Kapitel 8
Thanasis wandte der Stufenpyramide den Rücken zu und betrachtete den Torques in seiner Faust. Er spürte die Macht des Sidaji-Artefakts in seinen Fingern summen.
Zeit, in den Tempel zurückzukehren.
Er machte sich mit langen Schritten auf den Weg, versuchte die Entfernung zum Treffpunkt möglichst rasch zu überbrücken. Tief in Gedanken versunken, war die Stille das Erste, was er wahrnahm. Kein Vogel, kein Affe ließ einen Laut von sich hören.
Als ob der ganze Wald den Atem anhält.
Ein Dröhnen und Brummen aus großer Höhe wurde lauter und lauter. Er versuchte, zwischen dem Laub und den Ästen des Waldes einen Blick auf den Himmel zu erhaschen, doch das war schwieriger, als er gedacht hatte. Dann sah er die dunkle Form und kurz darauf zog ein gewaltiger Schatten über ihn hin.
Was war das? Es zieht in Richtung Iidrash!
Thanasis schlang seine Tasche fester um die Schulter und rannte in Richtung des Strandes, den sie als Treffpunkt vereinbart hatten. Seine Hufe hämmerten auf die harte Oberfläche der Straße und er sprang in weiten Sätzen über jedes Hindernis. Er strauchelte nicht, doch seine Gedanken rasten und überschlugen sich. Sorge um Kassandra füllte sein Herz, ließ ihn ängstlich werden.
Reiß dich zusammen! Was kann das gewesen sein? Es kam aus großer Höhe und sank allmählich tiefer, jedenfalls hatte ich diesen kurzen Eindruck.
Kukulkan? Er wollte zur Flammengrube kommen und ist ohnehin überfällig …
Thanasis beruhigte diese Annahme ein wenig, doch er hatte das Gefühl, sich beeilen zu müssen. Sich keine Pause gönnend, rannte er weiter, den Blick stets zum Himmel gewandt. Falls er zufällig einen der Kraindrachen erblicken sollte, wollte er versuchen, ihn herbeizurufen und sofort nach Idrak aufzubrechen. Doch das Glück war ihm nicht hold. Dank seiner immensen Ausdauer lief er ununterbrochen und gelangte schließlich an den Strand. Sofort sah er zum Horizont, doch es war keine Spur von dem fliegenden Objekt zu erkennen. Er war etwas vom Kurs abgewichen und musste noch eine Weile laufen, um den Punkt zu finden, an dem die alte Sidaji-Straße vom Strand in den Schatten des Vulkans führte. Als er dort eintraf, sah er bereits zwei Gestalten, winzige Punkte nur, am entfernten Ende des endlosen Gestades der Insel entlangeilen. Es konnte sich nur um Mehmood und die Sjögadrun handeln.
Thanasis blickte zum Himmel hinauf, als er den Schrei eines Kraindrachen hörte. Erleichtert atmete er auf, als er den blauen Horuuth erkannte, der sich seit der Schlacht beim Thronsaal der Sidaji gut erholt hatte. Kurz darauf sah er Muirmag, der weit entfernt am Strand landete, offenbar, um Mehmood und Julana aufzunehmen.
Er winkte Horuuth, der sich nun herabsinken ließ und neben Thanasis landete.
»Hast du das fliegende Ding gesehen?«
»Nein. Aber einen alten Gott, er fliegt hoch und langsam, trägt eine große Bürde.«
»Dann ist es also Kukulkan?«
»Der Gott der Sidaji.«
»Lass uns nicht mehr zögern. Auf nach Idrak!«
Er sprang in den Sattel und Horuuth katapultierte sie mit kräftigen Schlägen in den Himmel hinauf. Er flog einige Schleifen, denn Muirmag folgte ihnen nicht.
»Lass uns mal nachsehen, wo das Problem ist!«
Horuuth überflog Muirmags Landeplatz. Es war offensichtlich, dass Mehmood und Julana stritten.
»Auch das noch. Er soll das verfluchte Weibsstück einpacken oder zurücklassen und endlich starten, verdammt nochmal!«
Thanasis war ungeduldig, denn er wollte sofort zurück nach Idrak. Er atmete tief ein und besann sich jedoch eines Besseren. Womöglich konnte er den Konflikt beilegen. Er bat Horuuth zu landen und sprang aus dem Sattel, sobald der Kraindrache seine Flügel anlegte. Die Worte der Streitenden drangen in der Hochsprache der Frostreiche zu ihm.
