Vierzehn
Sie geht nie raus«, sagte Tamani auf halbem Weg zwischen Laurels und Yukis Häusern zu Aaron. »Sie macht Hausaufgaben, liest und sieht fern. Ich sehe überhaupt keine Anzeichen für eine Verschwörung.« Es war bereits vierzehn Tage her, seit sie entdeckt hatten, dass Yuki eine Elfe war, und nichts wies darauf hin, dass sie es überhaupt selbst wusste oder gar einen Masterplan für Laurels Untergang schmiedete.
»Alle Wachposten beschweren sich, wie langweilig es ist, sie zu beobachten«, erwiderte Aaron. »Und das ist kein Witz, es passiert rein gar nichts, ob verdächtig oder nicht.«
»Wir können sie trotzdem nicht abziehen«, sagte Tamani, »auch wenn es sich wie eine Verschwendung kostbarer Ressourcen anfühlt, nicht wahr?«
Aaron zog eine Augenbraue hoch. »So geht es mir seit einem halben Jahr«, sagte er trocken.
Tamani schluckte die böse Bemerkung herunter, die ihm auf der Zunge lag. Als unbeteiligter Beobachter hätte er sich wahrscheinlich ähnlich gefühlt, aber wenn man jemanden bewachte, den man liebte, war keine Anstrengung zu groß.
»Ich frage mich …« Doch er brach abrupt ab. Jemand raste unter erheblichem Lärm durch den Wald auf sie zu. Aaron und Tamani flitzten jeweils hinter einen Baum, die Hände auf den Waffen, als auch schon zwei missgebildete Gestalten durch die Dunkelheit schwankten. Wie konnte das sein? Seit Monaten durchkämmten sie den Forst auf der Suche nach Orks und jetzt rannten sie beinahe in sie hinein? Mit seiner freien Hand gab er Aaron ein Signal.
Meiner stirbt. Deiner redet.
Aaron antwortete mit einem kurzen Nicken.
Als der erste Ork auf Armeslänge herangekommen war, trat Tamani hinter dem Baum hervor, zog blitzschnell das Messer und schlitzte dem Ork in einem langen Bogen den Rücken auf. Der Ork drehte sich um und holte mit einer knotigen Krallenhand aus – ein blindwütiger, reflexhafter Gegenangriff. Tamani wich dem Schlag geschickt aus und bohrte dann sein Messer kraftvoll bis zum Griff in das Auge des Orks. Noch eine letzte scharfe Drehung, und die Kreatur brach zusammen.
Nicht weit entfernt hatte Aaron dem anderen Ork so viele Schnittwunden an Armen und Beinen zugefügt, dass seine Bewegungen langsamer wurden. Es war nicht einfach, einen Ork zu verwunden – man sollte sie lieber gleich umbringen –, aber Tamani wollte Informationen aus ihm herausholen.
Glücklicherweise setzten zwei Messer einem Ork schneller zu als eins. Tamani stellte dem gefallenen Ork einen Fuß auf den Hals und zog ihm das Messer aus dem Schädel. Im Sternenlicht rann schwarz das Blut aus der Wunde. Als er wieder aufblickte, sah er Aaron gerade noch in der Dunkelheit verschwinden. Anscheinend hatte der andere Ork beschlossen, die Flucht zu ergreifen. Tamani erwog, hinter ihnen herzulaufen, entschied sich dann aber dagegen. Aaron machte das mit links.
Stattdessen packte er den toten Ork unter den Achseln und schleppte ihn vom Weg – für den Fall, dass noch mehr kamen. Sobald er weit genug weg war, durchsuchte er die Leiche auf Hinweise darauf, was die Orks in diesem Wald vorhatten. Der Ork war unbewaffnet – nicht dass Orks Waffen bräuchten – und trug einen verschmutzten Juteponcho und einen schwarzen Overall. Das sagte Tamani gar nichts, außer dass Barnes’ Orks ähnlich gekleidet waren. Die Taschen waren leer, es gab keinerlei Hinweis darauf, wo der Ork herkam oder was er vorgehabt hatte.
Nach einem letzten Tritt schlich Tamani auf den Weg zurück, folgte Aarons Spur und holte ihn kurz darauf ein. Sein Messer steckte in der Scheide und er wirkte gesund und munter, aber es war kein Ork mehr zu sehen.
»Er ist mir entkommen.« Aaron schüttelte den Kopf.
