6. Kapitel
BOTSCHAFTSGELÄNDE DES GALAKTISCHEN IMPERIUMS, CORUSCANT
Das mit prächtiger, traditioneller Holzvertäfelung und dazu passenden Möbeln ausgestattete Büro besaß eine chamäleonartige Qualität, die Moff Lecersen zu schätzen wusste. Obwohl es keinem imperialen Abgesandten dauerhaft gehörte und jedem hochrangigen Funktionär zugewiesen wurde, der es gerade brauchte, war es so gestaltet, dass es sich innerhalb weniger Sekunden individuell anpassen ließ. Der Adjutant des Admirals, Generals oder Moffs, der es benutzte, würde eintreten, eine Datenkarte in den Schlitz auf dem Tisch schieben, und die Verwandlung nähme ihren Lauf. Holoschirme an den Wänden würden zum Leben erwachen, um die Lieblingsbilder des Prominenten zu zeigen – angesichts dieses Treffens hatte sich Lecersen für die Panoramen von Raumdocks und orbitalen Schiffswerften entschieden. Die Datenkarte würde sämtliche erforderlichen Informationen liefern, von der bevorzugten Temperatur, Gerüchen,
Umgebungsrauschen und den verfügbaren Unterhaltungsmöglichkeiten bis hin zur Bandbreite der Getränke, die in der kleinen Schrankbar bereit stünden. In extrem teuren Hotels gaben diese Informationen darüber hinaus auch den Farbton und die Oberflächentextur farbveränderbarer Teppiche und Wände an.
Es dauerte bloß Sekunden, um diese ganzen Informationen zu übermitteln. Dann verbrachte der Adjutant – zumindest, wenn er wusste, was gut für ihn war – die nächste Stunde damit, nach Abhör- und Aufzeichnungsgeräten zu suchen. Zu schade, dass man diese Aufgabe nicht auch einer Datenkarte übertragen konnte.
Nachdem die Luft auf seine Lieblingstemperatur abgekühlt war und an den Wänden Demonstrationen im Entstehen befindlicher Militärmacht glommen, warf Lecersen Haydnat Treen, Senatorin von Kuat, auf der anderen Seite seines gegenwärtigen Schreibtischs ein Sandpanther-Lächeln zu. Treen, eine schlanke, beeindruckende Frau von etwa achtzig Standardjahren, trug ein gold-braunes Gewand in einem überaus modernen Kuati-Stil; ihr silberblaues Haar lugte unter ihrem goldenen Kopftuch hervor. Mit aristokratischer Würde hielt sie eine Tasse nebst Untertasse mit einem sehr dickflüssigen, sehr starken Kaf, und das Lächeln, das sie Lecersen schenkte, war genau wie seins.
»Sie werden sich meine Überraschung vorstellen können«, erklärte er ihr, »als ich wegen des jüngsten Entführungsversuchs unseres Staatschefs eine private Ermittlung durchführen ließ und dabei keinerlei Hinweise darauf fand, dass die üblichen Verdächtigen in den Vorfall involviert waren.«
»Die Moffs, meinen Sie?«
»Es wäre unaufrichtig von mir, etwas anderes zu behaupten. Ja, natürlich. Die Moffs.«
»Haben Sie sich mal an die eigene Nase gefasst?«, fragte Treen. »Vielleicht war das ja einer Ihrer Pläne, den Sie beim Schlafwandeln geschmiedet haben.«
»Nun, das Schlafwandeln würde zumindest erklären, warum er so plump war, so durch und durch stümperhaft.«
Sie sprang nicht auf den Köder an und nippte bloß an ihrem Kaf.
»Also waren gründlichere, tiefgehendere Nachforschungen erforderlich«, fuhr Lecersen fort.