»Ich werde nicht mit nach Idrak kommen! Ich bin lange genug Gefangene gewesen! Glaubst du wirklich, ich lasse das nochmal mit mir machen?«
Julana entfernte sich einige Schritte und musterte Thanasis ängstlich.
»Julana! Aber du kannst nicht hierbleiben! Niemand wird dich in einen Kerker werfen oder dich zu irgendetwas zwingen - wir haben einen Pakt geschlossen. Hilf mir, Wira zu besiegen!«
»Diese Diskussion findet zu einem ungünstigen Zeitpunkt statt«, warf Thanasis ein.
»Ungünstiger Zeitpunkt? Soll ich warten, bis ich in Ketten liege?«
Mehmood verschränkte die Arme. »Ich werde nicht ohne dich gehen!«
Thanasis seufzte. »Beweg deinen Hintern in den Sattel oder ich lege dich höchstpersönlich in Ketten, verflucht nochmal! Wir haben es eilig!«
Julana rannte fort.
»Warte hier!«, sagte Thanasis seufzend und rannte Julana hinterher. Er hatte sie in weniger als einer halben Minute eingeholt und packte sie. Sie wollte einen Zauber wirken, aber er hielt ihr einfach die Hand vor den Mund und trug sie mit sich. Sie erstarrte in seinen Armen. Thanasis nahm seine Hand von ihrem Mund, langsam.
»Lass mich runter!«, kreischte sie sofort.
Er setzte sie ab und hielt sie am Arm fest. »Du bist nicht bei Sinnen, wenn du allein auf Loros bleiben willst. Früher oder später werden Maschinenwächter hier ihr Unwesen treiben.«
»Ich werde nie wieder meine Freiheit aufgeben!«, schrie Julana ihn an.
Thanasis musterte sie überlegend, als Mehmood zu ihnen kam. »Mehmood? Du bist jetzt der Herr des Schwarzen Labyrinths. Damit gehen neben all den Verpflichtungen auch ein paar Privilegien einher. Du darfst verschiedene Posten vergeben, einer davon ist der deines persönlichen Leibwächters. Ich hatte nie einen, weil ich keinen brauchte. Dein Leibwächter ist offiziell im Range eines Tempelwächter-Hauptmanns und untersteht nur den Befehlen von sehr wenigen.«
Er sah Julana in die Augen. »Willst du dem Orden Treue schwören und Leibwächter des Herrn des Schwarzen Labyrinths werden?«
Julana lachte. »Ich? Eine Sjögadrun?«
»Du wärst nicht die Erste, Jenara und die Tjolfin haben es dir bereits voraus.«
»Unsere Gottkaiserin? Das ist ein Scherz!«
»Ist es nicht. Sarinaca hat sie persönlich gut gekannt. Charna ist ihr Patenkind.«
Julana warf Mehmood einen undeutbaren Blick zu. »Ich habe davon gehört. Das ist alles so lange her, dass niemand sich daran erinnern kann.«
»Doch. Ich zum Beispiel. Und eine Menge anderer Leute, die du alle kennenlernst, wenn du dem Orden die Treue schwörst. Also?«
»Ich soll was?«
»Überleben.«
Thanasis ließ ihren Arm los.
Julana schluckte und warf Mehmood einen Blick zu. » Wenn mich das davor bewahrt, im Kerker zu landen und diesem verfluchten Land voller Maschinen zu entfliehen … was soll‘s - ich schwöre dem Orden die Treue. Reicht das?«
»Es muss. Auf geht`s!«
Thanasis ging zurück zum Strand und machte ein paar ungeduldige Bewegungen mit der Hand. »Nun kommt schon, der Orden wartet!«
Julana und Mehmood sahen sich einen Augenblick an. Julana zögerte noch. Der Getaltwandler sagte etwas zu ihr, dass Thanasis nicht hörte und seine neue »Leibwächterin« schien sich einen Ruck zu geben.
»Ich werde das noch bereuen«, sagte sie, als sie an Thanasis vorbeiging und ihren Rucksack aufhob.
Mehmood nickte ihm dankbar zu und Thanasis schüttelte den Kopf.
Leibwächterin! So ein Humbug. Hauptsache wir kommen los.
Er behielt seine Gedanken natürlich für sich, denn er war froh, dass sie endlich aufbrachen. Die zierliche Julana passte problemlos hinter Mehmood in den Sattel und Muirmag warf ihr nur einen kurzen Blick zu.