»Du hast ihn verloren?«, fragte Tamani ungläubig. »Er war dir nur zwei Schritte voraus!«
»Vielen Dank, Tam. Als würde ich mir nicht schon genug Vorwürfe machen!«
»Was ist passiert?«
»Er ist … einfach verschwunden.« Aaron kickte ein paar Erdklumpen weg. »Ich habe schon jede Menge Orks gejagt, aber so etwas ist noch nie vorgekommen.«
»Ist er vielleicht auf dem Boden weitergekrochen?«, fragte Tamani und ließ den Blick auf der Suche nach zerwühlter Erde durch das Unterholz schweifen.
Aaron schüttelte den Kopf. »Darauf habe ich geachtet. Ich war hinter ihm und konnte ihn gut sehen. Als ich eine Sekunde, oder eigentlich nur eine halbe, weggeguckt habe, weil ich mein Wurfmesser ziehen wollte – um es in seine Achillessehne zu schleudern –, war er weg.«
»Was meinst du mit weg?«
»Weg! Verschwunden wie nichts Gutes. In Luft aufgelöst. Ich sage dir, Tamani, der Ork war weg, von jetzt auf gleich. Ohne eine Spur zu hinterlassen!«
Mit verschränkten Armen versuchte Tamani zu verstehen, was geschehen war. Aaron war einer der besten Fährtenleser, die er kannte. Wenn er sagte, es gebe keine Spur, dann war das so. Was nicht hieß, dass es irgendeinen Sinn ergab.
»Ich dachte, ich hätte Schritte gehört«, sagte Aaron, »aber auch nur sehr kurz.«
Tamani musste schlucken, um die wachsende Furcht zu ersticken.
»Sende ein paar Späher aus«, befahl Tamani leise. »Sie sollen versuchen, die Spur zu finden.«
»Es gibt keine Spur«, beharrte Aaron. Dann riss er sich zusammen und stellte sich gerader hin. »Ich befolge all deine Befehle, Tamani. Und wenn du willst, dass zehn Kundschafter jeden Erdbrocken umdrehen, sollst du sie bekommen. Aber finden werden sie nichts.«
»Was sollen wir denn sonst tun?«, fragte Tamani. Verzweiflung schlich sich in seine Stimme. »Ich muss dafür sorgen, dass sie in Sicherheit ist, Aaron.«
Aaron verstand ihn nicht gleich. »Wen meinst du?«
Tamani musste nachdenken; stand Yuki unter Beobachtung oder unter Schutz? »Beide«, sagte er schließlich. »Diese Orks könnten es auf beide abgesehen haben. Haben wir sonst noch etwas gesehen?«
»Abgefressene Kuhkadaver, Schneisen durch den Wald. Das Gleiche wie immer in den vergangenen Monaten«, antwortete Aaron und starrte in die Bäume. »Sie sind irgendwo hier draußen, auch wenn wir sie nicht sehen können.«
»Kann es sein, dass es nur diese beiden waren?«, fragte Tamani, obwohl er die Antwort schon wusste.
»Nur, wenn sie für zwölf gegessen haben, oder eher für zwanzig. Ich glaube, die hier haben nur nicht aufgepasst.«
»Ich glaube, es war anders«, meinte Tamani. »Auf mich haben sie einen verwirrten Eindruck gemacht. Sie waren bestimmt überrascht, uns zu sehen, aber sie waren nicht einmal bewaffnet. Meiner hat sich gar nicht richtig gewehrt.«
»Meiner hat auch nicht mit voller Kraft gekämpft«, sagte Aaron.
»Ich muss gleich los«, sagte Tamani leise. »Laurel fährt zu einer Prüfung nach Eureka. Ich hänge mich an sie ran. Du bist für die Wildblume verantwortlich. Wir haben Klea seit Wochen nicht gesehen – wahrscheinlich kommt sie bald. Wenn, musst du ihre Gespräche belauschen und mir Wort für Wort berichten. Alles, und wenn du es für noch so unwichtig hältst. Ich muss rundherum Bescheid wissen.«
Aaron nickte stoisch und Tamani drehte sich um und rannte durch den Wald zu Laurel. Als er sich dem Waldrand hinter ihrem Haus näherte und das Licht in ihrer Küche sah, ging er langsamer. Eine Welle warmer Gefühle durchflutete ihn, als ihr Gesicht am Fenster erschien und sie auf die Bäume schaute und ihn suchte.