»Glücklicherweise hatte eine der Banken auf Borleias, die für die Überweisungen des Honorars benutzt wurden, eine eigene Kopie der Unterlagen – Kopien von der Art, wie man sie niemals der Regierung zeigt –, und die waren nicht so sorgfältig gelöscht worden. Der Credit-Fluss führt zurück zu einem Schiffsimporteur von Coruscant, von dem aus die Spur zu einer Kuati-Baufirma verfolgbar ist, die wiederum … zu Ihnen führt.«
»Oh, du liebe Güte! Ihre Anschuldigung reißt mich innerlich schier in Stücke. Ich glaube, ich werde ohnmächtig.«
»Bitte, tun Sie sich keinen Zwang an. Ich weiß, dass es ein wahres Schauspiel sein wird, Ihnen dabei zuzusehen, wie Sie den Kaf sicher beiseitestellen, während Sie zusammenbrechen. Ich freue mich schon darauf, Zeuge dieses Spektakels zu werden.«
Treen fiel nicht in Ohnmacht, sondern lächelte weiter.
»Also«, fuhr Lecersen fort, »ich muss Sie fragen: Warum will eine Senatorin von Kuat den imperialen Staatschef entführen?«
»Nun, er ist ziemlich attraktiv, nicht wahr?« Treen bedachte ihn mit einem mahnenden Blick. »Nein, um ehrlich zu sein, war der Grund dafür natürlich mein Wunsch, dass Sie Imperator werden.«
»Ah. Ich verstehe.« Lecersen blinzelte. Das war nicht die Antwort, mit der er gerechnet hatte. Tatsächlich hatte er von ihr gar kein Eingeständnis erwartet, ganz gleich, welcher Art. Jetzt, wo er eins bekommen hatte, musste er sich darüber klar werden, was er damit anfangen sollte. Er besaß weder hier noch auf Kuat irgendeine rechtliche Befugnis, was bedeutete, dass er die Beweismittel an die GA-Behörden übergeben musste.
Natürlich nur, solange dabei für ihn irgendetwas drin war. »Nein, um ehrlich zu sein, tue ich das ganz und gar nicht.«
»Es wäre mir eine Freude, Sie aufzuklären. Würden Sie mich vielleicht in die Botschaft von Kuat begleiten?«
»Muss ich fürchten, unter Drogen gesetzt zu werden und einen Sack über den Kopf zu bekommen?«
»Selbstverständlich nicht. Ich möchte, dass mir unser nächster Imperator mit Dankbarkeit und Respekt begegnet, nicht mit Verärgerung. Aber, bitte, nehmen Sie so viele Sicherheitskräfte mit, wie Sie wünschen. Stellen Sie bloß sicher …« Hierbei senkte sie ihre Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern. »… dass Sie ihnen vollauf vertrauen können.«
Eine halbe Stunde später und begleitet von zwei Sicherheitsleuten, die so tief in seiner Schuld standen, dass er ihnen vollkommen vertrauen konnte – nun, beinahe vollkommen –, ging Lecersen zusammen mit Senatorin Treen durch die marmorgesäumten Flure der Botschaft von Kuat. Bögen führten zu Seitengängen und Veranstaltungsräumen, von denen es in den meisten dunkel und still war. Lecersen wusste, dass er sich, hätte man den cremefarbenen, von blauen Adern durchzogenen Marmor, der jede Oberfläche zierte, abgetragen und verkauft, von dem Gewinn einen brandneuen Sternenzerstörer hätte leisten können.
»Ich war seit einem Jahr Senatorin, als Palpatine an die Macht kam«, berichtete Treen ihm.
»Wissen Sie, was sein größter Fehler war?«
»Sie wütend auf ihn zu machen?«
Ihr Lächeln kehrte zurück. »In gewisser Weise, ja. Oh, die ersten Jahre des Imperiums waren glorreich. Leider wurden die Steuern erhöht, doch die Wirtschaft unseres Planeten boomte, als lächerliche Vorschriften aus Republikzeiten verworfen wurden. Nein, sein Fehler war, die Stimmen der Planetenführer zum Schweigen zu bringen. Das war so, als würde ein General mit einem Mal den Befehl geben, niemand im Rang eines Colonels oder darunter dürfe je wieder mit ihm sprechen oder mit ihm kommunizieren. Als Palpatine den Senat auflöste, wusste ich, dass der Wahnsinn von ihm Besitz ergriffen hatte.«
»Sehr interessant«, log er.
