18. Kapitel

UNWEIT DES ROTKIEMENSEES, DATHOMIR

Lukes Rückwärtssalto war perfekt. Auf dem Scheitelpunkt war sein Kopf höher, als er es aufrecht stehend gewesen wäre. Er landete leicht gebückt, bereits in Verteidigungsposition, und wirbelte dabei kaum Staub auf. Die Menge, die den Kampfring umgab, stieß anerkennende Rufe aus.

Firen war dicht bei ihm und während seines Saltos vorgestürmt. Sie schlug just in dem Moment zu, als er aufkam – ein mit offener Hand geführter Hieb gegen die Brust, der zweifellos ihren Lieblingsschlag darstellte. Er riss sein rechtes Handgelenk in die Höhe, um ihres abzufangen, bevor der Hieb traf, und zwang ihre Hand zur Seite. Der Schlag verfehlte seine Brust mindestens um sechs Zentimeter.

Und seine Parade brachte ihn in die perfekte Position für einen Konter. Sein eigener Gegenschlag, ebenfalls mit offener Handfläche, erwischte Firen an der Kinnspitze. Man hörte kein Klack von Zähnen, die aufeinanderschlugen, denn ihr Mund war fest zusammengepresst, als er sie traf. Ihr Kopf wurde jedoch ruckartig nach hinten geworfen, und sie taumelte zurück.

Ihre linke Hand kam nach vorn und öffnete sich, um Luke eine Wolke aus Staub und Sand ins Gesicht zu schleudern, die ihm die Sicht raubte.

Er torkelte zurück, hörte das Jubeln der Herabregnenden Blätter unter den Zuschauern. Er schüttelte den Kopf, doch sein Blickfeld klärte sich nicht sofort wieder.

Das war schlecht. Als Kämpfer war er Firen überlegen, hatte mehr Kampfstile auf mehr Welten trainiert, als sie Finger und Zehen besaß, doch er hatte vergessen, dass bei den waffenlosen Wettkämpfen der Dathomiri alles erlaubt war und es keine Regeln gab, die untersagten, die Waffen zu benutzen, die sich einem boten. Firen hatte nicht geschummelt. Sie hatte ihn überlistet. Und sie würde sich auf ihn stürzen – jetzt!

Diesmal vollführte er einen Vorwärtssalto. Er vernahm, wie seine Gegnerin unter ihm hindurchhuschte, außerstande, ihren Vorwärtsdrang zu stoppen, und hörte, wie sie einen blumigen Dathomiri-Fluch ausstieß.

Doch Luke hörte sie nicht bloß. Er fand sie in der Macht.

Er landete ungeschickt – absichtlich ungeschickt, als hätte der Umstand, dass er nichts sehen konnte, ihn dazu gebracht, sich zu weit zu drehen. Er taumelte einige Schritte nach vorn, ehe er sich fasste und sich wie wild die geschlossenen Augen rieb.

Er konnte spüren, wie Firen auf ihn zuschoss. Jetzt war sie beinahe lautlos. Sie war so schnell und raubtierhaft wie eine Dathomiri-Echse.

Doch er wusste, wo sie war. Als sie in Reichweite kam, verpasste er ihr einen seitlichen Tritt. Seine linke Ferse traf sie in die Bauchgegend und hielt sie abrupt auf. Sie gab ein »Umpf« von sich, das klang, als würde alle Luft auf einmal aus ihrer Lunge entweichen.

Luke wirbelte auf dem anderen Fuß einmal um sich selbst und ließ einen weiteren Tritt folgen, der sie unmittelbar unter dem ersten traf und Firen von den Füßen riss. Er hörte, wie sie in den Staub krachte. In der Macht konnte er sie vage vor sich sehen, mit dem Gesicht nach unten, wie sie sich mühte, sich wieder aufzurappeln.

Er huschte neben sie und beugte sich nach unten, um ihr den Arm, mit dem sie sich abstützte, auf den Rücken zu drehen. Sie fiel ihn an und schlug um sich, doch er hielt mit einer Hand ihren Ellbogen und mit der anderen ihr Handgelenk fest, und der Hebel, den er einsetzte, hielt sie an Ort und Stelle.

