19
»Was? Da draußen ist Blut?«, stieß Julia aus. »Etwa von Ralf?«
Tim bemerkte, dass sie ihm dabei den gleichen angstvollen Blick zuwarf wie schon zuvor.
»Woher soll ich das wissen?«, antwortete Janik, der Tim ebenfalls anstarrte, allerdings war der Ausdruck in seinem Gesicht ein anderer. »Vielleicht weiß Tim ja etwas darüber?«
»Ich?«, fragte er überrascht und hatte das seltsame Gefühl, dass mit einem Schlag alle Energie aus seinem Körper gezogen wurde. »Wieso gerade … ich?«
Seine Gedanken begannen einen wilden Reigen, von überall in seinem Kopf prasselten Gedankenfragmente auf ihn ein. Ralf war verschwunden. Draußen war irgendwo Blut. Er selbst war mit Blut verschmiert. Im Gesicht, an der Hand. Seine Kleidung fühlte sich an, als sei er erst vor Kurzem draußen gewesen. Er konnte sich aber nicht daran erinnern. Oder? Gott, nein!
Doch da lauerte er bereits, dieser Gedanke – diese böse Ahnung, es könne möglich sein, dass er wieder … Nein, daran durfte er gar nicht erst denken. Sicher war das nicht der Fall.
War da nicht doch irgendwo ein kleines Stückchen Erinnerung? Bestimmt, oder? Allerdings war es mehr so ein Gefühl, dass er aufgestanden und rausgegangen sein könnte, weil er dringend musste. Oder? Oder … wollte er sich das nur einreden? Um seinen Verstand vor allen anderen Möglichkeiten zu schützen?
Es brachte nichts, in Panik zu verfallen, also klopfte er zunächst die Fakten ab. Er hatte hochprozentigen Alkohol getrunken. Viel Alkohol. Vor allem wenn man das nicht gewohnt war, konnte es passieren, dass man Dinge tat, an die man sich am Morgen nicht mehr erinnerte. Das lag durchaus im Bereich des Möglichen. Aber so etwas …? Nein, das wollte er gar nicht erst in Erwägung ziehen, das konnte, das durfte nicht sein!
»Vielleicht, weil du der Einzige hier bist, dessen Gesicht mit Blut verschmiert ist«, riss Janik ihn aus dieser Gedankenflut.
»Tim?« Lenas Stimme lenkte ihn endlich von Janiks Blick ab, den er mittlerweile wie eine scharfe Waffe empfand.
»Ja?« Er sah sie an.
»Tim, was … Sag doch mal was dazu.«
»Was soll ich denn dazu sagen? Ich weiß doch auch nicht, woher das Blut in meinem Gesicht stammt, und ich weiß nicht, ob das da draußen wirklich Blut ist. Und falls ja, habe ich keine Ahnung, von wem es stammt.«
»Komm einfach mit«, forderte Janik und wandte sich anschließend an Sebastian. »Kommst du auch mit, wenn ich Tim das Blut zeige?«
Das war mehr als deutlich. Janik wollte mit Tim nicht allein sein. Was war denn bloß los? Waren alle verrückt geworden? Die konnten doch nicht im Ernst …
»Du glaubst doch nicht etwa wirklich, ich hätte was mit Ralfs Verschwinden zu tun? Oder mit dem Blut da draußen?« Noch während Tim das sagte, kam ihm eine Idee. Eine rettende Idee? Zumindest eine plausible Erklärung. Auch für sich selbst.
»Meine Klamotten sind nass, anscheinend war ich also draußen. Ich habe Blut an meiner Hand und an der Wange – falls es Blut ist. Und falls da vor der Hütte auch Blut ist, was scheint da wohl logisch? – Logisch klingt, dass ich mich im Freien irgendwie verletzt habe. Wir waren doch alle sturzbetrunken. Vielleicht bin ich irgendwo gegengelaufen. Was, wenn das da draußen mein Blut ist? Genau wie das an meiner Hand und in meinem Gesicht?«
Je mehr Tim seine Überlegungen ausführte, umso sicherer war er, die passende Erklärung gefunden zu haben. Es war eine unbeschreibliche, wenn auch noch verhaltene Erleichterung.
»Und wo bist du verletzt?«, fragte Sebastian nach.
