|316|40.

Angelina erreichte den Palast und den Turm, in dem Rinaldo und seine Töchter zuletzt gewohnt hatten. Hier waren weniger Menschen auf den Straßen, aber bei denen, die vorübergingen, war eine rastlose Eile spürbar. Das Wirtshausschild vom Karpfen baumelte im Wind. Angelina klopfte an die Tür des Turmes. Drinnen erklang ein Kichern, dann wurden Schritte hörbar, und Rinaldo stand im Rahmen.

»Signorina Angelina, welche Freude!«, rief er aus. »Kommt herein. Heute haben alle Arbeiter und Arbeiterinnen frei bekommen, um sich das Fegefeuer anzusehen«, erklärte er. Seine Töchter saßen am Mittagstisch und sprangen auf, als sie Angelina sahen, küssten und umarmten sie. Nach einer Zeit des gegenseitigen Erzählens hielt Pallina inne und schaute Angelina spitzbübisch an.

»Es ist noch jemand hier«, meinte sie. »Jemand, den du kennst und der oft von dir gesprochen hat.«

Angelinas Herz begann schneller zu klopfen.

»Wen meinst du?«, fragte sie.

»Komm«, sagte Pallina, nahm ihre Hand und zog sie in ein Zimmer, das Angelina noch nicht kannte. Sie schwankte einen Herzschlag lang und griff nach dem Türrahmen. Das Zimmer war in eine vorläufige Malerwerkstatt umgewandelt worden. Es enthielt ein Bett, eine Truhe, zwei Staffeleien, Pinsel und Farben auf Regalen. Und mittendrin stand … Francesco! Er fuhr herum, als er die beiden an der Tür hörte.

»Angelina!«, rief er aus. Der Pinsel fiel ihm aus der Hand, ein roter Klecks verbreitete sich auf dem Boden, der sorgfältig mit frischen Binsen ausgelegt war. Angelina stand wie festgewurzelt. Francesco kam mit ausgebreiteten Armen auf sie zu. Pallina sagte: »Ich |317|lasse euch jetzt mal allein«, und zog sich geräuschlos zurück. Francesco umarmte Angelina, und sie ließ es willenlos geschehen.

Ihr wurde warm. Sie wäre am liebsten mit ihm auf das Bett gesunken.

Aber es gab noch etwas zu besprechen. Behutsam machte sie sich frei und fragte:

»Ist es wahr, dass du mein Bild an einen Wollhändler verkauft hast?«

Francesco öffnete den Mund zu einer Antwort, brachte aber vor Staunen nichts heraus.

»Wer behauptet denn so etwas?«, wollte er wissen.

»Ich bekam einen Brief, in dem das geschrieben stand«, antwortete Angelina.

»Und wer hat ihn geschickt?«

»Er hat keinen Namen daruntergesetzt, sondern schrieb: ›Von jemandem, der es gut mit Euch meint‹.«

»Und das hast du geglaubt? Angelina, ich fürchte, wir müssen unser Verhältnis zueinander noch einmal ernsthaft überdenken.« Bei diesen Worten schaute er sie so schalkhaft an, dass es Angelina schwerfiel, ernst zu bleiben.

»Wo ist denn das Bild?«, fragte sie. »Und warum hast du Botticelli verlassen?«

»Kannst du dir nicht denken, warum ich ihn verlassen habe? Ich konnte seine Hörigkeit Savonarola gegenüber nicht mehr ertragen. Lieber schlage ich mich hier mit Porträts und Gelegenheitsarbeiten durch!«

»Ich war gestern Nacht Gast bei Botticelli«, sagte Angelina. »Er hat mir viel über seine Beweggründe verraten.«

»Er mag Beweggründe haben«, meinte Francesco. »Das hindert ihn aber nicht daran, heute einige seiner Bilder dem Feuer überliefern zu wollen. Das ist ein Verbrechen an der Kunst!«

»Wo ist mein Bild?«, beharrte Angelina.

