|389|50.

Francesco kam erst wieder zu sich, als er merkte, dass er im Wasser trieb.

Der Geruch nach Exkrementen nahm ihm den Atem. War er in einem Strom der Hölle gelandet? Was war passiert? Er hustete und schluckte immer mehr Wasser. Sein Schädel schmerzte, als wäre eine Herde von Pferden darüber hinweggegangen. Angestrengt blickte er um sich. Er befand sich in einem unterirdischen Fluss oder Kanal. Mit heftigen Bewegungen versuchte er sich über Wasser zu halten. Immer wieder tauchte sein Kopf unter die Oberfläche, er wurde hin und her getrieben. Schließlich stemmte er sich gegen die Strömung und schwamm auf den Rand des Flusses zu. Endlich bekam er eine steinerne Brüstung zu fassen. Mit letzter Anstrengung zog er sich daran hoch.

Frierend und erschöpft saß er am Rand des Kanals, der leise glucksend an ihm vorbeifloss. Dämpfe stiegen von dessen Oberfläche auf. Er versuchte sich zu erinnern. Zusammen mit Angelina war er dem Mönch ins Kloster San Marco gefolgt. In der Krypta der Kirche hatten sie einen offenen Gang gefunden und waren ihm nachgegangen. Er hatte sich über die Fackel gebeugt, derweil Angelina in einem Seitengang verschwunden war, an dessen Ende sie ein Licht gesehen hatte. Ein Gegenstand war auf seinem Kopf explodiert, und er hatte Sterne gesehen. Jemand hatte versucht, ihn umzubringen.

Wo war Angelina? Ach, hätte er doch nicht eingewilligt, diesen unseligen Mönch zu verfolgen! Was für ein grausames Ende eines verfluchten Tages! Florenz war von Savonarola befreit worden, aber andere Teufel in Menschengestalt trieben weiterhin ihr Unwesen. Francesco tastete sich an der Brüstung entlang, bis er zu einem Gang gelangte, dem er folgte.

|390|Eine Ewigkeit irrte er in den Gängen umher. Er fror, und es roch sehr unangenehm. Aber das Wichtigste war jetzt, Angelina zu finden und sie aus den Klauen dieses Mannes zu befreien. In der Ferne sah er ein Licht schimmern. Als er näher kam, sah er eine Kohlenpfanne, in der noch Überreste eines Feuers glommen. Auf dem Boden lag eine halb abgebrannte Fackel, die er mit einiger Mühe neu entzündete. Francesco bog um die Ecke. Er sah eine offene Tür, trat in eine Kammer. Ein Tisch mit zwei Stühlen, eine Truhe, Teppiche … sonst war der Raum verlassen. Da lag etwas Glitzerndes neben der Tür. Francesco bückte sich und hob es auf. Es war Angelinas Benediktuspfennig, er erinnerte sich genau daran, wie sie ihm die Kette mit dem Kleinod gezeigt hatte. Ihre Tante Bergitta hatte ihr den geschenkt, damit er sie vor Unheil bewahre.

Francesco raufte sich die Haare. Wo sollte er Angelina suchen? Erst einmal musste er aus diesem Labyrinth wieder herauskommen. Ihn fror immer noch. Er trat aus der Tür, ging an dem Kohlebecken vorbei den Gang entlang, bis er auf einen breiteren Gang stieß. Hier war es, hier hatte ihn jemand überfallen und von dort zu dem unterirdischen Kanal geschleift, um ihm den Rest zu geben. Er erinnerte sich an den Ort. Francesco lief den Gang zurück, bis er wieder zu der Krypta kam. In der Kirche war es inzwischen stockdunkel, doch zum Glück stand die Seitenpforte offen, so dass er aufatmend ins Freie gelangte.

Die dünne Sichel des Mondes hing am Abendhimmel, umgeben von unzähligen Sternen. Ein frischer Wind blies über die Piazza San Marco. Es war niemand mehr unterwegs. Wie spät mochte es sein? Wie zur Antwort dröhnten die Glocken von San Marco neun Mal. Francesco eilte durch die Gassen zum Turm von Rinaldo und seinen Töchtern. Sie befanden sich in ihrer Wirtschaft, die sie kürzlich wiedereröffnet hatten. Pallina rümpfte die Nase bei seinem Anblick und brachte ihm eine Waschschüssel, Handtuch und Seife, die er hastig mit in sein Zimmer nahm. Mit frischer Kleidung angetan, kehrte er in die Wirtschaft zurück und berichtete den anderen, was sich ereignet hatte.

|391|»Kann sich jemand von euch vorstellen, wo der Mönch Angelina hingebracht haben könnte?«, fragte er in die gespannten Gesichter um sich herum.

