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Seit mehreren Tagen klapperten sie nun schon ergebnislos die Bars und Clubs ab. Santa Monica hatten sie bereits komplett durch, inzwischen versuchten sie es in Long Beach, doch überall war das Resultat dasselbe. Auch sonst traten sie mit ihrer Untersuchung auf der Stelle. Genau wie bei den ursprünglichen Kruzifix-Morden war es ihnen auch bei den neuen bisher nicht gelungen, eine Verbindung zwischen den Opfern herzustellen. Zwar bestand die Möglichkeit, dass Jenny Farnborough und George Slater sich von einer Sex-Party gekannt hatten, doch noch immer war das erste Opfer nicht zweifelsfrei identifiziert. Niemand konnte bestätigen, dass die gesichtslose Frau tatsächlich Jenny Farnborough war. Garcia versuchte noch immer vergeblich, ihre Familie in Idaho oder Utah ausfindig zu machen. Außer Vermutungen hatten sie bisher nichts vorzuweisen, und Captain Bolter hasste Vermutungen. Er wollte Fakten.

Mit jedem Tag, der ergebnislos verstrich, wuchs außerdem die Wahrscheinlichkeit, dass wieder ein Anruf kam – und mit ihm ein neues Opfer. Alle verloren allmählich die Geduld, einschließlich des Polizeichefs. Er verlangte Resultate von Captain Bolter, und der wiederum verlangte Resultate von seinen beiden Detectives.

Die Untersuchung zehrte an ihrer aller Nerven. Garcia hatte Anna in den letzten paar Tagen kaum gesehen. Hunter hatte ein paarmal mit Isabella telefoniert, doch eine Gelegenheit für ein Date gab es nicht. Ihnen lief die Zeit davon, und sie wussten es.

Hunter traf früh im Morddezernat ein und fand wieder einmal Garcia am Schreibtisch vor.

»Es gibt was Neues«, sagte Garcia, als Hunter zur Tür hereinkam.

»Sag mir was Erfreuliches. Sag mir, dass jemand unser Phantom erkannt hat.«

»Nun, es sind zwar gute Neuigkeiten, aber nicht so gut«, erwiderte Garcia ein wenig gedämpfter.

»Na gut. Was ist es?«

»Dr. Winston hat mir eben das Ergebnis der DNA-Analyse des Haars geschickt, das wir in George Slaters Wagen gefunden haben.«

»Na endlich, und?«

»Es gab keine DNA, weil das Haar keine Hautfollikel aufwies.«

»Es ist also nicht von selbst ausgefallen. Es wurde abgeschnitten.«

»So ist es.«

»Das heißt, wir haben gar nichts?«, fragte Hunter.

»Doch, doch. Es gab Chemikalien an dem Haar, anhand derer das Labor ermitteln konnte, woher das Haar stammt.«

»Nämlich?«

»Es ist europäisch.«

»Von einer Perücke?« Hunter riss überrascht die Augen auf.

»Woher weißt du, dass europäisches Haar Perücken-Haar ist?«

»Ich lese viel.«

»Ah ja, stimmt. Das hatte ich vergessen«, sagte Garcia mit einem sarkastischen Nicken. »Also, wenn wir Kunsthaar mal außen vor lassen, dann sind die qualitativ hochwertigsten Perücken, die man kaufen kann: Echthaar, Humanhaar und europäisches Haar. In der Perückenindustrie beziehen sich die Bezeichnungen Echthaar und Humanhaar meist auf Haare asiatischer Herkunft, das behandelt, gebleicht und neu gefärbt wird, um europäischen Haarfarben zu ähneln. Dieser Vorgang schädigt zwar die Haarstruktur, aber dafür sind solche Perücken kostengünstig und überall zu kaufen.«

»Aber europäisches Haar«, fuhr Hunter fort, »ist nahezu unbehandelt. Es kommt hauptsächlich aus Osteuropa. Die Haare werden nicht gefärbt, sondern nur mit einem hochwertigen Conditioner gegen Abnutzung geschützt. Damit kommen solche Perücken natürlichen Haaren am allernächsten.«

»Stimmt genau. Aber dafür kosten die Dinger auch entsprechend.«

»Kann ich mir vorstellen. Von wie viel reden wir hier?«

»Halt dich fest: Unter viertausend Dollar geht da gar nichts.«

Hunter pfiff durch die Zähne, während er sich setzte.

