56

 

Um fünf Uhr morgens kroch Hunter nach wieder einer quälenden Nacht aus dem Bett. Er hatte nur in unregelmäßigen Intervallen geschlafen, nie länger als zwanzig Minuten, und auch dann nur unruhig. Der doppelte Scotch am Abend hatte zwar ein wenig geholfen, aber nicht genug. Wenn das heute Abend wieder so geht, muss ich eine Ladung Schlafmittel einwerfen, überlegte er. Er saß in der Küche und behandelte seine üblichen morgendlichen Kopfschmerzen mit einem Glas Orangensaft und einer Dosis starker Schmerztabletten.

Er hatte zwar früh loslegen wollen, allerdings nicht schon um fünf. Er wollte wenigstens noch eine Patientenliste erarbeiten, bevor er sich mit Garcia im Dezernat traf. Die Recherchen der letzten Nacht – der Abgleich mit Datenbanken und Fotos – hatten zwar nichts erbracht, doch nach wie vor gab es einige Krankenhäuser und Reha-Zentren, die er abklappern konnte, und er wollte unter allen Umständen eine gewisse Zuversicht bewahren.

Da er voraussichtlich ziemlich viel zu Fuß unterwegs sein würde, war es eine perfekte Gelegenheit, seine neuen Schuhe einzulaufen, überlegte er. Als er sie im Wohnzimmer ausprobierte, fühlten sie sich etwas eng an, doch nach zwei Tagen zu Fuß durch L.A. hätte sich das garantiert erledigt.

Der Besuch bei dem nächsten Krankenhaus auf seiner Liste gestaltete sich genauso zäh wie die vorherigen. Wieder eine winzige Kammer, wieder ein Archivierungssystem, das eigentlich einen Kryptographen erfordert hätte. Warum haben Krankenhäuser Computer, wenn keiner weiß, wie man damit umgeht?, schimpfte er halblaut vor sich hin, als er endlich mit der Liste unterm Arm aufbrach, gerade noch rechtzeitig, um zur vereinbarten Zeit im Dezernat zu sein.

Die Tatsache, dass Garcia nicht an seinem Schreibtisch saß, als Hunter um Viertel nach zehn sein Büro betrat, beunruhigte ihn nicht weiter. Vermutlich war sein Partner gerade unten bei Captain Bolter, um den Bericht des Vortages abzuliefern.

Hunter warf den Umschlag mit der neuen Patientenliste auf seinen Tisch und starrte eine Minute lang auf die Pinnwand mit den Fotos. Zuerst brauchte er noch eine Tasse von diesem brasilianischen Kaffee, bevor er nach unten ging. Jetzt fiel ihm auf, dass Garcia noch keinen gekocht hatte. Seltsam, dachte er, denn das war eigentlich immer das Erste, was sein Partner tat, wenn er ins Büro kam.

Hunter kochte sich den Kaffee selbst.

»Sind das neue Schuhe?«, fragte Detective Lucas, als Hunter das Großraumbüro auf der Hauptetage des Morddezernats betrat.

Hunter ignorierte Lucas’ spöttelnden Ton.

Praktisch sämtliche Köpfe hoben sich neugierig von den Akten oder Computern, über die sie gebeugt waren. Diesen Anblick wollte sich keiner seiner Kollegen entgehen lassen.

»Und ob die neu sind! Ganz der Dandy, was?«, hakte Lucas nach.

»Alle zehn Jahre kaufe ich mir ein Paar neue Schuhe, und dafür muss ich mich aufziehen lassen?«, erwiderte Hunter mürrisch.

Bevor Lucas etwas erwidern konnte, klingelte Hunters Handy.

»Detective Hunter am Apparat …«

»Hallo Robert. Ich habe eine Überraschung für dich. Hast du deinen Partner in letzter Zeit mal gesehen?« 

Der Kruzifix-Killer
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