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Domenian stand neben Savonarola am Feuer und betete. Der Prior ließ seinen Blick über die Menge schweifen.

»Bürger von Florenz«, rief er aus. »Dieses Feuer soll euch ein Zeichen sein, ein Zeichen, das ich euch als Vertreter des wahren Gottes gesetzt habe. Es ist die reinigende Kraft der Verwandlung, die in ihm steckt, jeder, der ihm seine Eitelkeiten übergeben hat, ist frei von Sünde.«

»Du wirst selber brennen, Savonarola!«, rief ein Mann aus der Menge.

»Und sollte das Gottes Ratschluss sein, so gebe ich mich ihm gerne hin«, war Savonarolas Antwort.

Domenian starrte in die Flammen; sie knisterten und sangen, es knackte und krachte, roch nach verbranntem Holz und Wachs. Domenian erinnerte sich an etwas. Auch im letzten Jahr, beim ersten Fegefeuer der Eitelkeiten, hatte sich seiner eine merkwürdige Stimmung bemächtigt. Er sah … Domenian kniff die Augen zusammen, hob sie zu dem Teufel an der Spitze des Holzstoßes … er sah einen Menschen brennen. War es der Teufel da oben gewesen? Nein, es war jemand anders. Er konnte sein Gesicht nicht erkennen.

Lange stand er so und starrte in die Flammen, bis der Haufen heruntergebrannt war und Savonarola zur Heimkehr ins Kloster rief. Höhnisch schauten die Masken, die nicht ganz zum Raub der Flammen geworden waren, Domenian nach. Ihm war übel. Er folgte Savonarola und den anderen Brüdern ins Kloster San Marco, wo er sich auf seine Strohmatratze warf. Was würde geschehen, wenn Savonarola tatsächlich hingerichtet werden würde? War dann der Gottesstaat zerschlagen? Sollte all ihr Mühen umsonst gewesen sein? Aber Savonarola hatte gesagt, er stürbe gern und ginge gern |328|ins Paradies ein. Er wird ein Märtyrer, dachte Domenian, vielleicht ist er es schon. Ein Heiliger, über den man noch Hunderte von Jahren nach seinem Ableben sprechen, den man verehren und dem man nachstreben wird.

Und er, Domenian? Was sollte mit ihm geschehen? War auch ihm ein Tod auf dem Scheiterhaufen beschieden? Er konnte sich nicht vorstellen, wie ein Leben ohne seinen Prior aussehen sollte. Warum nur wollte Savonarola nicht fliehen? Fürchtete er, als Feigling zu erscheinen? Nein, er war kein Feigling, würde niemals einer sein! Und auch er, Domenian, war kein Feigling. Er hatte alles zusammen mit seinem Herrn durchgestanden. Hatte den Auftrag, den ihm ein Höherer gegeben hatte, fast bis zum Ende erfüllt. Der Keller kam ihm in den Sinn. An jenem Ort hatte er seinen Weg begonnen, der ihn ins Kloster und zu den jetzigen Geschehnissen führte. Es hatte ihm leidgetan, aber er musste es tun. Der Tod und das Feuer waren die Pfandstücke für ein höheres, ein anderes Leben.