70

 

Vier Tage später.

Hunter öffnete langsam die Tür zu Garcias Zimmer und spähte hinein. Anna stand neben seinem Bett und strich ihm über den Arm.

»Ist er wach?«, fragte Hunter leise.

»Ja, ich bin wach«, antwortete Garcia mit noch schwacher Stimme und wandte den Kopf zur Tür.

Hunter strahlte und trat ein. Unter dem Arm hatte er eine Schachtel Pralinen.

»Du bringst mir was mit?«, fragte Garcia mit besorgter Miene.

»Himmel, nein … das ist für Anna«, erwiderte Hunter und reichte Anna die Schachtel.

»Oh! Danke sehr!«, sagte sie, nahm das Geschenk entgegen und drückte Hunter ein Begrüßungsküsschen auf die Wange.

»Was ist denn hier los?«, fragte Garcia. »Pralinen, Küsschen … als Nächstes kommst du wahrscheinlich zu mir nach Hause zum Abendessen.«

»Und ob er das wird«, bestätigte Anna. »Ich habe ihn schon eingeladen. Sobald du wieder zu Hause bist.« Sie lächelte so liebevoll, dass das ganze Zimmer heller zu werden schien.

»Wie geht’s dir, Partner?«, fragte Hunter.

Garcia schaute auf seine bandagierten Hände hinunter. »Nun, abgesehen von den unbeabsichtigten Löchern in meinen Händen, den tiefen Kratzern an meinem Kopf und davon, dass ich mich fühle, als wäre ich von der Golden Gate Bridge gefallen, prächtig. Und dir?«

»Vermutlich in etwa genauso«, erwiderte Hunter ohne Überzeugung.

Garcia warf Anna einen Blick zu, den sie sofort verstand.

»Ich lasse euch beide mal einen Augenblick allein. Ich will sowieso in die Cafeteria hinunter«, sagte sie und beugte sich über Garcia, um ihm einen Kuss auf die Lippen zu geben. »Muss mich doch um meine Pralinen kümmern«, zog sie ihn auf.

»Heb mir ein paar auf«, sagte Garcia mit einem Augenzwinkern.

Als sie hinausgegangen war, sprach Garcia als Erster.

»Ich hab gehört, du hast ihn gekriegt.«

»Ich habe gehört, du erinnerst dich kaum an etwas«, erwiderte Hunter.

Garcia schüttelte langsam den Kopf. »Ich kann mich an nichts Konkretes erinnern. Vereinzelte Erinnerungssplitter, aber ich wäre nicht einmal in der Lage, den Killer zu identifizieren, wenn ich müsste.«

Hunter nickte, und Garcia bemerkte einen Anflug von Bedrücktheit in seinem Blick. »Ich habe zwar alles herausgefunden, aber gekriegt habe ich sie nicht«, sagte er und trat näher an Garcias Bett.

»Wie bist du draufgekommen?«

»Joe Bowman …«

Garcia runzelte die Stirn und versuchte, sich an den Namen zu erinnern. »Der Fitnessstudio-Manager? Der Bodybuilder?«

Hunter nickte. »Ich wusste, dass ich ihn schon mal irgendwo gesehen hatte, aber er redete mir ein, dass es in einem Fitnessmagazin gewesen sein müsse. Der Groschen ist erst gefallen, als D-King etwas von Geschworenen, Richtern und Vollstreckern sagte.«

»D-King?«, fragte Garcia überrascht nach. »Der Drogen-Dealer?«

»Lange Geschichte. Erzähl ich dir später mal. Jedenfalls hat mich das auf den Spencer-Fall gebracht. Bowman war einer der Geschworenen. Er sah damals noch ganz anders aus, kein Bodybuilding, viel schmaler. Aber als es mir wieder einfiel, war ich mir ganz sicher.«

Garcias Miene bedeutete Hunter weiterzuerzählen.

»Danach fand ich heraus, dass alle Opfer irgendeine Beziehung zu Geschworenen aus dem Spencer-Fall hatten: Manche waren mit ihnen verwandt, manche waren heimliche Geliebte, so wie Victoria Baker. Du weißt ja, sie war Joe Bowmans Geliebte, er ist verheiratet.«

Garcia nickte schweigend. »Und George Slater?«

»Er hatte einen homosexuellen Liebhaber, Rafael, der Geschworener war. Wir haben gestern mit ihm gesprochen.«

»Weiß es seine Frau?«

»Ich denke nicht. Und ich denke, sie braucht es auch nicht zu erfahren. Das würde ihr nur noch mehr zusetzen.«

»Stimmt. Das heißt, wir lagen richtig mit unserer Vermutung, dass er eine Affäre hatte.«

Hunter nickte. »Mein Problem war, herauszufinden, wer nun der Killer war. Ganz offensichtlich ging es um den John-Spencer-Fall, um Rache – aber wer war es?«

»Jemand aus der Familie«, sagte Garcia.