Sie wusste nicht, dass er da war, aber er konnte leicht so tun, während er sie beobachtete. Sie sah noch etwas verschlafen aus und warf sich Beeren in den Mund, eine nach der anderen, die sie nachdenklich kaute. Er konnte sich geradezu vorstellen, worüber sie sich unterhalten würden. Irgendetwas Belangloses, nichts Wichtiges im Gegensatz zu den schweren Diskussionen, die sie in letzter Zeit gezwungenermaßen führten. Über etwas anderes als Orks, Zaubertränke und Lügen.
Als er diese neue Mission angenommen beziehungsweise erbettelt hatte, war er davon ausgegangen, dass er mehr Zeit mit Laurel verbringen würde und die Freundschaft und Nähe ihrer Jugend wieder aufleben lassen könnte – ein wenig so wie im letzten Jahr, als er sie nach Avalon gebracht hatte. Doch das kam ihm jetzt alles recht albern vor. Im Zuge seiner Aufgabe musste er sie jetzt täglich mit David sehen und seine übrige Zeit damit verbringen, sich bei einer anderen beliebt zu machen. Yuki war ganz nett, aber sie war nicht Laurel. Laurel war unvergleichlich.
Tamani lächelte, als Laurel weiter aus dem Fenster starrte. Am liebsten wäre er hinter dem Baum hervorgekommen, nur um zu sehen, was sie dann tun würde.
Vielleicht hätten sie sogar noch ein wenig Zeit für ein Gespräch beim Frühstück, über nichts Komplizierteres als die Schönheit des Sonnenaufgangs. Tamani war kurz davor, genug Mut aufzubringen, sie zu fragen, als er das vertraute Motorengeräusch hörte. Er fluchte leise vor sich hin, als David mit seinem Civic vorfuhr. Dann musste er wieder rennen, zur Hecke an der Straße, wo sein eigenes Auto stand. Er wollte sich die Begrüßung ersparen, die Küsse und Umarmungen.
Irgendwann, schwor Tamani, irgendwann werde ich das sein.
»Und?«, fragte David, sobald sie aus dem Klassenraum gingen, wo sie die vierstündige Prüfung hinter sich gebracht hatten.
»Frag mich später«, erwiderte Laurel mit Panik in der Stimme, setzte ihren Rucksack auf und lief durch den langen Gang zum Ausgang und in den dringend benötigten Sonnenschein. Sie waren zu einer Highschool in Eureka gefahren, um den Zulassungstest zu machen – wieder in demselben fensterlosen Klassenzimmer. Laurel hatte jede Minute dieses Gefangenseins gespürt und wollte sich so schnell wie möglich davon erholen. Als sie aus dem Schatten der Türschwelle trat, liebkoste eine sanfte Herbstbrise ihr Gesicht. Sie holte tief Luft und blieb mit ausgebreiteten Armen stehen, um das Sonnenlicht einzufangen. Dann ließ sie sich auf die Treppe fallen und war einfach nur froh, dass sie es hinter sich hatte.
Kurz darauf setzte David sich zu ihr. »Ich habe dir etwas mitgebracht.«
Er reichte ihr eine kalte Spriteflasche, die er gerade aus dem Getränkeautomaten gezogen hatte. Selbst das Kondenswasser an ihren Fingerspitzen wirkte wiederbelebend. »Danke.«
Er wartete, bis sie die Flasche geöffnet und einen großen Schluck getrunken hatte. »Geht’s wieder?«, fragte er schließlich.
»Ja, schon besser«, sagte sie lächelnd. »Ich musste unbedingt da raus.«
»Also …«, fragte er vorsichtig nach. »Wie ist es gelaufen?«
Sie lächelte. »Ganz gut, denke ich. Besser als letztes Jahr.«
»Echt?«
»Und bei dir?«
Er zuckte die Achseln. »Keine Ahnung, schwer zu sagen.« Er machte eine Pause. »Aber ich würde Chelsea schon verdammt gern schlagen.«
»Bist du gemein! Dein Durchschnitt ist schon viel besser als ihrer. Kannst du sie nicht mal gewinnen lassen?«
David grinste. »Wir treten seit Jahren gegeneinander an. Das ist alles nur Spaß – versprochen.«
»Gut«, sagte Laurel, beugte sich vor, um ihn zu küssen, und legte den Kopf an seine Schulter.