»Eben. Diese Perücken werden nur auf Bestellung gefertigt. Die Anfertigung dauert ein bis zwei Monate, und das heißt, wer auch immer so eine bestellt, muss eine Adresse hinterlassen«, sagte Garcia mit einem triumphierenden Lächeln. »Es kann nicht so viele Geschäfte in Los Angeles geben, die europäische Echthaarperücken verkaufen.«

»Catherine?«

»Was?«

»Hast du Catherine Slater schon gefragt? Vielleicht trägt sie Perücken. Das tun viele Frauen heutzutage. Und leisten könnte sie sich so etwas definitiv auch.«

»Nein, noch nicht.« Garcias Enthusiasmus erlitt einen Dämpfer. »Ich kümmere mich gleich darum. Aber wenn sie keine Perücken trägt, wäre es dann nicht einen Versuch wert, sämtliche Perückenhersteller in Los Angeles, die europäische Echthaarperücken anbieten, zu kontaktieren?«

Hunter kratzte sich am Kinn. »Ja, wäre einen Versuch wert. Auch wenn ich fürchte, unser Killer ist zu schlau dafür.«

»Zu schlau wofür?«

»Du sagtest, die Perücken werden auf Bestellung gefertigt.«

»Genau.«

»Aber ich wette, die Perückenmacher haben auch ein oder zwei fertige im Laden, als Ausstellungsstücke sozusagen. Unser Killer wäre nicht so dumm, eine Perücke zu bestellen und eine Fährte aus Papierkram zu hinterlassen. Er würde einfach das nehmen, was der Perückenmacher gerade dahat, bar bezahlen, und wieder verschwinden. Er kauft die Perücke ja nicht aus ästhetischen Überlegungen, also dürfte ihm vermutlich jede recht sein.« Hunter stand auf und ging hinüber zur Kaffeemaschine. »Und da ist noch was.«

»Ja?«

»Das Internet«, sagte Hunter.

Garcia runzelte die Stirn.

»Das Internet hilft uns zwar oft, aber gleichzeitig erschwert es uns auch die Arbeit«, führte Hunter aus. »Vor ein paar Jahren noch hätten wir einfach sämtliche Perückenmacher aufgesucht, und mit ein bisschen Glück wären wir fündig geworden, aber heutzutage …« Er goss sich eine Tasse Kaffee ein. »Heutzutage kann der Killer sich diese Perücke übers Internet aus jedem beliebigen Land der Welt bestellen, und in nicht mal einer Woche hat er sie in Händen. Er hätte sie aus Japan oder Australien kommen lassen können, oder direkt aus Osteuropa.« Hunter schwieg einen Moment, als ihm noch ein Gedanke kam. »Und dann gibt’s auch noch eBay, wo er sie von einem privaten Verkäufer bezogen haben könnte, ohne eine Spur zu hinterlassen. Dieser Kerl ist zu clever, um irgendwo seinen richtigen Namen und Adresse zu hinterlassen.«

Garcia musste zugeben, dass Hunters Einwände berechtigt waren. Jeder halbwegs clevere Mensch konnte heutzutage nahezu alles übers Internet erwerben und dabei so geringe Spuren hinterlassen, dass sie kaum zu entdecken waren. Man musste nur wissen, wo man einkaufen musste.

»Vielleicht haben wir ja Glück. Vielleicht hat er sich sicher gefühlt und doch eine Perücke in einem Laden bestellt«, sagte Garcia zuversichtlich.

»Möglich. Wir sollten nichts ausschließen. Wir überprüfen die Perückenmacher auf alle Fälle.«

»Ich will ihm wenigstens einen Schritt näher kommen, bevor er das nächste Foto zu dieser verdammten Pinnwand liefert«, sagte Garcia und deutete auf die Bilder.

Hunter richtete den Blick auf die Fotos und blieb eine Weile reglos stehen.

»Ist irgendwas?«, fragte Garcia nach einer Minute Stille. »Du blinzelst ja nicht einmal.«

Hunter hob die Hand, um Garcia einen Moment Einhalt zu gebieten. »Hier fehlt was«, sagte er schließlich.

Garcia drehte sich ebenfalls zur Pinnwand. Sämtliche Fotos hingen da. Nichts war verändert worden, da war er sich ganz sicher.

»Was soll denn fehlen?«

»Ein Opfer.«

Der Kruzifix-Killer
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