»Herrgott, ich weiß es doch auch nicht. Aber das ist wohl die vernünftigste Erklärung, oder?«
»Das wäre sie«, sagte Fabian von seinem Platz auf dem Boden aus, woraufhin alle ihn ansahen. Tim fand, dass der Kleine elend aussah. »Wenn nicht gerade zur gleichen Zeit Ralf verschwunden wäre, nachdem du dich in der vergangenen Nacht fast mit ihm geprügelt hast.«
Tim fuhr Fabian an. »Was? Was sagst du da? Ausgerechnet du? Ich bin doch nur wegen dir mit Ralf aneinandergeraten. Und jetzt kommst du mit so was und fällst mir in den Rücken?«
Fabian hob beschwichtigend die Hände. »Logik hat nichts mit persönlichen Gefühlen wie Dankbarkeit zu tun. Ich sage ja auch nicht, dass du etwas mit Ralfs Verschwinden zu tun hast. Ganz im Gegenteil. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass du nichts damit zu tun hast. Aber es ging gerade um eine logische Erklärung, und da musste ich dir widersprechen.«
»Ich bin auch ziemlich sicher, dass Tim nichts mit Ralfs Verschwinden zu tun hat«, sagte Jenny.
Janik stemmte die Arme in die Seiten. »Ach, und wie könnt ihr euch da so sicher sein?«
»Weil …« Jennys Blick wanderte zu Fabian, dann zu Lucas und wieder zurück. »Weil ich es einfach nicht glaube.«
Irgendetwas an Jennys Gesichtsausdruck kam Tim merkwürdig vor, es schien fast, als wüsste sie mehr, als sie zugab. Als sie bemerkte, wie er sie musterte, wich sie seinem Blick aus.
»Also gut, schauen wir uns draußen um.« Janiks Ton war um einiges freundlicher geworden, er schien eingesehen zu haben, dass seine Verdächtigung vorschnell gewesen war.
Tim nickte. »Ja, gehen wir.«
Sebastian kam nicht mit, aber Janik kümmerte sich nicht darum. Anscheinend hielt er Tim nicht mehr für gemeingefährlich.
Das Blut befand sich links neben der Hütte. Dort stand das Dach anders als auf der Gegenseite ein Stück weit über, sodass es einer langen Reihe von Holzscheiten Schutz bot, die bis auf etwa zwei Meter Höhe aufgestapelt waren. Zumindest hielt es das Holz so lange trocken, wie der Regen nicht diagonal herangepeitscht kam. Noch immer blies der Sturm so heftig, dass Tim sich stark nach vorn lehnen musste, um überhaupt vorwärtszukommen. Er konnte sich nicht erinnern, jemals zuvor ein solches Unwetter erlebt zu haben.
Der kräftige Wind hatte schon etliche der Scheite vom Stapel gerissen und die meisten davon in großem Umkreis neben der Hütte verteilt.
Auf dem ersten Meter gleich hinter der Ecke waren gar keine Scheite, sodass man dort halbwegs geschützt stehen konnte. Als Tim Janik dorthin gefolgt war und die Augen mit der Hand gegen die nadelspitzen Regentropfen abgeschirmt hatte, entdeckte er den Grund für die Aufregung.
Auf einigen der Holzscheite vor sich konnte Tim dunkle Flecken sehen. Die Rinde hatte sie größtenteils aufgesaugt und es hätte noch nicht einmal zwingend Blut sein müssen. Am Boden des Holzstapels lag jedoch eine Schicht aus Pappe, auf der ebenfalls zwei Flecke zu sehen waren, die eindeutig als Blut zu erkennen waren. Sie schienen noch recht frisch zu sein, waren nicht fast schwarz wie getrocknetes, älteres Blut, sondern rot.
Tim betrachtete die Szene genau und suchte krampfhaft in seiner Erinnerung nach Anhaltspunkten. Hatte er das schon einmal gesehen? Das Holz, das überstehende Dach? War er in der vergangenen Nacht oder in den frühen Morgenstunden hier draußen, an dieser Stelle gewesen? Und wenn … war er allein gewesen?
»Na? Ist das Blut oder nicht?«, rief Janik ihm auffordernd zu, obwohl er unmittelbar neben ihm stand.
Tim nickte nur und deutete dann zur Vorderseite der Hütte. »Gehen wir wieder rein.«
Als sie die Tür hinter sich geschlossen hatten, sahen alle sie erwartungsvoll an.