»Und was ist jetzt«, fragte David zögerlich, »mit dem Sadie-Hawkins-Abend?«
Laurel lachte und schüttelte den Kopf. »Tja, die hätten doch ruhig noch eine Woche warten und im November tanzen können, oder? Du weißt schon, am richtigen Sadie-Hawkins-Tag«, sagte sie schnaubend. »Sie wollen nur nicht, dass die Anti-Heiden-Fanatiker unter den Eltern wieder auf die Barrikaden gehen, so wie letztes Jahr. Eigentlich ist es nur eine Halloween-Tanzveranstaltung ohne Verkleidung.«
»Trotzdem«, sagte David. »Vielleicht wird es ganz nett. Nicht, dass ich dich bitte, mit mir dahin zu gehen, schließlich ist Damenwahl, aber falls du mich fragen würdest, und falls Chelsea Ryan fragt, und falls ihr zwei zusammen gehen würdet, könnten wir alle gemeinsam hingehen. Mehr wollte ich nicht sagen.« Er grinste und zuckte die Achseln.
»Da haben wir aber jede Menge ›falls‹, Freundchen«, näselte Laurel. »Ich kann nur hoffen, dass dir für dieses Vorhaben die Umstände hold sind.«
»Du bist grässlich«, sagte David und küsste sie noch mal.
»Oh ja«, stimmte Laurel zu, »aber du liebst mich trotzdem.«
»Oh ja, das stimmt«, sagte David leise und rau. »Ich liebe dich mit größter Tiefgründigkeit.«
»Das war völlig verkehrt«, sagte Laurel und kicherte, als David ihren Hals mit seinen Lippen kitzelte.
»Etwas anderes ist mir auf die Schnelle nicht eingefallen«, erwiderte David lachend. »Du hast gewonnen, ich gebe es zu.« Er löste sich von ihr, damit er sie ansehen konnte. »Schon wieder.«
Laurel grinste nur.
»Wirklich, Laurel«, sagte David, und nach einer kurzen Pause: »Ich bin sehr stolz auf dich.«
»David …«
»Bitte lass mich das doch sagen«, schnitt David ihr das Wort ab. »Ich stelle es mir hart vor, erst enttäuschend abzuschneiden und sich dann noch mal hinzusetzen und für diesen Test zu lernen, erst recht, wenn die Ergebnisse vielleicht keine Rolle spielen. Ich finde das außerordentlich bewundernswert.«
»Danke schön«, sagte Laurel aufrichtig. Dann grinste sie wieder. »Das Wort hast du jetzt korrekt gebraucht.«
»Komm her, du!« David packte ihren Arm, zog sie auf seinen Schoß und drückte sie, bis sie quiekte und lachte.
David setzte Laurel zu Hause ab, als die Sonne gerade am Horizont unterging und den Himmel in Flammen aufgehen ließ. Als sie ihm nachsah, überlegte sie, ob ihre Ergebnisse diesmal wirklich besser ausfallen würden.
»Laurel!«
Sie zuckte zusammen, als sie das laute Flüstern von der Hauswand hörte. Dann entdeckte sie Tamani, der seinen Kopf hinter der Mauer hervorstreckte.
»Komm her«, sagte er und legte den Kopf schief.
Nach kurzem Zögern legte sie ihren Rucksack auf der Veranda ab und ging zu ihm. »Was ist los?«, fragte sie leise. »Gibt es Ärger?«
»Nein, nein, eigentlich nicht«, antwortete Tamani. »Na ja, doch. Wir … wir haben heute Morgen zwei Orks getroffen.«
»Ihr habt was?«
»Wir haben das schon geregelt«, sagte Tamani und hob die Hände, um sie zu beruhigen. »Ich will nur nicht, dass du denkst, ich würde irgendwas vor dir verbergen. Ehrlich, wahrscheinlich ist es besser, dass wir sie jetzt gefunden haben.«
»Wieso?«, fragte Laurel, die es kaum glauben konnte.
»Weil es bedeutet, dass es hier wirklich Orks gibt. Wir hatten ja monatelang keinen gesehen.«
»Aber es ist alles okay?«, meinte Laurel ironisch.
»Ja, wirklich. Es herrscht noch Alarmstufe Rot, aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Außerdem bin ich nicht deswegen gekommen. Ich wollte nur ein bisschen reden. Es ist schon so lange her.«
Das stimmte; Laurel war ihm die ganze Woche aus dem Weg gegangen, weil er sie geküsst hatte und sie nicht darüber sprechen wollte. Und weil David ihn nicht mochte. Und weil er Yuki so ansah wie früher nur sie.
