14. KAPITEL

Taylor streckte sich. Obwohl sie den Rest der Nacht hatte wach bleiben wollen, war sie eingeschlafen. Die Bedrohung des vorherigen Abends verlor sich in dem warmen Sonnenlicht, das durch die Vorhänge fiel. Sie fragte sich kurz, ob sie das alles nur geträumt hatte. Aber nein, sie hielt die Glock immer noch in der Hand.

Der Fernseher ging an; die Frühnachrichten. Sie schaute nicht hin, sondern kuschelte sich noch einen Moment in die Laken und gab sich ihrer allmorgendlichen Debatte hin. Aufstehen oder blaumachen. Leider gewann immer Ersteres.

Stöhnend sicherte sie die Waffe und zog sich eine Yogahose an. Sie überlegte, sich das Gesicht zu waschen, und machte auch fünf Schritte in Richtung Badezimmer, doch als sie die inzwischen vertrauten Worte hörte, blieb sie stehen.

„Neun-eins-eins, um was für einen Notfall handelt es sich?“

„Ich glaube, meine Schwester ist tot. Oh mein Gott.“

Michelles tränenerstickte Stimme schwebte aus Taylors Fernseher. Sie setzte sich wieder aufs Bett und hörte sich den Rest des Anrufs an, der wieder von eingeblendeten Untertiteln begleitet wurde.

Taylor schloss die Augen und rieb sich mit den Fingerknöcheln die Lider. Die Presse würde das Thema so lange ausschlachten, bis eine größere Sensation passierte.

Michelle Harris’ Stimme, scharf und klar, ließ Taylor aufblicken. Ob live oder erst kürzlich aufgenommen, waren ihre Worte Taylor unbekannt. Es musste sich um ein neueres Interview handeln.

Taylor nahm die Fernbedienung und stellte den Ton lauter.

Michelle Harris war zu sehen. Sie trug ein weißes Button-down-Hemd, das ihrem blassen Gesicht auch noch das letzte bisschen Farbe nahm. Ihre Wangenknochen stachen hervor, sodass ihre Wangen ganz eingefallen aussahen. Ihre Lippen waren blutleer, ihre Haare in einem viel zu festen Pferdeschwanz zusammengenommen. Sie sah grauenhaft aus.

„Miss Harris, wann haben Sie Ihre Schwester das letzte Mal gesehen?“

„Freitag. Wir haben nach dem Tennis bei Starbucks noch einen Kaffee getrunken.“

„Und das war das letzte Mal, dass Sie Ihre Schwester lebend gesehen haben?“ Die Augen der Nachrichtensprecherin waren feucht, sie schien die Wirkung jedes einzelnen Wortes zu spüren.

„Ja. Das nächste Mal, als ich Corinne sah, war sie … sie war tot.“ Michelles Stimme brach, doch ihre Augen blieben trocken.

„Und Sie“, setzte die Nachrichtensprecherin an, doch Michelle unterbrach sie.

„Wer auch immer sie getötet hat, soll wissen, dass wir nicht aufgeben werden, bevor wir ihn gefasst haben. Wir werden ihn jagen und mit eigenen Händen umbringen. Man kann nicht so etwas machen und dafür nicht bestraft werden. Ich kann immer noch nicht glauben, dass jemand meiner Schwester so etwas angetan hat. Das ist nicht fair.“ Überwältigt von ihren Gefühlen fing sie an zu weinen. Die Nachrichtensprecherin schaltete schnell zur Werbung.

Taylor drückte mit dem Daumen die Austaste, und der Fernseher verstummte. Verdammt. Das hatte ihnen gerade noch gefehlt. Eine Michelle Harris im nationalen Fernsehen, die das Opfer gab.

Der Morgen war ihr gründlich verdorben worden. Taylor rieb sich den Schlaf aus den Augen und ging nach unten in die Küche. Sie hatte Hunger, also schüttete sie sich etwas Müsli in eine Schale. Eine kurze Überprüfung der Milch – ja, noch gut genug. Der biologisch-dynamische Kram, zu dem Baldwin sie überredet hatte, hielt mindestens eine Woche länger. Sie gab einen Teebeutel und etwas Honig in eine Tasse, goss einen Schuss Milch dazu und füllte es mit kochend heißem Wasser aus dem Wasserhahn auf. An die Spüle gelehnt schaute sie in den Garten hinaus, aß langsam ihr Müsli, beobachtete den Wald und dachte nach.