»Nichts ist stärker als Familienbande«, sagte Hunter mit einem Nicken. »Als ich dann weiterrecherchierte, stellte sich aber heraus, dass er nur noch eine Schwester hatte … eine Adoptivschwester.«

»Adoptivschwester?«

Noch ein Nicken. »Brenda wurde mit neun Jahren von der Familie adoptiert. Nicht, weil sie ein Waisenkind war, sondern weil ihre biologischen Eltern sie misshandelten und das Jugendamt sie aus der Familie geholt hatte. Die Spencers adoptierten sie und gaben ihr die Liebe, die sie nie bekommen hatte. Sie fühlte sich bei ihnen sicher und behütet. Die Spencers wurden ihre eigentliche Familie. Der Tod ihrer Ersatzeltern und ihres Bruders muss in ihrem Unterbewusstsein etwas ausgelöst haben. Vielleicht das beängstigende Gefühl, wieder allein zu sein. Vielleicht die Erinnerungen an die Misshandlungen, die ihr als Kind widerfahren waren. Vielleicht auch die Angst, wieder in ihre ursprüngliche Familie zurückgeschickt zu werden.«

Garcia machte ein verständnisloses Gesicht.

»In traumatischen Situationen, wie sie sie erlebt hat«, erklärte Hunter, »wenn man beispielsweise seine komplette Familie in so kurzer Zeit verliert, kann es vorkommen, dass das Gehirn keinen Unterschied mehr zwischen verschiedenen Altersstufen macht. Es holt einfach die entsprechenden Erinnerungen aus dem Unterbewusstsein nach oben. Die ganze Angst und Wut, die sie als Kind erlebt haben muss, kam dann mit derselben Intensität oder womöglich noch stärker zurück und gaben ihr wieder das Gefühl, ein hilfloses kleines Mädchen zu sein. Dadurch könnte eine Art maßloser Zorn, ein schlummerndes Böses in ihr erwacht sein. Sie beschuldigte alle, die in den Fall ihres Bruders involviert waren, ihr die Familie geraubt zu haben. Vor allem die Geschworenen, Scott und mich. Das konnte sie nicht ungestraft lassen.«

»Wann wusstest du, dass es Isabella war?«

»Nachdem ich auf John Spencer gekommen war. Da seine Schwester die einzige noch lebende Verwandte war, brauchte ich nur noch herauszufinden, wer sie war. Eine weitere Recherche ergab, dass sie kurz nach dem Tod ihres Adoptivvaters in eine Anstalt eingeliefert worden war.«

»In eine Anstalt?«

»Ja, in San Francisco, wo sie damals lebte. Nachdem ihr Vater gestorben war, ging ihre Wut mit ihr durch, und sie verlor anscheinend die Kontrolle … ist ausgerastet, hat ihre Wohnung demoliert und fast ihren Freund umgebracht, mit dem sie damals zusammenlebte.«

»Sie wurde also verhaftet«, sagte Garcia. Mehr eine Feststellung als eine Frage.

»Zunächst ja, aber dann wurde sie in die Psychiatrie eingewiesen, ins Langley Porter Psychiatric Hospital, wo sie ein paar Jahre verbrachte. Ich habe inzwischen das San Francisco Police Department angerufen, und die haben mir das Verhaftungsprotokoll inklusive Foto geschickt. Sie sah damals ganz anders aus. Eine andere Haarfarbe und -länge, ja, sie sah, ehrlich gesagt, älter aus, so als ob das, was sie durchgemacht hatte, ihr alle Lebenskraft geraubt hätte. Doch es bestand kein Zweifel. Ich wusste, wer sie war.« Hunter ging zum Fenster und schaute hinaus. Es war ein herrlicher Tag, keine Wolke am Himmel. »Und dann fiel mir ihre CD-Sammlung wieder ein, und jeglicher Zweifel, den ich noch hatte, war ausgeräumt.«

»Ihre CD-Sammlung?«

»An dem Abend, als sie mich zum Essen bei sich einlud, habe ich in ihrer CD-Sammlung gestöbert.«

Garcia machte ein Gesicht, als wollte er sagen: Was hat das denn geholfen?

