Das Bauch-gefühl
EIN GASTKAPITEL VON STEPHAN BARTELS
VORBEMERKUNG
Verehrte Leser, liebe alte Säcke,
zu allem, was uns welkende Männer betrifft, äußere ich mich hier in diesem Buch. Ein wichtiges Problem aber kenne ich nicht so gut: das Problem mit den überflüssigen Pfunden. Ich kann Ihnen doch keine Tipps fürs Abnehmen geben, wenn ich gerade mal sechzig Kilo auf die Waage bringe, oder? Deshalb habe ich einen guten Freund und ebenso guten Autor gebeten, ein Gastkapitel übers Abnehmen für dieses Buch zu schreiben.
Der Mann heißt Stephan Bartels, ist wahnsinnig nett und vollschlank, also ein bisschen übergewichtig - na ja, Stephan, genannt Stepp, ist zu dick, seit ich ihn kenne. Für mich gehört er so. Er sieht das anders. Über seinen Kampf gegen die Pfunde hat er das großartige Buch »Der Kilo-Killer. Ein Jahr im Schlankheitswahn« (Scherz-Verlag) geschrieben, das ich Ihnen wärmstens ans Herz lege, wenn Sie auch zu viel auf den Rippen haben.
Hier ist nun Stephans Text, für den ich ihm herzlich danke, auch wenn ich dem Mann, wie immer, wahnsinnig in den Hintern treten musste, damit er rechtzeitig abgibt.
 
Kester Schlenz bekommt so langsam tiefe Falten um die Tränensäcke, das Haar ergraut allmählich, sofern es nicht ganz verschwindet, er wird vergesslich und erzählt schlechte Witze grundsätzlich doppelt - aber bei einem unerfreulichen Begleitumstand des Alterns kann dieser Mann nun wirklich nicht mitreden: dem Problem mit dem wachsenden Gewicht.
Schlenz ist rappeldürr. Ich hingegen bin zwar erst knapp über vierzig, aber ein sehr, sehr alter Hase auf dem Feld der Gewichtsreduktion.
GROB GESCHÄTZT HABE ICH IN DEN VERGANGENEN ZWANZIG JAHREN ETWA 180 KILO ABGENOMMEN; DUMMERWEISE ABER AUCH UNGEFÄHR 195 WIEDER ZUGENOMMEN, DIE BILANZ SPRICHT ALSO NICHT SO RICHTIG FÜR MICH.
Außerdem führt sie dazu, dass manche meiner Freunde mich Jojo nennen, obwohl keiner meiner Vornamen Jochen, Joachim oder Johannes ist. Man könnte fast sagen, Ab- und Zunahme sei mein Lebensthema, ich habe sogar ein Buch darüber geschrieben. Und weil ich nun mal so ein ausgebuffter Experte auf diesem Gebiet bin, hat Kester Schlenz mich gebeten, Ihnen und Ihrem wachsenden Bauch ein paar Tipps zu geben, wie Sie unnötigen Ballast loswerden - oder am besten gar nicht erst raufschaffen. Ich sage es Ihnen gleich mal vorweg: Ihre Lage ist ernst. Im Grunde sogar hoffnungslos.
071
Sehen wir uns doch noch einmal meinen Freund Kester an. Er isst sehr maßvoll, trinkt kaum, treibt Sport, ist drahtig und so dünn, dass man ihm auf der Straße mitleidig Kekse und Frikadellen zusteckt. Gute Gene halt, der Glückspilz. Aber wenn man mal genau hinschaut, dann wölbt sich selbst bei ihm über dem Gürtel eine kleine und dennoch stattliche Kugel, ein Wohlstandsranzen, der unerbittlich Zeugnis ablegt von den zwei Gläsern Rotwein, die der Mann sich zum gemütlichen Tatort-Abend mit ein paar Bio-Dinkelcrackern genehmigt. Denn hier ist das mittlere Alter gnadenlos:
KLEINE SÜNDEN BESTRAFT DER DIÄT-GOTT AB MITTE DREISSIG NICHT NUR SOFORT, ER STELLT SIE AUCH DEKORATIV IN DER HÜFTGEGEND ZUR SCHAU.
Sobald man die vierzig überschritten hat, gilt folgende Faustregel: Man nimmt pro Jahr automatisch ein Kilo zu. Jedenfalls dann, wenn man seine Lebensgewohnheiten stoisch beibehält, so viel isst wie vorher, sich so viel bewegt wie vorher … Das liegt daran, dass der Grundumsatz des Körpers sinkt - er braucht schlicht weniger Energie, um seinen Status quo zu erhalten. (Welcher Umstand allerdings dafür sorgt, dass sich die gleichnamige britische Schweinerockband um die Herren Parfitt und Rossi bis heute erhalten hat, stellt die Wissenschaft vor ein Rätsel. Aber das nur nebenbei.) Die Proportionen verändern sich, man baut Muskeln ab, Fettgewebe lagert sich leichter ein. Wie gesagt: Das alles passiert schon dann, wenn Sie immer noch wie früher vernünftig essen und mindestens so flott durch die Gegend joggen wie mit dreißig.