Sie führte ihn und seine Eskorte durch einen Bogengang in einen Nebenraum. Die Glühstäbe entlang der Decke erwachten zum Leben, als sie eintraten. Die Wände waren mit Holotafeln bedeckt, von denen jede in Fünf-Sekunden-Intervallen eine sich verändernde Abfolge von Standbildern Kuats und der frühen Tage von Palpatines Imperium zeigte: Flottillen von in Kuat gebauten Raumschiffen, öffentliche Auftritte des einen dunklen Mantel tragenden Imperators an der Seite von Darth Vader, die Konstruktion gewaltiger Komplexe.
Die Senatorin stieß ein tiefes Seufzen aus. »Ich vermisse das Imperium – in seiner ursprünglichen, wohlwollenden Form. Und ich glaube, Sie können es uns zurückgeben.«
»Ihr Vertrauen ehrt mich. Aber Jagged Fel zu entführen, würde mich nicht zum Imperator machen.«
»Nein, aber es wäre der erste Schritt auf dem Weg dahin. Und die anderen Schritte sind bereits geplant. Meisterhaft, unwiderstehlich geplant.«
»Lassen Sie hören!«
»Als Erstes muss der Fel-Bursche eliminiert werden, da er nicht den Vorsitz führen darf, wenn sich das Galaktische Imperium wieder mit der Galaktischen Allianz zusammenschließt.«
»Ich hätte gedacht, dass Sie gegen die Wiedervereinigung sind.«
»Oh nein, die Wiederauferstehung eines mächtigen, gesunden Imperiums hängt davon ab.«
»Alles, was Sie sagen, ist eine Überraschung …«
»Falls die Wiedervereinigung unter Fel stattfindet, dann erntet Fel dafür die Lorbeeren.
Wenn Fel verschwindet oder stirbt, erntet sein Nachfolger die Lorbeeren. Und wer wird ihn als Staatschef wahrscheinlicher beerben als Sie?«
»Schön und gut. Gehen wir also einmal davon aus, ich sei das Staatsoberhaupt, und die Wiedervereinigung fände statt. Dann wäre ich das zweit mächtigste Individuum in der Galaxis – mit einigem Abstand hinter der Staatschefin der Allianz.«
Sie nickte liebenswürdig, offensichtlich erfreut darüber, dass Lecersen verstand. »Haben Sie ein wenig Geduld mit mir. Vor ein paar Jahren gelangte Natasi Daala an die Macht. Eine widerliche Frau. Wir leiden noch immer unter den Auswirkungen dessen, was sie dem Imperium angetan hat.«
Lecersen schnaubte. »Wegen ihr sind die Hälfte aller Moffs jetzt Frauen. Es fällt mir schwer zu glauben, dass das einer Senatorin von Kuat missfallen würde.«
»Das tut es nicht, aber dazu wäre es ohnehin gekommen. Letzten Endes, ganz unvermeidlich. Nein, ich spreche von ihrem lächerlichen Drang, Nicht-Menschen weit, weit über ihr Kompetenzniveau hinaus zu befördern. Sie hat offenkundig keinen Verstand. Das ist natürlich noch ein Grund, warum Fel verschwinden muss. Trotz seiner Abstammung ist er in seinem Innersten ein Chiss. Nicht im Geringsten menschlich.«
»Aha.« Lecersen hielt sich mit einem Kommentar zurück. Obwohl diese Frau die Überzeugungen von Millionen traditioneller Imperialer aussprach, klang sie mehr und mehr wie eine Reklame für Antipsychotika.