Als sie nicht antwortete, schob Tamani die Hände in die Hosentaschen und kickte in die Grashalme. »Und wie ist es heute gelaufen?«
»Ganz gut, denke ich.«
»Schön.« Er schwieg, dann fragte er: »Hast du weiter experimentiert? Mit der Leuchtkugel?«
Laurel seufzte. »Nein. Du hast wahrscheinlich recht, dass ich das Leuchtmittel erst auf meiner eigenen Haut ausprobieren sollte. Aber das verschiebe ich immer wieder, weil ich dann keine Ausrede mehr habe und ein Stück meiner Blüte abknipsen muss, wie ursprünglich geplant. Du hältst mich jetzt für eine Zimperliese, schließlich hast du dir in die Zunge gebissen, und da fürchte ich mich davor, etwas von einem Blütenblatt abzuschneiden.«
»Nein, du machst das klasse. Das bekommst du schon hin«, antwortete Tamani zerstreut.
Laurel nickte. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Beinahe hätte sie Tamani geradeheraus gefragt, was er denn nun eigentlich wollte, als er damit herausplatzte. »In der Schule wird nächsten Freitag getanzt.«
Laurel hatte ein verdrehtes Gefühl von Déja-vu und merkte zu ihrer eigenen Überraschung, dass ihr das nervöse Schweigen besser gefiel. »Vielleicht weißt du nichts von der Tradition, aber für diese Veranstaltung gilt Damenwahl. Das Mädchen darf sich aussuchen, mit wem es tanzt.«
»Weiß ich«, sagte Tamani ungerührt. »Ich hatte nicht vor, dich zu fragen.«
»Oh.« Laurel wünschte, die Erde würde sich auftun und sie verschlucken. »Dann ist es ja gut.«
»Yuki hat mich gefragt.«
Laurel war sprachlos. Dabei dürfte sie das eigentlich nicht so überraschen. Yuki war wahrscheinlich sogar einfach die erste von einer langen Reihe interessierter Mädchen.
»Ich wollte …« Er schwieg so lange, dass Laurel fürchtete, er würde den Satz gar nicht mehr beenden. »Ich wollte dich nur fragen«, fuhr er schließlich fort, »ob es irgendeinen Grund gibt, warum ich nicht Ja sagen sollte.« Dann sah er sie mit seinen hellgrünen Augen an, die in der untergehenden Sonne leuchteten.
Nein – das Leuchten in Tamanis Augen war mehr als eine Spiegelung. Es war das Feuer, das ihren Ärger und ihre Entschlossenheit dahinschmelzen ließ, wann immer sie es sah. Sie blinzelte und zwang sich, den Blick abzuwenden, bevor er sie blendete.
»Nein, natürlich nicht«, antwortete sie, so lässig sie konnte. »Du solltest unbedingt hingehen. Darum geht es hier schließlich, oder? Wir müssen herausfinden, was mit Yuki los ist.«
»Absolut«, sagte er. Laurel hätte beinahe geweint, als sie seine enttäuschte Stimme hörte. »Ich habe sogar gedacht, ob es nicht schön wäre, wenn Yuki und ich und du und … David, wenn wir alle zusammen hingehen würden. Damit ihr euch endlich näherkommt, Yuki und du. Außerdem findet das abends statt, da bin ich lieber in deiner Nähe – für alle Fälle.« Er lächelte traurig. »Das ist eben mein Job.«
»Ja, ich weiß.« Auf einmal konnte Laurel es nicht abwarten, endlich ins Haus zu gehen. »Lass uns Montag darüber reden. Vielleicht kommen Chelsea und Ryan auch noch mit«, fügte sie in Gedanken an Davids ursprünglichen Plan hinzu.
»Je mehr desto besser, so sagt man doch bei euch, nicht wahr?«, sagte Tamani mit einem lahmen Lachen.
»Stimmt«, sagte Laurel. »Hey, ich muss gehen. Meine Eltern wissen nicht mal, dass ich schon längst zu Hause bin.« Sie lächelte ihn an.
»Kein Problem, geh schon.«
Laurel nickte und ging zur Veranda. Sie hatte gerade die Tür geöffnet, als Tamani noch einmal nach ihr rief.
»Laurel?«
»Ja?«
»Es tut mir leid. Wegen … neulich. Wegen dem, was ich getan habe. Ich habe mich daneben benommen.«
»Nicht so schlimm«, sagte Laurel und schluckte ihre Gefühle herunter. »Ich habe etwas gelernt … du weißt schon was. Das war also ganz gut. Wir sind immer noch Freunde.« Sie lächelte nervös. »Ich wünsche dir einen schönen Abend, Tamani.«
»Ich dir auch.« Tamani lächelte zurück – überzeugend wirkte das nicht.