»Ich weiß es nicht«, meinte Rinaldo. »Vielleicht kann Botticelli uns etwas sagen, er hat doch öfter mit Angelina gesprochen.«

»Willst du nicht zu ihren Eltern gehen?«, drängte Pallina.

Francesco hatte sich das selbst schon überlegt. Aber erstens würden sie keinerlei Verständnis für ihn aufbringen, nachdem er ihre Tochter in diese Lage gebracht hatte, und zweitens hatten sie nie genug am Leben Angelinas teilgenommen, um zu wissen, wo sie sich aufhalten könnte.

»Ich werde zu Botticelli gehen«, erklärte er.

Von den guten Wünschen der Familie begleitet, lief er zur Tür hinaus. Er rannte, so schnell er konnte. Die Straßen waren erfüllt von Menschen, die den Tod Savonarolas mit Freudenfeuern feierten oder ihn mehr oder weniger heimlich beweinten. In der Via Nuova pochte Francesco ungestüm an die Tür von Botticellis Werkstatt. Der Maler öffnete ihm selbst, er sah aus wie ein Häuflein Elend. Seine roten Haare standen wirr um den Kopf. Am Tisch, auf dem eine Karaffe mit rotem Wein und drei Becher standen, saßen Sonia und Lucas, die sich bei Francescos Eintreten erhoben. Er umarmte sie und fragte, wie sie hierhergekommen seien.

»Vor einigen Tagen, als wir von Savonarolas bevorstehender Hinrichtung hören, haben wir unsere Zelte in Siena abgebrochen und sind hierher zurückgeeilt«, sagte Lucas.

»Denn Florenz ist unsere Heimat«, setzte Sonia hinzu.

»Aber wie siehst du denn aus? Hat dich jemand verletzt?«, wollte Lucas wissen.

Francesco berichtete ihnen in aller Kürze, was geschehen war. Botticelli hörte kaum richtig hin. Er trauerte um Savonarola.

»Wir müssen an die Lebenden denken, Sandro«, sagte Franceso eindringlich. »Kannst du dir einen Ort vorstellen, an den man Angelina gebracht haben könnte?«

»Nein, mir fällt kein derartiger Ort ein«, sagte Botticelli müde.

|392|»Kennst du dich denn nicht in den Kanälen aus?«

»Nun, ich habe mich ehrlich gesagt dort unten noch nicht umgesehen.« Botticelli hüstelte. »Ich hatte es immer vor.«

»Angelina hatte doch im Kloster Corona eine Äbtissin, mit der sie sehr vertraut war«, warf Sonia ein. »Vielleicht solltest du die einmal fragen.«

Francesco sattelte sein Pferd, trabte durch die Stadt und galoppierte den Weg nach Fiesole hinauf. Als die Glocken die zwölfte Stunde schlugen, kam er vor dem Kloster an. Er hatte Glück, Mutter Elisa war noch wach.

»Ja, ich erinnere mich«, sagte sie. »Angelina war sehr krank. Eines Tages ist sie entwichen und wurde in einem Weinkeller gefunden, in einem aufgelösten Zustand. Sie hat oft davon gesprochen, dass sie als Kind in einem solchen Keller gefangengehalten wurde.«

»Wisst Ihr, wo sich dieser Keller befindet, ehrwürdige Mutter?«, fragte Francesco.

»Ich führe Euch hin.«

Mutter Elisa holte zwei Fackeln und schritt mit Francesco in die dunklen Weinberge hinein. Nach einiger Zeit bedeutete sie Francesco, anzuhalten.

»Hier war es«, sagte sie. Sie näherten sich im Licht der Fackel einer hölzernen Tür. Sie war verschlossen. Von innen drang kein Laut nach draußen. Francesco ging näher heran, pochte an die Tür.