»Wie auch immer, trotz allem hat Daala etwas Nützliches für uns bewirkt. In den Nachwehen des Zweiten Galaktischen Bürgerkriegs hat sie die jüngste Notstandsermächtigungsverordnung erlassen, die vom Senat beschlossen wurde.«
»Die der Staatschefin kurzzeitig gewaltige Exekutivgewalt verleiht, die sie unilateral einsetzen kann … allerdings hat der Senat die Möglichkeit, die Regierungsausgaben einzufrieren und sie an die kurze Leine zu nehmen, falls die Senatoren mit ihrem Vorgehen nicht einverstanden sind.«
»Nicht ganz.« Treens Lächeln wurde wissend, zuversichtlich. »Zunächst mal: Eine Klausel, von der ich sichergestellt habe, dass sie in der finalen Form der Verordnung enthalten ist, sieht vor, dass der Staatschef den Senat nicht auflösen kann. Zweitens: Es ist nicht der Senat selbst, der ihr die Hände binden kann, indem er den Etat einfriert, sondern vielmehr das Mittelbewilligungs- und Ausgabenkomitee. Tritt die Verordnung in Kraft, geht die Kontrolle über den vorhandenen Etat an das Komitee über, dessen Mitglieder fortan alle finanziellen Anschaffungen und Auszahlungen überwachen.«
Lecersen runzelte die Stirn. Langsam begriff er, worauf Treens Plan hinauslief. »Das heißt, Sie bräuchten …«
»Wir bräuchten die Mehrheit der Senatoren des Mittelbewilligungs- und Ausgabenkomitees auf unserer Seite. Wir bräuchten die Stabschefs der Streitkräfte, die ebenfalls spezielle Sondervollmachten erhalten, wenn die Verordnung in Kraft gesetzt wird, damit wir wüssten, dass der gesamte Etat der Galaktischen Allianz dorthin geht, wo er gebraucht wird … damit für Recht und Ordnung gesorgt wird. Und wir bräuchten einen Staatschef, bei dem man darauf vertrauen kann, dass er das Richtige tut.
Also, jetzt stellen Sie sich diesen Gang der Ereignisse vor. Das imperiale Staatsoberhaupt Fel verschwindet oder stirbt oder wird abgesetzt. Gut möglich, dass dazu nicht mehr nötig ist, als ihn in der richtigen Situation mit seiner Jedi-Geliebten zu ertappen. Vielleicht hat er ihr einen Mond gekauft oder so was. Moff Lecersen wird der neue Staatschef, vielleicht bloß vorübergehend.«
Lecersen nickte. »Fahren Sie fort.«
»Eine Krise bricht aus. Irgendwo. Ich arbeite gerade an einigen nützlichen potenziellen Krisen. Vielleicht könnten Sie mich dabei unterstützen. Ratgeber, die Staatschefin Daala nahestehen, empfehlen ihr, die Notstandsermächtigungsverordnung in Kraft zu setzen. Genügend Druck, genügend Unruhe, und sie wird dem nachkommen. Trotzdem jedoch wird die Situation schlimmer und schlimmer. Die öffentliche Zustimmung für Daala stürzt ins Bodenlose – auch daran arbeite ich, und mit ihrem Kreuzzug gegen die Jedi hat sie mir diesbezüglich grandios in die Hände gespielt –, und letzten Endes wird sie zurücktreten müssen. Und einige der größten Machtblöcke der Galaktischen Allianz, einschließlich Kuat, ihrer Verbündeten und des wieder einverleibten Imperiums haben schon eine Kandidatin für ihre Nachfolge im Auge.«
»Haydnat Treen.«
»Staatschefin Treen, wenn ich bitten darf!«
»Aber Ihr Plan hat ein ziemlich großes Loch. Das Mittelbewilligungs- und Ausgabenkomitee. Und die Stabschefs der Streitkräfte.«
»Ein Loch? Ähem.« Sie räusperte sich, so laut und offenkundig, als wäre sie eine Schauspielerin auf der Bühne.
Einer der Holoschirme an der Wand, der vom Boden bis zur Decke reichte, wich beiseite und legte dahinter eine Kammer frei. In dem neuen Durchlass stand ein Mann.
Er war groß und unglaublich alt. Sein Haar war dünn und weiß, seine Haut wie straff über Knochen gespanntes Flimsi. Er trug einen maßgeschneiderten Anzug, der die Leichenhaftigkeit seines Körpers kaum verschleierte. Er trat mit den langsamen, bewussten Schritten eines Mannes vor, dem es gleichgültig war, ob andere wegen ihm warten mussten, weil ihm klar war, dass jeder falsche Schritt womöglich einen knochenzerschmetternden Sturz zur Folge hatte.
Als er Treen und Lecersen erreichte, streckte er Letzterem eine gebrechliche Hand entgegen.
»Moff Lecersen.« Seine Stimme war flüsternd und dünn.
