8. Kapitel
MILLENNIUM FALKE, RAUMHAFEN, DATHOMIR
Allana brauchte mehrere Stunden, um dahinterzukommen, wie sie aus dem Falken entkommen konnte.
Einige ihrer Pläne, musste sie letztlich zugeben, hätten nicht besonders gut funktioniert. Wie beispielsweise, sich in den Schmuggelverstecken des Falken zu verbergen, bis C-3PO in Panik geriet, annahm, dass sie abgehauen sei, und die Einstiegsrampe runterließ, um nach ihr zu suchen, woraufhin sie zu der Rampe rüberflitzen und lachend an ihm vorbeilaufen könnte. Das Problem dabei war, dass es womöglich Stunden dauerte, bis der Droide ihre Abwesenheit bemerkte, und etliche Stunden mehr, in denen er das Schiff durchkämmte, bevor dieser Moment der Panik kam – und in dieser ganzen Zeit würde sie einiges brauchen: Essen, Trinken, Unterhaltung und sicher auch mal aufs stille Örtchen müssen.
Nachdem ihr kein Fluchtplan eingefallen war, der tatsächlich funktionieren würde, war sie schließlich auf den Gedanken gekommen, eins der Instruktionsprogramme des Schiffs abzuspielen, eins, das einem die richtigen Wartungsvorgänge des Schiffs beibrachte. Bei dieser uralten Schiffstour der Corellianischen Ingenieursgesellschaft, die keine Stunde dauerte, wurde sie an den winzigen Aufzug erinnert, der Mechanikern Zutritt zur oberen Luke und der Ausrüstung an der oberen Außenhülle des Falken verschaffte. Wenige Minuten später hatte sie sich davon überzeugt, dass C-3PO, der diesen Ausgang ebenfalls vergessen hatte, den Ausstieg nicht darauf programmiert hatte, ihre Kommandos zu ignorieren.
Als die Schatten auf dem Raumhafengelände allmählich länger wurden, schlich Allana sich mit Anji in ein Lagerabteil, fand eine Rolle mit flexiblem Kabel und trug sie zu dem winzigen Lift.
Sie wartete, bis sie von der anderen Seite des Schiffs das Herumhantieren und die einseitigen Kommentare des Droiden hören konnte, bevor sie den Aufzug aktivierte. Wie sie gehofft hatte, trug der Lift sie und den Nexu problemlos aufwärts, die obere Luke öffnete sich vor ihnen, und im nächsten Moment standen sie oben auf dem Falken und blickten zur Sonne von Dathomir auf, die – übergroß und golden – bereits am westlichen Horizont zu versinken begann.
Sie rümpfte die Nase. Der Regenwald roch übel. Stammte ihre andere Großmutter wirklich von hier?
Jetzt kam der beängstigende Teil. Sie band ein Ende ihres Kabels an eine Strebe und fügte ihrem Knoten eine Schlaufe nach der anderen hinzu, weil sie wusste, dass ihre Seilknüpffähigkeiten nicht sonderlich gut waren, und dann warf sie den Rest der Rolle über die Seite. Sie beugte sich vor, um nach unten zu schauen. Der Boden wirkte sehr weit weg. Anji jedoch warf bloß einen Blick hinunter und sprang, um so leichtfüßig auf dem Boden zu landen wie … nun, wie ein Nexu.
Allana richtete die Aufmerksamkeit auf Anji und dachte: Sitz! Anji gähnte und stapfte wartend mit den Pfoten auf. Immerhin. Allana nahm sich einen Moment Zeit, um sicherzugehen, dass sie unentdeckt blieb. Da stand jemand in der Einstiegsluke dieses spindeldürren Schiffs auf der anderen Seite der Jadeschatten – ein großer Mann und seine Freundin, glaubte Allana –, doch sie waren in Schatten gehüllt, und es war schwer zu sagen, ob sie in ihre Richtung schauten oder nicht.