»Angelina, bist du da drinnen? Um Himmels willen, gib ein Zeichen, dass du noch am Leben bist!«

Alles blieb ruhig. Francesco nahm einen Anlauf und rammte mit seiner Schulter gegen die Tür. Sie erzitterte. Nach einem zweiten Anlauf barst das Holz mit einem hässlichen Krachen. Francesco leuchtete in den Keller hinein. Ein zerbrochener Krug lag da, daneben eine von Motten zerfressene Decke. Aber nichts deutete darauf hin, dass hier kürzlich menschliche Bewohner hätten gewesen sein können. Francesco hatte das Bedürfnis, laut aufzuschluchzen. Als er sich umwandte, legte ihm Mutter Elisa die Hand auf den Arm.

|393|»Ich kann mir gut vorstellen, wie Euch zumute ist«, sagte sie. »Auch ich bin voller Sorge um Angelina. Aber heute Nacht können wir nichts mehr ausrichten, fürchte ich. Sie könnte auch ganz woanders hingebracht worden sein. Ich biete Euch unser Gästezimmer an. Morgen in aller Frühe werden wir dann weitersuchen.«

 

Angelina erwachte mit schmerzendem Kopf. Ihr war speiübel. Sie ließ ihre Augen in dem kleinen Raum umherwandern. Mit jähem Schreck wurde ihr bewusst, dass sie diesen Ort kannte. Oder es war ein sehr ähnlicher Ort gewesen. Es roch säuerlich, wie in dem Weinkeller, in dem damals … sie schob den Gedanken beiseite, um nicht erneut in abgrundtiefe Angst zu versinken. Sie musste hier raus, so schnell wie möglich, bevor Tomasio zurückkehrte. Mit einem Schlag wurde ihr bewusst, dass er sie von Anfang an irregeführt hatte. Er selbst war in die Morde von Fredi, Matteo und Eleonore verwickelt gewesen, das war jetzt sicher, wer weiß, aus welchen Gründen. Was für ein krankes Hirn musste in diesem Mann wohnen! Weil er sie keinem anderen gönnte, weil jeder, der ihr nahestand, ihm im Wege war, hatten sie sterben müssen! Angelina wollte sich aufrichten. Dabei merkte sie, dass sie an Händen und Füßen gefesselt war. Ihr wurde wieder übel und sie erbrach sich. Lange lag sie da und grübelte über das nach, was sich seit dem Fest vor einem Jahr ereignet hatte. Francesco war unschuldig, das hatte das Verhalten Tomasios deutlich gezeigt. Ach, wäre sie doch nur nicht in den dunklen Gang gelaufen, an dessen Ende das Licht geleuchtet hatte!

Was war mit Francesco? Sie glaubte, ihn nur einen Augenblick allein gelassen zu haben. Hoffentlich war er unversehrt aus dem Labyrinth herausgekommen. Sie wälzte sich auf den Bauch und kroch langsam an der feuchten Wand entlang. Irgendwo musste es eine Tür zu diesem Keller geben. Immer wieder tastete sie mit ihren gefesselten Händen die Wand ab. Endlich spürte sie Holz an ihren Fingern. Sie suchte nach einem Griff. Als sie einen fand, drückte sie ihn herunter. Er bewegte sich nicht. Angelina war eingeschlossen, |394|genau wie damals. Verzweifelt schlug sie gegen die Tür. Sie glaubte einen Brandgeruch in dem Holz wahrzunehmen. Alles stieg wieder vor ihren Augen auf. Sie war gefesselt gewesen, der Mann saß auf ihrem Unterleib. Sein Gesicht hatte sich zu einer Teufelsgrimasse verzogen.

»Wann hast du deinen Buhlen zum ersten Mal gesehen?«, hatte er sie angeschrien.

»Auf der Festa Sagra in Fiesole«, antwortete sie leise. »Aber er ist nicht mein Buhle.«

»Was hat er zu dir gesagt, als ihr euch das erste Mal getroffen habt?«

»Er hat gesagt, ich sei ein hübsches kleines Mädchen und dass er mit mir tanzen wolle.«

»Wohin seid ihr dann geflogen?«

»Wir sind nicht geflogen, wir sind dorthin gegangen, wo die Leute waren und die Musik spielte«, antwortete sie. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen.

»Wohin seid ihr geflogen?« Er hatte die Hände an ihrer Kehle und drückte sie so fest, dass sie keuchte.

»Wir sind zu einem Berg geflogen«, sagte sie, als sein Griff sich lockerte.