»Die ganze Sammlung bestand aus Jazz-CDs, mit Ausnahme einer Handvoll Rock-Alben, alle signiert, und zwar nicht von den Musikern, sondern vom Produzenten – John Spencer. Was ich damals nicht wusste, war, dass Spencer nie mit ›John Spencer‹ signierte – so war er in der Musikbranche nicht bekannt. Seine Autogramme gab er immer als Specter J. Wohl sein Rock-Pseudonym oder so was – das habe ich dann im Internet herausgefunden. Deshalb ist mir auch nichts aufgefallen, als ich die Autogramme sah. Da stand etwas wie, Von Big B, in Liebe. Ich nahm einfach an, dass das irgend so ein verrückter Künstlername war, wie ihn sich Leute aus der Musikszene geben, Du weißt schon, wie Puffy oder LL Cool J. Specter J und Big B sagten mir einfach nichts.«

»Big Brother?«, fragte Garcia nach.

Hunter nickte. »John Spencer war ein Jahr älter als Brenda.«

»Also hatte sie während der Jahre in der Psychiatrie alle Zeit der Welt, ihren Plan zu schmieden.«

»Einige Jahre, ja«, bestätigte Hunter.

»Daher auch die Zeitverschiebung zwischen dem Spencer-Fall und dem ersten Kruzifix-Mord.«

Noch ein Nicken von Hunter. »Und gestern fand ich auch noch heraus, dass sie beim Militär war.«

»Beim Militär?«

»Ja, gewissermaßen. Sie war Chirurgin, anscheinend sehr begabt. Zu Beginn ihrer Berufslaufbahn verbrachte sie zwei Jahre im Ärzteteam der US-Truppen in Bosnien-Herzegowina und kümmerte sich um die Opfer von Landminen.«

»Das ist nicht dein Ernst!« Garcia zog vor Verblüffung die Brauen hoch – dann dämmerte es ihm. »Der Sprengstoff!«

»Genau. Dort muss sie ihre Kenntnisse im Umgang mit Sprengstoff herhaben. Grundkenntnisse über Minen, Sprengstoffe, Zündmechanismen, Sprengkraft und Reichweite von Explosionen und solche Sachen gehören zur Ausbildung. Sie muss damals Zugang zu sämtlichen Handbüchern gehabt haben.«

»Sie musste also nur noch wissen, wo sie suchen und an wen sie sich wenden musste, um das Rohmaterial zu beschaffen.«

»Genau.«

Eine kurze Stille trat ein. »Und dieses Phantombild, das sie uns gegeben hat?« Garcia ahnte die Antwort schon.

»Nur ein Ablenkungsmanöver. Ich hatte an dem Abend gedankenverloren herumgekritzelt und dabei das Doppelkreuz gemalt. Ein unbewusster Reflex, weil ich gedanklich ständig bei dem Fall war. Isab…« Hunter unterbrach sich und setzte noch einmal neu an. »Brenda«, korrigierte er sich, »war sehr clever, sie konnte blitzschnell auf Situationen reagieren und erkannte sofort, dass sich ihr hier eine perfekte Gelegenheit bot, uns auf eine falsche Fährte zu schicken, und so kam sie mit dieser erfundenen Geschichte von dem Typen, der sie in der Bar ansprach. Jemand mit einem tätowierten Doppelkreuz auf dem Handgelenk. Nun brauchte sie uns nur noch eine erfundene Beschreibung zu geben, und schon lief unsere Untersuchung in eine völlig falsche Richtung.«

»Wir haben zwei Wochen damit vergeudet, diesem Phantom hinterherzujagen.«

»Und wir hätten noch mehr Zeit damit verschwendet«, stimmte Hunter zu. »Wir hatten ja keinen Grund, ihr zu misstrauen. Wir dachten, wir hätten eine heiße Spur.«

»Und woher wusstest du, dass sie an diesem Abend kommen würde?«

»Drei Hinweise. Erstens, sie war mit den Geschworenen fertig.«

»Aber es gab nur neun Opfer, und es waren zwölf Geschworene.«

»Die anderen drei waren inzwischen eines natürlichen Todes gestorben, an denen konnte sie sich nicht mehr rächen. Scott, mein Partner, der andere zuständige Detective bei dem Fall, war bereits tot …« Hunter hielt inne, als er daran dachte, was Brenda ihm vor vier Tagen erzählt hatte. Er musste tief Luft holen, bevor er fortfuhr. »Ich war als Einziger noch übrig.«

»Nicht gerade eine beneidenswerte Position«, witzelte Garcia.

Hunter nickte. »Zweitens, es war John Spencers Geburtstag. Der Tag schlechthin für ihre Rache. Das ultimative Geburtstagsgeschenk an ihren Bruder und ihre Familie.«

Eine lange Pause folgte.