»Das habe ich an einem sicheren Ort versteckt. Wir können gleich hingehen und es holen.«

|318|»Hier in der Stadt?«

»Beim Dom«, entgegnete er.

»Beim Dom?«, fragte sie atemlos.

»Was ist denn mit dir?«

»Ach, nichts.«

»Die Stadt ist voller Menschen, so voll, dass kein Durchkommen ist«, sagte Francesco. »Wir müssen das Bild gleich holen, wer weiß, ob es nicht noch jemand findet und auf den Scheiterhaufen wirft.«

Er warf sich seinen Mantel über und ergriff ihre Hand. Bevor sie den Raum verließen, umfasste er ihre Taille.

»Hast du an Gewicht zugenommen?«, fragte er. »Offensichtlich ist dir der Aufenthalt bei den Nonnen gut bekommen.«

»Ich habe mein … Gewand unter dem Reisekleid und dem Mantel angezogen, weil die Fanciulli es mir sonst genommen hätten«, sagte Angelina verlegen. Francesco lachte.

»So ist es dir also noch sehr viel wert. Komm, wir müssen uns beeilen.«

Angelina dachte einen Augenblick an all die Ereignisse, die geschehen waren. Sie erhob sich nur widerstrebend. Würde es noch schlimmer kommen? Aber sie war schon einen Schritt zu weit gegangen. Jetzt musste sie den Weg zu Ende gehen.

Vom Palazzo Acciaiuoli eilten sie die Via Guelfa entlang. Bald waren sie vom Strom der Menschen eingekesselt. Sie erreichten die Via del Ginori, der Dom kam in Sicht. Die Gesänge und Gebete der Fanciulli drangen herüber. Angelina konnte sie nicht mehr hören. Wie wetterwendig waren doch diese Kinder und Halbwüchsigen! Sie predigten Liebe und säten Gewalt. Und Savonarola bot der Stadt noch einmal das Schauspiel der brennenden Bilder, Bücher und Masken. Vor dem Dom hatte sich eine Menschenmenge versammelt, der Platz war zum Brechen voll. Savonarola hielt eine Predigt unter freiem Himmel. Angelina hörte nicht richtig hin, sie hörte nur etwas von Engeln und Teufeln, Doppelrechtsern, Doppellinksern, Papst, Exkommunikation und Gottesstaat. Es war |319|nicht leicht, Francesco in dem Gewühle zu folgen. Er hielt ihre Hand und zog sie hinter sich her, sich einen Weg durch schwarzgekleidete, betende und weinende Bürger bahnend. Endlich waren sie am Dom, gegenüber dem Baptisterium.

»Willst du zur Krypta?«, fragte Angelina entsetzt.

»Ja«, gab er leise zurück, drehte sich um und schaute sie an.

»Warum bist du so erschrocken?«

»Weil ich heute Nacht davon geträumt habe«, sagte sie mit einem Zittern in der Stimme. »Und«, sie schlug sich an die Stirn, »ich habe Botticelli davon erzählt.«

»Du bist hellsichtig, aber auch leichtfertig«, sagte er und zog sie hinter sich her, auf die Seite des Doms, die Stufen zur Krypta hinunter. Francesco fasste nach dem Griff der Tür; sie ließ sich jedoch nicht öffnen. Er rüttelte verzweifelt daran.

»Sonst war die Krypta immer offen«, sagte er.

»Lassen wir es doch so, wie es ist«, meinte Angelina.

»Aber ich will dir beweisen, dass ich das Bild vor den«, er schaute sich vorsichtig um, »Fanciulli in Sicherheit gebracht und nicht an einen Wollhändler verkauft habe.«

»Ich glaube dir auch so.«

»Nein, du glaubst mir nicht, ich sehe es an deinen Augen. Du denkst, dass ich dringend Geld gebraucht und es deswegen veräußert habe. Ich werde zum Mesner gehen und mir den Schlüssel besorgen.«

»Wie willst du denn das begründen, in einer solchen Nacht?«

Francesco überlegte einen Augenblick lang.