»Was hast du dort gesehen?« Was wollte er nur hören? Ihre Amme hatte ihr einmal von einem Hexentanzplatz erzählt, zu dem die Hexen um Mitternacht flogen, um zu essen, zu trinken und mit dem Teufel zu buhlen.

»Ich habe viele Frauen und Männer gesehen, auch Kinder.«

»Was taten sie?« Er drückte erneut zu, ließ sie wieder los.

»Sie tanzten, aßen und tranken.«

»Und dann?«

»Dann stellten sie sich in einer Reihe auf. Eine nach der anderen küsste dem Teufel den Hintern, und dann buhlte er mit jeder.«

»Auch mit dir?«

»Auch mit mir.«

»Wie fühlte sich sein Glied an? Heiß oder kalt?«

|395|Sie legte ihre Stirn in Falten und dachte nach. War es besser zu sagen, heiß oder kalt?

»Ich weiß es nicht mehr«, sagte sie müde. Wenn er doch endlich aufhören würde. Sein Gewicht wurde immer schwerer.

»Ich werde dich jetzt eine Weile allein lassen und deinen Buhlen holen«, sagte er drohend. Sie blieb in dem feuchten Keller liegen und sehnte sich nach Vater, Mutter und Geschwistern. Warum war es denn so schlimm, dass sie mit diesem Jungen getanzt hatte? Ihr war immer kälter geworden, und die Handgelenke waren bei dem Versuch, die Fesseln zu lösen, aufgescheuert. Nach einer Ewigkeit kehrte er mit dem Jungen zurück, der sehr niedergeschlagen aussah. Was war dann geschehen? Sie konnte sich nicht erinnern. Nur an das Feuer, an den Geruch verbrannten Fleisches.

 

Ein Knarren riss sie aus ihren Gedanken. Die Tür öffnete sich langsam, das hereinfallende Sonnenlicht wurde von einem Schatten verstellt. Die Tür schloss sich quietschend. Die Gestalt hantierte mit Feuerstein und Schwamm, eine Öllampe wurde entzündet. Angelina starrte den Mann an. Er war in einen schwarzen Kapuzenmantel gekleidet. Das war nicht Tomasio.

Es war der Mönch, der sie die ganze Zeit bedroht und verfolgt hatte! Er schob seine Kapuze zurück. Als sie sein Gesicht sah, glaubte Angelina ohnmächtig zu werden. Domenian stellte die Lampe auf den Boden und näherte sich ihr. »Jetzt weißt du also wieder, wer ich bin«, sagte er.

Angelina antwortete nicht. Die Gedanken rasten durch ihren Kopf. Das war also der Mörder von Fredi, Matteo und Eleonore. Oder war es Tomasio gewesen? Nein, als sie die Zufriedenheit in seinen Augen sah, wusste sie es: Er war für all diese Tode verantwortlich, Tomasio war nur ein Handlanger gewesen, ein schwacher Mensch, verliebt in die falsche Frau, in sie. Und als er Angelina nicht bekommen konnte, hatte er sie ihrem Feind ausgeliefert. Und Domenian würde auch sie töten. Er konnte sie nicht heiraten. Er wollte etwas anderes.

|396|Francesco fiel ihr ein. Sie hoffte inständig, dass er in Sicherheit war.

»Warum?«, fragte sie nur.

»Du warst ein besonderes, ein so hübsches Kind«, antwortete Domenian. »Ich habe mich auf der Stelle in dich verliebt, als ich dich das erste Mal sah. Das war in der Nähe eures Landguts. Du hast mit einer Freundin am Fluss gespielt, und ich habe euch dabei beobachtet. Ihr wart unschuldige Kinder, und doch hast du so ein wissendes Lächeln auf den Lippen gehabt. Ich wurde euer Vertrauter. Bis zu dieser Festa Sagra, die in Fiesole stattfand.«

»Was geschah dort?«, fragte Angelina. Sie glaubte zu ersticken.