»Senator Bramsin.« Vorsichtig ergriff Lecersen die Hand des älteren Mannes und schüttelte sie.
Fost Bramsin war der Senator von Coruscant, und das – mit Unterbrechungen – bereits seit Jahrzehnten. Seine letzte Amtsunterbrechung war in den Jahren gewesen, als Coruscant während des Yuuzhan-Vong-Kriegs fortwährendem Vongformen unterzogen worden war. Als die Neue Republik wieder an die Macht gekommen war, hatte er seinen Senatsposten wieder aufgenommen und seitdem ein sorgsames Auge auf die ordnungsgemäße und effiziente Verteilung von Steuergeldern aus dem gesamten Staatshaushalt.
»Ich bin überrascht, Sie hier zu sehen«, gab Lecersen zu.
»Ewiges Hin und Her«, entgegnete der alte Mann.
»Ewiges Hin und Her«, wiederholte Lecersen.
»Der letzte Krieg war ein Desaster.« Bramsin zögerte, wägte seine Worte ab. »Ein Desaster, zu dem es in einer geordneten Gesellschaft niemals gekommen wäre. Die neue Regierung ist ebenfalls ein Desaster. Erlässt immer neue, strengere Kontrollen, genau wie Palpatine es in seinen letzten Jahren tat. Setzt zurückwirkend schlecht durchdachte Gesetze in Kraft. Das muss aufhören.«
»Dem stimme ich zu.«
»Bevor ich sterbe, will ich sehen, dass die Ordnung – vernünftige Ordnung – wiederhergestellt ist. Sind Sie der Richtige dafür, das zu tun?«
»Ich glaube, das bin ich.«
»Wir werden sehen.« Bramsin wandte sich um und begann seinen langsamen Marsch zurück in die Richtung, aus der er gekommen war.
»Er verschafft uns die Zustimmung der meisten Senatoren seines Komitees.« Treens Stimme war ein Flüstern, eins, das vermutlich nicht bis an die Ohren des alten Mannes drang.
»Was ist mit den Militärstabschefs?«
»Wir haben das Sternenjägerkommando und die Armee. An der Flotte arbeiten wir noch.«
»Und – nur dass wir uns klar verstehen, damit es keine unausgesprochenen Annahmen gibt – was genau wollen Sie? Abgesehen davon, dass die Ordnung wiederhergestellt wird?«
»Großmoff des Corusca-Sektors werden. Und vier Abendessen mit Ihnen.«
Lecersen unterdrückte ein Lachen. »Vier? Warum nicht vierzehn?«
»Weil ich, wenn ich es im Verlauf von vier Abendessen nicht schaffe, Sie davon zu überzeugen, mir einen Heiratsantrag zu machen und dass ich die erste Imperatorin des neu geschmiedeten Imperiums sein sollte, mir selbst eingestehen muss, dass ich versagt habe … und dass ich mich allein mit Status und Wohlstand des mächtigsten Großmoffs der Galaxis zufriedengeben muss.« Sie gab ihm einen vertraulichen Klaps auf die Wange. »Ich bin mir sicher, Sie und Ihre Männer finden den Weg hinaus allein.« Sie drehte sich um und ging.
Lecersen stand einen langen Moment einfach da.
Die Sache konnte funktionieren.
BÜRO DER STAATSCHEFIN, SENATSGEBÄUDE, CORUSCANT
Auch wenn diese Erkenntnis in Daalas Mund einen bitteren Nachgeschmack hinterließ, so konnte sie doch nicht umhin zuzugeben, dass General Jaxton recht gehabt hatte. Das missbilligende Gemurmel bei den bewaffneten Streitkräften nahm zu. Die Situation verlangte nach einem Opfer.
Dennoch machte ihr ein Gefühl von Unbehagen zu schaffen, als sie im Hyperkom-Raum darauf wartete, dass ihre Techniker die Verbindung herstellten, und dieses Unbehagen ließ sich nicht vertreiben, ganz gleich, wie sorgsam sie mit ihrem militärisch organisierten Verstand dagegen anzugehen versuchte.
