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Nach den Laudes bat Savonarola Domenian, ihm in den Klosterhof zu folgen. Die Sonne war gerade erst aufgegangen und warf einen rötlichen Schein auf die Rundbögen des Kreuzgangs. Unter einer Zeder blühten Traubenhyazinthen.

»Ich weiß nicht, ob ich die Herausforderung von Francesco di Puglia annehmen soll, Domenian. Gestern habe ich mich lange mit Domenico und Silvestro beraten.«

»Und, was rieten sie dir?«, fragte Domenian.

»Sie nicht anzunehmen. Ich, ein Dominikaner, soll gegen einen Franziskaner antreten! Dazu wird es noch ein Feuer sein, das durch Reisig, Öl und Schießpulver genährt wird.«

»Aber wer unversehrt herauskommt, auf dessen Seite steht Gott«, wandte Domenian ein.

»Gott lässt nicht so mit sich verfahren. Eine Gottesprüfung ist ganz anderer Art. Abraham wurde von Gott geprüft, ob er ihm unbedingten Gehorsam zolle. Ihm wurde aufgetragen, seinen Sohn zu opfern. Als Gott sah, dass Abraham ihm bedingungslos gehorchte, wandelte er den Befehl ab, und Isaak blieb am Leben. Also hat Gott die Menschen geliebt. Jesus wurde in der Wüste vom Teufel versucht; er hat diese Prüfung ebenfalls bestanden.«

»Aber wenn du nicht zu der Feuerprobe antrittst, wird man dich für einen Feigling halten. Das Gespött wird von Tag zu Tag größer.«

»Wenn nun meine Kleider oder die von dem Puglianer Feuer fangen sollten, was ist dann?«

»Dann wird man euch beide nicht mehr ernst nehmen. Aber das kann nicht geschehen. Du bist von Gott auserwählt, Girolamo. Du wirst unversehrt aus dieser Probe hervorgehen!«

|338|»Ich kann nicht daran glauben«, zweifelte Savonarola weiter.

»Lass mich für dich durchs Feuer gehen«, bat Domenian.

»Das haben mir die beiden anderen Fratres ebenfalls angeboten, aber ich will es nicht annehmen. Ich werde mich jetzt fertig machen für die Unterhandlungen im Palazzo della Signoria.« Savonarola umarmte Domenian und ging langsam ins Gebäude zurück. Domenian fühlte sich verlassener als jemals zuvor. Was würde geschehen, wenn Savonarola diese Feuerprobe nicht bestand? Was würde mit ihnen allen geschehen?

Er ahnte, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb, das zu vollenden, was er sich auszuführen geschworen hatte. Er wusste, was damals geschehen war, hatte es immer gewusst. Aber er trug dafür keine Verantwortung. Es waren die Stimmen seines Gewissens gewesen, die es ihm eingegeben hatten. Einzig und allein die Sünde war schuld daran gewesen, er hatte nur im Auftrag einer höheren Gerechtigkeit die schmutzige Arbeit verrichtet. Er begriff jetzt, warum er diesen Weg hatte gehen müssen. Es gab sonst keinen, der diese Aufgabe zu Ende bringen konnte. Nun lag es einzig an ihm. Die Erkenntnis traf ihn mit voller Wucht.