Wenn »die Alten« peinlich werden
ERWACHSENE KINDER - EINE HERAUSFORDERUNG DER
BESONDEREN ART
ES IST NICHT LEICHT, ABER MAN MUSS DAS
AUSHALTEN.
Dass die eigenen Kinder einen scheiße finden.
Nicht nur und auch nicht dauernd. Aber immer wieder. Besonders im
Kontext Öffentlichkeit - oder spezieller - bei »Begegnungen, wenn
Freunde dabei sind«.
DA KANN MAN NICHT GEWINNEN.
Ist man unterhaltsam, wird einem Anbiederei
vorgeworfen. Ist man lustig, gilt man als peinlich. Ist man
staatsmännisch oder gibt gar irgendwelche Ratschläge, gilt man in
den Augen der Kids als Spießer. Eigentlich sollte man nur stumm
nicken und das Portmonnaie öffnen. Oder irgendwen irgendwohin
fahren, ohne Zicken zu machen. Für mich als begeisterten Vater war
das eine harte Sache. Diese Entwicklung fiel in etwa mit meinem
Fünfzigsten zusammen.
UND DAS IST JA WOHL FÜR DIE MEISTEN VON UNS
ALTEN SÄCKEN IN DIESEM ALTER SO. MAN KOMMT IN DIE KRISE, UND DANN
FANGEN AUCH NOCH DIE KINDER AN ZU PUBERTIEREN.
Eine schwere Zeit, in der die vergötterten Kids
seltsam werden, motzen, Stimmungsschwankungen haben, sich
abgrenzen, dichtmachen, Kotzbrocken werden. Sie wollen ihre Ruhe
haben, chillen, abhängen und Probleme lieber mit Gleichaltrigen
oder gar nicht besprechen. Alte Säcke sind vorerst abgemeldet. Und
- auch wenn’s hart ist: Das muss halt so sein. Gehört dazu. Geliebt
wird man später wieder. Klar muss man sich nicht alles bieten
lassen. Die Fast-Erwachsenen wollen ja sogar den Widerspruch, den
Ärger, um sich zu definieren, eigene Positionen zu entwickeln und
dann gemeinsam mit ihren Kumpels auf die nervenden Eltern
schimpfen. Es hat keinen Sinn, zu autoritär zu sein.
UND ES HAT ERST RECHT KEINEN SINN, DER »BESTE
FREUND« SEINER KINDER SEIN ZU WOLLEN.
Sie wollen nicht mit uns auf Rock-Konzerte oder
sich besaufen. Sie wollen auch kein Verständnis für
Grenzüberschreitungen (»Boa, ey, so eine große Tüte habt ihr euch
reingezogen und seid dann total stoned mit dem Auto durch den
Nachbarsgarten gebrettert. Krasse Sache, das - der Papa ist stolz
auf euch.«)
Tun Sie das bloß nicht. Ich habe mir sagen lassen,
dass Kinder bzw. Jugendliche sogar wollen, dass man Sie kritisiert
oder Protest einlegt - erst dann fühlen Sie sich ernst genommen.
Wenn alles
irgendwie egal ist, und man immer nur Verständnis hat, leben die
Kids wie in einer großen Wellness-Gummizelle. Sie rennen gegen die
Wand, um Grenzen zu spüren - und dann ist alles weich und nix
passiert. Ja, ich weiß - hört sich nett an, was ich hier rate, ist
aber extrem schwer durchzusetzen. Man muss halt stets das rechte
Maß zwischen Verständnis und Autorität finden. Am wichtigsten aber
ist - nach meiner Erfahrung - egal, wie sehr man sich fetzt: immer
gesprächsbereit bleiben, den Kids immer klarmachen: Wenn du uns
brauchst, sind wir da!
TJA, UND DANN GIBT ES JA NOCH EINE WEITERE
SACHE, WENN DIE KINDER ERWACHSEN WERDEN: MAN HAT PLÖTZLICH WIEDER
ZEIT.
Zeit für die Ehe, für Hobbys, na, eben für all die
Sachen, von denen man immer sagt, dass man sie gern machen würde,
aber leider keine Zeit dafür habe. Also: Die Zeit haben Sie jetzt.
Früher, wenn ich nach der Arbeit nach Hause kam, gab es ein großes
Hallo. Unsere Jungs rannten mir entgegen, ich musste spielen,
vorlesen, toben, Höhlen bauen, all diese großartigen Sachen. Heute
gibt es - wenn die beiden überhaupt zu Hause sind - ein kurzes
kumpelhaftes »Hallo, Alter«, und das war’s dann auch im Prinzip.
Meine Frau und ich freuen uns schon, wenn wir noch alle zusammen
essen, uns mal unterhalten oder zusammen abends was im Fernsehen
gucken.
Wir Eltern haben deshalb wieder angefangen, unsere
Wochenenden und Abende ohne die Teilnahme der Kinder zu planen und
zu organisieren.
UND DAS KANN ICH NUR JEDEM ALTEN SACK RATEN:
ENTDECKEN SIE DIE PAARBEZIEHUNG NEU.
Verbringen Sie Zeit mit jemandem, der Sie kennt
und - trotz aller Schrullen - mag. Also, meine Frau und ich, wir
gehen wieder vermehrt zu zweit ins Kino, ins Theater, und neulich
haben wir zusammen am Wochenende eine Fahrradtour gemacht. War
super, obwohl mir der Arsch wehtat: Nur wir beide, das Ehepaar in
den besten Jahren, zusammen am Elbe-Lübeck-Kanal unterwegs. Wir
sind dann am Nachmittag in ein Campingplatzlokal auf eine
Erdbeertorte eingekehrt. Da waren alle Leute tätowiert und schon
total braun, obwohl es erst Anfang Mai war. Erst war uns
unbehaglich zumute, aber die waren alle total nett.
NUR WEIL EINER EIN ARSCHGEWEIH ODER EIN
PIERCING IN DER BRUSTWARZE HAT, MUSS ER JA NOCH KEIN IDIOT
SEIN.
Wir gehen da aber trotzdem nicht wieder hin, denn
die Erdbeertorte war mit Tonnen von Gelatine und gefrorenen
Früchten gefertigt, und der Kaffe schmeckte wie Affenurin. Wenn die
Kuchenstücke auch groß wie Pizzahälften waren. Na ja, wir sind aber
auch Nörgler!