Der Haken ist bloß: Die meisten von Ihnen tun das nicht. Nicht umsonst beenden Hochleistungssportler ihre Karriere spätestens in den Dreißigern und nicht erst mit Mitte fünfzig - die Luft wird nun mal dünner, meine Herren, der Körper ist immer schwerer zu bewegen, selbst ohne Übergewicht.
DAS EINZIGE, WAS ABNIMMT, IST IHRE AGILITÄT.
Denn gegessen wird mit den Jahren nun einmal in der Regel besser, öfter, mehr. Und anders: Wenn man sehr viel Sport macht, fordert der Körper einfach gesündere Nahrungsmittel ein - Vitamine, Eiweiße, auf all das gesunde Zeug hat man quasi automatisch Lust und Laune. Mit wachsender Bequemlichkeit aber bekommt man auch Bock auf Essen, das eigentlich mehr unter Genussmittel läuft. Und so werden aus dem einen automatischen Kilo zusätzlich pro Jahr ohne große Mühe locker drei und mehr.
072
ES IST IRRE FRUSTRIEREND, WENN MAN1 PLÖTZLICH SEIN LIEBLINGSHEMD AM BAUCH NICHT MEHR ZUKNÖPFEN KANN.
Einige von Ihnen werden dieses Gefühl kennen, ich sowieso. Und bei manchen von Ihnen wird in diesem Moment ein Widerstand erwachen, ein Impuls, diesen Fremdkörper über dem Unterleib nicht kampflos hinnehmen zu wollen.
ALLE JENE, DENEN ES SO GEHT, BEGRÜSSE ICH NUN RECHT HERZLICH IN DER WUNDERSAMEN WELT DER DIÄTEN.
Es ist eine Welt voller Vorurteile und Missverständnisse, voller Verzweiflung und Niederlagen - nur manchmal bietet sie ein paar Glücksmomente, für die der oft zitierte Orgasmus als Analogie nicht mehr ausreicht.
Als ich das erste Mal abgenommen habe, war ich knapp über zwanzig. Ich spielte Fußball, hatte in der Sommerpause extrem über die Stränge geschlagen, erkundigte mich bei meiner Mutter nach FDH und verlor in vier Wochen zehn Kilo, ohne Probleme.
Zehn Jahre später spielte ich nicht mehr Fußball, war Familienvater ohne Bewegung, sah aus wie der junge Günter Strack und war unglücklich. Ich ging zu den Weight Watchers. Es war nicht mehr so leicht wie vorher, aber immer noch erfolgreich: In einem halben Jahr verlor ich 27 Kilo.
Beim letzten Mal - ich war knapp vierzig - bin ich wieder um die zwanzig Kilo losgeworden. Aber diesmal habe ich ein Jahr gebraucht, mit der LOGI-Diät, mit Coaching, mit Fasten-Yoga … Was ich damit sagen will: Es gibt viele Wege, Gewicht zu verlieren. Aber je älter man wird, desto schwerer fällt es, zum Erfolg zu gelangen.
KLAR IST: WENN MAN ABNEHMEN WILL, MUSS MEHR RAUS ALS REIN.
Deshalb gilt: Ohne Sport wird das alles nix. Wenn Sie bislang überhaupt nichts machen, wird Ihnen der Schritt zur Bewegung am Anfang irre schwerfallen. Aber gerade Sie profitieren am meisten, schließlich wird Ihr Körper den neu entdeckten Sport extrem schnell belohnen. Und das fühlt sich verdammt gut an.
073
ALSO, WICHTIGSTE REGEL: HOCH DEN HINTERN! RAUF AUF DAS FAHRRAD, IN DIE JOGGINGSCHUHE ODER IN DIE BADEHOSE!
