18. KAPITEL

Taylor kämpfte gegen die Übelkeit an, die sich in ihr breitmachte. Ihre Gedanken wirbelten wild durcheinander, eine Zentrifuge des Leugnens. Auf gar keinen Fall konnte sie selbst die Frau auf dem Band sein. Aber natürlich war sie es. Als sie näher hinschaute, erkannte sie ihren Bettbezug, ihre Lampe und ihre Fensterbank. Das war das Schlafzimmer in ihrer Hütte. Und David Martin lebte. Das Video musste mindestens zwei Jahre alt sein.

Oh, Jesus. Sie zwang sich, es noch einmal anzuschauen und noch einmal. Alle drei Male endete das Video mit einem klaren Bild von Taylors Gesicht und nackten Brüsten, als sie an der Kamera vorbeiging. Taylor wusste genau, wohin sie da wollte – ins Badezimmer. Nach dem Sex mit Dave Martin hatte ihr erster Weg sie immer unter die Dusche geführt. Irgendetwas tief in ihrem Inneren war nie glücklich über ihre Treffen, und sie wollte ihn sich nach ihren Stelldicheins immer so schnell wie möglich wieder abwaschen.

Taylor merkte, dass sie die Luft angehalten hatte, und sie atmete einmal tief durch. Lincoln und Marcus hatten das hier gesehen. Ihr Team hatte es gesehen. Guter Gott. Woher kam dieses Band? Und wie um alles in der Welt war es im Internet gepostet worden?

Sie erhob sich so abrupt, dass der Laptop zu Boden fiel. Mit großen Schritten stürmte sie zur Tür, öffnete sie und bedeutete Lincoln und Marcus, zu ihr zu kommen. Stumm betraten sie das Büro. Lincoln schloss die Tür hinter ihnen.

Taylor versuchte, ruhig zu bleiben.

„Setzt euch, beide.“ Sie setzten sich.

„Wo habt ihr das gefunden?“

Marcus hob den Kopf. Er sah fürchterlich aus. „Ich habe nach dem Mann gesucht, mit dem du gestern Abend den Zusammenstoß hattest. Ich habe fast den ganzen Nachmittag herumgesurft, verschiedene Namen ausprobiert, Querverweise mit dem Namen Tawny gesucht. Bei einer Seite tief im Keller des Google-Inhaltsverzeichnisses gab es einen Treffer. Ich hab auf den Link geklickt und alles versucht, aber ich kam nicht durch. Also habe ich Lincoln angerufen. Er hat mich da durchgeführt. Wir haben ziemlich schnell gesehen, dass es eine Partnerschaftsseite war, bei der man Mitglied sein musste, um die Videos sehen zu können.“

„Sie ist höllisch ausgefuchst, Taylor. Ich hatte echt Probleme, sie zu hacken. Aber schließlich bin ich hineingekommen, und wir haben den passenden Link gefunden.“ Lincoln sah sie an. „Du solltest dich setzen.“

„Was ist?“, fragte sie.

Lincoln schluckte schwer, und Marcus sah aus, als würde er jeden Moment in Tränen ausbrechen.

Taylor knirschte mit den Zähnen. „Jetzt sagt schon, verdammt noch mal.“

Lincoln schaute ihr in die Augen. „Es gibt da noch acht weitere Videos wie dieses. Alle von dir und Dave Martin. Die Leute zahlen dafür, sie herunterzuladen. Einhundert Dollar pro Download. Die Seite heißt Selectnet.com.“

Taylor spürte, wie ihre Welt ein kleines bisschen aus dem Gleichgewicht geriet. Ihre Brust zog sich schmerzhaft zusammen. Sie konnte nicht atmen. Sie schloss die Augen und zwang ihren Körper, wieder zu reagieren. Verdammt würde sie sein, jetzt vor den beiden in Ohnmacht zu fallen. Sie brauchte einen Moment, doch der Schwindelanfall hörte auf, und sie konnte die Augen wieder öffnen. Die beiden Männer schauten sie vorsichtig an, als wenn sie sich darauf vorbereiteten, sich zu verteidigen, sollte sie jetzt ihre Waffe hervorziehen und anfangen, auf sie zu schießen. Was für ein Gedanke … Guter Gott. Sie legte ihre Hände vorsichtig und gut sichtbar auf den Schreibtisch. Die beiden entspannten sich ein wenig.

