63

 

Die Tür ging auf, und Hunter wurde in den Raum geschoben, während die Pistole sich weiter in seinen Hinterkopf zu bohren schien.

»Das Stück Scheiße da hab ich draußen beim Rumschnüffeln entdeckt. Die hier hatte er bei sich«, sagte der Mann und warf Hunters Waffe auf den Boden. D-King drehte sich herum.

»Detective Hunter? Was für eine Überraschung.«

»Detective?«, fragte Warren, der Hunter entdeckt und gefangengenommen hatte, verblüfft.

»Was zum Teufel ist denn mit Ihnen passiert?«, fragte D-King, als er Hunters blaugeschlagenes und zerschnittenes Gesicht sah.

»Sehen Sie nicht mich an, Boss«, sagte Warren und hob abwehrend die Hände. »Er war schon so hässlich, als ich ihn aufgegabelt hab.«

Hunter sah sich rasch in dem Raum um. Er war mit batteriebetriebenen, professionellen Filmscheinwerfern erleuchtet, der Boden komplett mit Plastikfolien ausgelegt. Der Metallstuhl, an den die Frau gefesselt gewesen war, stand in der Mitte. An der Wand hinter D-King stand ein kleiner Tisch, auf dem ein Sortiment Messer bereitgelegt war. In einer Ecke des Raums stand eine halbprofessionelle Videokamera auf einem Stativ, dahinter zwei weitere Stühle. Hunter brauchte keine drei Sekunden, um sich zusammenzureimen, was das hier war.

»Ein Snuff-Movie-Set? Echt große Klasse.« Sein Blick fixierte D-King.

»Oh, Sie sind fix«, sagte D-King. Erst dann fiel ihm Hunters ironischer Unterton auf. »Moment mal. Sie glauben doch wohl nicht, dass ich diese perverse Nummer hier betreibe? O nein, Mann.«

Hunters Blick wanderte zu den drei nackten Männern vor der Wand und dann zu Jerome, der mit nacktem Oberkörper dastand. »Dann feiert ihr hier wohl gerade eine kleine Party, was? Kommt ihr schon in Stimmung?«, fragte er mit betont alberner, nasaler Stimme.

»Ach, sind wir heute witzig drauf?«, fragte D-King zurück und spannte den Hahn seiner Waffe. »Was zum Teufel tun Sie hier, Detective?«

»Ich war gerade in der Gegend. Ist einer meiner Lieblingsschuppen hier.«

»In Ihrer Position würde ich nicht unbedingt Witze reißen«, warnte ihn Jerome.

Hunter richtete den Blick erneut auf die drei Männer.

»Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet, Detective«, sagte D-King. »Was zum Teufel machen Sie hier?«

Hunter schwieg.

»Moment mal«, sagte D-King plötzlich und kniff die Augen zusammen. »Du raffinierter Mistkerl. Du wolltest, dass ich die Arbeit für dich erledige, stimmt’s?«

Jerome machte ein verwirrtes Gesicht. »Was?«

»Er wusste, dass ich alles versuchen würde, um die zu kriegen, die Jenny umgebracht haben, also hat er einfach ganz still und leise zugesehen, während wir die Drecksarbeit für ihn erledigt und die Straße abgeklappert haben. Um dann im letzten Augenblick aufzutauchen und den Ruhm für sich einzustreichen.«

»Ganz so war’s nicht«, erwiderte Hunter.

»Nun, dann habe ich schlechte Neuigkeiten für Sie, Detective. Das Mädchen auf Ihrem Computerbild ist nicht Jenny. Nicht euer gestörter Psychokiller hat sie auf dem Gewissen, sondern diese verdammten Drecksäcke hier.« Er deutete auf die drei nackten Männer. »Die haben sie gequält und von vorn und hinten vergewaltigt, bevor sie ihr die Kehle aufgeschlitzt haben. Ich hab’s alles auf DVD.« D-Kings Zorn flammte wieder auf und entlud sich in einem weiteren Gewaltakt gegen den tätowierten Mann. Zum zweiten Mal rammte er ihm seine Waffe in den Unterleib. Hunter sah ungerührt zu.

»Fessle sie an die Stühle«, befahl D-King mit einem Kopfnicken in Richtung Warren.

»Sie sind Polizist, tun Sie doch was«, bettelte der mit der Brille.

»Halt’s Maul«, fuhr Warren den Mann an und schlug ihn gegen den Mund.