»Habt ihr diese Dinger am Himmel gesehen?«
Mehmood antwortete aufgeregt. »Verdammt ja! Was war das?«
»Es muss Kukulkan gewesen sein, der Gott der Sidaji, dessen Rückkehr Charna bereits erwartete.«
Julana machte ein erstauntes Gesicht. »Heißt es nicht, die Welt wird enden, wenn Kukulkan Kabal betritt?«
Thanasis warf die Stirn in Falten. »Wer sagt das?«
»Ein altes Gedicht. Mehr eine Art Kinderreim. Ich habe vergessen, wie er geht, aber jedes Kind in den nördlichen Frostreichen kennt ihn.«
»Wir brechen sofort auf! Kraindrachen fliegen schnell, fall nicht runter!«, sagte Thanasis zu Julana und ignorierte ihre Grimasse.
Sie waren geschwind in der Luft und auf direktem Kurs nach Idrak, als ein gewaltiger Laut wie von einer unwahrscheinlichen Explosion zu hören war. Ein Leuchten am Himmel reflektierte ein Licht, das hell genug war, um die Zwillingssonnen zu überstrahlen. Wenig später stieg eine gigantische Rauchwolke am Horizont auf, die sich bis weit hinein in den Himmel verteilte und Iidrash in Dunkelheit tauchte. Wetterleuchten setzte ein.
Die Kraindrachen zuckten zusammen und schrien laut auf.
Mehmood und Thanasis wechselten keine Worte, nickten sich zu und duckten sich tiefer in den Sattel. Julana klammerte sich an Mehmood fest. Sie mussten die Drachen nicht anspornen, denn sie flogen nach diesem Ereignis so schnell sie konnten. Etwas schien sie mit großer Furcht zu erfüllen. Gleichwohl verfügten sie nicht über die Macht des großen Kraindrachens Sora, den Cendrine zu reiten pflegte und sie benötigten viele Stunden für die Wegstrecke. Erst am Abend überflogen sie die Wüste nordwestlich von Idrak. Unter ihnen lagen metallene Gerippe wie von riesenhaften Walen im Wüstensand. Thanasis ahnte, dass es sich um die Überreste eines Sternenschiffes handeln mochte, dass Kukulkan mit sich gebracht hatte.
Er verschwendete keinen weiteren Gedanken daran, denn die Stunden voller Sorge, die er hinter sich hatte, ließen nur noch wenig anderes als Hoffnung zu. Sie flogen näher an die Rauchwolke heran, die über dem Tal von Idrak lag, und Thanasis Herz fing an zu rasen, als er die Sorge um Kassandras Leben nicht mehr vor sich leugnen konnte.
Wo bist du? Wo kann ich dich finden?
Er versuchte seine gesamte Willenskraft darauf zu konzentrieren, dass sie seine Gedanken hörte, doch er wusste gleichzeitig, dass ihm dies nicht gelingen würde. Sie überflogen die Tempelstraße, auf der immer mehr verendete Tiere und jetzt auch Menschen sichtbar wurden. Endlich sahen sie einen Trupp von Soldaten in Richtung des Tempels eilen, als ihre Aufmerksamkeit durch die plötzlich aufgeregten Kraindrachen gefordert wurde. Sie schrien auf, Klagelaute ausstoßend, die mehr als jedes Wort sagen konnten. Als Thanasis seinen Blick zum Berg Idrak lenkte, dachte er zunächst, der Schatten der Rauchwolken hätte den Tempel eingehüllt. Fassungslos starrte er auf den schwarzen Fleck der Finsternis, der seine Stelle eingenommen hatte. Sein Verstand weigerte sich, die Fakten anzuerkennen, die seine Augen ihm boten.
Idrak ist vernichtet … fort. Das kann nicht wahr sein! Kann einfach nicht …
Sie überflogen den Krater schweigend. Thanasis Augen trübten sich und er schüttelte fortwährend den Kopf. Mehmood musste mehrmals zu ihm herüberschreien, bis er sich in der Lage sah, seinen Blick von der Zerstörung abzuwenden.
»Die Soldaten! Wir müssen sie befragen!«
Thanasis nickte. Die Kraindrachen schossen bereits zurück ins Tal und fanden bald den Trupp. Es handelte sich um rund zwanzig Tempelwächter, die erschöpft und größtenteils auch verletzt waren. Viele hatten Brandwunden und Verbände, ihre Rüstungen waren angeschmort und zerschlagen.