Er hörte, wie die Menge skandierte und von zehn herunterzählte. In diesen zehn Sekunden gelang es Firen nicht, sich zu befreien. Nach der »eins« ertönten gewaltiger Jubel und Rufe der Bestürzung, doch der Kampf war vorüber. Luke löste seinen Griff, trat zurück und machte sich wieder daran, seine Augen zu säubern.

»Hier.« Das war Bens Stimme. Luke streckte die Hand aus und nahm einen Trinkschlauch entgegen. Dankbar goss er sich etwas von seinem Inhalt über die Augen. Er blinzelte, und sein Blick klärte sich. »Danke.«

Firen stand einige Meter entfernt. Sie wirkte unglücklich. Als sie seinen Blick auf sich ruhen sah, wandte sie sich ihm zu. »Es gibt nichts Schlimmeres, als von einem Mann besiegt zu werden.«

Luke grinste. »Du meinst von einem niederen Mann?«

»Nun … Kaminne sagt, wir sollen diesen Begriff nicht länger verwenden.«

»Immerhin ist kein Rancor auf dich draufgestürzt.«

Sie dachte darüber nach. »Wohl wahr. Das ist schlimmer.« Sie trat vor und streckte eine Hand aus. »Gut gekämpft, niederer Mann!«

»Gut gekämpft, traditionalistische Unterdrückerin!«

»Hört auf, ihr beiden!« Das war Kaminne, die vortrat, doch in ihrem Tonfall lag kein Tadel, und sie lächelte. Sie wandte sich der Menge zu. »Im waffenlosen Kampf für jene, die die Künste beherrschen, ist Luke Skywalker von den Jedi der diesjährige Champion.«

Mitglieder beider Clans, wenn auch größtenteils von den Zerbrochenen Säulen, kamen nach vorn, um Luke zu gratulieren, und Tasander überreichte ihm für den ersten Platz die Siegermedaille.

Dann begann sich das Publikum unweigerlich zu zerstreuen. Die meisten machten sich auf den Weg zum nächsten Kampfareal, zum nächsten Wettstreit.

Luke schaute sich um, dann sah er zum Himmel empor, um den Stand der Sonne zu überprüfen. Nachmittag. Er fragte sich, ob die Nacht einen neuerlichen …

»Ja, das werden sie.«

Er sah seinen Sohn an. »Wie bitte?«

»Ja, die Nachtschwestern werden heute Nacht wieder angreifen.« Ben senkte die Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern, das geradewegs aus einem Holodrama hätte stammen können.

»Deine Gedanken verraten dich.«

»Ich sollte dich wirklich mal richtig durchschütteln … Ich bin sicher, dass die Macht dir nichts über meine Gedanken verraten hat.«

»Die Macht ist nicht alles, Dad. Zuerst hast du in die Richtung geschaut, wo wir letzte Nacht auf die Fallen und die Leichen und so weiter gestoßen sind. Dann hast du die Baumlinie ringsum überprüft, aber nicht den See. Das bedeutet, du hast über Möglichkeiten nachgedacht, wie man sich dem Lager über Land nähern kann, genauer gesagt, wie ein Gegner das tun könnte, und dieser Gegner wiederum sind die Nachtschwestern. Du hast zur Sonne aufgeschaut, die für gewöhnlich immer da ist, was bedeutet, dass du in Wahrheit die Zeit bis zum Sonnenuntergang abgeschätzt hast, um dir darüber klar zu werden, wie viel Zeit wir mindestens noch haben, bevor die Nachtschwestern angreifen.«

»Vielleicht war es doch keine so gute Idee, dich von der Garde ausbilden zu lassen. Glaubst du, du wärst zufriedener damit, Kaf auszuschenken oder Karikaturen zu zeichnen?« Luke seufzte.

