Rotzlöffel im Job
JUNGE AUFSTEIGER UND ALTE SÄCKE
Also, stellen Sie sich doch mal vor, Sie gingen
noch zur Schule. Oberstufe, kurz vorm Abi. Und eines Tages kommt da
so ein Rotzlöffel von Sextaner an und will Ihnen erzählen, wo es
langgeht. Sagt, was Sie tun oder lassen sollen. Und führt sich auf,
als ob Sie keine Ahnung von gar nix hätten. Krasse Vorstellung,
oder? Ja, aber im Prinzip werden viele von uns alten Säcken mit
genau dieser Situation konfrontiert. Und zwar im Job. Mit dem
Unterschied, dass der Sextaner hier ein junger, agiler Aufsteiger
ist. Anfang dreißig.
TYP PISSNELKE. DOPPELSTUDIENGANG MIT SUPER
ABSCHLUSS. VIEL AUSLANDSERFAHRUNG. WENIG LEBENSERFAHRUNG.
Noch grün hinter den Ohren, aber schon ein
verdammt großes Maul. Tja, diesen Typen gehört die Zukunft. Sie
haben sich allerhand verkniffen, wenig gefeiert, sich durch fiese
Assessment-Center gequält, tja, und irgendwann werden sie dann
unsere jüngeren Chefs.
Viele von uns müssen sich mit jüngeren Chefs
herumschlagen. Wir müssen ertragen, dass Sie uns Anordnungen
erteilen. Sie könnten unsere Söhne sein. Und sie sind so verdammt
dynamisch. Und sie haben noch alle Haare. Und keinen
Bauchansatz.
UND GELEGENTLICH MÜSSEN WIR SOGAR AUSHALTEN,
DASS SIE - VERDAMMT NOCH MAL - BESSER SIND ALS WIR.
Und wie gehen wir damit um? Mit diesen verdammt
erfolgreichen jüngeren Chefs? Wir müssen sie aushalten wie
das Älterwerden. Wir können es nicht ändern, dass da junge Kerle,
bestens ausgebildet, nachwachsen und irgendwann befördert
werden.
WIR MÜSSEN IHNEN MIT DER GEREIFTEN GELASSENHEIT
DES ÄLTEREN KOLLEGEN BEGEGNEN.
Man muss das von sich und seinem eigenen Alter
lösen. Sonst geht man kaputt. Es geht hier nicht um die Verdrängung
eines Alphatiers aus dem Rudel. Jeder hat seine Zeit. Und
irgendwann muss man seinen Platz halt räumen, oder aushalten, dass
Jüngere an einem vorbeiziehen.
UND MANCHMAL HILFT ES AUCH, AN FRÜHER ZU
DENKEN.
Als man selber noch jung war. Und so viel wollte.
Und da war da dieser ältere Kollege. So um die fünfzig. Erfahren,
aber auch eine Terz zu selbstgefällig. Und ein wenig unflexibel.
Nicht gerade aufgeschlossen für neue Ideen. »Ham wir immer so
gemacht, warum sollten wir das anders machen?«, war sein
Standardargument gegen Veränderungen. Irgendwie standen sie uns im
Wege, diese Typen um die fünfzig.
Tja, und heute sind wir vielleicht selber ein
bisschen so wie diese Burschen und wollen es nur nicht
wahrhaben.
VIELLEICHT WÄRE ES EINE LÖSUNG, WENN WIR DEN
JUNGEN BURSCHEN VON FRÜHER WIEDER MAL EIN BISSCHEN
RAUSLIESSEN.
Irgendwo in uns hockt er ja noch. Vielleicht hat
er den Rotzlöffeln von heute ja etwas zu sagen. Oder er versteht
sie einfach nur ein bisschen besser als der alte Sack in uns, der
da wieder mal gnatzend in die Kantine schleicht.