Als sie niemandes alarmiert erhobene Stimme hörte, packte sie das Kabel, setzte sich auf die Außenhülle und rutschte nach vorn, bis ihre Beine über der Kante baumelten. Dann, während sich Sorge und Aufregung in ihr vereinten, glitt sie über den Rand und positionierte ihre Hände neu, sodass sie nicht über die Kante der Hülle schrammen würden, bis ihr gesamtes Gewicht an ihren Händen hing.
Nun, das war nicht gut. Das war eine Menge Arbeit. Für ihre Größe war sie kräftig, und ihre ausgesprochen aktiven Großeltern hatten sie dazu ermutigt zu trainieren, doch sie fragte sich, ob sie es tatsächlich schaffen würde, den ganzen Weg bis nach unten zu klettern.
Es spielte keine Rolle. Wenn sie nicht auf eigene Faust wieder in den Falken zurückkehren konnte, würde sie eben einfach C-3PO rufen und sich seiner Standpauke um einiges früher stellen als geplant.
Halb kletterte, halb rutschte sie das Kabel nach unten und keuchte, als es bei einem zu weiten Rutsch nach unten in ihre Handflächen zu schneiden schien. Dann stand sie mit einem Mal neben Anji auf dem Boden. Ihre Arme waren ein wenig müde.
Sie betrachtete die Handflächen. Sie waren von dem Kabel so abgerieben, dass sie beinahe glänzten, doch da war kein Blut. Sie fühlte, dass sie wund waren, aber da war kein richtiger Schmerz. Sie schaute zu der berggleichen Höhe auf, von der sie herabgestiegen war, zuckte die Schultern und drehte sich, um ihren Blick über den Raumhafen schweifen zu lassen.
Es war jetzt dunkler als vorhin. Auf vielen Permabetonkuppeln auf dem Gelände flammten Lichter auf. Von einer der Kuppeln trieb der Duft von zubereitetem Essen – von irgendeiner Art von gebratenem Fleisch – zu ihr herüber, und ihr lief das Wasser im Mund zusammen.
Wie würde Opa Han nach R2-D2 suchen? Er würde sich auf seinen Instinkt verlassen, was bedeutete, dass er zu dem Ort gehen würde, welcher auch immer ihm am interessantesten vorkam.
Allana hatte schon sehr kleine Kinder getroffen, die genauso gedacht hatten, und sie fragte sich, wie Han es fertigbrachte, bei so vielen Dingen zu gewinnen, wenn er wie ein kleines Kind dachte. Sie war sich nicht sicher, dass das bei ihr auch funktionieren würde.
Jainas Freund Jag redete immer von Methodik und Rastern, was aber bloß Erwachsenenbegriffe dafür waren, darauf zu achten, dass man der Reihe nach überall suchte. Sie schaute sich um, teilte das Gelände im Geiste in Viertel ein und fragte sich, mit welchem Kuchenstück sie anfangen sollte.
Und, oh ja, da war noch die Macht, die Leia, Jaina und Allanas richtige Mama die ganze Zeit über benutzten. Sie fragte sich, ob die Macht ihr irgendetwas verraten würde. Sie hatte ein bisschen Angst vor der Macht, da sie sie auf Kessel zu der Stelle geführt hatte, wo dieses unheimliche Ding zu ihr sprach. Doch R2-D2 war verschwunden, und sie war nicht bereit, jetzt Angst zu haben.
Sie dachte an R2-D2, daran, wie sehr sie ihren Astromech-Freund vermisste und wie alle ihn noch viel mehr vermissen würden, wenn er nicht zurückkam. Dann wandte sie sich nach Norden und ging auf die Kuppeln zu, die in dieser Richtung aufragten. Anji wuselte rasch vor ihr her und verschwand in den Schatten. Allana machte sich deswegen keine Sorgen. Sie konnte Anji immer noch in der Macht fühlen, und sie wusste, dass sich Anji nicht allzu weit von ihr entfernen würde.
Immerhin war Allana Anjis Freundin, und Freunde rannten nicht einfach ohne einander in den Dschungel davon.