Ein riesiges Kaninchen saß im Garten und knabberte am Klee. Weiter hinten sah Taylor ein weiteres Wache schieben und seinen Kumpel beobachten, während der sich sein Frühstück gönnte. Der Gedanke, dass sie bald jeden Morgen mit Babykaninchen teilen würde, ließ sie lächeln. Sie schaute zu, wie das Häschen beim Grasen langsam Zentimeter für Zentimeter vorwärts hoppelte. Dann blieb es auf einmal stehen, die Ohren richteten sich auf, das Näschen zuckte.

Mit einer Plötzlichkeit, die Taylors Herz zum Rasen brachte, floh das Kaninchen. Es war offensichtlich von irgendetwas aufgeschreckt worden. Vermutlich von einem Hund. Taylor konnte leise das Bellen in der Ferne hören. Sie schaute sich die Stelle, an der das Kaninchen eben noch gesessen hatte, genauer an. Was war das?

Sie stellte ihre Schüssel in die Spüle und trat an die rückwärtige Tür. Vorsichtig ging sie auf die Terrasse. Der Alarm ging an. Mist. Sie hatte vergessen, ihn auszuschalten. Sie rannte zurück ins Haus und gab den Code ein. Ein letztes Quaken, dann wurden die Lichter grün. Alarmanlage deaktiviert.

Sie kehrte in den Garten zurück. Ihre Füße wurden kalt, als sie sich ihren Weg durch das noch feuchte Gras bahnte. Ein dunkler Haufen lag gute zehn Meter zu ihrer Rechten, direkt in einer Linie mit dem Küchenfenster.

Im Näherkommen nahm sie den Geruch nach Fäulnis wahr und hörte das Summen der Fliegen. Ein haariger Klumpen, rot und glitschig. Sie erkannte den puscheligen Schwanz eines Häschens, die Haut abgezogen und das Innere nach außen gekehrt. Armes Wesen. Ein dünner Draht hatte sich tief in den Hals des Tieres gegraben; die Enden waren umeinandergewickelt wie der Plastikverschluss an einer Tüte Brot.

Sie fühlte sich seltsam ungeschützt. Ihr T-Shirt war zu dünn. Sie rieb sich die Arme, um ein bisschen warm zu werden. Sie war kein Dummkopf und wusste, dass das hier eine Nachricht war. Von wem war nicht die Frage, sie nahm an, von ihrem nächtlichen Stalker. Aber warum sie zum Ziel geworden war, das würde sie nur zu gerne wissen. War das vielleicht das Werk des Pretenders? Er schien ihr zwar nicht der Typ für solch eine unappetitliche Nachricht zu sein, aber vielleicht hatte sie auch einfach nur einen falschen Eindruck von ihm.

Sie wollte den Kadaver nicht anfassen. Sie musste ihn jedoch irgendwie sichern und vor den vielen Feinden schützen, die sich sicherlich bald an ihm gütlich tun würden. Sie musste die Nachricht unversehrt konservieren, damit ein Kriminaltechniker sie als Beweis einsammeln konnte. Also ging sie auf der Suche nach einem Behältnis um das Haus herum. Der Deckel der Mülltonne war zu flach. Doch da stand ein Blumentopf, in dem eine verdorrte Hyazinthe steckte. Sie schüttete Blume und Erde auf den Boden und ging zurück zu dem toten Hasen. Vorsichtig stellte sie den Topf über den leblosen Körper. Das sollte für eine Stunde oder so reichen.

Taylor hatte das Gefühl, aus allen Richtungen beobachtet zu werden. Sie ließ den selbst gemachten Schrein im Garten zurück und ging wieder ins Haus. Ihr morgendlicher Frieden war endgültig zerstört. Sie ließ ihre Teetasse auf dem Tresen stehen, zog sich schnell an und fuhr ins Büro.

Übertragungswagen der Fernsehstationen säumten die Straßen vor dem CJC. Ihre Satellitenschüsseln zeigten gen Himmel. Taylor entschied sich, auf dem angrenzenden Parkplatz zu parken, um sich den Spießrutenlauf zu ersparen. Sie ging über die Betonrampe, die zur Straße hinunterführte. Die Absätze ihrer Stiefel dröhnten bei jedem Schritt; ein Geräusch, dessen Gleichklang ihre Nerven beruhigte.

