5. Kapitel

REGENWALD, DATHOMIR

Die Solo-Expedition brach kurz nach der Morgendämmerung auf. Sha ging zu Fuß voran, um die wenigen Hinweise zu deuten, die Luke, Ben und die geheimnisvolle Frau hinterlassen hatten, die ihnen auf den Fersen war. Die Gleiter von Han und Yliri folgten ihr langsam, mit etwa zweihundert Metern Abstand, und griffen zur Navigation auf Shas Kom-Signale zurück.

Sie waren erst wenige Minuten unterwegs, als sich Leia in ihrem Sitz aufrichtete. »Ich fühle Luke.«

»Auf einmal?«

»Er ist … Er ist …« Leia runzelte die Stirn, konzentrierte sich. »Er gibt sich der Macht gerade vollauf hin. Er sucht nach etwas. Ich denke, dass er sich in der Macht verborgen hält. Genau wie Ben.« Sie schloss die Augen und neigte den Kopf. »Jetzt kann er mich wahrnehmen. Jetzt weiß er, dass ich hier bin. Er ist ruhig. Im Moment droht keine Gefahr.«

»Das ist doch schon was.«

Leia ließ den Blick ein wenig nach Steuerbord schweifen, fort von ihrer gegenwärtigen Richtung. »Lass uns Sha einsammeln und schnellstens zu Luke vorrücken! Ich glaube, wenn ich den Kontakt zu ihm aufrechterhalten kann, würde uns das eine Menge Zeit sparen.«

»Was immer du sagst.«

RAUMHAFEN, DATHOMIR

Die Morgensonne strömte durch die Sichtfenster des Millennium Falken herein, doch im Maschinenraum stammte das einzige verfügbare Licht von den Glühstäben an der Decke.

Hier fand Allana C-3PO, der hinter dem geschwungenen Gehäuse des Hyperraum-Moduls saß. Sie sprang aus den Schatten hervor wie ein Ungeheuer in einem Kindermärchen und ragte über dem goldenen Droiden auf, ihre Hände in die Hüften gestemmt. »Wo ist Erzwo?«

»Ich bin mir sicher, dass ich das nicht weiß, junge Herrin.« Nachdem sein Versteck entdeckt worden war, richtete sich C-3PO unbeholfen auf. »In der Nähe, nehme ich an.«

»Wo in der Nähe?«

»Hier … in der Nähe. Nehme ich an.«

Sie schaute stirnrunzelnd zu ihm auf. »Du lügst schon wieder, Dreipeo! Anji und ich haben überall an Bord des Falken nach ihm gesucht. Er ist nicht hier. Wenn er es wäre, hätte Anji ihn gefunden. Und du hast dich vor mir versteckt.«

»Das würde ich niemals tun, Miss Allana.«

»Was machst du dann hier?«

»Vor zwei Jahren, vier Monaten und drei Tagen hat Master Han hier im Maschinenraum eine Credmünze fallen lassen. Es ist ihm nie gelungen, sie wiederzufinden. Seitdem ist die Münze bei Hochgeschwindigkeitsmanövern immer wieder aufgetaucht – sie ist hier herumgerollt und hat geklappert. Um ehrlich zu sein, kann das überaus nervtötend sein. Wenn ich die Münze finden kann …«

»Du lügst immer noch.« Allanas Tonfall war eher enttäuscht als anklagend. »Wenn Erzwo irgendwas machen würde, das in Ordnung ist, würdest du es mir sagen. Das bedeutet, dass er irgendetwas heimlich macht und dabei verletzt werden könnte.«

»Droiden werden nicht verletzt, meine Kleine – bloß beschädigt.«

»Und manchmal auch entführt und gefoltert und auseinandergenommen. Würdest du das nicht als verletzen betrachten?«

»Nun … technisch gesehen nicht.«

»Willst du mir jetzt sagen, wo er ist, oder muss ich den ganzen Tag lang mit dir reden?«

C-3PO stieß ein simuliertes Seufzen aus. »Nachdem wir dich letzte Nacht zu Bett gebracht haben, ist er rausgegangen. Er ist noch nicht zurückgekehrt. Obschon ich mir sicher bin, dass kein Grund zur Sorge besteht.«