»Da draußen ist tatsächlich Blut«, erklärte Tim. »Es scheint noch frisch zu sein. Vielleicht war ich wirklich draußen, irgendwann am frühen Morgen, und habe mich irgendwo verletzt.«
»Wo?«, wollte Sebastian wissen.
»Ich weiß es doch auch nicht, verdammt.« Tim hörte selbst, dass seine Stimme verzweifelt klang. »Vielleicht hab ich mir auf die Zunge gebissen oder ich hatte Nasenbluten, was weiß ich.«
»Oder es ist nicht dein Blut«, warf Sebastian ein.
Tim sah ihn an und spürte, wie mit rasender Geschwindigkeit Wut in ihm aufstieg. Irgendwann musste es auch mal genug sein. »Möglich. Vielleicht habe ich Ralf dort draußen blutend gefunden, nachdem eine Schlägerei fortgesetzt worden war, die hier drinnen begonnen hatte«, sagte er hart, und mit jedem Wort war seine Stimme ein bisschen lauter geworden. »Ich habe Ralf letzte Nacht nur von Fabian weggezogen, um zu verhindern, dass er sich an einem Schwächeren vergreift. DU aber bist aus reinem Jähzorn über ihn hergefallen.«
»So ein Blödsinn, ich …«
»Blödsinn, ja? Du bist komplett ausgerastet und hast auf Ralf eingeprügelt wie ein Verrückter. Wir mussten dich von ihm wegzerren, damit du aufhörst, schon vergessen? Vielleicht warst du deswegen noch immer wütend, und als Ralf irgendwann rausgegangen ist, bist du ihm gefolgt und hast ihn draußen zusammengeschlagen? Ich bin vielleicht dazugekommen und habe ihm geholfen. Oder Ralf war schon gar nicht mehr da, und ich habe nur etwas angefasst, an dem sein Blut war. Wie hört sich das an?«
»Blödsinnig hört sich das an!«, schrie Sebastian zurück und sprang auf. Hektisch atmend ballte er die Fäuste und stierte Tim an, als wollte er sich auf ihn stürzen. Tim begriff instinktiv, dass Sebastians Verhalten gerade gegen ihn sprach. Das musste er ausnutzen.
»Und jetzt möchtest du auch mich zusammenschlagen, weil du wütend auf mich bist, stimmt’s? So wütend, wie du in der letzten Nacht auf Ralf warst. Da sieht man’s, du hast dich kaum unter Kontrolle. Und um von dir abzulenken, beschuldigst du mich. Ist es nicht so?«
Zwei Arme schoben sich zwischen Tim und Sebastian und drückten sie auseinander. Sie gehörten Lena.
»Hört jetzt auf, euch anzuschreien, damit kommen wir auch nicht wei…« Sie brach abrupt ab und starrte Tim an. Der Ausdruck in ihrem Gesicht glich dem von vorhin, als sie das Blut an ihm entdeckt hatte.
»Was? Was ist denn jetzt schon wieder?«, fragte Tim nervös. Er spürte, dass er ziemlich fertig war und wirklich keine seltsamen, unkommentierten Blicke mehr ertragen konnte. »Lena, bitte, schau mich nicht so komisch an. Sag einfach, was los ist.«
»Dein Gesicht … das Blut. Es … ist weg.«
Tim musste nicht lange überlegen. »Na, das ist doch kein Wunder, da draußen regnet es wie verrückt. Mein Gesicht war nach zehn Sekunden komplett nass.«
Lena nickte, langsam, wie in Zeitlupe. »Ja, eben. Es regnet die ganze Nacht schon so, ununterbrochen. Die Blutflecken können nicht von da draußen stammen, sonst wären sie schon vorher durch den Regen abgewaschen worden.«
Nun endlich verstand Tim und er hätte Lena am liebsten umarmt. Sie hatte recht. Der Wolkenbruch hätte sämtliche Spuren auf der Stelle von ihm gespült.
»Also ist das Blut mein eigenes, das ist der Beweis! Ich war damit nicht draußen. Es war ja auch nicht viel. Ein bisschen Nasenbluten reicht doch schon aus.« Er drehte sich zu Sebastian, der seinen Blick nachdenklich erwiderte.