Der diensthabende Kommunikationsoffizier, ein Bothaner mit dunklem Fell, schaute auf und suchte ihren Blick. »Ich habe ihren Assistenten erreicht.« Sein Tonfall war so neutral und kultiviert wie der jedes Bothaners mit politischen Ambitionen. »Sie stellen uns jetzt durch. Bereit, Sie zuzuschalten, in fünf, vier, drei …« Er hielt die entsprechende Anzahl Finger hoch, während er nach unten zählte, und schwieg bei den letzten beiden Ziffern, um sie allein mit den Fingern abzuzählen.
Der Aufnahmebereich des Raums, eine kreisrunde, offene Fläche mit Holokom-Übertragungsantennen, die von der Decke darauf gerichtet waren, leuchtete auf, ein Wirbel von Farben, und stabilisierte sich dann zu einem gleißenden dreidimensionalen Bild. Der Großteil des Bereichs schien von klarem, blauem Wasser beherrscht zu werden, hellgelbe Fische mit senkrechten schwarzen Streifen zischten in kleinen Schwärmen hin und her.
Im Zentrum des Bildes schwebte eine Mon-Cal-Frau. Sie trug eine schlichte weiße Robe, eine Bekleidung, die eher an die Oberfläche als unter Wasser gepasst hätte. Lebensgroß drehte sie sich ein wenig, um Daala geradewegs anzusehen und sie gelassen zu betrachten. In ihrem Blick lag nichts von der Feindseligkeit, die Daala normalerweise erlebte, wenn sie es mit Mon Cals oder Quarren zu tun hatte, eine Feindseligkeit, die von den Militäraktionen herrührte, die sie vor Jahren gegen diese Planeten durchgeführt hatte.
»Admiralin Daala.« Niathals Stimme hatte den neugierigen, widerhallenden Tonfall, der für einen Unterwassersprecher charakteristisch war. »Es ist mir eine Ehre.«
Daala neigte ihr Haupt, eine Ebenbürtige, die eine andere begrüßt. »Admiralin Niathal, vielen Dank, dass Sie meinen Anruf entgegennehmen. Ist das Ihr Zuhause?«
»Ein ruhiges Plätzchen in der Nähe meines Büros. Als Ihr Anruf meinen Assistenten erreichte, hat er eine tragbare Holokamera-Ausrüstung herbringen und aufstellen lassen.«
»Sehr zuvorkommend.« Daala wusste, dass sie selbst nicht annähernd so ruhig oder ausgeruht wirkte wie Niathal. Ihr war bewusst, dass sie in ihrer formellen weißen Admiralsuniform, in militärischer Haltung aufrecht sitzend und hell erleuchtet von den Holocam-Scheinwerfern, die sie umringten, wie eine grimmige, übernatürlich gleißende Vorbotin des Unheils wirken musste.
Was sie in gewisser Weise auch war. Sie fuhr fort: »Im Übrigen weiß ich Ihre Bereitschaft zu schätzen, meinen Abgesandten zu empfangen.«
»Ja … unser Treffen ist für morgen angesetzt. Was auch der Grund dafür ist, dass es mich überrascht, heute von Ihnen zu hören.« Niathal klang nicht im Mindesten überrascht.