NÖRDLICH DES ROTKIEMENSEES, DATHOMIR
Just als die Abenddämmerung hereinbrach, machte die sonderbare Gruppe aus einem Frachtgleiter, drei berittenen Rancoren und vier Hexen zu Fuß einen Bogen um einen Ausläufer des Rotkiemensees. Vor Luke und seinen Begleitern breitete sich ein großes Lager aus, eine Ansammlung von annähernd zweihundert Personen in zwei verschiedenen Bereichen, die von einigen Metern freien Bodens voneinander getrennt wurden.
Natürlich war Luke auf dem Weg hierher an mehreren versteckten Wachposten vorbeigekommen, besonders auf den letzten paar Kilometern. Luke hatte sie da draußen gefühlt, verborgen, wachsam. Genau wie Kaminne, die die Wachen mit Handzeichen bedacht hatte, ein anderes an jeder Stelle, und Lukes Gruppe durfte unbehelligt passieren.
Als sie sich jetzt bis auf hundert Meter dem Lager näherten, kamen aus dem nahegelegenen Bereich des Lagers neugierige Hexen und von weiter nördlich gleichermaßen interessierte Männer auf sie zu. Luke konnte Argwohn und sogar Feindseligkeit spüren, besonders von den Frauen.
Und einen Anflug von Besorgnis, der rasch unterdrückt wurde. Er ließ den Blick hin und her schweifen, um die Quelle des Gefühls zu lokalisieren, doch es gelang ihm nicht. Es war verschwunden, bevor er sie orten konnte. Er veränderte seine Wahrnehmung und konnte sein eigenes Blut unter den Leuten wahrnehmen, doch bei der dichtgedrängten Menge war es unmöglich, die genaue Position zu bestimmen. Dennoch hatte er Grund, davon überzeugt zu sein, dass das Sith-Mädchen ganz in der Nähe war und sie beobachtete.
Kaminne sprang von ihrem Sitz nach vorn und landete auf der Haube des Frachtgleiters. Sie sprach laut, um ihre Stimme wie eine erfahrene Rednerin über das Lager schallen zu lassen. »Ich bringe euch gute Neuigkeiten. Die Männer, die der Spur der Schwestern der Herabregnenden Blätter gefolgt sind, sind keine Feinde. Ich habe sie kennengelernt und bringe sie nun als Ratgeber dieses Konklave zu euch. Ihr alle habt den Namen Luke Skywalker gehört. Er ist es, der hinter mir sitzt.«
Ein Gemurmel von Stimmen ging von der versammelten Menge aus, und Luke fühlte, wie sich die Emotionen wandelten – der Argwohn verschwand zwar nicht vollends, doch Interesse und Neugierde gesellten sich hinzu.
»Bei ihm ist sein Sohn, Ben, und Lady Leia Solo, ihr Gefährte Han und andere haben sich ihnen angeschlossen. Ich habe ihnen sicheres Geleit gewährt, solange sie unter uns weilen.« Sie blickte zu Yliri hinab und bedeutete der Corellianerin, den Speeder zu einer Stelle ein paar Meter vom Ufer entfernt zu steuern, in die Nähe von einem der Lagerfeuer.
Han seufzte. »Dann bin ich also bloß ›der Gefährte‹.«
Leia schenkte ihm ein unschuldiges Lächeln. »Das warst du schon immer. Besorg mir etwas Gutes zu essen, ja, Gefährte? Und anschließend darfst du dir ein paar Tropfen Suppe gönnen.«
Carrack warf Han einen säuerlichen Blick zu. »He, immerhin haben Sie einen Namen! Ich bin nur einer von den ›anderen‹.«
Der Gleiter landete dort, wo Kaminne hinwies. Die Passagiere stiegen aus und waren rasch von neugierigen Dathomiri umringt. Kaminne blieb oben auf der Haube stehen und berichtete ihrem Clan mit knappen Worten von den Bemühungen, die Skywalkers in die Irre zu führen, bevor ihr klar wurde, wer sie waren. Was Luke betraf, so lächelte er, schüttelte den paar Dathomiri die Hände, die vorschnellten, um ihn zu begrüßen, und hielt seine Aufmerksamkeit offen für das Sith-Mädchen.