Auch Julia beäugte ihn eindringlich. In ihren Augen lag noch immer eine Angst, deren Grund Tim gern gekannt hätte. Es war, als versteckte sie sich hinter Sebastian vor Tim.
Tim hätte etwas dafür gegeben, hinter Sebastians Stirn blicken zu können. Nach einer Weile öffneten sich Sebastians Fäuste. Sein ganzer Körper lockerte sich und Tim spürte förmlich, dass er gerade einen sehr wichtigen Sieg errungen hatte.
»Das klingt einigermaßen plausibel«, sagte Sebastian schließlich, und seine Stimme klang schon um einiges entspannter. »Es klärt zwar immer noch nicht, warum deine Klamotten heute Morgen so nass waren, aber gut … Vielleicht warst du pinkeln und das mit dem Blut ist anschließend passiert. Aber dass ich etwas damit zu tun habe, ist Oberquatsch.«
Keiner der anderen sagte ein Wort. Tim nickte langsam. Er fühlte sich, als sei eine zentnerschwere Last nicht nur von seinen Schultern, sondern auch von seinem Verstand genommen worden. Sein Blick fiel auf Jenny, und zum zweiten Mal fiel ihm ihr Gesichtsausdruck auf, der irgendwie seltsam war. Er nahm sich vor, sie darauf anzusprechen, doch zunächst wandte er sich an alle.
»Also, ihr seht, jeder von uns könnte theoretisch etwas mit Ralfs Verschwinden zu tun haben, wenn man sich eine passende Geschichte dazu ausdenkt.«
Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie sehr er fror, und er wünschte sich sehnlichst, die nasse Kleidung ausziehen zu können.
»Vielleicht ist der Freak einfach abgehauen, ihr Schlauberger.« Denis hatte sich aus seiner Ecke erhoben. Eingehüllt in seine Decke lief er an Sebastian und Tim vorbei zu einem der Hocker und setzte sich. Auch er war heute Morgen kein schöner Anblick. Die sowieso sehr blasse Gesichtshaut wirkte durch die dunklen Ringe unter seinen Augen wie die einer Leiche. Die schwarzen Haare standen ihm noch wilder vom Kopf ab als am Vortag und seine schmalen Lippen waren bläulich verfärbt.
»Abgehauen?«, fragte Lena nach. »Was meinst du damit? Wie soll er abgehauen sein bei dem Wetter? Und warum ohne Rucksack?«
Denis versuchte ein Grinsen, was aber zur Grimasse wurde. »Weil’s allein einfacher ist, vorwärtszukommen, als mit einer Horde kreischender Mädchen und weinender Streberkinder. Klar, oder?« Er sah zu Fabian, der den Kopf senkte. Er schien keine Lust auf ein verbales Duell mit Denis zu haben. »Und in dem dämlichen Rucksack ist doch eh nichts drin. Was er dabeihaben wollte, hat er Lucas schleppen lassen. Ich wette, der ist schon wieder fast unten. Er ist ein Angeber mit einem bescheuerten Namen, aber er kennt sich von uns allen am besten in diesen Mistbergen aus.«
»Und das Blut?«, fragte Janik, woraufhin Denis wieder die Grimasse zeigte.
»Ralf hat sich beim Pinkeln den Kopf gestoßen, bevor er getürmt ist.«
»Wir müssen ihn suchen«, stellte Janik fest. »Vielleicht hat er sich verlaufen.«
»Die Wahrscheinlichkeit ist bei ihm allerdings ziemlich hoch«, stimmte Sebastian ihm zu. »Vielleicht ist er irgendwo gestolpert und hingefallen und hat sich verletzt. Kann sein, dass er ganz in der Nähe liegt und besinnungslos ist.«
»Ja, bestimmt war es Ralf, der sich draußen gestoßen hat«, warf Lena ein. »Er war ja auch ziemlich betrunken. Vielleicht ist er umhergeirrt und irgendwann zusammengebrochen.«
Sebastian schlug sich entschlossen mit den Händen auf die Oberschenkel. »Also los, gehen wir ihn suchen. Wer kommt mit?«
Tim nickte ihm zu, Janik ebenfalls. Von Denis konnten sie wie immer keine Hilfe erwarten. Allerdings regten auch Fabian und Lucas sich nicht.
»Fabian?«, sprach Tim ihn an.
