Dog Days
AUF DEN HUND KOMMEN
Ich habe ja schon mehrfach in diesem Buch auf die Notwendigkeit sportlicher Betätigung hingewiesen. Aber ich weiß ja, es fällt schwer, sich morgens aufzuraffen, Sportsachen anzuziehen und loszulaufen. Die Beine tun weh, das Herz pocht, und man denkt, oh, nee, fünf Minuten gelaufen und schon so schlapp und, damit es was bringt, muss ich ja mindestens eine halbe Stunde oder besser 45 Minuten durchhalten - ja, das ist hart.
Trotzdem müssen wir dranbleiben. Wenn nun einer von uns alten Herren absolut nicht wetzen will, dann kann er natürlich auch exzessiv spazieren gehen. Ich will nicht »walken« sagen; das Wort klingt ja schon wieder so doof. Aber lange und ausgedehnte Spaziergänge, ein, zwei Stunden durch die Natur, das bringt durchaus auch eine Menge, haben mir Mediziner versichert. Aber auch dazu muss man sich halt aufraffen.
Bei gutem Wetter ist das alles ja kein Problem. Das kennt man. Aus allen Löchern kommen die Spaziergänger dann, meist Männer und Frauen paarweise in schicken Outdoor-Jacken, die, in Gesprächen versunken, wohlwollend, um sich nickend durch den Sonnenschein flanieren. Aber wir leben nun mal nicht in Südfrankreich oder Spanien. Das Wetter für solche Spaziergänge ist bei uns meist einfach nicht gut genug. Und wenn es mal gut ist, haben wir oft keine Zeit, sitzen im Büro, blicken mit waidwundem Blick hinaus aus dem Fenster und denken uns: Mist, warum hocke ich hier, anstatt irgendwo gemütlich an der See zu sitzen und Kaffee zu trinken. Wie machen das eigentlich die ganzen anderen Tagediebe im arbeitsfähigen Alter, die ich da draußen flanieren sehe? Haben die nix zu tun?
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ABER SCHLUSS MIT DEM GEJAMMER!
Wir müssen uns Lösungen überlegen. Nehmen wir mal an, Sie sind kein großer Sportler, kein Läufer, es fällt Ihnen all das vorsätzliche Bewegen bei miesem Wetter schwer, Sie möchten aber was tun, und meinetwegen auch spazieren gehen. Ja, also dann kann ich nur diesen berühmten alten Spruch zitieren: Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur unpassende Kleidung. Mit anderen Worten: Präparieren Sie sich. Sie werden sehen, was es für ein befriedigendes Gefühl ist, in guter Outdoor-Kleidung ein, zwei Stunden den Elementen zu trotzen. Es gibt ja überall diese Outdoor-Shops und Läden. Wenn man sich da richtig eindeckt, kommt man sich vor wie Reinhold Messner auf irgendeiner Expedition.
TROTZDEM BLEIBT DIE FRAGE, WIE MOTIVIERE ICH MICH, WIE BRINGE ICH MICH WILLENTLICH NACH DRAUSSEN?
Selbst, wenn die schönste Jacke, der schönste Südwester, die regendichteste Hose und die festesten Wanderstiefel im Schrank warten, heißt es noch lange nicht, dass man auch Lust hat loszugehen. Also muss man sich zwingen, man muss einen Anlass haben.
UND JETZT KOMMEN WIR AUF DEN HUND.
Wenn Sie auch nur im Entferntesten etwas mit diesen vierbeinigen Freunden anfangen können, dann schaffen Sie sich einen Hund an - sollten Sie sich zu wenig bewegen und die Möglichkeit haben, sich ein bisschen um das Tier zu kümmern.
ABGESEHEN VON EINIGEN GEWICHTIGEN GEGEN-ARGUMENTEN - ABER DAZU SPÄTER - IST DER HUND IN SACHEN SPAZIEREN GEHEN DIE PERFEKTE LÖSUNG.
Denn das Tier muss raus - jeden Tag, bei jedem Wetter. Egal, wie Sie drauf sind oder was die anderen sagen: Wenn man seinen Hund ernst nimmt und liebt, dann geht man mindestens zwei Mal am Tag mit ihm zu ausgedehnten Spaziergängen raus. Wer in einer Etagenwohnung lebt und keine Zeit hat, sollte sich allerdings keinen Hund anschaffen. Das ist nichts weiter als Tierquälerei. Alle anderen, die vor, nach, während der Arbeit mit dem Hund rausgehen können oder jemanden zu Hause haben, der das dann auch mal übernimmt, für all die ist das die ideale Lösung.