Thanasis eilte auf sie zu. Ein Hauptmann mit leerem Blick trat ihm gegenüber. Der Mann wirkte wie eine Statue. Jegliches Gefühl war aus ihm gewichen. Erst als er Thanasis erkannte, leuchteten seine Augen auf.
»Mein Herr Thanasis! Auch Ihr habt überlebt!«
Thanasis Herz krampfte sich zusammen.
»Mein Frau?«
»Lebt!«
Thanasis wandte sich ab und schloss die Augen, Tränen liefen seine Wangen herab. Er wischte sich mit einer ungelenken Bewegung über das Gesicht und tat so, als würde er die Zerstörung begutachten.
»Was, im Namen Sarinacas, ist hier geschehen?«
»Ein MA-Reaktor wurde von einem Eindringling sabotiert und explodierte. Unsere Hohepriesterin …«
Thanasis drehte sich langsam um. Er sah dem Mann in die Augen.
»Sprich endlich!«, grollte Thanasis.
Der Soldat nahm Haltung an. »Der Gott der Sidaji erschien kurz vor der Explosion. Wir nahmen zunächst an, er wäre dafür verantwortlich. Doch er hat vielen das Leben gerettet, die seine Unschuld bezeugen können. Er hat den verbrannten Leib der Hohepriesterin, die sich bei der Explosion tief in Idrak befunden haben muss, aus dem Krater geborgen. Sie befinden sich bei der Flammengrube. Eure Frau, der Herr von Garak Pan, die Herrin der Dunklen Flamme und viele mehr. Mikar hat die Überlebenden teleportiert und auf die Tempel in Iidrash verteilt, damit die Heiler sich um sie kümmern können. Wir haben den Auftrag, nach weiteren Überlebenden zu suchen. Aber wir haben keine große Hoffnung … so viele. Ist es das Ende der Welt?«
Thanasis starrte den Mann an. Er dachte an die zerstörte Welt, die er Stunden zuvor noch besucht hatte. Idrak unterschied sich nicht mehr von dem toten Ödland, das er dort gesehen hatte. Er behielt seine Gedanken für sich.
»Noch nicht. Noch können wir kämpfen! Kopf hoch, Soldat! Irgendwo liegt jemand und wartet auf deine helfende Hand! Fahrt mit eurer Suche fort! Ihr alle, los!«
Der Trupp setzte sich wieder in Bewegung.
Julana schwieg fassungslos und Mehmood sah ihnen hinterher. »Die Hohepriesterin ist nicht mehr?«
»Das hat er nicht gesagt! Wir müssen sofort zum Kloster!«
Sie eilten in die Sättel und die Kraindrachen warfen sich in die Luft. Mit kräftigen Schlägen flogen sie die Steilhänge der umliegenden Bergrücken hinauf und waren bald über dem Hochplateau, auf dem die Flammengrube und das Kloster lagen. Sie sahen die Laternen und erleuchteten Fenster des kleinen Städtchens Kustak, das ein altes Weingut beherbergte, und erreichten die Terrassen des Klosters. Es lag weit über dem Tal, nur über einen bronzenen Fahrstuhl oder im Flug erreichbar. Die Feuer in der Flammengrube, zentraler Ort des ausgedehnten Komplexes und umgeben von Säulen und Wandelgängen, brannten lichterloh. Viele Priesterinnen waren anwesend. Thanasis sprang aus dem Sattel, kaum dass Horuuth zur Landung ansetzte. Er eilte auf die versammelte Menge zu, die seine Ankunft bemerkte. Eine Gestalt löste sich daraus, hob sich wie ein Schattenriss gegen die rotleuchtende Flammengrube ab. Die Gestalt rannte auf ihn zu und fiel ihm um den Hals. Er brauchte einige Sekunden, bis er endlich begriff, dass er Kassandra in den Armen hielt. Er hielt sie so fest, dass sie ihn ermahnte, sie nicht zu zerquetschen.
»Ich war krank vor Sorge!«
Kassandra streichelte ihm lächelnd über eine Wange. »Kukulkan und Charna haben uns gerettet. Es geht ihr nicht gut.«
Thanasis warf einen besorgten Blick auf die Flammengrube. Sie gingen Hand in Hand hinab, bis sie zu den Stufen gelangten, die tief hinein in das Feuer führten.
»Es ist niemand da, der näher herankommt. Es ist gut, dass du da bist!«
Thanasis starrte in die infernalische Glut und erkannte schwach eine Form, die darin schwebte. Charna hatte Arme und Beine angezogen wie ein Neugeborenes. Eine eiförmige Hülle aus Flammen schimmerte um sie herum.