Sie schaffte es, unbemerkt durch die hintere Tür zu schlüpfen. Die Atmosphäre im Gebäude war wie elektrisiert, laut und wachsam. Sie steckte einen Dollar in den Getränkeautomaten, und mit lautem Klappern fiel die Dose Cola light in den Ausgabeschacht. Normalerweise hallte das Geräusch durch die Flure, doch heute war es kaum zu hören. Als sie das Büro der Mordkommission betrat, saß Lincoln Ross auf der Kante seines Schreibtischs und hielt Hof. Es wirkte, als hätte sich das halbe Headquarter hier versammelt.

Einige Leute grüßten Taylor mit einem höflichen „Lieutenant“ oder „Guten Morgen, LT“. Sie nickte grüßend zurück und fing dann Lincolns Blick auf.

Seine Miene erhellte sich, als er Taylor erblickte. Er sprang vom Tisch und begrüßte sie mit einer Umarmung. Sie drückte ihn an sich, froh, dass er offensichtlich unbeschadet wieder da war. Dann löste sie sich aus der Umarmung, trat einen Schritt zurück und musterte ihn. Er schien mehr als unbeschadet. Lincolns Lächeln zog sich von Ohr zu Ohr und entblößte dabei eine hinreißende Zahnlücke. Sein neuer Look ließ ihn ein wenig wie einen Piraten aussehen – Glatze, lockiger Bart, Augen, in denen Charme und Intelligenz aufblitzten. Fehlte nur noch ein glänzender Degen.

„Mädchen, du siehst großartig aus. Was hast du gemacht, während ich weg war? Hatten du und der Fed eine schöne Reise?“

„Es ist verdammt schön, dich zu sehen, Linc. Aber das Wichtige zuerst: Was ist passiert?“

Er grinste und wackelte mit den Augenbrauen. „Ich habe Terrence Norton für dich – schön eingepackt mit einer netten Schleife.“

Sie stießen mit den Fäusten aneinander, ihre Version des Abklatschens. „Wirklich? Das sind tolle Neuigkeiten, Lincoln. Aber warum ist die Straße gerammelt voll mit Übertragungswagen?“

„Ich habe auch seinen Boss.“ Er sagte es mit einer solchen Lässigkeit, dass Taylor instinktiv wusste, dass es sich um jemanden handeln musste, mit dem keiner gerechnet hatte.

„Okay, jetzt hast du mich. Wer war der Kopf der Sache?“

„Unser lieber Sidney Edgar.“

Sie zuckte überrascht zurück. „King Kong?“

„Genau der.“

„Sidney Edgar, Wide Receiver der Tennessee Titans. Du verarschst mich.“

Sidney „King Kong“ Edgar war ein Footballspieler erster Güte, der Geldmacher der Titans, ein junger Mann aus Atlanta, der mehr Muskeln als Verstand hatte. Er war einen Meter fünfundneunzig, bestand nur aus geschmeidigen, harten Muskeln und war zerstörerisch gefährlich, wenn seine Hände in die Nähe der Lederpille kamen. Außerdem war er ein Gangster, wie er im Buche steht. Seitdem er Mitglied des Teams geworden war, hatte Kong über tausend Yards gemacht und war nicht weniger als achtmal verhaftet worden, wobei er jedes Mal nur knapp an einer Anzeige wegen eines Schwerverbrechens vorbeigeschrammt war. Sein Umgang war mehr als bedenkenswert. Eine Gruppe Rabauken, die zwischen Nashville und Atlanta hin- und herreisten, gesetzlose Männer, die regelmäßig wegen Verstößen gegen das Waffen- oder Betäubungsmittelgesetz hochgenommen wurden.

Doch soweit Taylor wusste, waren sie nie mit Terrence Nortons Gang in Verbindung gebracht worden. Sie sprach den Gedanken laut aus, und Lincoln nickte.

„Bis gestern Abend haben wir das auch nicht gewusst. Ich muss sagen, ich kann wirklich schauspielern. Nach Sonntagnacht …“ Er schenkte ihr einen bedeutungsvollen Blick, den sie sofort verstand. Er hatte Crack mit ihnen geraucht, also hatten sie ihn akzeptiert.

„Wie auch immer, mein Informant sagte mir, dass der große Boss kommen würde. Er ließ netterweise sein Telefon an, sodass ich zuhören konnte, als der Deal gemacht wurde. Ich habe die Kavallerie gerufen. Es war zu schön – wir haben Kong und Terrence Norton mit Händen voller Crack-Tütchen erwischt.“

Lincoln schien immer noch im Adrenalinrausch zu sein. Taylor dachte, dass er es vermutlich leichter klingen ließ, als es gewesen war. So eine Situation konnte ganz schön brenzlig werden und jeden Moment eine gefährliche Richtung einschlagen.