Sie war da draußen, weiter entfernt als zuvor, im dichtesten Teil der Menge der Herabregnenden Blätter.
Durch die Menge bewegte sich ein Mann auf sie zu, der sich nicht bloß durch seine Größe von den anderen unterschied – er war genauso groß wie Han –, sondern ebenso durch seine Gesichtszüge, die außergewöhnlich attraktiv waren, wie geschaffen für die Bühne oder Holodramen. Einige der Frauen der Herabregnenden Blätter gingen ihm nur widerwillig und ungern aus dem Weg. Als er näher kam, konnte Luke blondes Haar ausmachen, Augen, die vom selben Blau waren wie der Rotkiemensee, als sie ihn vor einigen Stunden das erste Mal gesehen hatten, und Kleider, die eine seltsame Mischung aus den für die Dathomiri typischen Lederwesten und -stiefeln, kombiniert mit einer Außenweltlerhose in recht dezentem Lila darstellten.
Luke streckte die Hand aus. »Tasander Dest, nehme ich an.«
»Meister Skywalker.« Dests Stimme war geprägt vom kultivierten Akzent hapanischer Adelsfamilien. »Es ist mir ein Vergnügen, Euch endlich kennenzulernen.« Seine Aufmerksamkeit wanderte zur Haube des Gleiters, wo Kaminne jetzt von der Auseinandersetzung zwischen den Hexen und den Außenweltlern beim Pass berichtete. Ihr Tonfall sorgte dafür, dass es so klang, als wäre das Gefecht eher eine Balgerei, denn eine potenzielle Tragödie gewesen.
»Kaminne hat uns erzählt, wozu diese Zusammenkunft dient.« Luke deutete auf die Gruppe.
»Vor euch liegen einige interessante Herausforderungen.«
»Vor Euch auch, wenn Ihr nicht bloß hier seid, um Stammesbräuche zu beobachten. Seit Ihr das erste Mal auf diesen Planeten kamt, haben sich die Sitten der Clans nicht allzu sehr verändert.«
Luke zuckte mit den Schultern. »Wie kriegen wir sie dann dazu, sich Neuem zu öffnen?«
Dest lächelte, ein Anblick, der ein breites Panorama perfekter Zähne erkennen ließ.
»Morgen beginnen die Spiele. Gewinnt einige davon. Wenn Ihr Euch Respekt verschafft, werden andere mit Euch reden. Ich werde ebenfalls teilnehmen. Schlagt mich in irgendeiner Disziplin … wenn Ihr könnt.« Die Fröhlichkeit seines Verhaltens schien diese Aussage jeglicher Arroganz zu berauben, die eigentlich darin hätte liegen müssen.
Als es sich Luke und seine Gefährten eine halbe Stunde später an einem neuen Lagerfeuer für sie allein bequem gemacht hatten, führte Kaminne Luke und Ben quer durch das Lager zu einem dunklen Fleckchen Erde, in der Nähe einer Baumgruppe.
»Hübscher Ort für einen Hinterhalt«, sagte Ben zu ihr.