»In Ordnung, warum glaubst du, dass sie heute Nacht wieder angreifen werden?«

»Weil Dyon über sein Komlink eine sehr interessante Nachricht bekommen hat, während du im Halbfinale standest.«

Sie nahmen den kurzen Weg zurück zu ihrem Lagerfeuer, wo Dyon Luke offensichtlich bereits erwartete. Auf Bens Nicken hin warf Dyon einen Blick in die Runde, um sicherzustellen, dass sich niemand sonst in Hörweite befand. »Yliri hat vorhin mit mir Kontakt aufgenommen.«

»Gut.« Luke war gespannt, Neues vom Raumhafen zu hören. Er wusste, dass Han und Leia den Planeten ohne Zwischenfälle verlassen hatten, doch er hatte keine Ahnung, wie die Dinge für die anderen gelaufen waren, die von hier aufgebrochen waren.

»Wie auch immer, ich denke, dass da irgendetwas vor sich geht.«

Luke warf ihm einen fragenden Blick zu. »Am Raumhafen?«

»Nein, zwischen Yliri und Carrack. Sie hat sich solche Sorgen wegen seiner Verletzungen gemacht, hat so darauf beharrt, ihn zurückzubegleiten. Sie hat ihn praktisch Tag und Nacht gepflegt.

Ich glaube, zwischen den beiden sind so was wie romantische Gefühle aufgekeimt, als sie hier waren. Natürlich ist eine Zusammenkunft wie diese genau der richtige Ort dafür …«

Ben seufzte. »Dyon? Die Düsenschlitten?«

»Oh, richtig. Früher am Tag hat die Sensorstation des Raumhafens Düsenschlitten-

Transponder registriert, drei davon, die zu unterschiedlichen Zeiten auf einer großen Wiese westlich des Raumhafens eingetroffen sind.«

Luke schien unbeeindruckt. »Na und? Soweit ich weiß, sind inzwischen mehrere der Clans im Besitz solcher Flitzer.«

»Aber sie sind aus verschiedenen Richtungen gekommen, was auf verschiedene Clans hindeutet – und eine Menge Düsenschlitten werden modifiziert, wenn sie den Clans in die Hände fallen. Ihre Transpondersignale werden deaktiviert, weil die Clans eine natürliche Abneigung dagegen haben, dass andere Leute in der Lage sind, ihre Bewegungen nachzuvollziehen. Wenn sich also drei davon mit Transpondern an einer Stelle treffen, bedeutet das, dass tatsächlich wohl mehr als drei gleichzeitig dort waren.«

Luke nickte. »Wo befinden sie sich ihren Signalen zufolge jetzt?«

»Genau das ist der springende Punkt. Sie waren eine Weile dort, und dann sind die drei Signale verschwunden, alle innerhalb von zwei Minuten, eins nach dem anderen.«

»Was darauf hindeutet«, warf Ben ein, »dass sie herumgesessen und gewartet haben, und dann hat irgendwer gesagt: Ihr habt doch alle eure Transponder ausgeschaltet, nicht wahr? Und drei von ihnen, mit dem Verstand von Echsenaffen, sagten: Was sind Transponder? Und dann haben sie das Problem behoben.«

Luke dachte darüber nach. »Dann geht ihr also davon aus, dass die Nachtschwestern zu dem Schluss gelangt sind, Verstärkung zu brauchen, und deshalb noch mehr Nachtschwestern auf Düsenschlitten unterwegs hierher sind?«

Ben nickte. »Sicher, dafür könnte es noch andere Erklärungen geben. Aber irgendwie bin ich von Natur aus misstrauisch.«

»Nun, misstrauisch zu sein, scheint bei deinem Onkel Han gut zu funktionieren.« Luke schaute sich um und ließ den Blick über das Lager schweifen. »Falls ihr recht habt, haben sie ihre Verluste mehr als ersetzt, und wir haben keinen Ersatz für unsere.«

Dyon nickte. »Es ist nie eine gute Idee, den Gegner das Schlachtfeld bestimmen zu lassen.«