»Wo ist er hingegangen?«

»Das weiß ich nicht mit Bestimmtheit. Aber neulich hat er darüber schwadroniert, in einer der Kuppeln hier ein verdächtiges Raumschiff gesehen zu haben. Vermutlich wollte er der Sache nachgehen.«

»Nun, dann lass uns gehen und ihn suchen!«

»Nein, junge Herrin. Entweder gibt es kein Problem, in welchem Fall er zu uns zurückkommen wird, oder es besteht Gefahr, in welchem Fall wir strikte Anweisungen haben, dich ihr nicht auszusetzen. Und solltest du Schaden nehmen, würden sich Master Han und Miss Leia mit Sicherheit einen neuen Wookiee suchen, der mir die Arme und Beine aus den Gelenken dreht.«

»Also willst du überhaupt nichts unternehmen?«

»Ich überwache Erzwos bevorzugte Kom-Frequenzen. Das ist alles, was ich tun kann, während wir hierbleiben.«

Allana stapfte frustriert mit dem Fuß auf, ehe sie sich umdrehte und zur Oberseite der Einstiegsrampe des Falken lief, die hochgefahren und in der Schließposition verriegelt war. Sie streckte ihre Hand hoch nach oben und betätigte den Wandschalter, um die Rampe runterzufahren.

Die Kontrolltafel gab ein Tschunk von sich, um zu bestätigen, dass sie aktiviert worden war, doch die Rampe senkte sich nicht nach unten.

»Dreipeo!«

»Es tut mir leid, junge Herrin. Anweisungen, verstehst du?«

REGENWALD, DATHOMIR

Luke wusste, dass ihre Widersacherin ein außergewöhnliches Wissen über die Wildnis von Dathomir besaß, dass sie eine überragende Spurenleserin war und auch über Machtkräfte verfügte, die zwar vermutlich nicht größer waren als seine, jedoch womöglich besser an diese Umgebung angepasst.

Also machte Luke sich daran, die Spielregeln zu ändern.

Die Frau, die ihnen auf den Fersen war, die ständig versuchte, ihr Vorankommen zu verzögern und sie vom Kurs abzubringen, hatte jetzt eine Standardvorgehensweise entwickelt. Sie begab sich auf die eine oder andere Seite des Pfads, den Luke und Ben nahmen, und stellte ihnen entweder irgendeine Art von Falle, um ihnen eine geringfügige Verletzung zuzufügen, oder sie legte eine falsche Spur, um sie in die Irre zu führen. Mehrmals verdankten die Jedi allein ihrem Machtbewusstsein, dass sie nach ihnen peitschenden Zweigen entgehen, den Nestern von Giftschlangen ausweichen oder das Hinabrutschen eines unerwartet schlüpfrigen Hangs in einen Fluss vermeiden konnten.

Fallen zu stellen oder wie ein betrunkenes Bantha durch den Wald zu stapfen, kostete Zeit und vermutlich eine größere Interaktion mit ihrer Umgebung, als wenn sie einfach weiter ihren Spuren gefolgt wäre. Schließlich gelangte Luke zu dem Schluss, dass ihm das ermöglichen sollte, sie in der Macht aufzuspüren.

Während Ben für sie beide die Augen offenhielt, setzte sich Luke auf einen flachen Felsen und versank in eine Jedi-Meditationstrance. Zum ersten Mal, seit sie zu dieser Mission aufgebrochen waren, öffnete er sich vollends der Macht. Er saß da und versuchte, eins mit dem Regenwald zu werden. Wenn ihm das richtig gelang, würde er imstande sein, winzige Veränderungen wahrzunehmen, kleine Schäden und Spuren, die ihm einen Hinweis auf die Pläne und die Position ihrer Widersacherin geben würden.

Und er fühlte … Leia.

Der unerwartete Kontakt riss ihn beinahe aus seiner Trance, doch er fing sich wieder und vermittelte seiner Schwester ein beruhigendes Gefühl, das Macht-Äquivalent eines Lächelns. Dann wandte er sich wieder seiner Aufgabe zu.

Vage fühlte er, wie das Tierleben in einem weiten Bereich aufgescheucht und wachsam wurde, als sie ein dumpfes Rumpeln im Boden gewahrten. Es war jedoch bloß ein unbedeutendes Zittern, eine Naturerscheinung, die keinen Schaden verursachte. Er schüttelte leicht den Kopf und richtete seine Aufmerksamkeit anderswohin.