Wie fast alle Männer, denen die Gewalt der Straße eingetrichtert worden war, noch bevor ihre Mütter sie abgestillt hatten, war auch Edward immer ein wenig zu nah am Abgrund gewandert. Das war sehr traurig. So viele der Jungs zogen sich am eigenen Hosenboden aus dem Dreck, wurden ehrlich und gaben ihrem Leben eine positive Wendung. Aber manche waren einfach zu schwach, ließen sich zu leicht von der Illusion der Macht verführen.

Lincoln kam zum Schluss seiner Erzählung. „Wir haben sie verhaftet und ins Revier überstellt. King Kong und Terrence plus fünfzehn andere werden heute Vormittag offiziell angeklagt. Deshalb sind die ganzen Nachrichtensender hier.“

Taylor drückte seinen Arm. „Bist du schon offiziell aus der Mission entlassen?“ Als er nickte, fuhr sie fort: „Dann nimmst du dir den Rest des Tages frei. Schlaf ein wenig. Du musst ja total erschöpft sein.“

„Bist du sicher, LT? Ich hab gehört, dass ihr hier ganz schön zu tun habt.“

„Ich bin sicher, Lincoln. Wann immer du bereit bist, kommst du zurück. Keine Hektik. Ich brauche dich bei klarem Verstand, also tu, was du tun musst, um wieder in die reale Welt zurückzufinden. Wir treffen uns morgen und reden über alles, okay?“

„Okay, Lieutenant. Danke.“

Sie überließ ihn seinen Bewunderern und ging in ihr Büro. Nach ein paar Minuten gesellte sich Marcus Wade zu ihr.

„Guten Morgen, Marcus. Wie lief der Auffrischungskurs?“

„Ich habe noch meine Marke und meine Waffe. Der fünfte Tag ist für Juni geplant.“ Er verdrehte die Augen. Das Auffrischungstraining war zwar notwendig, doch das änderte nichts an der Tatsache, dass es als die langweiligste Woche des Jahres angesehen wurde. Polizeischule, vier Tage mit Wiederholungen von Sachen, die sie bereits inund auswendig wussten. Unerklärlicherweise kam der Waffenfähigkeitstest immer ein paar Monate später; ein einziger Tag, der alleine dazu diente, seine Fähigkeiten als Schütze unter Beweis zu stellen.

„Meiner auch, glaub ich. Ist vermutlich der gleiche Tag. Das sind doch mal gute Neuigkeiten. Hat Fitz dich im Mordfall Corinne Wolff auf den neuesten Stand gebracht?“ Er nickte. „Gut. Ich will dich für den Fall, aber erst musst du etwas anderes für mich erledigen.“

Sie beugte sich vor und sprach leise, damit keiner der Bewunderer von Lincoln zufällig mithören konnte.

„Ich habe gestern Abend jemanden getroffen, bei dem vielleicht etwas Fragwürdiges vor sich geht. Ich möchte, dass du einen kurzen Backgroundcheck über ihn machst. Alles, was du über den Typen finden kannst, okay?“

„Kein Problem, LT. Wie heißt er?“

„Tony Gorman. Ich nehme an, sein vollständiger Name ist Anthony. Mehr als das habe ich nicht, und ich weiß, es ist ein ziemlich gewöhnlicher Name. Aber wenn du die Bilder aus der Führerscheinstelle ziehst, kann ich ihn identifizieren.“

„Ich nehme an, das soll ohne großes Aufsehen geschehen?“

„Richtig. Er war auf der Wohltätigkeitsveranstaltung gestern Abend, also hat er vermutlich Geld. Ich kannte ihn nicht, aber er schien mich zu kennen. Nur dass er mich Tawny genannt hat. Als ich ihn abgewiesen habe, dachte er, ich würde mich nur zieren. Und das verursachte in mir ein ziemlich unangenehmes Gefühl.“

„Tawny? Das klingt wie eine …“

Taylor errötete. „Genau. Und ungefähr so hat er mich auch behandelt. Sieh dir das mal an.“ Sie zog ihren Arm aus dem Pullover und zeigte Marcus die Unterseite ihres Bizeps, an dem vier deutliche runde blaue Flecken zu sehen waren. Marcus’ Augenbrauen verschwanden beinahe unter dem dichten braunen Haar, das ihm in die Stirn fiel.

