Wir lassen bitten
EIN PAAR OFFENE WORTE AN DIE TYPEN VON DER WERBUNG UND DER KULTURINDUSTRIE
Es gibt ja diese berühmte werberelevante Zielgruppe der Vierzehnbis Neunundvierzigjährigen. Ich habe ja schon erwähnt, dass es ein seltsames Gefühl ist, dort ab fünfzig sozusagen rauszufallen, nicht mehr wichtig zu sein, nicht mehr umworben zu werden. Ich bin nicht der Erste, der das sagt, aber ich muss es hier noch mal tun.
DIESER GANZE QUATSCH, DASS LEUTE ÜBER FÜNFZIG NICHT MEHR DURCH WERBUNG ZU ERREICHEN SEIEN UND NICHT MEHR UMWORBEN WERDEN MÜSSTEN, IST NATÜRLICH VOLLKOMMENER UNSINN.
Und zudem noch ruinös. Denn wir alten Säcke, wir haben doch die Kohle, haben eine Menge Arbeitsjahre hinter uns, und viele von uns haben es einigermaßen gut hingekriegt. Die Kinder sind aus dem Haus, und wir können konsumieren. Und viele von uns wollen das auch ganz gerne - allein, man lässt uns nicht richtig.
Nehmen wir das Beispiel Kino. Meine Frau und ich gehen gerne am Wochenende mit Freunden ins Kino. Wir haben vorher vielleicht von dem einen oder anderen interessanten, hoch gelobten Film gehört und meinen: Den müssen wir sehen.
Dann gucken wir ins Programm und gucken und gucken, und falls wir ihn überhaupt noch finden, finden wir ihn in Kinos mit Namen wie »Luke 8« am Stadtrand, Beginn 22.45 Uhr.
Das ist wirklich ein Problem. Vernünftige Filme, die man sehen will, laufen so kurz oder an so unattraktiven Orten, zu so unattraktiven Zeiten, dass man gar keine Lust hat, hinzugehen oder es gar nicht erst schaffen kann.
Die Kinos heute sind verstopft mit vermeintlichen oder tatsächlichen Blockbustern, Teeniefilmen, wie »High School Musical« 1- 5000.
UND GUTE, ANSPRUCHSVOLLE FILME FÜR LEUTE UNSERES ALTERS GIBT ES IMMER SELTENER ODER SIE WERDEN, WIE EBEN GESCHILDERT, VERSTECKT.
Und wenn wir dann doch den neuen Bond-Film gucken, müssen wir etwa eine halbe Stunde Werbung, Eisverkauf, Lärm und den alles überdeckenden süßlichen Fettgeruch des Popcorns über uns ergehen lassen, bevor wir dann endlich den Film sehen können - wenn wir ihn denn in Ruhe sehen können. Denn nicht selten grölen, furzen, rülpsen oder kichern irgendwelche Idioten und stören den ungetrübten Kinogenuss.
085
Das ist gar kein Generalvorwurf an die heutige Jugend. Viele von denen sind ja selber genervt, dass manche Altersgenossen mit dem zwanghaften Hang, andere unterhalten zu müssen, den Kinobesuch zur Belastungsprobe für die Nerven machen. Ich will mit dieser Hasstirade auch nur appellieren an die Kinobesitzer und alle, die mit Film zu tun haben: Schafft für die Leute ab fünfzig endlich wieder vernünftige, annehmbare, kultivierte Kinos mit guten Leinwänden und gutem Ton.
GEBT UNS SAUBERE LICHTSPIELHÄUSER, OHNE DIESES VERDAMMTE POPCORN. VON MIR AUS AUCH MIT WERBUNG, DENN VON IRGENDETWAS MUSS MAN JA LEBEN. ABER SCHIEBT EUCH EUER EISKONFEKT SONST WO HIN.
Den dadurch fehlenden Gewinn würden wir ausgleichen: Ich möchte mal behaupten, die meisten von uns sind durchaus bereit, auch einen Euro mehr zu bezahlen für einen vernünftigen, ungetrübten Kinogenuss. In allen größeren Städten gibt es ja zwei, drei solcher Kinos, und denen scheint es auch nicht schlechtzugehen. Die Kids, gegen die ja gar nichts zu sagen ist, die sollen sich dann bitte in den Multiplexen mit 18 verschiedenen Sälen amüsieren.