»Wer hat sie da hineingebracht?«
»Kukulkan.«
»Ich werde sehen, wie es ihr geht.«
Thanasis ließ Kassandras Hand los, legte seine Sachen ab und ging nackt langsam die Stufen der langen Treppe hinab. Es war eine halbe Ewigkeit her, dass er mit dem Feuer in Kontakt gekommen war. Die Flammen umfingen ihn, umspielten seine Haut. Er spürte die Hitze nicht, doch seine Müdigkeit, seine Sorgen fielen von ihm ab. Eine gelassene Heiterkeit breitete sich in ihm aus, seine Nackenmuskeln, unbewusst verkrampft, lösten sich. Er atmete tief ein und aus, fühlte eine große Ruhe in sich.
»Du bist lange fort gewesen, Thanasis.«
Er sah auf, verwirrt. Die Stimme war in seinem Kopf erklungen. Niemand wäre auch in der Lage, das Fauchen und Rauschen der Flammen mit Stimmgewalt zu übertönen.
»Wer spricht da?«
»Ich.«
»Das Feuer?«
»Es wird Zeit, dass wir ein Wort miteinander wechseln. Du hast seit langem in meinem Namen gedient. Die Ereignisse der letzten Monate haben dich vom Orden entfremdet. Das bringt dich in eine einmalige Lage. Ich benötige einen Agenten. Einen Vertreter meines Willens. Ich brauche dich!«
»Wie kann ich Gewissheit erlangen, wahrlich mit dem Feuer zu sprechen? Dies könnte eine Täuschung sein.«
»Sieh!«
Charnas Gestalt regte sich. Thanasis sah, dass sie keine Haare mehr hatte. Ihre Haut war makellos, doch sowohl ihre Tätowierungen als auch ihr Pentacut waren verschwunden und ihre Augen waren vollkommen rot geworden, als ob das Feuer selbst darin brannte.
»Ich werde zurückkehren, Thanasis! Vertraue dem Feuer! Es heilt mich und es wird alles tun, um Kabal nach dem Untergang wiederzuerrichten. Ja. Der Untergang ist unvermeidbar. Wie der Phönix aus der Asche muss Kabal verbrennen, bevor es wiedergeboren werden kann. Die Maschinenwächter sind auf dem Weg hierher. Du musst sie bekämpfen und dich für die Endschlacht wappnen, wenn die Subrada nach Kabal kommen.«
»Wie soll ich das allein schaffen?«
»Du bist nicht allein! Mächtige Freunde kämpfen an deiner Seite. Am Ende, wenn alles aussichtslos erscheint, werde ich zurückkehren! Ich bin die Hoffnung, Thanasis!
Ich bin ewig.«
Charnas Gestalt krümmte sich und zog sich zusammen, wurde nunmehr gänzlich von der flammenden Schale verhüllt, die sich um sie gebildet hatte.
»Höre deinen Namen, Thanasis! Du bist fortan der Meister des Infernos! Deine Feinde werden vor dir niederknien, deine Freunde werden deinen Rat schätzen, aber am Ende wirst du unterliegen. Du wirst Kabal zu seinem Untergang führen und dadurch seine Wiedergeburt ermöglichen! Empfange deine neue Macht - es ist wird die schwerste Bürde sein, die du jemals getragen hast!«
Thanasis wurde von einem Geysir aus Flammen emporgeschleudert. Sein Leib verbrannte und wurde neu geboren. Jede Zelle seines Körpers empfing einen Teil der Macht des Feuers, speicherte etwas von seiner Essenz.
Als der Geysir versiegte, erschöpfte sich das Feuer der Flammengrube. Flüssiges Magma kochte am Boden der Grube, verschluckte die feurige Hülle, die eiförmig Charnas Körper umschloss. Thanasis stieg aus dem Magma, ging den Priesterinnen und Tempelwächtern, den Adeptinnen und all den anderen entgegen, die Zeuge der Vorgänge waren und niederknieten.
Kassandra sah ihm in die Augen. Furcht verzerrte ihr Gesicht, als sie seinen brennenden Körper musterte und sah, dass er sie nicht erkannte.
- Fortsetzung folgt -
Noch etwas Order of Burning Blood gefällig?
Einfach umblättern und eine Kurzgeschichte aus Seraphias Zeit als Adeptin im Kloster der Flammengrube lesen!