»Und drittens?«, fragte Garcia schließlich. »Du hast was von drei Hinweisen gesagt.«

»Dass ich dein Kreuz getragen habe.«

»Wie bitte? Ich kann dir nicht folgen.« Garcia rutschte auf dem Bett herum, um sich anders hinzulegen.

»Die vollkommenste Analogie für jemandes letzten Tag auf Erden.«

Garcia überlegte. »Das Kreuz auf seinem Rücken zu tragen. Jesus’ letzter Tag auf Erden«, führte er Hunters Gedanken laut aus.

Hunter nickte wieder. »Mir war klar, dass mir nur ein paar Stunden blieben, um mir etwas einfallen zu lassen. Ich wusste, dass sie in dieser Nacht kommen würde.«

Hunter drehte sich erneut zum Fenster. Sein Blick schien ins Leere gerichtet zu sein. Vorsichtig berührte er die Schnittwunde in seinem Nacken, die noch nicht ganz verheilt war.

»Wenn du dir sowieso fast sicher warst, dass es Isabella war, warum hast du dir dann all das angetan? Dein Leben zu riskieren, sie so nahe an dich ranzulassen? Warum hast du sie nicht einfach verhaftet?«, fragte Garcia und suchte erneut nach einer anderen Liegeposition.

»Ich hatte keine Beweise, nur Indizien. Eine verrückte Rachetheorie. Und du weißt ja, dass wir nichts Handfestes von dem Killer haben, keine DNA, keine Fingerabdrücke, nichts, was sie auch nur mit einem der Opfer oder Tatorte in Verbindung bringen könnte. Hätten wir sie verhaftet, wäre sie in kürzester Zeit wieder draußen gewesen, und dann hätten wir sie garantiert für immer verloren. Meine einzige Chance war, sie an mich heranzulassen.«

»Also hast du ihr eine Falle gestellt. Eine verdammt gefährliche Falle.«

Noch ein Nicken. »Mir ist nichts anderes eingefallen, mir lief die Zeit davon.«

»Wie konnte sie zu all diesen Morden fähig sein? Zu diesem Grauen?«, wollte Garcia wissen.

»Das werden wir nie mit Sicherheit sagen können. Aber wenn sie mit einem der Opfer allein war, dann mutierte sie zu einer anderen Person. In ihren Augen loderten Hass und Zorn. Sie war zu allem fähig, ich weiß es. Ich habe es in ihren Augen gesehen. Ich konnte die Aura des unermesslichen Zorns, die sie umgab, buchstäblich spüren.«

Garcia beobachtete seinen Partner eine Weile. »Geht es dir gut?«, fragte er.

»Mir geht es gut«, erwiderte Hunter zuversichtlich. »Und ich bin froh, dass es endlich vorbei ist.«

»Das kannst du laut sagen«, sagte Garcia und hob seine bandagierten Hände.

Sie mussten beide lachen.

»Solange mich Captain Bolter nicht zu einem Schreibtischjob verdonnert.«

»Keine Chance«, sagte Hunter. »Du bist mein Partner. Wenn ich hinter den Bösen her bin, bleibt dir gar nichts anderes übrig, als mitzukommen.«

Garcia lächelte. »Danke, Robert«, sagte er in ernsterem Ton.

»Schon gut. Ich würde sowieso nicht zulassen, dass Captain Bolter dich am Schreibtisch versauern lässt.«

»Nicht dafür … Ich meine, danke, dass du dein Leben riskiert hast … um meins zu retten.«

Hunter legte seinem Partner die Hand auf die linke Schulter. Keiner sagte mehr etwas. Worte waren nicht notwendig.

Dr. Winston öffnete die Tür zu seinem Autopsieraum im Keller des Rechtsmedizinischen Instituts und bat Captain Bolter herein.

»Und, was haben wir?«, fragte der Captain ohne Umschweife. Wie die meisten Menschen bekam auch er hier unten eine Gänsehaut und wollte am liebsten so schnell wie möglich wieder draußen sein.

»Die Todesursache war eine tiefe Schnittwunde im Bauch mit Verletzungen von Magen, Darm und Bauchaorta in Verbindung mit massiven Blutungen. Als sie sich das Messer in den Bauch stieß, hat sie es von links nach rechts gezogen, ein wenig wie bei dem japanischen Ritual«, erklärte Dr. Winston, während er den Captain zu der Leiche auf dem Seziertisch führte.

