Flexibel bleiben - aber nicht um jeden
Preis
ÜBER TOILETTENGÄNGE
Kürzlich haben sehr gute Freunde von uns von ihrem
letzten, sehr ungewöhnlichen Urlaub erzählt. Das Ehepaar fuhr
nämlich mit einem Kanu zu zweit, mit zwei Hunden und Gepäck auf
einem französischen Fluss etwa zwei Wochen lang umher. Sie rasteten
und übernachteten auf kleinen, unbewohnten Inseln.
Dies ist in meinen Augen eine ziemlich
abenteuerliche Form des Urlaubs und auf eine ganz spezielle Weise
archaisch. Die beiden haben sämtliche Vorräte dabei, Kleidung zum
Wechseln, ein Zelt, Schlafsäcke, Kochtöpfe, Isomatten, Futter für
ihre beiden Hunde, Werkzeug usw. …
Ihr Auto lassen sie am Anfang irgendwo am Fluss
stehen und fahren dann zwei Wochen lang flussabwärts, gehen an
Land, einer trampt oder fährt mit dem Zug zurück, holt das Auto und
holt dann den anderen wieder ab.
Beide sprachen von wunderbaren Abenden am Feuer,
wo sie nur gelesen, gechillt und es sich einfach haben gutgehen
lassen. Sie sind auch schon annähernd fünfzig, und ich war voll der
Bewunderung für diese doch recht ungewöhnliche, einfache und
originelle Form des Urlaubs. Ich will Ihnen aber trotzdem sagen,
warum ich das nicht machen könnte, obwohl sich das so gut
anhört.
ICH KANN MIR NICHT VORSTELLEN, MIT MEINEN
FÜNFZIG JAHREN IRGENDWO IN DER WILDNIS INS UNTERHOLZ ZU
KNATTERN.
Das klingt jetzt blöd, aber genauso haben es die
beiden gemacht. Wenn die Natur nach ihrem Recht rief, sind sie mit
dem Spaten losgezogen, haben sich ein Loch gegraben, sich dort
erleichtert und das Ganze dann wieder zugeschüttet.
Jetzt werden Sie vielleicht sagen: Das ist doch
völlig albern. Wenn es ein so schöner, idyllischer, romantischer
und naturverbundener Urlaub ist, dann ist es doch völlig egal, dass
da jetzt nicht ein super Badezimmer mit Toilette, fließend Wasser
und einer Dusche da ist. Na gut, ich könnte mir ja noch ganz gut
vorstellen, mich im Fluss zu waschen, wenn keiner guckt. Es war ja
Sommer, und die beiden haben gesagt, dass das von den Temperaturen
her überhaupt kein Problem war. Aber sich - wie unsere Freunde -
einfach so ins Unterholz zu setzen und da reinzuknöken, also nee,
das wäre nix für mich. Und jetzt habe ich mich gefragt:
BIN ICH VIELLEICHT SCHRULLIG, STELLE ICH MICH
ZU SEHR AN?
Und da erst habe ich gemerkt, dass die
Stuhlgangfrage eine ganz wesentliche in unserem Alter ist,
insbesondere in Bezug auf Urlaub. Wollen wir doch mal ehrlich sein,
es ist doch im Urlaub eminent wichtig, dass man sich vernünftig …
nun ja … erleichtert hat, bevor man dann losgeht - an den Strand,
zum Stadtbummel, auf eine große Wanderung, oder was auch immer. Und
da ist man doch schon recht froh, wenn eine vernünftige Toilette da
ist. Auf La Palma hatten wir es mal, dass man dort das
Toilettenpapier nicht herunterspülen, sondern in einem Eimer
entsorgen musste, den man dann jeden Tag zu leeren hatte. Das ging
noch, war aber schon grenzwertig. Wahrscheinlich denken Sie jetzt,
was ist das für ein seltsamer analfixierter Mensch, der uns hier
mit seinen doch recht intimen und ganz vortrefflich ekelhaften
Ausführungen langweilt oder irritiert. Aber ich bitte Sie, halten
Sie einen Moment beim Lesen inne und überlegen Sie, ob ich nicht
vielleicht doch Recht habe. Und jetzt fragen Sie sich vielleicht
zusätzlich:
WAS WILL UNS DER MANN EIGENTLICH
MITTEILEN?
Dieses ist ein Buch für alte Säcke und soll alten
Säcken Hoffnung machen auf ein noch erfülltes, aktives und besseres
Leben. Warum hält er uns nun Vorträge über Stuhlgang? Nun, ich will
es Ihnen sagen, denn dieses Buch soll ja auch eine gewisse
Gemeinsamkeit herstellen zwischen uns - Ihnen als Leser und mir als
Autor - und man muss auch über unpopuläre, intime Dinge reden, um
diese ganzen Problembereiche in den Griff zu kriegen und sich
vielleicht auch aufgehoben zu fühlen in seiner eigenen
Spleenigkeit, Empfindlichkeit und Tüddeligkeit. Denn, so schön es
auch ist, flexibel und abenteuerlustig
zu sein - ein paar Dinge können wir uns in unserem Alter schon
vorbehalten, wie zum Beispiel das Benutzen einer vernünftigen
Toilette. Was nicht heißen soll, dass ich unseren
Flussinsel-Freunden meine Bewunderung entzöge für das, was sie tun.
Im Gegenteil: In gewisser Weise beneide ich sie sogar um die
Fähigkeit, einfach so ohne Umschweife und großes Aufhebens ins
Unterholz zu knattern. Ich wünschte, ich könnte wie sie, locker und
unverkrampft dem Ruf der Natur folgen. Es gelingt mir aber nicht,
und ich habe beschlossen, mich deswegen auch nicht mehr zu schämen.
Und Sie, liebe Leser, sollten - wenn es Ihnen auch so geht - das
auch nicht mehr tun. Gut, jetzt habe ich also gesagt, was ich mir
alles nicht vorstellen kann und wie viel Verständnis ich für
mich und auch für Sie habe, wenn Sie es ähnlich sehen.
Heißt das also, dass wir komplizierte, unflexible
alte Säcke sind? Ja, das heißt es wohl, und ich finde das auch
völlig in Ordnung.
ICH MEINE, DASS WIR UNS IN UNSEREM ALTER NICHT
ERZÄHLEN LASSEN SOLLTEN, DASS WIR ALLES MÖGLICHE MITMACHEN MÜSSEN,
UM JUNG ZU BLEIBEN ODER UNS WIEDER JUNG FÜHLEN ZU KÖNNEN.
Wenn wir keine Probleme damit haben und wirklich
noch so locker sind, wie unsere Freunde - dann ist das völlig in
Ordnung. Aber andererseits sollte halt auch vorbehaltlos akzeptiert
werden, wenn wir die Toilettenfrage nicht mehr so locker
sehen.
Sie ist übrigens auch einer der Gründe, weshalb
ich nicht mehr auf große Rockfestivals gehe. Die Vorstellung, nach
einem Tag auf eines dieser komplett zugeschissenen Dixi-Klos gehen
zu müssen, empfinde ich mittlerweile als so furchtbar, dass ich mir
das ganz einfach spare. Jaja, wir werden älter.