Luke ging auf den Bereich des Lagers zu, in dem die Geschäftigkeit am größten war: in Richtung der Arena, wo Kaminne und Tasander just in diesem Augenblick dabei waren, einen neuen Wettkampf anzukündigen. »Wir sollten mit jemandem darüber sprechen, das Lager zu verlegen.«

Es brauchte nicht viel, um Tasander, der wie viele adelige hapanische Männer einer Familie mit gewisser Tradition in puncto Piraterie entstammte, und Kaminne, die ihren Clan zehn harte Jahre lang zusammen und am Leben gehalten hatte, davon zu überzeugen, dass es sinnvoll war, das Lager zu verlegen. Das Problem war schlichtweg eins der Logistik.

»Alles zusammenzupacken und aufzubrechen erfordert mindestens eine Stunde.« Kaminne dachte darüber nach. »Obwohl wir das Ganze auch als dringenden Notfall behandeln können, mit dem Ziel, uns schnellstens in Sicherheit zu bringen. Fünf Minuten, um ins Lager zu gelangen und sich zu schnappen, was einem am wichtigsten ist, fünf weitere Minuten, um sich zu versammeln und dann loszuziehen, um alles zurückzulassen, was nicht absolut lebenswichtig ist. Aber wo sollen wir hingehen? Rechnet man die Marschzeit hinzu, können wir bis Einbruch der Nacht bloß eine gewisse Strecke zurücklegen, und wir sind angreifbar.«

Tasander schaute nach Nordosten. »Einige Kilometer in diese Richtung gibt es einen Hügel.

Er liegt abseits der Handelspfade. Ein sehr hässlicher, wenig verheißungsvoller Hügel. Mit steilen Hängen, felsig und öde. Aber dort oben gibt es Brennmaterial, und man kann die Stelle äußerst gut verteidigen.«

Kaminne nickte. »Wasser?«

»Leider gibt es da oben nichts zu trinken.«

»Dann müssen wir jeden Wasserschlauch und jeden anderen Behälter füllen, bevor wir aufbrechen. Was leider wiederum mehr Zeit kostet. Und dann wäre noch zu klären, wessen Standarte wir tragen.«

»Bitte?« Diese Frage schien Tasander zu verblüffen.

Das galt auch für Luke. » Wessen Standarte? «

Tasander wies in die Runde. »Das hier ist nicht ein Lager. Es sind zwei. Die Zerbrochenen Säulen ein gutes Stück hier drüben, die Herabregnenden Blätter ein gutes Stück dort drüben, und jedes Lager trägt seine eigene Standarte, sein eigenes Clan-Symbol. Oh, jetzt sind es sogar drei Lager, mit euch Außenweltlern direkt in der Mitte. Aber diese kleine und unregelmäßige Hügelkuppe lässt sich nicht so einfach aufteilen. Daher wird es ein Lager der Zerbrochenen Säulen oder ein Lager der Herabregnenden Blätter, aber nicht beides. Ein Clan wird den anderen dort dulden müssen … und das wird niemandem gefallen, was unsere Moral und die Befehlskette untergräbt. Damit stellt sich die Frage, welcher Clan sozusagen als Gastgeber fungiert? Unter wessen Standarte versammeln wir uns?«

Luke ließ ein wenig Durastahl in seine Stimme kriechen. »Unter der der Jedi. Es ist ein Jedi-Lager. Dyon, du musst uns eine Standarte machen, rasch!«

Dyon nickte. »So gut wie erledigt.«

Kaminne schaute zu Tasander hinüber und sah dann wieder Luke an. »Die Herabregnenden Blätter sind einverstanden.«

»Ebenso wie die Zerbrochenen Säulen.« Tasander kratzte sich am Kinn, mit einer so offenkundigen und theatralischen Ich-denke-jetzt-nach-Geste, dass es schwierig war, nicht zu lachen. »Wir brauchen immer noch ein Mitglied jedes Clans, das die Jedi dabei begleitet, um auf den Ort Anrecht zu erheben und die Standarte aufzustellen.«