»Harakiri?«

»Sozusagen, auf alle Fälle mit demselben Effekt. Sie wusste, dass sie binnen kürzester Zeit tot sein würde. Keine Überlebenschance.«

Sie schauten beide eine Weile schweigend auf die Leiche.

»Nun«, sagte der Captain schließlich, »ich muss zugeben, ich bin froh, dass das alles endgültig vorbei ist.«

»Geht mir ebenso«, erwiderte Dr. Winston lächelnd. »Wie geht es Garcia?«, fragte er, um das Thema zu wechseln.

»Schon besser. Er wird noch etwas Zeit brauchen, aber er wird wieder.«

»Und Hunter?«

»Ist noch ein wenig mitgenommen. Er macht sich Vorwürfe, dass er nicht früher darauf gekommen ist.«

»Verständlich. Der Killer ist ihm sehr nahegekommen, zu nahe, genaugenommen. Sowohl psychisch als auch physisch. Aber ich wüsste keinen anderen Detective, der da lebend herausgekommen wäre.«

»Ich auch nicht«, sagte Captain Bolter. Sein Blick ging zurück zu der Leiche. »Nun, sie ist tot. Eine Woche, und Hunter wird drüber hinweg sein und an seinem nächsten Fall sitzen.«

»Ganz bestimmt. Allerdings, da wäre noch was, weswegen ich Sie überhaupt hergebeten habe.«

Der Captain machte ein gespanntes Gesicht und wartete darauf, dass Dr. Winston fortfuhr.

»Hunter wird den Obduktionsbericht sehen wollen.«

»Und?«

»Ich denke, ich sollte darin eine Änderung vornehmen.«

Captain Bolter warf ihm einen beunruhigten Blick zu. »Weshalb das denn?«

Dr. Winston nahm ein Blatt Papier von seinem Schreibtisch und reichte es dem Captain, der es aufmerksam durchlas. Etwa auf der Mitte der Seite riss er verdutzt die Augen auf.

»Und Sie sind sich sicher?«, fragte er Dr. Winston, während er zu ihm aufblickte.

»Absolut.«

»Wie alt?«

»Der Größe des Embryos nach zu urteilen, nicht älter als vier bis fünf Wochen.«

Captain Bolter fuhr sich mit der Hand durchs Haar, bevor er den Autopsiebericht noch einmal las. »Das ist ungefähr um die Zeit, als sie sich kennenlernten, nicht wahr?«

»Das war auch mein Gedanke«, sagte Dr. Winston.

»Sind Sie sicher, dass es von ihm ist?«

»Nein … das könnte nur ein DNA-Test beweisen. Aber sie lebte nur für ein Ziel. Und sie erscheint mir nicht als der Typ, der ständig Affären hat – nicht, wenn sie ihre gesamte Energie darauf richtet, den Tod ihrer Familie zu rächen und an Hunter heranzukommen.«

Captain Bolter legte den Bericht zurück auf den Schreibtisch. Eine Minute verging in beiderseitigem Schweigen, bevor der Captain weiterredete.

»Es würde Hunter nicht guttun, wenn er davon erführe.«

»Ganz meine Meinung. Das ist das Letzte, was er jetzt brauchen kann.«

»Wer weiß sonst noch davon?«

»Nur Sie und ich.«

»Dann belassen wir es dabei. Streichen Sie es aus Ihrem Bericht«, sagte der Captain bestimmt.

 

»Ich habe gehört, du erhältst eine Belobigung vom Polizeipräsidenten und vom Bürgermeister persönlich«, sagte Garcia, während Hunter sich ein Glas Wasser aus dem Krug neben Garcias Bett einschenkte.

»Du auch.«

Garcia zog überrascht die Augenbrauen hoch.

»Wir sind Partner, schon vergessen? Wir haben diesen Fall gemeinsam bearbeitet.«

Garcia lächelte.

»Nicht schlecht für deinen ersten Fall als Detective beim Morddezernat«, zog Hunter ihn auf.

»Stimmt. Nicht schlecht für jemanden, der in Zukunft durch seine Hände pfeifen kann«, sagte Garcia, bewegte dazu seine rechte Hand vor den Mund vor und zurück und tat, als ob er hindurchpfeifen würde.

Sie brachen in Gelächter aus.

Ein sanftes Klopfen an der Tür ließ sie aufschauen. »Ich habe euer Lachen den halben Gang runter gehört«, sagte Anna, als sie eintrat. »Schön, euch beide fröhlich zu sehen.«

»Das ist es«, sagte Hunter, die Hand auf Garcias Arm gelegt. »Das ist es allerdings.«

Der Kruzifix-Killer
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