»Er hat recht«, sagte Hunter. »Ich kann nicht einfach so zulassen, dass Sie sich hier nach Lust und Laune rächen.«

»Halten Sie sich da raus, Detective. Das hier ist nicht Ihre Show.«

»Dazu mache ich es aber.«

D-King blickte sich mit einem spöttischen Grinsen in dem Raum um. »Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass Sie ein wenig in der Unterzahl sind, Detective? Was glauben Sie wohl, was Sie hier ausrichten können?«

»Und wenn er Verstärkung hat, Boss?«, fragte Jerome.

»Hat er nicht. Die wären sonst längst hier«, sagte D-King und blickte Hunter herausfordernd an.

»Fessle sie«, befahl D-King erneut.

Ein paar Minuten später saßen die drei nackten Männer in der Mitte des Raums gefesselt auf den Metallstühlen.

»Hören Sie, Sie haben noch nichts Falsches getan«, versuchte es Hunter noch einmal und ging einen Schritt auf D-King zu. »Noch ist das Ganze nicht eskaliert. Lassen Sie mich die Kerle mitnehmen. Lassen Sie das Gesetz mit ihnen abrechnen. Die werden im Gefängnis verrotten.«

»Wenn ich Sie wäre, würde ich mich nicht vom Fleck rühren«, sagte Warren und richtete seine Waffe auf Hunter.

»Und wenn ich Sie wäre, würde ich mich da raushalten«, knurrte Hunter ihn an. »D-King, mir ist klar, dass Sie aufgebracht sind wegen dem, was sie Jenny angetan haben, aber wir können das Ganze hier auf eine saubere Art lösen.«

D-King lachte laut auf. »Ich fürchte, ›aufgebracht‹ trifft es nicht ganz. Und das hier ist die sauberste Art. Jetzt mal im Klartext, Detective Hunter. Das Gesetz wird die davonkommen lassen, das wissen Sie genauso gut wie ich. Die werden sich mit irgendwelchen beschissenen juristischen Tricks rauswinden, wie sie es immer tun. Wenn Sie die hier festnehmen wollen, dann müssen Sie uns auch festnehmen, und das wird nicht passieren, Baby. Tut mir leid, aber wir kümmern uns auf unsere Weise um die.«

»Ich kann nicht einfach danebenstehen und zusehen, wie Sie diese Leute umbringen.«

»Dann machen Sie die Augen zu. Sie sollten sowieso nicht hier sein. Diese Leute entführen, vergewaltigen und töten Frauen aus Profitgier.«

Hunter antwortete mit einem nervösen Lachen. »Und das sagen ausgerechnet Sie?«

»He, Moment mal, Sie wollen mich doch wohl nicht mit diesem Abschaum hier in einen Topf werfen? Ich zwinge keines meiner Mädchen zu dem Job, den sie machen. Und ich zwinge auch niemanden, sie zu mieten. Was die Kerle hier tun, ist einfach nur krank. Sehen Sie sich doch mal in diesem Drecksloch hier um. Wollen Sie das mit dem gleichsetzen, was ich mache?«

Auf einmal ging, völlig überraschend für alle, die rückwärtige Wand auf. Ein großer, kahlrasierter Mann mit je einer Desert-Eagle-.50-Pistole in jeder Hand stand plötzlich in der entstandenen Öffnung. Seine Augen waren aufgerissen, die Pupillen geweitet, die Nasenlöcher gerötet. Auf seinem Gesicht lag ein irrer, mörderischer Ausdruck.

Niemandem blieb Zeit zu reagieren. Ein Kugelhagel ging über den Raum nieder. Hunter warf sich auf den Boden und versuchte, an seine Pistole zu kommen.

Die Schüsse hatten weder Ziel noch Richtung. Einer der Filmscheinwerfer explodierte mit einem ohrenbetäubenden Krach. Durch den Lichtblitz waren alle einen Sekundenbruchteil lang geblendet. D-King duckte sich instinktiv, Kugeln verfehlten seinen Kopf nur um Millimeter und schlugen hinter ihm in die Wand ein. Warrens qualvoller Aufschrei war zu hören, und sein massiger Körper sank zu Boden. Er hielt sich beide Hände vors Gesicht, und Blut rann zwischen seinen Fingern hindurch.

Jerome stand da wie ein furchtloser Soldat im Angesicht des Todes. Er drückte den Abzug seiner Maschinenpistole durch, und seine Salve fand ihr Ziel mit militärischer Präzision. Der Körper des Angreifers bäumte sich unter den einschlagenden Kugeln auf und taumelte in das verborgene Zimmer zurück, aus dem er aufgetaucht war. Die Wucht der Kugeln war so heftig, dass sie ihm fast die Beine vom Oberkörper trennte. Das Ganze hatte nicht einmal zehn Sekunden gedauert.