Obgleich Kaminne ihren Mund öffnete, um zu antworten, unterbrach Ben sie. »Halliava und Drola.«

Kaminne warf ihm einen neugierigen Blick zu. »Warum?«

»Sie sind beide jung und beliebt, sie haben beide mehrere Wettkämpfe gewonnen. Sie sind beide nicht verheiratet. Das gibt den Leuten etwas, worüber sie sich Gedanken machen können.«

Kaminne schien keine Einwände zu haben. »Soll mir recht sein. Dann also Halliava und Drola.«

»Aber erzählt ihnen nicht, worum es bei alldem geht. Wir sollten die wichtigen Informationen so weit wie möglich für uns behalten!« Ben sagte es fast beiläufig, als wäre dies bloß ein vernünftiges Anliegen und kein wichtiges.

»Wie du wünschst.« Sie warf ihrem Verlobten einen Blick zu. »Lasst uns anfangen!«

»Los geht’s!«

Gemeinsam trotteten sie auf den gegenwärtig stattfindenden Wettkampf zu, den Wettstreit im unbewaffneten Kampf zwischen denen ohne die Künste.

Luke bedachte Ben mit einem Blick, den er mahnend wirken lassen wollte – was ihm nicht gelang. »Du wirst zunehmend raffinierter, Ben.«

»Das habe ich von Mom. Und vielleicht auch von den Skywalkers – immerhin ist Leia deine Schwester. Was die Raffinesse betrifft, wurdest du bloß übersprungen.«

Dyon schüttelte verwirrt den Kopf. »Ich kapiere das nicht. Was war daran raffiniert?«

Ben schaute ihn unschuldig an. »Das ist so eine Teenager-Sache. Du würdest das nicht verstehen.«

Dyon hatte auf seinem Datapad gewisse Informationen über die Jedi und die Galaktische Allianz, was nicht allzu überraschend war. Mithilfe von bekannten Symbolen auf dem Datapad, die er als Bezugsrahmen verwendete, entwarf er rasch eine Flagge, die bei dieser Mission als Jedi-Standarte fungieren würde. Auf einem großen rechteckigen Stück hellbraunen Stoffs malte er in Schwarz das vogelartige Zeichen, das die Grundlage für viele Embleme der Neuen Republik und der Galaktischen Allianz bildete. Über dieses schlichte Abbild malte er zwei gekreuzte Lichtschwerter, beide aktiviert, eins mit einer grünen Klinge, eins mit einer blauen.

Ben, der Dyon über die Schulter schaute, nickte zustimmend. »Das sollte genügen.«

»Ich werde noch die Farbe abtupfen, damit sie nicht tropft, wenn wir sie tragen. Aber abgesehen davon ist die Flagge fertig.«

Wenige Minuten nach Vollendung der Standarte gesellten sie sich zu Luke, Halliava und Drola, die beide verblüfft und gereizt zu sein schienen, weil man sie von den Spielen weggeholt hatte, um sich auf den Weg zu dem Hügel zu machen, den Tasander beschrieben hatte. Tasander hatte Dyon genaue Informationen über den Standort des Hügels gegeben, sodass dieser die Anzeige seines Datapads bloß alle paar Minuten mit den Satellitenkoordinaten vergleichen musste. Eine halbe Stunde, nachdem sie aus dem Lager der Herabregnenden Blätter und Zerbrochenen Säulen aufgebrochen waren, tauchten sie aus einem besonders dichten Waldstück auf und sahen den Hügel vor sich.

Er wirkte in der Tat wenig verheißungsvoll. Es handelte sich um ein vierzig Meter hohes Plateau aus schwarzem Fels, das in uralten Zeiten aus Dathomirs Oberfläche aufgeworfen und seitdem bloß wenig vom Wetter abgetragen worden war. Zerklüftete Kanten ragten gen Himmel empor, und auf den oberen Hängen wuchs nur wenig Grün. Der südwestliche Hang war nicht ganz so steil wie die anderen, was bedeutete, dass es lediglich durchschnittliche athletische Fähigkeiten erforderte, um ihn zu erklimmen, und keine außergewöhnlichen Anstrengungen. Ben konnte sehen, dass der Gipfel aus zerklüftetem, abschüssigem Gelände bestand, ein Ort, an dem es schwer sein würde, einen bequemen Platz zu finden, um seinen Schlafsack auszurollen. Er hoffte, dass es heute Nacht nicht regnen würde.