086
So, ich glaube, ich schwoff etwas ab: Am Anfang habe ich ja von der werberelevanten Zielgruppe gesprochen - 14 bis 49 - und erzählt, dass wir Oldies ja nun über die finanziellen Mittel verfügen, um diesem daniederliegenden Land vielleicht zu etwas mehr Aufschwung zu verhelfen.
ABER, VERDAMMT NOCH MAL, WIR WOLLEN AUCH UMWORBEN, WIR WOLLEN ZUMINDEST ANGESPROCHEN WERDEN.
Wir sind nicht auf Marken festgelegt mit fünfzig Jahren, wie man sich das so früher vorstellte: einmal »Tchibo-Kaffee«, immer »Tchibo«, einmal »Chanel No. 5« - das hält dann zehn Jahre, und nie wieder etwas anderes. Nein: Auch wir sind an Technik, an Mode, an Unterhaltung, was auch immer, interessiert - und nicht nur an Treppenliften und Prostata-Pillen. Ihr solltet die Produkte dann nur so gestalten, dass sie uns »Middle-Agern« auch gefallen und von uns zu gebrauchen sind.
NICHTS GEGEN KLEINE HANDLICHE GERÄTE, WIE HANDYS ODER MP3-PLAYER. ABER VIELE VON UNS TRAGEN NUN MAL BRILLEN, UND WENN WIR UNS FÜR DEREN BEDIENUNG EINE FEINMECHANIKERLUPE ODER SO EIN CHIRURGENINSTRUMENT AUFSETZEN MÜSSEN, DANN STIMMT IRGENDWAS NICHT.
Und im Übrigen: Vielleicht spreche ich da nicht für jeden, aber Multifunktionstasten - also Tasten, die mit komplizierten Spreizgriffen irgendwie fünf bis acht verschiedene Funktionen haben - sind auch nicht der Weisheit letzter Schluss.
So, jetzt habe ich mich hier ausgekotzt, aber das musste mal sein. Und ich prophezeie auch, dass in einigen Jahren - wenn es nicht längst schon so weit ist - wir Mittelalterleute zur wichtigsten, zur bestimmenden Zielgruppe dieses Landes werden. Leute zwischen fünfundvierzig und fünfundsiebzig sind heute fit, sportlich, interessiert, aufgeschlossen, kaufkräftig und wollen von der Werbeindustrie, von der Kulturindustrie, von allen, die etwas anzubieten haben und unser Geld wollen, umworben werden.
WIR WOLLEN LEISTUNGEN, EIN VERNÜNFTIGES ANGEBOT, NIVEAU UND KEINE MASSENABFERTIGUNGEN.
Und, ja, wir wollen auch gelegentlich unter uns sein - im Kino zum Beispiel. Und das muss doch möglich sein, dass man in einem Kino etwas Nettes essen und in stilvollem Ambiente etwas trinken kann und sich anschließend gemeinsam einen Film anguckt, ohne wegen des Verhaltens seiner Mitguckenden Gewaltfantasien entwickeln zu müssen.
Also: Weg mit Werbung für Treppenlifte und Erwachsenenwindeln. Zeigt uns die guten, scharfen, klasse Sachen, die wir kaufen wollen.
DENN SONST KRIEGT IHR EINFACH NICHT, WAS IHR HABEN WOLLT UND WAS IHR SO DRINGEND BRAUCHT - UNSERE KOHLE.
Alter Sack, was nun
schl_9783641046408_oeb_cover_r1.html
schl_9783641046408_oeb_toc_r1.html
schl_9783641046408_oeb_fm1_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c01_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c02_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c03_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c04_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c05_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c06_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c07_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c08_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c09_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c10_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c11_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c12_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c13_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c14_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c15_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c16_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c17_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c18_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c19_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c20_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c21_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c22_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c23_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c24_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c25_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c26_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c27_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c28_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c29_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c30_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c31_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c32_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c33_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c34_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c35_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c36_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c37_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c38_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c39_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c40_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c41_r1.html
schl_9783641046408_oeb_cop_r1.html