Narben im Wald … eine neue Einfamilien-Siedlung südsüdöstlich, in der Nähe des Raumhafens, eine Parzelle Land, die von Feuer gerodet worden war, eine Fertig-Permabetonhütte, die jetzt an derselben Stelle errichtet wurde. Er konnte noch andere Narben spüren, winzige Narben dichtbei, von den Füßen von Rancoren verursacht, die den Waldboden durchpflügten, große Narben in der Ferne, die von den Wanderungen von Hunderten von Tieren oder Leuten herrührten.

Und dann war sie da. Ihr stiefelbewährter Fuß streifte Gräser und Flechten, die auf Felsvorsprüngen wuchsen, während sie ihre Schnur spannte und ein Stück mit schlecht ausbalancierten Felsbrocken an einem Hang in eine tödliche Stolperfalle verwandelte.

Luke konnte spüren, dass sie darüber nicht glücklich war; dass sie nicht glücklich darüber war, dass diese Falle um so vieles gefährlicher war als die vorherigen. Sie wollte ihnen nicht wehtun. Aber sie wollte, ja, sie musste sie dazu bringen, von hier zu verschwinden.

Luke fühlte, wie sie sich anspannte. Er wich rasch von dem Kontakt zurück. Undeutlicher konnte er spüren, wie sie sich – von plötzlicher Paranoia erfüllt – umschaute, doch ihre Emotionen beruhigten sich nach und nach wieder.

Sie hatte ihn wahrgenommen, jedoch ohne ihn zu identifizieren. Zweifellos war ihre Kontrolle über bestimmte Bereiche der Macht beschränkt.

Jetzt, da er sicher war, wo sich ihre Felsbrockenfalle befand und wo sie auf die beiden zu warten gedachte, erwachte Luke aus seiner Trance und öffnete die Augen.

Er schaute zu seinem Sohn auf. Ben sah ihn an, einen besorgten Ausdruck auf dem Gesicht.

»Was ist los?«

»Du bist blass, Dad.«

»Bin ich das?« Luke versuchte, einen Eindruck von seiner körperlichen Verfassung zu gewinnen.

Er war erschöpft; erschöpfter, als er nach einer so banalen Machtanstrengung eigentlich sein sollte. Offensichtlich hatte er sich von den Strapazen, denen er im Schlund ausgesetzt gewesen war, noch nicht erholt. Er brauchte einige Tage ungestörter Ruhe, die ihm jedoch verwehrt blieben.

Nun, das war schon in Ordnung. Er konnte auf diese Weise noch eine ganze Weile weitermachen.

Er stand auf, um – um Bens Willen – mehr Elan an den Tag zu legen, als er tatsächlich empfand. »Lass uns gehen!«

»Hast du die Absturzstelle gefunden?«

»Hm?«

»Ich bin drauf gekommen, nachdem du in Trance verfallen bist. Das Sith-Mädchen hat mit ihrem Schiff irgendwo hier draußen eine Bruchlandung hingelegt. Ich nehme an, das hätte die Art von Schäden hinterlassen, nach denen du suchst.«

»Das hätte es, ja.« Luke runzelte die Stirn. »Aber ich habe keine Spur von dem Absturz entdeckt.«

»Vielleicht ist sie in einen See gestürzt. Dann würde es keine Oberflächenschäden geben.«

»Und das wäre auch ein guter Grund dafür, warum die Suchmannschaft keine Hinweise auf die Absturzstelle gefunden hat.« Luke wandte sich nach Nordwesten. »Lass sie uns suchen, dann können wir sie selbst danach fragen!«

Innerhalb einer Stunde waren sie bis auf Sichtweite an die Felsbrockenfalle der Dathomiri herangekommen. Das Gelände hier stieg zu den Ausläufern der Berge hin an, und der östliche Hang eines schmalen Passes, der vor ewigen Zeiten von einem jetzt verschwundenen Flüsschen ins Gestein geschnitten worden sein musste, war übersät von unregelmäßigen weißen Felsen.

Dass die Frau diesen Hang sabotiert hatte, war nicht zu erkennen. Was für eine Falle sie mit dem Stolperstrick auch immer gebaut hatte, sie war gut versteckt.