Die aus fünf Personen bestehende Gruppe erklomm den Hang innerhalb weniger Minuten, in guter Verfassung und unverletzt, ehe sie ihren Blick über das Tal unter sich schweifen ließen, hin zum Rotkiemensee. In der Spätnachmittagssonne glitzerte das Wasser des Sees in sich kräuselnden Ringen aus Blau und Gelborange.

Drola blinzelte. »Nun, das ist wirklich schön. Aber nicht schön genug, um den Felsbrockenweitwurf zu verpassen. Ich denke, in diesem Jahr hätte ich gewonnen.«

Halliava prustete. »Hättest du mit dem Felsbrocken zwischen deinen Ohren angefangen?«

Er schüttelte gelassen den Kopf. »Nein, mit dem Granitklumpen, den du dein Herz nennst.«

Luke lächelte. »Ihr habt etwas Wichtigeres zu tun, als Felsbrocken zu schleudern. Wir brauchen euch als Zeugen.« Er winkte, und Dyon reichte ihm den langen hölzernen Pfahl, an dem die neue Standarte befestigt war. Luke hob die Standarte hoch. »Ich beanspruche …« Dann brach er ab. Ein nachdenklicher Ausdruck trat in sein Gesicht, und er senkte den Pfahl, sodass das untere Ende auf dem Gestein der Hügelkuppe ruhte.

Ben warf seinem Vater einen besorgten Blick zu. »Was ist los?«

Luke schüttelte den Kopf. »Ich kann das nicht machen. Wenn ich diesen Hügel für uns beanspruche, und wenn auch bloß vorübergehend, wird dies hier zu einer Jedi-Anlage. Richtig?«

»Richtig … oh.« Die Auflagen von Lukes Urteilsspruch verbaten ihm, Jedi-Einrichtungen zu gründen oder zu besuchen.

Luke hielt Ben die Standarte hin. »Du musst es tun. Ich glaube nicht, dass ich auch nur hier sein dürfte.«

»Wo willst du sonst hin? Runter auf den Boden, ohne Unterstützung?«

»Nein … Ich werde auf halbem Wege den Hügel hinab Stellung beziehen. Du beanspruchst einfach bloß die Hügelkuppe für die Jedi, und dann ist alles bestens.«

»Das kann er nicht.« Das war Halliava. Sie wirkte immer noch verblüfft darüber, was sie im Sinn hatten, doch einer Sache schien sie sich sicher zu sein. »Dann gibt es hier nämlich bloß noch einen Jedi. Bens Anspruch hier wäre damit nicht größer ist als der von Drola, Dyon oder mir selbst. In diesem Fall könnten wir nicht als Zeugen fungieren, weil unser Anspruch genauso groß wäre.«

Dyon gab ein Röcheln von sich. Er wandte sich an Luke. »Ihr glaubt, es sei schwierig, sich mit einem Planeten nach dem anderen zu befassen, von denen jeder eine andere Regierungsform und Verfassung besitzt? Man stelle sich mal einen einzelnen Ort vor, an dem man bereits wieder eine andere Regierungsform und andere Gebräuche hat, wenn man nur einen Bach überquert, und an dem man gar keine Verfassung kennt, da es dort nur wenige oder gar keine des Lesens und Schreibens kundige Leute gibt, die eine Verfassung aufsetzen könnten. Willkommen auf Dathomir!«

Luke grinste und reichte seinem Sohn die Standarte. »Ben, du bist derjenige mit der Raffinesse in den Genen. Klär dieses Problem!« Er drehte sich um und stieg den Hang hinab.