»Ich suchte dich und fand dich in den Armen meines Bruders. Er hegte wohl dieselben Gefühle für dich wie ich. Aber das konnte ich nicht dulden. Mein Bruder war immer vom Glück begünstigt gewesen. Ihm zahlten meine Eltern eine Ausbildung als Kaufmann in Florenz, und ich wurde immer nur herumgestoßen. Selbst zu einem Bauern würde ich nicht taugen, sagte mein Vater. Und du wolltest nicht mich, sondern meinen Bruder! So fing ich dich auf dem Fest ab, als du zu deinen Eltern zurückgehen wolltest, und brachte dich in diesen Keller. Ich erkannte, dass du den Teufel im Leib trägst. Den wollte ich dir austreiben, um deine Seele zu retten. Aber du hast dich gegen mich gestemmt, es ist mir nicht gelungen. Mein Bruder musste sterben, weil er sich nicht von der Sünde losgesagt hat.«

»Warum hast du mich am Leben gelassen?«, fragte Angelina zitternd.

»Ich konnte mein Werk an dir nicht vollenden«, entgegnete Domenian. »Aber ich habe seitdem immer an dich gedacht. Eines Tages, das wusste ich stets, würde ich das einmal Begonnene fortsetzen. Und nun, da mein Herr den Flammen übergeben wurde, ist der Tag gekommen, an dem ich es vollenden werde.«

»Warum musste Fredi sterben?«

»Er war ein durch und durch sündiger Mensch, wie auch Matteo. Beide haben dich mit ihren Gedanken und Taten beschmutzt. Und du, du wolltest ihn doch auch nicht!«

|397|»Was war mit Francesco?«

»Dem habe ich die Fanciulli auf den Leib gehetzt. Es sollte eine Warnung sein. Aber ich habe ihn mir, wie auch dich, für das Ende aufgespart.«

»Aber was hatten Matteo und Eleonore denn verbrochen, um eines so grausamen Todes zu sterben?«

»Ich war unterwegs nach Rom zum Papst, als ich von Tomasio hörte, wohin ihr geflohen wart. Es war reiner Zufall, dass ich ihn in Siena traf! So nahm ich einen Umweg über den Lago Trasimeno, fand dich mit Matteo in einer Umarmung und tat ihm Gift in den Wein, der in der Küche stand. Ich hatte erfahren, dass nur er davon trank. Später hörte ich, dass Eleonore in Florenz die Umtriebe gegen meinen Meister Savonarola fortgesetzt hat. Das konnte ich nicht dulden!«

Angelina überlegte, ob er vielleicht verkleidet auf Eleonores Feier anwesend gewesen war.

»Eins noch«, sagte Angelina. »Ich habe einige Male einem Priester im Dom gebeichtet. Das wart Ihr, nicht wahr?«

»Ich habe mich an deiner Beichte geweidet, Angelina. Und ich sah, dass du weiter in Sünde lebtest, diesmal mit Francesco. Nun, da Savonarola nicht mehr ist, bin allein ich es, der die Sünde und den Teufel ausrotten muss. Dein Freund ist schon zur Hölle gegangen.«

Angelina erschrak zutiefst. Wollte er sie damit nur quälen? Sie ging nicht weiter darauf ein.

»Was habt Ihr mit meinen Eltern gemacht?«, wollte sie wissen.

»Die haben mir ihre Sünden gestanden. Und dafür sollten sie sterben.«

Angelina erwiderte nichts, denn sie wollte ihm nicht verraten, dass seine Opfer überlebt hatten.

»Sieben Todsünden gibt es«, fuhr Domenian fort. »Die größte davon ist die Wollust. Der Scheiterhaufen mit den Eitelkeiten enthielt ebenfalls sieben Schichten; die veranschaulichten diese Todsünden.«

|398|Er legte seinen Kopf zur Seite, als höre er jemanden sprechen.

»Fünf von euch habe ich schon bestraft. Jetzt fehlen nur noch du und Francesco.«

»Was ist damals passiert?«, presste sie hervor.

»Ich habe versucht, dir und meinem Bruder den Teufel auszutreiben, aber es ist mir nicht gelungen. Da wies ich dich an, meinem Bruder die Spitze einer Nadel ins Herz zu bohren. Um ihn vor dem Fegefeuer zu retten, habe ich draußen einen Holzstoß errichtet und ihn zu Asche verbrannt.«

Angelina musste sich sehr zusammennehmen, um ihre nächste Frage zu stellen.

»Hat das niemand von den Winzern bemerkt?«

»Es war die Zeit, in der überall diese Feuer entzündet wurden, um trockenes Reisig zu verbrennen. Ich überließ dich deinem Schicksal, ging nach Florenz und trat in das Kloster San Marco ein. Aber ich habe dich niemals vergessen.«