»Admiralin, bei Ihrem morgigen Treffen wird mein Abgesandter Ihnen gewisse Dokumente aushändigen. Eine Vorladung und eine richterliche Aufforderung, unverzüglich nach Coruscant zurückzukehren.«
»Um mich vor Gericht zu verantworten, könnte ich mir vorstellen.«
Daala nickte. »Die Hauptanklage läuft auf schwerwiegende Pflichtverletzung hinaus …«
»Weil ich es versäumt habe, Colonel Jacen Solos langsamen Abstieg in ein Verhaltensmuster zu erkennen, der schließlich zu Völkermord und Verbrechen gegen alle intelligenten Spezies führte?«
»Ja.« Daala verspürte eine Woge des Mitgefühls für die in Ungnade gefallene Offizierin. Sie ließ zu, dass sich etwas von diesem Mitgefühl in ihrem Gesicht zeigte. »Ich habe Sie als Zeichen des Respekts angerufen, von einer Offizierin zur anderen, von einer Staatschefin zur anderen, und weil es … unangemessen wäre, wenn irgendetwas hiervon Sie unvorbereitet träfe. Ich nehme an, dass es Ihnen möglich sein wird, die Anklagepunkte zu widerlegen oder zumindest abzumildern. Die Öffentlichkeit kann man davon überzeugen, kein Blut sehen zu wollen. Wonach sie allerdings verlangen wird, ist das Eingeständnis eines Fehlers.«
Niathal seufzte. »Dann haben wir ein Problem. Nun, ich habe ein Problem. Weil das, was ich getan habe und was sie am ungeheuerlichsten finden, nämlich, dass ich Solo in seinen Bemühungen als Staatschef unterstützt habe, in keinster Weise als Fehler angesehen werden kann.«
Daala stellte fest, dass sie verblüfft war. »Selbst jetzt noch? Mit dem Abstand mehrerer Jahre?«
»Was ist denn ein Fehler, Admiralin?« In Niathals rasselnder Stimme lag ein Anflug von prächtigem, selbstbewusstem Humor. »Ein Fehler ist eine Entscheidung, bei der man von vornherein weiß, dass einer oder mehr Faktoren, die man dabei berücksichtigen muss, gefährlich, verderblich oder kompromittierend sind, was wir jedoch in Kauf nehmen, um unsere Ziele zu erreichen. Doch wenn im Vorhinein keine dieser Faktoren offensichtlich sind, kann man es dann einen Fehler nennen? Wenn Sie auf ein freies Feld hinaustreten und der Boden unter Ihnen mit einem Mal nachgibt, ohne dass es irgendeine Möglichkeit gab, das vorherzusehen, war dann irgendetwas an Ihrer Entscheidung, da rauszugehen, ein Fehler? Nein.« Niathal drehte ihren Körper von einer Seite zur anderen – der Mon-Cal-Versuch, ein menschliches Kopfschütteln nachzuahmen.
»Es war unmöglich vorherzusehen, dass Jacen Solo zu dem werden würde, wozu er geworden ist.
Aus diesem Grund habe ich mir keinen Fehler vorzuwerfen. Und wenn ich mich nicht einerseits mit einem harten, aber schmeichlerischen Anwalt gegen diese Anschuldigung wehre und andererseits den Kopf hängen lasse und einen Fehler eingestehe, den ich nicht gemacht habe, wird die Öffentlichkeit das nie verzeihen. Sie will Blut sehen. Dieser Prozess wird ein Fiasko, eine Peinlichkeit für die Flotte, eine Schlacht, die alle Beteiligten bloß verlieren können.«
»Es tut mir leid«, sagte Daala. Das stimmte tatsächlich, doch sie hielt ihren Tonfall professionell, unnachgiebig. »Ich habe keine andere Wahl.«
»Ich aber schon.«
Daala kniff die Augen zusammen und sah ihre Vorgängerin aufmerksam an. »Und welche Wahl treffen Sie?«
»Die, genau das zu tun, was Sie von mir verlangen. Wenn Sie wünschen, dass ich nach Coruscant komme, dann mache ich das.«
Daala nickte. »Vielen Dank, Admiralin.«
»Ich danke Ihnen, Admiralin. Für die Vorwarnung.«
Daala warf ihrem Kommunikationsoffizier einen Blick zu. Das Bild von Niathal verblasste, genau wie das Hologramm von Daala in ihrer ganzen uniformierten Glorie von dem Wasser vor Niathal verschwunden sein musste.
Betrübt wandte sich Daala vom Übertragungsbereich ab und kehrte in ihr Büro zurück, ohne ihr übliches Gefolge von Leibwächtern und Funktionären wahrzunehmen. Niathals Worte hatten sie ein wenig aufgerüttelt, weil sie der Wahrheit entsprachen. In der Politik war es – genau wie bei militärischer Planung – möglich, alles richtig zu machen, keinen Fehler zu begehen, den man vorhersehen konnte, und dennoch zu versagen. Und falls Niathal beschloss, das Spiel der reumütigen Angeklagten nicht mitzuspielen …
Falls sie beschloss, nicht zu lügen …
… war ihr Untergang besiegelt.