Kapitel 10

Mikar seufzte.

»Vielleicht beruhigt ihr euch alle mal.«

Niemand hörte ihn.

Faunus redete mit drei Inkarnationen gleichzeitig auf Thanasis ein, der aussah, als würde er jeden Augenblick vor Wut platzen.

Kassandra saß mit verschränkten Armen in der Ecke des Speisesaals und Mehmood diskutierte leise mit ihr.

»Könnt ihr mir mal zuhören?«, rief Mikar etwas lauter.

Faunus teilte sich ein weiteres Mal und die neue Inkarnation trat auf ihn zu.

»Wo warst du eigentlich, als deine Männer nach Kitaun geschickt wurden?«

»Was? Kitaun? Das ist doch schon, oh, ich hab vergessen, wie lange es her ist. Warum löcherst du Thanasis mit all den Fragen? Worum geht es dabei überhaupt?«

»Beantworte zuerst seine Frage!«, sagte eine neue Inkarnation von Faunus, die unerwartet zu Mikars Rechten erschien.

Er grunzte verärgert. »Es reicht Faunus, ich bin nicht so geduldig wie Thanasis. Hör auf mit diesem Verhör-Mist und hilf uns lieber bei den Problemen, die akut sind! Sonst schlage ich jedem einzelnen deiner Aspekte so lange auf die Rübe, bist du Ruhe gibst.«

»Da haben wir es wieder - Gewalt ist deine einzige Antwort!«

Mikar lachte und nickte. »Nur bei dummen Fragen. Letzte Warnung!«

Faunus seufzte. »Na gut. Es ist trotzdem wichtig, dass wir mehr darüber erfahren, was damals passiert ist.«

Thanasis wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als Faunus Verkörperungen vor seinen Augen verschwanden.

Mikar schüttelte den Kopf. »Ein anderes Mal. Jetzt wird das Reich der Sidaji von Maschinenwächtern überrannt und Cendrine ist in Wiras Händen.« Mikar schlug wütend mit einem Huf auf den Boden. »Charnas neue Kräfte machen sie überheblich und womöglich gefährlich. Uns einfach auf diese Weise aus der Halle des Feuers zu werfen! Ungeheuerlich! Wir müssen die Verteidigung Iidrahs organisieren und Cendrine befreien.«

Kassandra trat zu ihnen, Mehmood begleitete sie. Offenbar hatten sie ihren Disput vorübergehend beigelegt.

Sie schaute Mikar an. »Hör auf zu jammern! Sie ist die Hohepriesterin, vergiss das nicht!«

»Sie ist Sarinacas Tochter. Aber nicht einmal Sari hat uns so respektlos behandelt.«

Kassandra seufzte. »Cendrine braucht unsere Hilfe. Iidrash droht eine Invasion durch die Maschinenwächter und auch Wira sitzt nicht auf ihren Händen. Gorak kann mit seinen Nomadenkriegern jederzeit über die Frostreiche herfallen, wenn er es nicht bereits getan hat. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann der Orden von Feinden überrannt wird. Uneinigkeit unter seinen Führern darf nicht sein!«

Schweigen senkte sich über die Versammelten.

Mehmood nickte. »Kassandra hat recht. Die Sicherheit Iidrashs liegt in unseren Händen. Wir müssen zusammenhalten. Persönliche Sorgen und Nöte müssen zurückgestellt werden. Faunus, was genau habe ich da vorhin deinem Geschrei entnommen? Seraphia hat von einer weiteren Bedrohung Kabals gesprochen?«

Faunus nickte und zeigte mit dem Daumen auf Thanasis. »Wieso überhaupt Geschrei? Frag ihn, er weiß mehr darüber, sagt es mir aber nicht.«

Alle Blicke fielen auf Thanasis, nur Mikar schaute zur Seite und atmete geräuschvoll aus.

Thanasis sah ihn an und atmete tief ein. »Ich breche ein Versprechen gegenüber Sarinaca. Aber die Situation macht es notwendig. Kabal wurde bereits vor Jahrhunderten von einer fremden Macht angegriffen, die es nicht nur auf unsere kleine Welt, sondern den gesamten Sektor abgesehen hat.«

»Was heißt Sektor?«, fragte Mehmood.

»Viele Welten. Genau genommen siebenundvierzig«, sagte Mikar.

Mehmood stöhnte. »Tatsächlich? Und wie viele Sektoren gibt es?«

»Thanasis und ich haben zwölf in den letzten zwei Jahrtausenden bereist, aber es gibt unzählige mehr. Sarinaca und Cendrine sind weiter gekommen als wir.«

Faunus machte ein ploppendes Geräusch mit den Lippen. »Jetzt weiß ich endlich, wo ihr euch ständig rumtreibt.«

»Rumgetrieben habt. Die meisten Welten sind nicht mehr zu erreichen. Die Macht, die auch Kabal bedroht, benutzt ein Artefakt namens Gaar, um die Portale zu stören, die die Planeten miteinander verbinden«, sagte Thanasis.

»Warum weiß ich nichts davon?«, fragte Faunus.

»Du hockst lieber in deinem Wäldchen und stellst den Dryaden nach. Kann man dir zwar prinzipiell nicht verdenken, aber du besuchst ja nicht mal den Tempel öfter als alle paar Jahrzehnte«, sagte Thanasis und erntete einen bösen Blick von Kassandra. »Außerdem hat Sarinaca dich nicht in den Inneren Kreis aufgenommen, auch wenn du beinahe dazugehört hast.«

»Das hat Charna nun offiziell geändert«, sagte Faunus.

»Hat sie das?«, fragte Mikar und wirkte wenig überzeugt.

Mehmood setzte sich. »Ich wusste zwar, dass da andere Welten sind, aber so viele? Schade, dass ich die Portale nicht nutzen kann.«

Kassandra lächelte. »Jetzt schon.«

Mehmood starrte sie finster an, dann lächelte er auch. »Ernsthaft?«

»Das Brennende Blut gewährt diese Fähigkeit.«

Faunus schnalzte mit der Zunge. »Aber nicht ausschließlich. Es gibt auch andere Wege.«

»Du hockst die ganze Zeit in Garak Pan und könntest tatsächlich die Welten da draußen bereisen? Warum?«, fragte Mehmood kopfschüttelnd.

»Bleibt bei der Sache!«, grollte Thanasis. »Wir müssen Cendrine befreien und eine Möglichkeit finden, wie wir …«

Sie zuckten alle zusammen, als sie plötzlich wieder in der Halle des Feuers waren.

Mikar grollte laut. »Charna! Das ist respektlos!«


Das Feuer Kabals
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