Harley oder Porsche?
ALTE SÄCKE UND ALTE TRÄUME
VIELE VON UNS ALTEN SÄCKEN WERDEN MIT
ZUNEHMENDEM ALTER IN DEN AUGEN ANDERER SONDERBAR.
Die verstehen nicht, was in unseren Köpfen vor
sich geht. Sie wissen nicht, dass wir eine Art zweite Pubertät
durchmachen, wenn wir die fünfzig erreichen. Ich möchte es
»Fifty-Tät« nennen. Diese hat auch mit Hormonen und einem Umbau des
Körpers zu tun - und sie führt ebenso wie die Pubertät zu seltsamen
Handlungen. Pubertierende werden motzig, verschließen sich und
kriegen Pickel.
WIR OLDIES KRIEGEN BÄUCHE, FALTEN, WERDEN
KINDISCH UND KAUFEN UNS KOMISCHE SACHEN.
Ferngesteuerte Flugzeuge zum Beispiel. Teure
Modelleisenbahnen. Die legendären Gitarren, die auch unsere
Rockgötter spielten. Oder aber: grausamstes aller Klischees - einen
Porsche oder eine Harley. Klischees aber haben ja immer einen
wahren Kern.
ES IST NUN MAL EINE TATSACHE, DASS DIE KÄUFER
VON FLOTTEN KLEINEN PORSCHES UND TUCKERNDEN GROSSEN HARLEYS
BEST-AGER SIND.
Männer Mitte 40 und älter. Männer wie wir. Klar:
Nicht jeder von uns kann sich so was leisten. Aber wenn alle von
uns es könnten - ich bin sicher, dass das die Umsätze von Porsche
und Harley noch mehr beflügeln würde.
Tja, und was heißt das jetzt? Müssen sich alle
Harley- und Porschefahrer schämen? Mitnichten.
WOLLEN WIR DIE SACHE DOCH MAL ENTSPANNT
BETRACHTEN.
Ein Porsche ist ein kleines, geiles, schnelles
Kult-Auto - das man schon früher als kleiner Junge toll fand. Und
eine Harley ist ein nostalgisch angehauchtes, klassisches Motorrad,
das an Easy Rider, Rocker und die wilden Zeiten der Hippies
erinnert. Durchaus ein Kult-Ofen, also. Beides, Porsche wie Harley,
konnte man sich als junger Mensch nicht kaufen. Und als junger
Erwachsener auch noch nicht, bzw. man kaufte für das vorhandene
(oder geliehene) Geld stattdessen einen Passat-Kombi oder einen
sicheren Volvo mit guten Kindersitzen. Und so soll das ja auch
sein. Und dann
wird man fünfzig, verdient vielleicht ganz gut, die Kinder sind
immer selbstständiger, vielleicht sogar schon aus dem Haus. Und man
denkt: Hey, was gibt mir jetzt noch einen Kick? Was wollte ich
eigentlich immer schon mal haben? Und dann kauft man sich halt so
Sachen. Und das kann durchaus auch ein Porsche oder eine Harley
sein. Ich würde das nicht machen, weil beides nicht zu mir passt.
Ich habe keinen Motorradführerschein, und schnell Auto fahre ich
ungern. Aber um meine persönlichen Vorlieben und Eignungen geht es
hier auch gar nicht.
ES GEHT UM TOLERANZ UND DARUM, DINGE TUN ZU
DÜRFEN, DIE DEM EINEN ODER ANDEREN AUCH SELTSAM ERSCHEINEN
MÖGEN.
Meine Güte, wer sich einen abfreut, wenn er in
einem alten Porsche durch die Gegend brettert, oder wer gern in
Bombenlaune mit sechs anderen Oldies in schwarzer Lederkluft auf
Harleys durch die Gegend tuckert - kann er doch. Ist doch seine
Sache! Menschen tun so viel sinnloses Zeug - da ist das Fahren von
Sportwagen und amerikanischen Motorrädern sicher noch eine der
harmlosesten Varianten.
LASST REIFERE MÄNNER VERRÜCKTE DINGE
TUN.
Lasst sie mit ferngesteuerten Flugzeugen und
teuren Modelleisenbahnen spielen - sonst sitzen sie nur rum und
haben schlechte Laune. Ach, und noch was. Immer wieder hört man im
Zusammenhang mit Sportwagen, Motorrädern usw. Frauen lästern, hier
handele es sich sozusagen um eine »Schwanzverlängerung« oder einen
»Penisersatz«. Derlei Bemerkungen zu machen greift sehr um sich und
muss hier mal gegeißelt werden. Man wird als Mann dauernd mit
solchen »Analysen« konfrontiert - auch in ganz anderen
Zusammenhängen. Man interessiert sich für Raumfahrt - klar: Raketen
gleich Phallussymbole. Es geht also eigentlich nur darum, sein
Glied symbolisch in den Raum zu schießen. Also: Vorsicht beim
beherzten Griff zur Banane. Finger weg vom
Verlängerungskabel. Obacht beim Gartengießen mit dem
Schlauch - alles steht unter »Penis-Verdacht«.
UM MAL EINES KLARZUSTELLEN. WIR MÄNNER NEHMEN
UNSERE PENISSE SCHON SEHR ERNST, UND DAS, WAS SICH MIT IHNEN MACHEN
LÄSST, SPIELT IN UNSEREM LEBEN EINE ZIEMLICH GROSSE ROLLE. ABER WIR
KÖNNEN AUCH AN WAS ANDERES DENKEN.
Ein schnelles Auto zu fahren mag ein zweifelhaftes
Vergnügen sein, aber es hat wenig mit Pimmeln zu tun. Und wenn wir
uns - etwa im Büro - mit anderen Männern streiten, dann ist es
nicht nötig, dass eine ebenfalls anwesende »taffe« junge Dame im
Businesskostüm mit den Augen rollt und genervt stöhnt: »Ihr immer
mit euren Schwanzvergleichen.« Es kann nämlich durchaus sein, dass
wir uns um der Sache willen streiten und das mit einem Vergleich
von Hodensack und Glied nix zu tun hat. Überhaupt haben die meisten
von uns im gesetzteren Alter ein eher entspanntes Verhältnis zu
unseren Penissen, und es kümmert uns wenig, wenn Horst oder Bernie
unten rum besser ausgestattet sind. Na ja, vielleicht denken wir
unter der Dusche nach dem Sport »Mann, der Hotte hat vielleicht
eine Riesengurke«. Aber das war’s dann auch schon. Deshalb öffnen
wir diese dauernden Spam-Mails auch nie, in denen uns ein
»Penis-Enlargement« angeboten wird. Ich kenne niemanden, der sich
einer solchen entwürdigenden und blutigen Prozedur unterziehen
würde. Außer Horst vielleicht. Der hat das, glaube ich, mal
gemacht.
SO EIN DING HAT MAN VON NATUR AUS NICHT. DAS
KANN EINFACH NICHT SEIN. DER HAT DA WAS MACHEN LASSEN.
In diesem Zusammenhang fällt mir spontan der
Filmklassiker »Der Mann, den sie Pferd nannten«, ein. Hotte, der
Hengst. Nicht, dass mich das neidisch macht oder so. Aber das darf
man ja mal feststellen, dass das nicht mit rechten Dingen zugehen
kann. Da ist massiv ausgepolstert und gezogen worden. Doch. Ganz
sicher. Horst hat was machen lassen.