»Ich werde sagen, ich wüsste, dass in der Krypta ein sündiger Gegenstand versteckt sei.«

»Und wenn er wissen will, woher du das weißt?«

Das Gemurmel der Menge schwoll zu einem lauten Gebet. Savonarolas Stimme schwang sich darüber hinweg.

»Dieser Teufel!«, knirschte Francesco.

»Und wenn der Mesner mitkommen will?«, fragte Angelina. »Dann würde er das Bild doch sehen!«

|320|»Ich werde mir schon etwas einfallen lassen. Warte hier, bis ich wieder zurück bin.«

Er verließ den Außeneingang der Krypta und verschwand in der Menge. Angelina setzte sich auf eine der Stufen. Die dreifache Kleidung schützte sie vor der Kälte der Steine. Angelina wurde gewahr, dass die Männer auf dem Domplatz vorne standen, die Frauen hinten. An einigen Stellen hatten Jugendliche Strohpuppen entzündet und tanzten um sie herum. Die Compagnacci, die Söhne der Patrizier, warfen mit Steinen nach den Menschen, versuchten die Predigt Savonarolas durch Schreien und Trommeln zu stören. Eine Reihe von Fanciulli stand schützend vor dem Prior. Die Gebete und Gesänge wurden lauter. Inzwischen war es dämmerig geworden, ein feiner Sprühregen ging nieder. Angelina wickelte ihren Mantel fester um sich und starrte mit brennenden Augen auf das Schauspiel. Wenn Francesco doch endlich käme! Nach einer Weile, die ihr endlos erschien, tauchte er auf, einen Bartschlüssel in der einen, eine Fackel in der anderen Hand.

»Wie hast du das erreicht?«, fragte Angelina.

»Ich habe ihm gesagt, er brauche nicht mitzukommen, sonst würde er die Prozession zur Piazza della Signoria versäumen. Ich solle den Schlüssel unter einen losen Stein vor der Tür legen, hat er gesagt.«

»Sehr vertrauensselig, der Mann«, sagte Angelina. Obwohl ihr hundeelend zumute war, stieg ihr ein glucksendes Lachen in den Hals. Francesco starrte sie befremdet an, brach dann aber ebenfalls in Lachen aus.

»Ganz Florenz betet, und wir dringen in ihre heilige Krypta ein«, rief er leise. Das Rumoren auf dem Platz war so groß, dass niemand ihr Vorhaben bemerken würde. Francesco gab Angelina einen Kuss auf die Wange und steckte den Schlüssel ins Schloss. Er drehte sich knirschend herum, und die Tür ging auf. Drinnen war es dunkel, und es roch modrig. Die Fackel erhellte das Tonnengewölbe und die Sarkophage aus hellem Marmor. Francesco übergab Angelina die Fackel und begann, den Deckel von einem der Särge herabzuziehen. Er wirkte unruhig.

|321|»Ich kann nichts sehen«, stellte er fest. »Gib mir doch die Fackel.« Angelina tat, wie ihr geheißen. Francesco leuchtete in den Sarg hinein.

Beide beugten sich gespannt darüber.

»Es ist weg!«, rief Francesco. »Wer in aller Welt könnte es gestohlen haben?«

»Wahrscheinlich hat dich einer der Fanciulli beobachtet, als du es hierherbrachtest«, meinte Angelina und hielt sich die Nase zu.

»Das ist möglich«, erwiderte Francesco kopfschüttelnd. »Oder Sandro Botticelli hat es geholt. Lass uns zum Scheiterhaufen gehen, vielleicht finden wir es bei den anderen Bildern.«

Angelinas Herz klopfte stark. Das Bild durfte nicht vernichtet werden, sie mussten es retten, bevor der Holzstoß angezündet wurde! Mit großer Anstrengung wuchteten sie den Deckel wieder auf den Sarkophag und liefen hinaus. Sie erreichten die Piazza della Signoria, wo der Scheiterhaufen errichtet war. Rings um den Platz brannten kleine Feuer, die einen gespenstischen Schein verbreiteten. Angelina sah, wie Savonarola mit einer Fackel zu dem Scheiterhaufen ging und ihn entzündete. Ein Mönch in einer dunklen Kutte stand neben ihm.