Als die Schüsse verebbten, hallten nur noch die angsterfüllten Schreie der drei gefesselten nackten Männer durch den Raum. Wie durch ein Wunder waren sie alle unversehrt.

»Maul halten, ihr Scheißkerle«, brüllte Jerome sie mit überdrehter Stimme an und richtete seine Uzi auf sie.

»Chill, Nigga«, schrie D-King und richtete seine Waffe auf die neu entstandene Öffnung in der Wand. »Von denen haben wir nichts zu befürchten. Durchsuch ihn«, wies er Jerome an und wies mit dem Kopf auf den nahezu verstümmelten Angreifer.

Warren krümmte sich am Boden. Seine Hände und sein Hemd waren voller Blut.

Hunter war ebenfalls wieder auf den Füßen und hatte seine Waffe im Anschlag. »Okay, ihr legt jetzt alle schön die Waffen ab.«

D-Kings Gewehrlauf richtete sich sofort auf Hunter, der von Jerome ebenso. »Lassen Sie doch jetzt diesen Mist, Detective. Womöglich verstecken sich da hinten noch mehr Leute. Ich habe nichts gegen Sie, noch nicht jedenfalls, aber wenn es sein muss, knalle ich Sie über den Haufen wie einen räudigen Hund. Sie sind hier immer noch in der Unterzahl, denken Sie dran.«

Hunter zielte noch immer auf D-King. Der Abzugsmechanismus seiner Wildey-Survivor-Pistole war leichter eingestellt als normal. Diese Tatsache, und das Wissen, dass der durchschnittliche Abzugswiderstand einer Doppelflinte ungefähr um 250 Gramm schwerer war als bei den meisten Pistolen, bedeuteten, dass Hunter seinen Schuss wenigstens eine Sekunde schneller abgeben konnte als D-King. Jerome mit seiner Uzi dagegen stellte ein größeres Problem dar. Allerdings waren die beiden nicht seine Gegner. Hunter hatte wahrlich kein Interesse daran, noch eine Schießerei zu beginnen. Und vor allem hatte er kein Interesse daran, sich wegen dieser drei nackten Mistkerle da erschießen zu lassen. Er senkte den Lauf seiner Waffe.

»Okay, sichern wir erst einmal dieses Dreckloch.«

»Warren, was ist los mit dir, Junge? Bist du getroffen?«, rief D-King, ohne sein ursprüngliches Ziel aus den Augen zu lassen.

Warren stöhnte auf wie ein verwundetes Tier, ein Zeichen, dass er noch lebte.

»Der hier ist tot«, verkündete Jerome, der zu dem leblosen Körper des Angreifers in der Türöffnung getreten war.

D-King wandte sich an die drei gefesselten Männer. »Stecken da noch andere, wo dieser Motherfucker herkam?«

Keine Antwort.

»Ist noch jemand in dem Raum da?«, fragte er und drückte dem tätowierten Kerl den Lauf seiner Waffe an den Kopf.

»Nein.« Die Antwort kam von dem kleinsten der drei.

D-King gab Jerome, der eben ein neues Magazin in seine Maschinenpistole einlegte, ein Zeichen, und der Leibwächter trat in den angrenzenden Raum. »Alles sauber hier«, ertönte wenige Sekunden später sein Ruf.

»Ich muss nach Warren sehen. Jerome, du hältst Hunter in Schach.«

Jerome drehte sich wieder zu ihnen um und richtete seine Maschinenpistole auf Hunter, der die Freundlichkeit erwiderte.

D-King legte seine Waffe auf den Boden und kniete sich neben Warren.

»Okay, lass mal sehen, Mann. Nimm die Hände weg.«

Widerwillig löste Warren die Hände von seinem Gesicht. D-King wischte mit seinem Hemd das Blut etwas ab, um Genaueres erkennen zu können. Er entdeckte zwei Schnittwunden in der Haut, eine auf der Stirn, die andere an der linken Wange.

»Keine Einschüsse«, stellte D-King fest. »Du bist nicht getroffen. Sieht nach Splittern von der Wand aus. Das überlebst du.« Er zog sein Hemd aus und drückte es Warren in die Hand. »Hier, halt das auf die Wunden.«

»Boss, das sollten Sie sich mal ansehen.«

Etwas an Jeromes Ton beunruhigte D-King.

»Was denn?«

»Das müssen Sie selbst sehen.«

Der Kruzifix-Killer
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