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ICH SPRECHE DIESES KAPITEL HIER GERADE AUF EIN DIKTIERGERÄT, WÄHREND ICH MIT UNSEREM HUND LUZIE UNTERWEGS BIN.
Eigentlich war ich heute Morgen mies gelaunt: Reißen im Rücken, leichter Kater, Steuererklärung noch nicht gemacht, Unerledigtes auf dem Schreibtisch, und eigentlich wollte ich den Keller aufräumen. Na, ich war nicht mit mir im Reinen. Und dann sagte meine Frau: »Geh doch ein bisschen mit dem Hund. Das bringt dich besser drauf.« Ich also meine coolen Goretex-Wanderschuhe angezogen, Pulli, Lederjacke, Handschuhe - es ist Herbst -, und raus mit dem Hund. Luzie, schon 13 Jahre alt, betagt, aber immer noch ganz gut drauf, war außer sich vor Freude. Nicht unbedingt, weil der alte Gnatzkopf mit ihr rausgeht, sondern nur weil es überhaupt rausgeht.
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Die Luft ist kalt, aber frisch. Ich bin gerade auf dem Weg in einen Wald, und schon merke ich, dass ich mich ein bisschen besser fühle. Okay, ein paar Leute, die mir entgegenkommen, denken, was ist das für ein bescheuerter Typ, der da in seine Hand reinquatscht. Scheiß drauf! Luzie, eine Mischung aus Labrador und Golden Retriever, läuft vorweg, pinkelt mal irgendwo hin, kotet ins Unterholz, und ansonsten schnüffelt und freut sie sich.
Wir bilden eigentlich eine ganz perfekte Symbiose. Luzie ist mit sich zufrieden, und ich werde langsam ruhiger und besser gelaunt, weil ich an der frischen Luft bin, kräftig ausschreite, das Gefühl habe, ich tue was.
ICH SCHLENDERE NICHT NUR WIE SO EIN ALTER SACK HERUM, SONDERN WALKE PRAKTISCH SPORTIV DURCH DIE NATUR.
Fragen Sie Leute, die Hunde haben. Es ist tatsächlich so. Wenn man einen Hund hat, geht man mehr raus. Man zwingt sich, weil der Hund eben rausmuss, und kommt sich zudem auch nicht so blöd vor. Denn jeder sieht es ein, dass Menschen mit Hunden bei Mistwetter über irgendwelche Wiesen, durch Wälder oder Vorstadtsiedlungen laufen, ohne sich dabei etwas zu denken. Ein etwa fünfzigjähriger Mann, der sich allein mit hochgeschlagenem Mantelkragen am Rande von Wohnblocks oder Kleingartensiedlungen herumtreibt, fällt ja doch immer irgendwie etwas unangenehm auf. Bei Hundebesitzern ist das völlig anders. Sie sind generell unverdächtig, und sie kommen zudem ins Gespräch mit anderen Hundebesitzern. Für Singles übrigens eine willkommene Gelegenheit, Frauen oder Männer kennenzulernen. Ich habe schon oft gehört, dass Leute beim Hundespaziergang angebandelt haben.
JETZT WOLLEN WIR ABER NICHT UNTERSCHLAGEN, DASS DIE ENTSCHEIDUNG, SICH EINEN HUND ZU KAUFEN, NICHT ALLEINE DAVON GETRIEBEN SEIN SOLLTE, DASS MAN REGELMÄSSIG SPAZIEREN GEHEN MÖCHTE.
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So ein Hund ist ein sensibles, manchmal aggressives, manchmal lethargisches, lebhaftes, aber durchaus nicht unkompliziertes Lebewesen, das erzogen werden will. Und wer sich einen jungen Hund kauft, direkt ab Wurf, wie es so schön heißt, der sollte sich auf ein nicht unanstrengendes erstes Jahr einstellen. Die Sache mit dem Stubenrein-Bekommen ist schon schwer genug.
MENSCHEN MIT TEPPICHEN WERDEN NICHT IMMER IHRE FREUDE HABEN, WENN SIE FRISCH EINGEKOTETE PERSER SÄUBERN MÜSSEN. ABER DAS KRIEGT MAN DANN DOCH RELATIV SCHNELL HIN.