Der Vierzehnjährige schüttelte den Kopf. »Ich muss passen. Mir geht’s nicht gut. Ich glaube, ich bekomme eine Erkältung. Außerdem ist das nicht sinnvoll. Ihr wisst, wie gefährlich es da draußen ist. Da ist schnell was passiert. Ihr bringt mehrere in Gefahr, um nach einem Einzelnen zu suchen. Das macht nicht mal ein Rettungsdienst. Ich bin dagegen.«
»Und ich werde einen Teufel tun, den Kerl zu suchen«, brummte Lucas so monoton und leise, dass Tim ihn kaum verstehen konnte. »Der hat mir lange genug das Leben schwer gemacht.«
»Du möchtest ihn einfach so da draußen lassen?«, fragte Jenny. Sie hatte sich mittlerweile auf den zweiten Hocker gesetzt und die Arme vor der Brust verschränkt. Eine Decke hatte sie nicht.
»Hab ich ihn da rausgeschickt? Selbst schuld.« Lucas zog die Enden der Decke enger zusammen und wandte sich demonstrativ ab. Das Thema schien für ihn beendet.
Janik gab es auf. »Also gut, gehen wir eben zu dritt. Vielleicht haben wir Glück und finden ihn.«
»Ich komme mit.« Jenny erhob sich von ihrem Hocker.
»Ich auch«, sagte Lena, woraufhin Tim beide Hände hob. »Nein, bitte, bleibt ihr hier, es reicht, wenn wir in diesem Mist da draußen rumlaufen«, meinte er.
»Aber ich möchte mitkommen. Warum soll ich hierbleiben? Nur weil ich ein Mädchen bin?« Jenny verschränkte wieder die Arme vor der Brust.
Weil ich nicht möchte, dass Lena da draußen rumläuft und sich vielleicht verletzt, dachte Tim.
»Nein, weil die beiden Herren hier kein Interesse daran haben, Ralf zu helfen«, sprang Janik ein und deutete zu Lucas und Fabian. »Es könnte sein, dass Ralf wirklich verletzt ist und plötzlich wieder hier auftaucht. Da wäre es besser, wenn jemand da ist, der sich kümmert.«
Tim sah sowohl Jenny als auch Lena deutlich an, was sie von dieser fadenscheinigen Erklärung hielten, aber Lena nickte schließlich. »Na gut.«
»Richtig. Streberfreaks und dicken Exkumpels kann man nicht trauen.« Denis stand von seinem Stuhl auf und kam zu Tim und Janik herüber. Neben Tim blieb er stehen, die Hände in den Taschen seiner Jeans vergraben, und sah ihn mit dem typisch ausdruckslosen Denisblick an.
»Wie? Kommst du etwa mit?«, fragte Janik hörbar überrascht.
Denis’ Augen richteten sich auf ihn, ohne dass er den Kopf dabei bewegte. »Nein, ich wollte nur mal sehen, wie es so ist, neben Freaks rumzustehen. Und ob man sich dabei ansteckt.« Er genoss Janiks verblüfften Gesichtsausdruck einige Sekunden lang sichtlich, bis er sagte: »Dämliche Frage. Was wollt ihr zu dritt machen? Ha? In ’nem Zweier-und ’nem Einerteam ausschwärmen, oder was?«
»Du wirst dir mit deinem dünnen Jäckchen deinen knochigen Hintern abfrieren«, meinte Sebastian verächtlich. Tim wunderte sich, dass er überhaupt so weit dachte, überlegte dann aber, dass er recht hatte.
»Kann dir doch egal sein«, antwortete Denis gelassen.
»Also gut.« Janik legte die Hand auf die Türklinke. »Dann mal los. Ich gehe mit Sebastian.«
Tim war ganz froh darüber, denn auch wenn Denis ein sonderbarer Kerl war, erschien er ihm doch ehrlicher und berechenbarer als Janik und Sebastian zusammen.
Lena kam zu ihm und legte Tim eine Hand auf den Oberarm. »Pass bitte auf und bleib in der Nähe der Hütte. Es könnte da draußen gefährlich werden.«
Den Blick, den sie Tim dabei zuwarf, konnte er nicht deuten. Ebenso wenig wie den von Julia, die ein paar Meter entfernt stand und ihn angstvoll anstarrte.
Vielleicht wollte er es auch gar nicht.