„Wer weiß noch davon?“ Ruhig, Mädchen. Zeig keine Emotionen. Du hast das unter Kontrolle.

Lincoln sah zu Marcus, dann wieder zu ihr. „Nur wir. Wir dachten daran, die Videos zu zerstören, doch dann wissen sie, dass wir in ihrem System waren, und schließen die Seite womöglich komplett und verschwinden. Da sind noch andere … Sachen, die wir uns zusätzlich zu denen von dir ansehen müssen. Wir haben angenommen, es wäre besser zu warten, es dir zu zeigen und einen Angriffsplan zu entwickeln. Wir dachten, du wusstest bestimmt nicht, dass du aufgenommen worden bist.“ Er sagte das so bestimmt, dass Taylor den Drang unterdrücken musste, um den Schreibtisch herumzugehen und ihn fest zu umarmen. Egal, was auch passierte, sie glaubten ihr.

„Nein. Ich wusste es nicht. Ich …“ Oh Mist. Sie hörte das Brechen ihrer Stimme. Nicht. Weinen. Du darfst auf keinen Fall weinen.

Wut und Frust vernebelten ihren Verstand. Sie wollte schreien. Sie wollte jemanden schlagen. Sie wolle Dave Martin ins Leben zurückholen, damit sie ihn erwürgen konnte. Sie räusperte sich und setzte noch einmal neu an.

„David Martin ist der letzte Mensch, dessen Andenken man für die Nachwelt bewahren wollte.“ Sie versuchte zu lächeln, merkte jedoch, dass es nicht recht gelang. Bei allen Heiligen. Was sollten sie tun? So etwas könnte sie ruinieren. Denk nach, Mädchen. Ihr Gehirn fühlte sich ganz matschig an. Vor ihrem Auge stand das Bild, wie sie aus dem Bett stieg und Dave Martin ihr selbstgefällig hinterherschaute.

„Wir haben den ganzen Nachmittag recherchiert. Ich glaube, ich habe den Namen der Firma gefunden, die diese Seite managt, obwohl er sehr, sehr tief vergraben war. Es ist eine Firma in Kalifornien.“

Ihr Kopf klarte sich ein wenig auf. „Okay. Was für eine Verbindung besteht zu Tony Gorman?“

Marcus übernahm jetzt. „Er ist ein Mitglied dieses Online-Klubs. Soweit wir das sagen können, zahlen die Mitglieder einen Beitrag, werden überprüft und können dann als Mitglied gewählt werden. Sobald sie einmal drin sind, können sie Videos einstellen oder herunterladen und sich alles anschauen. Es gibt fünf aufsteigende Mitgliedschaften, jede hat Zugänge zu mehr Features. Je mehr Geld man investiert, desto umfangreicheren Zugriff hat man. Diese Videos sind vom dritten Level. Wir haben uns auch einige von den anderen angeschaut. Auf den ersten beiden Leveln findet man nur hausgemachte Pornos von schlechter Qualität. Im dritten wird die Qualität schon besser, ist aber immer noch nicht umwerfend. Wir nehmen an, je höher man in den Rängen steigt, desto besser werden die Videos.“

„Mein Gott.“ Taylor ließ sich wieder auf ihren Stuhl sinken. „Laufen alle diese Videos unter dem Namen Taylor Jackson?“

„Das ist die gute Nachricht. Sie laufen nicht unter deinem echten Namen. Dort bist du Tawny aus Nashville. Daher also kannte Gorman dich, kein Zweifel.“

„Habt ihr den Hundesohn gefunden?“

Endlich lächelte Marcus. „Ja.“

Das Klingeln ihres Handys ließ Taylor erschreckt zusammenzucken. Sie warf einen Blick auf das Display und sah, dass der Anruf von Corinne Wolffs Therapeutin kam. Sie hielt eine Hand hoch, um anzuzeigen, dass Marcus einen Moment warten sollte, und ging ran.