»Klasse!« Sein Vater vertraute darauf, dass Ben die Kohlen schon für ihn aus dem Feuer holte.

Er sah seine drei verbliebenen Begleiter an, und da kam ihm eine Idee. Er lehnte den Standarten-Pfahl gegen seine Schulter und fing an, in der Gürteltasche herumzufischen. Nach wenigen Augenblicken hatte er gefunden, was er suchte: eine Fünf-Credit-Münze, Coruscant-Prägung.

Er schnippte sie Dyon zu, der sie auffing. »Dyon, ich heuere dich an. Ich kann dich nicht zu einem Jedi machen, aber ich kann dich für den Orden engagieren. Als Berater.«

Dyon musterte die Münze betrübt, ehe er sie in einer seiner Westentaschen verstaute. »Ich bin ziemlich tief gesunken. Jetzt verkaufe ich mich schon für fünf Creds.«

»So ist das Leben mit den Jedi.« Ben sah die Dathomiri an. »Sind die Jedi den Blättern und den Säulen jetzt zahlenmäßig überlegen?«

Drola nickte. Halliava dachte darüber nach, dann nickte sie ebenfalls.

Ben hielt die Standarte in die Höhe. »Ich, Ben Skywalker, beanspruche hiermit diese Hügelkuppe von einer Höhe von zwanzig Metern aufwärts für den Jedi-Orden.« Er sah die Dathomiri an. »Wird das reichen? Dramatisch genug?«

Halliava war sich nicht sicher. »Du musst deine Zeugen benennen.«

Drola deutete auf den Pfosten, den er hielt. »Und dann musst du die Standarte so in den Boden rammen, dass sie von allein stehen kann.«

»Hiermit beanspruche ich diese Hügelkuppe für den Jedi-Orden, in Gegenwart von Halliava Vurse vom Clan der Herabregnenden Blätter und Drola … Drola …«

Der bärtige Mann runzelte die Stirn. »Kinn.«

»Drola Kinn vom Clan der Zerbrochenen Säulen.« Ben sah sich nach irgendwelchen losen Felsbrocken um, mit denen er den Pfosten stützen konnte.

»Wenn du schon Probleme mit meinem Namen hast, sollte ich wenigstens als Erster genannt werden.«

»Du bist ein Mann. Du kommst an zweiter Stelle. Ben, sind wir fertig? Ich will zurück ins Lager.«

Ben bedachte Halliava mit einem entschuldigenden Lächeln. »Nein, wir müssen hier warten.

Das ist auch im Sinne von Kaminne und Tasander.« Er lehnte den Pfosten gegen eine senkrechte Felskante, so hoch wie seine Schulter, und schichtete lose Steine dagegen, um ihn an Ort und Stelle zu halten.

Drola versuchte, seine Stimme vernünftig klingen zu lassen. »Haben sie das so gesagt

»Oh, sei still! Wir hätten deiner Art niemals das Reden beibringen dürfen.«

Ben grinste. Halliavas Tonfall war nicht bissig, nicht richtig verärgert. Sie war bloß neckisch. So zänkisch, wie die Dinge in den Lagern während der Zusammenkunft abgelaufen waren, gefiel ihm, was er hörte.

Er verspürte einen plötzlichen Stich von Schuldbewusstsein. Womöglich war Halliava hier doch nicht die Nachtschwester. Er wollte nicht, dass sein andauernder Argwohn ihr gegenüber zu Unstimmigkeiten führte oder andere dazu brachte, ihr zu misstrauen, falls sie tatsächlich unschuldig war.

Aber er konnte ihr trotzdem immer noch nicht die Wahrheit sagen, nicht, wenn die Möglichkeit bestand, dass sie diese Informationen an weiter entfernte Nachtschwestern übermittelte. Nicht, wenn er sich seiner Sache nicht sicher sein konnte.

Als seine Aufgabe beendet war, nahm er Haltung an. »Willkommen in Camp Jedi! Jetzt warten wir.«