Es dauerte eine Ewigkeit, bis sie in die Nähe des Holzstoßes kamen. Der untere Teil brannte bereits lichterloh. Die Lauten und die Spielbälle waren schon verkohlt. Nun leckten die Flammen nach den Gewändern, Hauben und Korsetten. Die Menge sang Kirchenlieder, dazwischen johlten und spotteten Halbwüchsige, Kinder schrien in Angst. Aus den Fenstern lehnten sich die Anwohner und verfolgten gespannt das Geschehen. Immer neue Gegenstände wurden in das Feuer geworfen, unter anderem auch tote Katzen und Unrat. Die Bilder und Bücher waren noch unversehrt, aber sosehr Angelina ihre Augen anstrengte, sie konnte ihr Porträt nicht entdecken, auch nicht, nachdem sie sich um den Stapel herumgekämpft hatten. Mit einem Mal sah Angelina den Mönch in der dunklen Kutte, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Sie stieß Francesco, der dicht neben ihr stand, in die Seite und flüsterte ihm aufgeregt zu:

|322|»Der Mönch da hat ein Bild in der Hand. Es ist bestimmt unser Bild! Gleich wird er es den Flammen übergeben!«

Francesco wollte losrennen, stieß ein paar Menschen, die im Weg standen, beiseite und fasste den Mönch an der Kutte. Mit vor Aufregung feuchten Händen beobachtete Angelina, wie Francesco mit ihm rang. Die Umstehenden feuerten die beiden an. Das Bild wird noch entzweigehen, dachte sie, als die Männer mit aller Gewalt an dessen Enden zogen. Jetzt hatte der Mönch es an sich gerissen, drückte es einen Augenblick lang triumphierend an seine Brust und warf es mit einem höhnischen Gelächter ins Feuer. Angelina hörte den Aufschrei Francescos und sah, wie er in die Flammen griff, hörte sein schmerzliches Stöhnen. Gleich darauf hielt er das rauchende Bild in seinen Händen und lief zu ihr herüber. Sein Gesicht und seine Kleidung waren rauchgeschwärzt.

»Komm schnell«, rief er, »wir müssen es in Sicherheit bringen! Der Dreckskerl hat die Bedeckung entfernt und sich an deinem Anblick geweidet!«

Angelina folgte ihm hastig, die Leute johlten hinter ihr her. Im Zurückschauen bemerkte sie, dass die Flammen jetzt auch die Bilder und Bücher erreicht hatten. Schon züngelten sie um die Beine des ziegenbärtigen Teufels. Bald hatte die Menge sie verschluckt, keiner achtete mehr auf sie.

»Wo sollen wir das Bild hinbringen?«, raunte Angelina atemlos.

»Vielleicht zum Palazzo der Medici? Dort würde es niemand vermuten.«

»Keiner weiß, was in dem Palast untergebracht ist, seit die Medici vertrieben wurden«, setzte Angelina dagegen. Sie warf einen letzten Blick auf den Scheiterhaufen. Die Götter der Antike schmolzen dahin. Der Teufel brannte lichterloh, die Gebete wurden lauter. Einige Frauen kreischten, andere fielen in Ohnmacht.

»Schnell weg von hier«, sagte Angelina, »bevor es mir übel wird. Zu Rinaldo.«

Bevor sie aufbrachen, schaute sich Angelina Francescos Hand an. Sie war schwarz, und an einigen Stellen hatten sich Blasen gebildet. |323|Einer plötzlichen Regung nachgebend, zog Angelina sie hoch zu ihren Lippen und küsste sie.