Ein klarer britischer Akzent erklang am anderen Ende der Leitung.

„Hier ist Ellen Ricard. Ich habe gehört, dass Sie Informationen über Corinne Wolff suchen.“

Die sachliche Begrüßung brachte Ordnung in Taylors Gefühle. „Ja, das stimmt. Wären Sie bereit, mit mir zu reden?“

„Ja. Ich kann allerdings erst übermorgen. Sie können gerne Freitagmorgen um acht zu mir ins Büro kommen.“

Taylor schaute auf ihre Uhr. „Sind Sie sicher, dass wir uns nicht noch heute Abend treffen können?“

„Ja, Lieutenant, ich bin mir sicher. Ich halte heute Abend noch einen Vortrag und nehme dann die letzte Maschine aus der Stadt. Und morgen Abend kehre ich zu spät zurück, um mich noch mit Ihnen zu treffen. Wir sehen uns also Freitagmorgen. Sie wissen, wo mein Büro ist, oder?“

„Ja. Danke. Ich werde versuchen, Ihnen nicht zu viel Ihrer wertvollen Zeit zu stehlen.“

„Bis dann, Lieutenant.“ Mit diesen Worten war sie auch schon verschwunden.

Taylor legte den Hörer auf. „Eine Spur im Wolff-Fall. Ich muss euch beide noch auf den neuesten Stand bringen.“ Sie fuhr sich mit der Hand über die Stirn und traf eine Entscheidung. „Okay. Der Reihe nach. Wo ist Tony Gorman?“

„In Antioch. Er wohnt in der Blue Hole Road. Wir können ihn holen, wenn du willst.“

„Ich denke, je schneller wir uns Zugang zu dieser Unterwelt verschaffen, desto besser. Ich weiß eure Versuche, mich zu beschützen, sehr zu schätzen. Ich weiß allerdings nicht, ob das lange gut gehen wird. Wir müssen herausfinden, wie diese Videos entstanden sind, wer sie hochgeladen hat, alles. Ich weiß nicht, ob wir es bedeckt halten können, weil wir einige Mannstunden darauf verwenden müssen. Ich werde euch jedoch so lange decken, wie ich kann, ohne dass Price davon Wind bekommt.“ Die Übelkeit kehrte mit aller Macht zurück. „Hat Fitz das schon gesehen?“

„Nein“, erwiderten beide gleichzeitig.

„Gott sei Dank. Ich wüsste nicht, wie ich ihm jemals wieder in die Augen sehen sollte. Ihr zwei seid schon schlimm genug.“ Sie stand auf und drehte ihnen den Rücken zu. Wie zum Teufel sollte sie das geregelt kriegen?

„Wir haben sie uns nicht angeschaut, Taylor. Sobald wir bemerkt haben, dass es um dich ging, haben wir auf Stopp gedrückt und angefangen zu graben. Ehrenwort.“ Lincoln streckte die Arme aus und zog Taylor an sich. Der Drang zu weinen war überwältigend, aber sie schluckte die Gefühle hinunter. Weinen würde sie nicht weiterbringen. Sie erwiderte die Umarmung.

„Nun, es war keine große Show, wenn ich mich richtig erinnere. Ihr Jungs seid wirklich toll.“ Sie löste sich von Lincoln und drückte Marcus’ Schulter. „Holt den fetten Wichser, damit wir uns mal ein wenig mit ihm unterhalten können.“