Ansonsten ist die Hundeerziehung eine gar nicht so einfache Sache. Tiere lassen sich nicht so einfach überzeugen. Man kann mit ihnen nicht vernünftig reden, man muss ihnen Befehle geben und Leckerlis, wenn sie gehorchen, sie übertrieben loben, streicheln - kurz: Man kann sie grundsätzlich nicht wie Kinder erziehen.
DER HUND - ICH MUSS ES HIER EINMAL GANZ KLAR SAGEN - ALSO DER HUND BRINGT IN EINEM DIE AUTORITÄREN SEITEN HERVOR.
Luzie in ihren wilden Kindheits- und Jugendjahren war unfassbar schwer in den Griff zu kriegen. Sie lief jedem Tier, jedem Menschen hinterher - nicht, um zu beißen, sondern um zu spielen und sich zu freuen. Sie holte alte Damen vom Fahrrad und wurde mehrfach fast überfahren. Ich habe dann stets am Straßenrand gestanden, mit hochrotem Kopf herumgebrüllt und mich beim Versuch, das Tier in den Griff zu bekommen, ungeheuer aufgeregt. Ein Besuch in der Hundeschule hat uns dann in die Grundbegriffe der Hundeerziehung eingeführt.
ES GEHT HIER - DAS IST SCHNELL ERZÄHLT - VOR ALLEN DINGEN UM KONSEQUENZ, KLARE KANTE, KEINE AUSNAHMEN.
Man lernt auch, dass es so ein Hund zum Beispiel nicht verstehen kann, dass er, wenn er wegläuft und man rumbrüllt, und der Hund dann irgendwann kommt, zur Belohnung dann eine gesemmelt kriegt. Er speichert dann in seinem Kopf ab: Ich krieg eine geklebt, wenn ich wiederkomme - statt: Ich krieg was auf die Rübe, wenn ich weglaufe. Womit ich jetzt hier nicht meine, dass der Hund geschlagen werden sollte. Es geht um einen Klaps oder ein Rütteln - oder man würgt das Tier heftig - kleiner Scherz, sollte man nicht machen. Aber ich will mich in diesem Kapitel nicht in den Feinheiten und Untiefen der Hundeerziehung verlieren, denn es gibt da durchaus auch verschiedene Schulen und verschiedene Meinungen.
WIR HABEN MIT KONSEQUENZ, EINIGEM GEBRÜLLE UND RÜTTELN DAS TIER SCHLIESSLICH ZU EINEM LEIDLICH ERZOGENEN WESEN GEMACHT, HABEN SEITDEM ABER AUCH VIEL MEHR SPASS MITEINANDER.
Ein paar Dinge sind klargestellt, und Luzie und ich kommen jetzt eigentlich recht prima miteinander aus.
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Ich bin übrigens gerade auf dem Gelände eines ehemaligen Truppenübungsplatzes. Früher sind hier die Panzer gerollt, jetzt ist es ein Naturparadies. Luzie läuft hinter mir. Die Weite dieses Platzes, die bewachsenen Hügel, auf denen die Panzer früher fuhren, all das strahlt eine majestätische Ruhe aus.
ICH FÜHLE MICH VERDAMMT VIEL BESSER ALS NOCH VORHIN UND SAGE MIR, OHNE MEINEN HUND WÄRE ICH SOZUSAGEN AUF DENSELBEN GEKOMMEN.
Klar, wenn man so ein Tier hat, ist es schwer, in den Urlaub zu fahren - sofern man keinen hat, der währenddessen auf den Hund aufpasst. Zudem ist er teuer, er muss versichert werden, er frisst eine Menge, er macht Dreck. Wenn er mal krank ist, erbricht er sich in seinem Körbchen.
Er macht Lärm, aber er passt auch auf. Wir fühlen uns nach zwei Einbrüchen sehr viel sicherer, seit wir Luzie haben. Was die Einbrecher nicht wissen, ist, dass dieser Hund nur bellt und nie beißt, aber das sollen sie ja auch nicht wissen. Deshalb werde ich diese Stelle später wieder aus diesem Kapitel streichen. Vielleicht auch nicht, weil: Vielleicht stimmt es ja auch nicht, und Luzie ist ein gefährlicher, blutrünstiger Wachhund, der jeden zerreißt, der es wagt, illegal den Fuß auf unser Grundstück zu setzen.
UND ICH WILL DAS ENDLICH MAL SEHEN.
Versuchen Sie es doch! Ich wische dann gern das Blut weg, das aus Ihren zerfetzten Unterschenkeln sprudelt.
Alter Sack, was nun
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