In den Gassen hatten sich Männer und Frauen um weitere Feuer versammelt, manche spielten die Laute, sangen, tanzten und tranken. Sie erreichten den Turm und fanden die Tür offen, das Turmzimmer leer. Rinaldo und seine Töchter waren gewiss bei dem Spektakel auf dem Marktplatz.

»Was habt Ihr denn da Schönes?«, ertönte eine Stimme. Angelina fuhr zusammen, ihr Herz machte einen Satz. Beide fuhren herum. Da stand der Diener des Nachbarn, breit grinsend. Seine Fledermausohren schienen noch weiter abzustehen, und an diesem kalten Abend war seine Nase noch röter als sonst.

»Ich nehme an, Ihr habt ein Bild aus den Flammen gerettet.« Er wies auf das Porträt. »Und jetzt wisst Ihr nicht, wo Ihr es verstecken sollt. Ich wüsste einen Platz.«

Angelina atmete erleichtert aus. Hatte nicht sein Herr sie damals zum Frühstück einladen wollen? Vielleicht gab es doch noch Menschen in dieser Stadt, denen man vertrauen konnte.

»Wo wollt Ihr es denn verstecken?«, fragte Francesco.

Der Diener senkte vertraulich seine Stimme.

»Mein Herr hat noch mehr solcher Bilder, auch Bücher und andere Dinge, die man in diesen Zeiten besser verbergen sollte. Kommt mit mir, ich bringe Euch zu ihm.«

Angelina und Francesco folgten ihm in das Nachbarhaus. Sein Herr saß in einem rotseidenen Gewand auf einem Sessel und hielt ein Buch in der Hand. Auf einem zierlichen Tisch daneben standen eine Schale mit Konfekt und eine mit Äpfeln. Er trug ein schwarzes Barett mit Pfauenfedern. Angelina konnte ihn nur von hinten sehen.

»Willkommen«, sagte der Hausherr, wandte sich um und stand auf. Es war Tomasio! Genau die fleischige Nase, die wulstigen Lippen. Und jetzt zuckte er auch noch mit seinem linken Lid!

Angelina wich unwillkürlich einen Schritt zurück. »Signor Venduti! Ich dachte, Ihr hättet die Stadt verlassen!«

|324|»Weil ich den Laden am Dom mit Brettern vernagelt habe? Ich wollte nicht zulassen, dass der Pöbel am Ende meine schönen Stoffe aus den Regalen zieht und auf den Scheiterhaufen wirft!«

»Das ist auch sinnvoll«, erwiderte Francesco. »Die Menge dort ist außer Rand und Band!« Angelina kniff ihn in den Arm. ›Was machst du denn?‹, doch er fuhr fort: »Wir nehmen Eure Gastfreundschaft gerne an.«

»Ihr seht, dass mein Palazzo weder äußerlich noch innen prunkvoll eingerichtet ist«, fuhr Tomasio fort. »Aber nicht wegen der Fanciulli oder wegen Savonarola, sondern deswegen, damit meine adeligen Nachbarn nicht in Neid ausbrechen.«

»Ich dachte immer, Ihr wohnt am Dom«, brachte Angelina hervor. »Ich habe Euch nur ein einziges Mal in dieser Gegend gesehen.«

»Ich dagegen habe Euch oft auf der Straße gesehen, Signorina Girondo«, lächelte Tomasio vergnügt. »Und Euch in letzter Zeit auch, Signor Rosso. Meine Familie lebt schon seit Generationen hier«, fuhr er fort. »Ich bin in diesem Haus geboren.«

Der Diener brachte kleine, gebackene Fische, Wein in einer Karaffe und Gläser. Von draußen kam der Lärm der ersten Heimkehrenden. Der Diener schenkte ein.

Angelina war immer noch misstrauisch. Irgendetwas stimmte nicht »Aber wieso seid Ihr dann so selten hier?«

»Meine Geschäftsreisen haben in letzter Zeitüberhandgenommen. Nicht zuletzt wegen Savonarola.« Sein Augenlid zuckte abermals.

