Fifty Man
ALS ICH EINMAL EIN SUPERHELD WAR
Neulich hatte ich einen Traum. Ich war ein
Superheld. Aber kein normaler. Ich war ein alternder Superheld. Ich
war Fifty-Man. Ein Held in den besten Jahren. Ich trug ein
blaues, eng anliegendes Kostüm. Deutlich zeichnete sich ein recht
großes Glied ab. Tut mir leid, so war das halt in dem Traum. Auch
der Oberkörper war muskeltechnisch gesehen sehr gut ausgebildet.
Aber man sah einen deutlichen Bauchansatz und Rettungsringe an den
Hüften. Fifty-Man war halt nicht mehr zwanzig, was auch an
der Zahl fünfzig, die auf Brusthöhe meines Kostüms prangte,
unschwer zu erkennen war.
IN DIESEM TRAUM LEBTE ICH IN EINER WELT, IN DER
ES NOCH ANDERE SUPERHELDEN GAB, ABER ALLE WAREN
BEST-AGER.
Leute, die schon einiges hinter sich hatten. Da
gab es Falten-Woman, eine schöne, aber reife Frau, deren
Körper noch gut in Schuss war, deren Gesicht jedoch die Spuren des
Alters zeigte. Sie konnte mit Lichtgeschwindigkeit laufen und trug
dabei passend zu ihrem Gesicht einen Faltenrock und eine
Gesichtsmaske aus Creme und Gurkenscheiben. Auch Bett-Man,
ein achtzigjähriger Hero, der in einem fliegenden, mit allerhand
technischem Gerät ausgestatteten Altenheimbett für Recht und
Ordnung kämpfte, gehörte zu den Superhelden, die ich zu meinen
Freunden zählen durfte.
Der Traum begann mit einer Fahrt in der S-Bahn.
Ich war in Zivil unterwegs, als ganz normaler Bürger. Neben mir saß
ein junger Rotzlöffel, brüllte in sein Handy und hatte die Füße auf
dem Sitz vor sich
liegen. Ich bat ihn in sehr freundlichem Ton, doch etwas leiser zu
sprechen und die Füße - wenn möglich - vom Sitz zu nehmen. Er sagte
»Verpiss dich, Alter« und telefonierte weiter. An der nächsten
Station stieg ich aus, zog mich heimlich und blitzschnell um, flog
der S-Bahn hinterher, drang krachend durch ein Fenster ein und
landete direkt vor dem Rotzlöffel. »Fifty-Man«, stöhnte der
erschreckt und nahm sofort die Füße vom Sitz. Aber mein Zorn war
noch nicht verraucht. Ich packte ihn mit einer Hand, drehte ihn ein
paar Mal um seine eigene Achse, bis ihm speiübel war und zwang ihn
dann, sein Handy zu essen. »Lass es dir eine Lehre sein«, donnerte
ich. »Ich sah vom Himmel aus, wie du den Herrn neben dir behandelt
hast - habe Respekt vor dem Alter, oder es wird dir übel ergehen.«
Dann flog ich davon.
HERRLICH, DIESER TRAUM. ICH KONNTE FLIEGEN,
HATTE SUPERKRÄFTE UND WAR UNVERWUNDBAR.
Fast unverwundbar. Nur »Old Spice«, der gute, alte
Herrenduft konnte mich - weiß der Geier warum - ernsthaft
verletzen. Aber das wusste niemand, außer Falten-Woman, aber
die hielt dicht. Mein Erzfeind, Wampen-Man, ein Superheld,
mit einem gewaltigen, zerstörerischen Blähbauch, versuchte schon
lange hinter das Geheimnis meiner Verwundbarkeit zu kommen. Aber
vergeblich. Einmal hatte ich mich vor meinem Super-Kumpel
Demenzos verplappert. Aber der vergaß zum Glück mit
Supergeschwindigkeit.
Der Traum endete mit einem gewaltigen Kampf. Ich
war bei einer Patrouille auf Wampen-Man gestoßen, und hatte
ihn mit meinem Hitzeblick schon fast zerschmort, als plötzlich
dessen bösartiger Verbündeter
Tatter-Man auftauchte. Tatter-Man, ein uralter
Kämpfer aus der Parkinson-Sippe, zitterte und vibrierte in so hoher
Taktzahl, dass man ihn praktisch nie zu fassen bekam. Aber ich
schaltete eine - meinen Feinden bisher unbekannte Kraft -, meinen
Slow-Motion-Modus ein. Alles verlangsamte sich. Ich konnte
Tatter-Man jetzt gut erkennen, packte zu und schlug … die
Augen auf. Ich war hellwach, der Traum vorüber. Schade
eigentlich.
KAM GUT - SO EIN TAG ALS ALTER
SUPERSACK.