Luke und Ben legten sich auf eine schartige Felsplatte, ein paar Hundert Meter vom Pass entfernt. Sie waren sehr leise und vorsichtig an das Gebiet herangeschlichen. Luke war sich sicher, dass die Frau, die ihnen hier auflauerte, sie nicht bemerkt hatte. Dennoch verschaffte das Areal ihnen in den Minuten, die sie damit verbrachten, es zu studieren, keinen Vorteil. Sie würden sich direkt und körperlich mit der Falle auseinandersetzen müssen.

»Ich weiß, wie wir vorgehen.« Bens Stimme klang überraschend tief und erwachsen.

»Ach ja?«

»Wenn die Felsbrocken runterstürzen, gehen wir ihnen aus dem Weg.«

»Danke, dass du unsere Aufgabe auf diesen schlichten Nenner gebracht hast. Komm jetzt!«

Luke stand auf und trottete auf den Felssturz zu.

Er konnte die Frau nicht in der Macht wahrnehmen. Sie mussten ihre Präsenz verbergen.

Nein, mehr als das. Falls sie in der Nähe war, war es nicht einmal möglich, dass sie den Felssturz beobachtete. Ihn zu beobachten, hätte bedeutet, dass sie beim Näherkommen ihrer potenziellen Opfer eine erhöhte Anspannung empfunden hätte, die Machtnutzer ohne Weiteres auf sie aufmerksam machen konnte … und sie musste wissen, dass ihre Gegner mit der Macht sehr wohl vertraut waren. Deshalb würde sie sich in der Nähe aufhalten, ohne dem Felssturz jedoch irgendwelche Beachtung zu schenken, bis sie die Felsen fallen hörte.

Luke und Ben brachten die Entfernung von ihrem Versteck zu dem Pass mit dem Fallstrick in wenigen Sekunden hinter sich.

»Gar nicht so schwül hier.« Bens Tonfall war heiter und klang nicht im Mindesten gezwungen.

»Hm?«

»Ich betreibe bloß Konversation.« Ben senkte die Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern. »Um ganz entspannt zu klingen.«

»Natürlich.« Beim nächsten Schritt landete Lukes Fuß auf einem Felsen, der sich unter seinem Gewicht bewegte.

Wären seine Machtsinne nicht darauf ausgerichtet gewesen, jede Regung zu registrieren, jedes noch so schwache Anzeichen von Gefahr, hätte er nicht mitbekommen, wie die Falle zuschnappte. Hoch über ihm rollten Felsbrocken, die auf einem Überhang ruhten, unvermittelt nach vorn und stürzten auf ihre Köpfe zu. Luke konnte noch andere, subtilere Veränderungen spüren, die in der Felswand zu seiner Rechten vorgingen, doch bislang ging die einzige Bedrohung von dieser ersten Ladung an Felsbrocken aus, die nun an Tempo gewannen und Bewegungsenergie aufbauten.

Luke sprang nach links oben. Seine Füße landeten auf dem felsigen Hang, wo er keine Sabotage wahrgenommen hatte. Er fühlte eher, als dass er es hörte, wie Ben sprang und neben ihm aufkam.

Der Hang war hier beinahe senkrecht, doch mit einem Machtstoß sprang Luke weiter nach oben und ließ ohne Mühe sechs Meter hinter sich. Er landete geduckt auf einem Vorsprung. Ben setzte neben ihm auf.

Sie verfolgten, wie mehrere Tonnen Felsgestein an ihnen vorbeidonnerten, auf den ganzen Pass herniederkrachten und auch die Stellen zu beiden Seiten davon trafen, wo sie eben noch gestanden hatten. Auf dem gegenüberliegenden Hang lösten sich weitere Felsbrocken und stürzten in den Pass, um über die anderen nach unten zu prasseln.

»Drei Falletappen«, sagte Ben, sein Tonfall noch immer gesprächig.

»Sehr ausgeklügelt. Jetzt lass uns sie finden!«

Sie öffneten sich der Macht, suchten die Frau.