Francesco biss herzhaft in einen Backfisch. »Ich weiß nicht, ob es früher besser war«, meinte er, »aber man durfte doch zumindest tun und lassen, was man wollte.«

»So ist es«, bestätigte Tomasio. »Und jetzt zeigt mir doch einmal das Bild, das Ihr da tragt. Habe ich Euch nicht kürzlich schon damit gesehen?« Er stutzte. »Ihr habt Euch verbrannt. Habt Ihr es aus den Flammen gerettet?« Er winkte dem Diener, Verbandszeug zu holen. Tomasio nahm das Bild in beide Hände und betrachtete es. Sein Blick wanderte hinüber zu Angelina. Er pfiff durch die Zähne.

|325|»Euch ist ein sehr gutes Werk gelungen, Signor Rosso«, sagte er. »Es zeigt nicht nur die Schönheit unserer Signorina hier, sondern auch die Feinheit meiner Tuche und die Kunst meines Schneiders. Meisterhaft! Wenn es meines wäre …«

»Nein, nein, es gehört meinen Eltern«, unterbrach ihn Angelina hastig.

»… dann würde ich es in der Anprobe meines Schneiders aufhängen, damit alle Welt sieht, was für großartige Kleider man bei mir bekommt!«, fuhr Tomasio begeistert fort, als hätte er sie nicht gehört.

»Es ist doch gar nicht Euer Eigentum«, warnte Francesco.

»Natürlich nicht, ich weiß.« Tomasio lächelte wehmütig. »Aber ich habe schon gehört, dass Ihr nach einem Versteck sucht, und würde mich glücklich schätzen, es für Euch in meinem Hause zu verwahren. Es wird gewiss nicht mehr lange dauern, bis dieser Gottesstaat sein Ende gefunden hat.«

Von draußen ertönte ein Spottlied auf Savonarola.

»Auf das Ende von Savonarola!«, sagte Francesco und hob sein Glas. Angelina blickte ihn erstaunt an.

»Auf sein Ende!«, erwiderte Tomasio ohne Zögern und leerte seinen Becher.

»Wir sind Euch zu tiefem Dank verpflichtet, Signor Tomasio«, sagte Angelina. Sie aß einen der gebratenen Fische und nahm einen Schluck Wein. »Doch eines müsst Ihr mir erklären, verzeiht meine Dreistigkeit. Ich muss es wissen. Seid Ihr nun in diesem Haus geboren oder nicht?«

Diesmal kniff Francesco sie in den Arm.

Angelina sah mit Erstaunen, dass Tomasio rot wurde. »Jetzt habt Ihr mich ertappt«, lachte er verlegen. »Nein, ich stamme von einem ländlichen Adelsgeschlecht ab.«

Angelina runzelte die Stirn, und er erklärte: »Aber Ihr wisst ja, wie wenig der Landadel von der städtischen Gesellschaft anerkannt wird. Sie wollen ihren Platz behaupten, koste es, was es wolle! Aus diesem Grund habe ich schon bei passenden Gelegenheiten behauptet, einer der Ihren zu sein.«

|326|Angelinas lächelte. »Ihr müsst achtgeben, wem Ihr was erzählt«, gab sie zurück. »Ich hörte von Euch beide Versionen!«

Tomasio knetete seine Hände. »Ich möchte mich entschuldigen, Signorina. Es war der kindische Versuch, Euch zu beeindrucken.«

Da sagte Angelina etwas, was sie selbst erstaunte: »Ich freue mich, dass wir Nachbarn sind, Signor Venduti.« Tomasio lächelte verlegen und nickte. Ich habe es ihm nicht leicht gemacht, dachte Angelina. Wahrscheinlich macht das keiner. Nur wegen dieses Zuckens am Auge.

Venduti ging zum Fenster und öffnete es. Brandgeruch kam herein; über der Piazza della Signoria lag ein rötlicher Schein.