„Warum hast du ihn nicht festgenommen?“

„Ich hatte daran gedacht, aber wenn er mich wirklich für jemand anderen gehalten hat, hatte ich dazu keinen Grund. Er war einfach nur ein schmieriger Kerl, aber es war kein Angriff auf einen Polizeibeamten, weißt du? Er wird mich allerdings so schnell nicht vergessen. Ich hatte seinen Unterarm in der Zange, und er hat versucht, sich zu befreien. Noch ein paar Sekunden länger, und ich hätte seinen Arm in zwei Teile zerbrochen. Ich wette, er hat heute Morgen auch einen netten blauen Fleck.“ Sie schob den Arm in den Ärmel zurück und zog den Pullover herunter.

„Ich finde heraus, was es mit ihm auf sich hat, da kannst du dir sicher sein, Taylor.“

„Danke, Marcus. Lass mich wissen, wenn du was hast. Ich bin sicher, es handelt sich nur um ein Missverständnis, aber trotzdem.“ Ihre Worte klangen stärker, als sie sich fühlte. Gorman hatte sie angeschaut, als würde er sie intim kennen. Sie hatte das dumpfe Gefühl, dass mehr hinter diesem Sexspitznamen steckte, als auf den ersten Blick erkennbar war. Entweder hatte sie eine Doppelgängerin, oder irgendetwas stimmte nicht. Zusammen mit dem toten Hasen von heute Morgen …

Marcus war gerade aus der Tür. Sie rief ihm hinterher. „Marcus, eine Sache noch.“

Er kam zurück. „Ja, was denn?“

„Schick Tim Davis zu meinem Haus. Jemand hat mir heute Morgen ein Geschenk im Garten hinterlassen. Einen toten Hasen. Er ist mit einer Garrotte getötet worden. Ich habe die Überreste gesichert. Bitte ihn, ein paar Tests zu machen, ja?“

Marcus machte einen Schritt ins Büro hinein. In seinen Augen spiegelte sich Sorge. „Jemand hat einen Hasen getötet und ihn in deinen Garten gelegt? Bist du sicher, dass er sich nicht aus einer Falle befreit hat und zufällig in deinem Garten gestorben ist?“

Taylor sah die entweihte Kreatur vor ihrem inneren Auge, Grau und Rot vermischt, die verdrehten Enden des silbernen Drahts, die aus seinem Hals herausstachen. Ein Schauer überlief sie.

„Ja, da bin ich mir sicher.“

Marcus musterte sie. Sie konnte sehen, wie es in seinem Kopf arbeitete. Er schloss die Tür und setzte sich ihr gegenüber.

„Ist alles in Ordnung, Boss? Du scheinst ein wenig …“

Ungeduldig zog sie das Gummiband aus ihren Haaren und machte sich einen neuen Zopf. „Mir geht es gut. Wirklich. Es waren nur ein paar lange Tage, und jemand spielt mir einen kranken Streich. Das ist alles. Nichts, worüber man sich Sorgen machen müsste.“ Sie schenkte ihm ein gewinnendes Lächeln, aber er erwiderte es nicht. Er nickte nur und erhob sich, wobei er sie mit offensichtlicher Besorgnis ansah.

„Ich lass dich wissen, was ich herausfinde, okay?“

„Danke, Marcus.“ Sie zögerte einen Moment. „Während du dabei bist, installier doch bitte eine Fangschaltung an meinem Telefon. Ich hatte in letzter Zeit ein paar Anrufe, bei denen aufgelegt wurde. Ich bin sicher, da versucht nur jemand, mich zu erschrecken.“ Als er zum Sprechen ansetzte, schüttelte sie nur den Kopf. Er schaute sie an, sagte aber nichts.

Nachdem er gegangen war, schaute sie aufs Telefon. Sie sollte Baldwin anrufen, ihn wissen lassen, was hier los war. Sie spielte mit dem Hörer, ihre Finger malten kleine Achten auf die glatte, schwarze Oberfläche. Das Display leuchtete auf; die Nummer verriet, dass es ein Anruf aus der Rechtsmedizin war. Sie hätte später noch Zeit genug,

Baldwin anzurufen und die Jungfrau in Not zu spielen.

„Lieutenant Jackson“, sagte sie, und ihre Stimme klang wieder so stark wie gewohnt.

„Taylor, ich bin’s, Sam. Ich habe da etwas, das du über Corinne Wolff wissen solltest.“