Luke zog eine unglückliche Miene. »Oh-oh.«

»Du hast dich verkalkuliert, oder?«

Durch den Zugang, den Luke und Ben gerade benutzt hatten, kletterte ein Rancor in den Pass. Er trug eine knorrige Holzkeule, die zweihundert Kilogramm wiegen musste. Auf Hals und Rücken war ein Sattel geschnallt, in dem eine kräftige blonde Frau von mittleren Jahren saß. Sie trug glänzende schwarze Lederkleidung, und ihr Gesichtsausdruck war wutentbrannt. Was den Rancor betraf, der gerade aufgetaucht war – wahrscheinlich als Reaktion auf das Auslösen der Falle , so musste er sich ganz in der Nähe verborgen gehalten haben. Vielleicht war er mithilfe der Macht getarnt worden.

Weiter den Pass hinunter, in der anderen Richtung, tauchte noch ein Rancor auf, dreißig Meter entfernt. Dieser Rancor trug zwar keine Keule, dafür jedoch einen Metallschild, genau wie das erste dieser Ungetüme, auf das die Jedi gestoßen waren. Neben dem Rancor, auf dem Boden, lief die Frau, die Luke am Vortag gesehen hatte, die, die den Gewittersturm gewirkt hatte, und im Sattel des Rancors saß noch eine weitere Frau, die ihr so ähnlich sah, als wären sie Schwestern, auch wenn die Kleidung dieser Frau hellbraun und ihr dunkles Haar von weißen Bändern durchzogen war. Die Frau auf dem Boden wirkte bestürzt – die Rancor-Reiterin hingegen lächelte, als würde sie sich auf das bevorstehende Gerangel freuen.

Drei weitere Frauen, die Kleider trugen, die zu denen der anderen passten, tauchten in vollem Lauf am anderen Ende des Passes auf, barfuß. Luke spürte ein Kribbeln in der Macht und schaute auf. Gerade erreichte ein dritter Rancor den Gipfel des Hügels, auf dem die Jedi saßen.

Dieses Ungetüm war reiterlos und unbewaffnet, aber größer als die anderen beiden.

Luke wandte sich an seinen Sohn. »Als ich die Frau entdeckt habe, hatte sie noch keine Verstärkung.«

»Peinlich, oder?«

»Ein bisschen.«

»Was hätte einer deiner alten Meister dir in einem Moment wie diesem geraten?«

»Das spielt jetzt keine Rolle.« Luke wandte sich an die Frau, der sie gefolgt waren. Er rief ihr zu: »Schön, dir endlich zu begegnen!«

Düster dreinblickend, öffnete sie den Mund, um darauf etwas zu erwidern. Aber die Frau im Rancor-Sattel über ihr vollführte eine Geste, und mit einem Mal heulte ein Windstoß durch den Pass, um Ben von seinem Ausguck zu reißen und ihn den Hang hinuntertrudeln zu lassen.

Mit einem Seufzen gab Luke die Machttechnik auf, die ihn an Ort und Stelle hielt, und folgte seinem Sohn.

»Beeilung, Beeilung!« Leias Tonfall klang drängend.

Han machte ein grimmiges Gesicht. Er konnte nicht noch schneller fliegen. Der Luftgleiter hatte seine Höchstgeschwindigkeit bereits schlichtweg erreicht. Allerdings konnte er Mikrosekunden gutmachen, indem er Risiken einging. Nach rechts und links steuernd, um der sich ausdünnenden Ansammlung von Bäumen auszuweichen, fehlten jetzt bloß noch Zentimeter, und er würde an den Baumstämmen den Lack von der Verkleidung abkratzen.

Auf dem Sitz hinter ihm gab Dyon einen würgenden Laut von sich, der selbst über das Kreischen des Antriebs hinweg hörbar war. Han achtete nicht auf ihn. Der Junge brauchte offensichtlich ein bisschen Aufregung in seinem Leben. Jetzt hatte er sie.