Das allerdings ist nur ein Anfang. Klar müssen Sie auch an Ihrer Ernährung drehen und weniger reintun als Sie verbrennen. Für den Weg dahin gibt es handgeschätzte 1,8 Millionen verschiedene Theorien und Philosophien, sprich: Diäten. Werfen wir doch mal einen Blick auf die führenden:
ATKI NS-DIÄT
Wird neudeutsch auch unter »Low-Carb« geführt und klingt für die Fleischesser unter uns erstmal verlockend. Schließlich nimmt man hauptsächlich Fett und Proteine zu sich, na gut, später auch viel Gemüse, aber hey: Steaks! Schnitzel! Fett! Yippieh! Bloß Brot, Nudeln, Kartoffeln und andere Kohlehydratträger sind verpönt. Dummerweise gilt diese Ernährung unter übel meinenden Wissenschaftlern inzwischen als ungesund, und die Atkins Nutritionals Inc. hat 2005 Insolvenz angemeldet. Vielleicht also versuchen Sie es doch lieber mit dem
LOGI-PRINZIP
LOGI steht für Low Glycemic Index und will, dass man den Blutzuckerspiegel niedrig hält. Ist Atkins gar nicht mal unähnlich, Eiweiß und gute Fette sind wichtig. Aber Kohlenhydrate sind deutlich erlaubter, was den Speiseplan erfreulich abwechslungsreicher macht. Die oben erwähnten Wissenschaftler kritisieren hier, dass der glykämische Index ja noch gar nicht bewiesen hätte, dass er wirklich wichtig sei. Ist übrigens auch als dauerhafte Ernährungsumstellung gedacht. Genau wie die Methode der
WEIGHT WATCHERS
Da ist irgendwie alles erlaubt - aber in Maßen, meine Herren. Fettarm soll es sein, vitaminreich, und wenn schon Süßes, dann bitte in homöopathischen Dosen. Kalorien werden bei den WWs nicht gezählt, dafür Punkte. Jedes Lebensmittel hat nämlich einen Punktwert, und man bekommt einen bestimmten Wert errechnet, bis zu dem man täglich futtern darf. Klingt gut, erzielt übrigens auch die schönsten Erfolge und hat einen Haken: Man trifft sich wöchentlich zu Gruppensitzungen. Sie werden dort wahrscheinlich der einzige Mann sein, all die dicken Frauen dort werden Sie hassen, weil Männer schneller abnehmen. Und spätestens nach der zweiten Sitzung werden Sie sich fragen, ob Sie in eine fundamentalistische Sekte geraten sind. Auf eine gewisse Art - ja. Ich rate trotzdem zu. Der Erfolg gibt den Weight Watchers Recht.
074
BRIGITTE-DIÄT
Gilt im Allgemeinen als sehr ausgewogen und gut durchdacht. Bei der BRIGITTE gibt’s fast alles auf den Tisch, bis zu einer Grenze von 1500 Kalorien am Tag. Der Haken: Man muss sich penibel an Mengen und Rezepte halten, das macht das Ganze etwas anstrengend.
BROTTRUNK-DIÄT, ANANAS-DIÄT, SCHNITZEL-DIÄT
Finger weg. Alles, was nach Themen-Abnehmen klingt, ist nix.
 
Welche Art der Ernährung nun am besten zu Ihnen passt, ist im Grunde nebensächlich. Letztendlich mündet das Ganze in einer einfachen Formel: Vernünftig essen, mal ein bisschen darben plus mehr bewegen, geteilt durch einen Sack voll Disziplin - ist gleich schlank. Oder schlanker. Oder zumindest nicht mehr ganz so dick.
Aber das sagt sich so leicht. Vor diesem ganzen Diäten-Gedöns steht nämlich noch der innere Schweinehund, der knurrend seinen Platz verteidigt und niedergerungen werden muss. Das geht mit fünfzig nicht mehr so einfach wie mit zwanzig.
UND SOLLTEN SIE DEN RINGKAMPF AM ENDE DOCH VERLIEREN - GRÄMEN SIE SICH NICHT ALLZU SEHR.
Schließlich haben Sie in der anstehenden Wirtschaftskrise wenigstens noch was zuzusetzen.
WENN DIE GANZEN LEPTOSOMEN DAUERLÄUFER (EINSCHLIESSLICH KESTER SCHLENZ) SCHON AUSGEMERGELT DURCH DIE SCHLECHTEN ZEITEN TAUMELN, ZEHREN SIE NOCH VON IHREM SORGFÄLTIG ANGEFUTTERTEN BAUCHSPECK.
Und abgesehen davon: Nicht jeder steht auf dünn. Die Anerkennung der Stattlichkeit ist wieder auf Vormarsch, glauben Sie mir. Der Schauspieler Rainer Hunold zum Beispiel sagte mal, dass er sich unter 100 Kilo richtig mies fühlen würde. Und eine Kollegin von mir findet dünne Kerle richtig blöd. Die sagte neulich etwas sehr Schönes:
EIN MANN OHNE BAUCH IST WIE EIN HIMMEL OHNE STERNE.
075
Alter Sack, was nun
schl_9783641046408_oeb_cover_r1.html
schl_9783641046408_oeb_toc_r1.html
schl_9783641046408_oeb_fm1_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c01_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c02_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c03_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c04_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c05_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c06_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c07_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c08_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c09_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c10_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c11_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c12_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c13_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c14_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c15_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c16_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c17_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c18_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c19_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c20_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c21_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c22_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c23_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c24_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c25_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c26_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c27_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c28_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c29_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c30_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c31_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c32_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c33_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c34_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c35_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c36_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c37_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c38_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c39_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c40_r1.html
schl_9783641046408_oeb_c41_r1.html
schl_9783641046408_oeb_cop_r1.html