pulsieren
im Schaft« und »der Schnäbler« schlussendlich soll sich zu allem
Unglück auch noch über die Klitoris hermachen. Offensichtlich ein
Modell für Fortgeschrittene. Wenig vertrauenerweckend klingt auch
der »Analschlegel«. 31 Zentimeter misst das »starke Stück«.
KEINE FRAGE: DIE PIMMELPARADEN IN KATALOGEN UND
SEXSHOPREGALEN ZEICHNEN SICH DURCH BEEINDRUCKENDE VIELFALT UND
KNIFFLIGE EXTRAS AUS.
Sie sollen wohl vor allem Frauen zum Kauf
animieren. Ob die sich von solch zotiger Lyrik und gigantischen
Latexlümmeln wirklich angesprochen fühlen, sei mal
dahingestellt.
Doch auch dem rolligen Manne soll geholfen werden.
Der »Lustschlund« etwa verheißt ein »supergeiles Feeling« und die
»Rubbelhöhle«
verfügt - damit da gar keine Zweifel aufkommen -
selbstverständlich über »zwei Eingänge«. Dank »Reiznoppen« im
Innern, so versichert der Anbieter, sorge auch die »Ekstasemuschi«
für »feurigste Intimmassagen«, schließlich handele es sich hier um
eine wahrhaft »stramme Lustgrotte für Kenner«. Die schätzen
womöglich auch den »Robo-Suck«. Das orale Lustgerät ist laut
Beschreibung mit einem »kräftigen Saugmotor« ausgestattet.
Beeindruckend auch das reichhaltige Sortiment an
Hilfsmitteln.
DIE EIGENE »LUSTLANZE« SCHEINT VIELEN MÄNNER
DOCH EHER WIE EIN KRUMMDOLCH VORZUKOMMEN.
Vergrößerung tut not. Der »Potenztrainer« etwa
sorgt mithilfe seines »sensationellen Vakuum-Vibrationszylinders
für maximale Gliedstärke und noch stärkere Penis-Sexkraft«. Ja,
durch Unterdruck könne sich das Glied sogar »energisch ausdehnen
und verlängern«.
In jedem Sexkatalog werden diverse solcher Pumpen,
Röhren und Erektionszylinder angeboten. Doch nicht jeder mag sich
eine Erektionshilfe in Frisierhaubengröße übers Glied stülpen.
Mancher greift lieber zu »Dauer-Bumser-Dragees«, »Ständertropfen«
oder »Hengst«, dem vitaminreichen Liebestrunk, um nach erfolgreich
absolvierter Steifeprüfung dann endlich zur Sache zu kommen -
vorausgesetzt, die Partnerin ist inzwischen nicht längst
eingenickt.