Sie schossen an den letzten Bäumen vorbei, auf ansteigendes, felsiges Gelände und weiter bis zum Kamm eines flachen Hangs. Hans Blick fiel als Erstes auf den riesigen Rancor, der oben auf einem nahe gelegenen Hügel stand und in die Spalte darunter brüllte. »Oh, stang!«

Leia schüttelte den Kopf. »Die Rancoren sind nicht das Problem.«

» Rancoren? Mehrzahl?«

»Hier tummeln sich Hexen.«

Ihr Anflugwinkel brachte sie auf eine Linie mit der Einmündung eines felsigen Passes, und mit einem Mal konnte Han sehen, wovon Leia sprach. Weiter den Pass entlang sprangen Luke und Ben – Ersterer in weißen Gewändern, Letzterer in schwarzen – Seite an Seite zum Fuß des Passes, während sie schädelgroßen Felsbrocken auswichen, die um sie herum nach unten prasselten. Die Steine glichen einem Wirbelsturm stumpfer Waffen, die ihnen mühelos die Schädel einschlagen konnten. Zu beiden Enden der Gefahrenzone thronte ein Rancor mit einer Reiterin, begleitet von drei oder vier Dathomir-Hexen. Die Frauen gestikulierten; offensichtlich hielten sie die potenziell tödlichen Steine mit ihren Machtzaubern in Bewegung.

Han drehte bei, sodass ihr Anflug sie geradewegs auf die Passmündung zuführte. Die Hexen hatten sie noch nicht bemerkt. Vielleicht würden der Lärm und das Durcheinander des Gefechts sie noch einige wertvolle Sekunden lang ablenken. »Wir sind zahlenmäßig unterlegen.«

»Warum setzen Luke und Ben nicht ihre Lichtschwerter ein?« Leia hielt ihres längst in Händen, wenn auch ausgeschaltet. Ihr Daumen ruhte auf dem Aktivierungsknopf.

Die Hexen und Rancoren bemerkten Hans Speeder nicht, als er in den Pass einbog. Er nahm den Vorwärtsschub komplett weg, glitt nach Backbord und gab vollen Schub auf die Repulsoren, um den Gleiter mit der Unterseite voran auf die nächste Gruppe von Gegnern zuzusteuern.

Bei einem weniger guten Piloten hätte das Manöver dazu geführt, dass er gegen die Passwand gekracht wäre, um alle an Bord zu töten. Han konnte nicht sehen, sondern bloß spüren, wie die an der Unterseite des Gefährts angebrachten Repulsoren statt leerer Luft gegen Hindernisse hämmerten. Gekreische ertönte, als Hexen unvermittelt aus dem Weg katapultiert wurden. Das Abbremsen im falschen Winkel presste Han tief in seinen Sitz.

Dann kamen sie zu einem abrupten, das Rückgrat zusammenstauchenden Halt. Die Triebwerke fielen aus. In dem Moment, der ihm blieb, bevor die Schwerkraft die Überhand gewann, gelangte Han zu dem Schluss, dass bloß eine Handvoll Piloten ein solches Manöver hätten durchziehen können. Er selbst, Jaina, Luke, Wedge, Tycho. Das war’s.

Leia und Dyon rissen sich von ihren Plätzen los. Sie hechteten zur Steuerbordseite, die beinahe senkrecht zum Himmel emporragte. Dann sprang jeder von ihnen auf eine andere Seite des Rancors. Der Speeder stürzte nach links, schlidderte an den Waden der Rancorbeine entlang, gegen die er gekracht war, fiel zwei oder drei Meter und donnerte dann auf den felsigen Boden des Passes.

Han wurde der Atem aus der Lunge getrieben. Gleichwohl, die Instinkte eines Piloten, der sich in einem abgestürzten Fahrzeug befand – raus hier, weg hier – übernahmen die Kontrolle.

Obgleich benommen, rollte er sich aus dem Gleiter und schnell davon weg. Vollkommen aus dem Gleichgewicht kam er wieder auf die Beine und stand von Angesicht zu Angesicht vor einer der Hexen, einer Rothaarigen, die zorniger aussah als jede andere Frau, der Han je begegnet war – mit Ausnahme von Leia.

Jemand schoss auf sie. Ein Betäubungsschuss traf die Hexe ins Gesicht, und sie stürzte außer Sicht. Wer hatte das getan? Oh, genau, Han selbst. Jetzt sah er die Blasterpistole in seiner Hand, sah, wie die Ladungsanzeige um eins runterging. Leia hatte darauf bestanden, dass er auf Betäuben umschaltete. Das tat er so selten.

Weiter den Pass hinauf bewegten sich Luke und Ben jetzt im Gleichklang, vollführten Gesten, um die abklingende Welle fliegender Felsbrocken abzuwehren. Ben katapultierte sich durch die Luft und erwischte mit einem perfekten Seitwärtstritt eine dunkelhaarige Hexe geradewegs in die Magengrube. Die Frau ging zu Boden. Näher dran, sprangen Leia – mit eingeschaltetem Lichtschwert – und der unbewaffnete Dyon nach links und nach rechts, sausten dabei aneinander vorbei und stürzten sich auf die Hexen in der Nähe.

Der Rancor, der ihnen am nächsten war, drehte sich um, brüllte Han an und hob seine Keule.

»Oh, stang!« Han kauerte sich zusammen und schätzte ab, in welche Richtung er am besten springen sollte.

Eine Blasterladung – kein Betäubungsschuss und größer, mit mehr Explosivkraft als jede Salve, die einer von Hans Blastern spuckte – traf den Rancor mitten in die Brust. Die Stelle zischte und färbte sich schwarz. Der Rancor – verwundet, aber nicht außer Gefecht gesetzt – taumelte von der Wucht des Aufpralls zurück, heulte von Neuem und starrte jetzt ein gutes Stück an Han vorbei.

Han riskierte einen Blick zurück. In der Ferne tauchte Yliris Frachtgleiter auf, der gerade den nächstgelegenen Kamm überquerte. Neben ihr auf dem Vordersitz, das Gewehr auf die Windschutzscheibe gestützt, halb stehend, war Carrack. Sha und Tarth klammerten sich verzweifelt am Rücksitz fest, als hinge ihr Leben davon ab.

Han schaute gerade rechtzeitig auf, um zu sehen, wie der Rancor einen Satz auf ihn zu machte, doch in Wahrheit stürmte er auf den näherkommenden Gleiter zu. Han sprang aus dem Weg. Er sah, dass der wilde Lauf des Rancors die Hexe im Sattel herumwarf und sie daran hinderte, den Zauber zu wirken, welchen auch immer sie gerade einsetzen wollte. Als der Rancor an Han vorbeipreschte, zielte er am Rücken der Bestie entlang nach oben, feuerte und traf die Hexe am Steiß.

Yliris Gleiter hielt geradewegs auf den herandonnernden Rancor zu, ehe sie nach links abdrehte und abrupt an Höhe gewann. Der Rancor schlug mit seiner Keule nach dem Gefährt, verfehlte dessen Unterseite jedoch um Meter. Der Speeder erklomm den Hang des Hügels linker Hand und näherte sich dem größeren Rancor, der dort thronte.

Carracks zweite Blastersalve traf diesen Rancor, ein Schuss in die Stirn, der das Biest taumeln ließ. Dann erreichte Yliris Gleiter die Hügelkuppe und schwenkte mit einer Schmugglerkehre herum, die die relative Geschwindigkeit des Gefährts schlagartig auf null reduzierte. Die linke Heckseite traf den benommenen Rancor am Hinterkopf – ein absichtliches Manöver, kein Zufall.

Die Arme des Rancors schlugen um sich, und ein beinahe komischer Ausdruck der

Bestürzung schlich über die Fratze der Kreatur. Dann stürzte sie den Hang des Hügels hinunter, auf den Pass weiter unten zu, um einen Erdrutsch aus Felsen und Gestrüpp mit sich zu reißen.

Weiter den Pass entlang vollführte Luke eine Geste, als würde er der leeren Luft einen Schlag mit der offenen Hand verpassen. Wenige Meter entfernt taumelte der Rancor, der am weitesten weg war, nach hinten und stürzte voll auf seine Reiterin.

Ben winkte Leia und sagte etwas, das Han nicht verstehen konnte. Leia, die gerade eine Hexe mit ein, zwei, drei gezielten Tritten in die Taille zu Boden geschickt hatte, schaltete ihr Lichtschwert aus und warf es Ben zu. Eigentlich hätte der Wurf es bloß einen oder zwei Meter weit tragen dürfen, doch die Waffe flog geradewegs in die ausgestreckte Hand des jungen Skywalker.

Ben aktivierte das Lichtschwert und hielt die Spitze der glühenden Klinge nur Zentimeter vor die Kehle der Frau, die er gerade zu Fall gebracht hatte.

Und damit war der Kampf vorüber.