Luke warf seinem Sohn einen mahnenden Blick zu, doch Kaminne lächelte bloß. »Ich plane bloß einen Hinterhalt pro Tag. Und der heute war nicht sonderlich erfolgreich.«
Jetzt, wo die Stimmung gelöster war, wechselte Ben das Thema. »Ich weiß, dass das deine Familienangelegenheit ist, aber da die Sache ebenfalls mit dem zusammenhängt, was mein Vater und ich hier machen, hatte ich irgendwie auf eine Antwort gehofft.«
Kaminnes Gesichtsausdruck schien plötzlich nicht mehr amüsiert, sondern vielmehr neutral, undeutbar. »Fahre fort!«
»Warum hat deine Schwester so großes Interesse an dem Sith-Mädchen? Sie kennt sie einen oder zwei Tage und denkt bereits darüber nach, sie zu adoptieren?«
Kaminne antwortete nicht sofort. Offensichtlich erwog sie ihre Antwort, um zu entscheiden, wie viel sie ihnen sagen und wie viel sie zurückhalten sollte. »Vor einigen Monaten starb Oliannes einziges Kind, Sesara, an Fieber – sie war acht. Als Vestara aus dem Wald getaumelt kam, hilflos, dem Zusammenbruch nahe, und mitten in Oliannes Jagdgruppe stolperte, um förmlich in Oliannes Arme zu stürzen, berührte etwas an ihrer Not Oliannes Herz. So einfach ist das.«
Luke wechselte einen Blick mit seinem Sohn. In diesem Moment waren Bens Gedanken so einfach zu lesen, dass dazu keine Machtbegabung nötig war. Was für ein interessanter Zufall, dass Vestara zuerst über das Clan-Mitglied gestolpert ist, das ihr in ihrer Situation das meiste Mitgefühl entgegenbringen würde. Aber war das eine Frage des Glücks … oder der Voraussicht?
Von weiter vorne konnten sie eine Unterhaltung vernehmen – bloß das Auf und Ab der Sprache, zwei weibliche Stimmen, das sich innerhalb weniger Sekunden in verständliche Worte verwandelte. Die erste Stimme war als Oliannes zu erkennen: »… musst nicht mit ihnen reden.«
Die zweite Stimme war höher, jünger. »Das will ich aber.«
»Vorher bist du vor ihnen weggelaufen.«
»Vorher war ich auch allein. Jetzt bin ich im Schutz meiner Familie.«
Die Stimmen verstummten. Luke wusste, dass weder er noch Ben noch Kaminne beim Näherkommen irgendeinen Laut verursacht hatten, doch vermutlich hatten Olianne und das Sith-Mädchen sehr scharfe Sinne.
Und jetzt konnte Luke sie sehen, Oliannes Umriss und ihr vom Mondlicht erhelltes markantes Haar, während man neben ihr eine kleinere, schlankere Silhouette ausmachen konnte.
Als sie bis auf einige Meter an die beiden Frauen herangekommen waren, sah Luke das Mädchen zum ersten Mal deutlich, ohne dass ihm dabei ein Schutzanzug oder ein Mordversuch in die Quere gekommen wären.
Sie war eine Jugendliche, etwa in Bens Alter oder ein bisschen jünger, schlank, mit langem, gerade fallendem Haar, das wirkte, als wäre es hellbraun, wenn es nicht gerade von Mondlicht beschienen war. Ihre Augen waren dunkel. In ihrem Gesicht zeigten sich weder Furcht noch Sorge.
Tatsächlich schien sie halb zu lächeln, bis Luke klar wurde, dass dieser Ausdruck eine Täuschung war, verursacht von der kleinen Narbe in ihrem Mundwinkel.
Luke schenkte Olianne ein höfliches Nicken. »Könnten wir eine Weile allein mit dieser jungen Frau sprechen?«
»Nein.«
Luke unterdrückte ein Seufzen. »Nun gut.« Er deutete auf den Boden. »Sollen wir uns setzen?«
Kaminne nahm Platz, gefolgt von Luke und Olianne. Die Jugendlichen waren die Letzten, die sich setzten.
»Ich bin Luke Skywalker. Das ist mein Sohn Ben.«
»Ich weiß.« Das Mädchen ließ ein leichtes Schulterzucken erkennen. »Ich bin Vestara Khai.«
»Und du bist eine Sith.«
»Das … war ich.«
Luke hob eine Augenbraue. »Warum nun nicht mehr?«
»Jetzt gehöre ich zu den Herabregnenden Blättern.«
»Wenn du dich entschieden hast, den Wegen der Sith den Rücken zu kehren, macht es dir doch gewiss nichts aus, uns alles über dein bisheriges Leben zu berichten?«
Vestaras Scheinlächeln wurde echt. »Ganz gleich, als was ich mich jetzt betrachte, meine Freunde bleiben meine Freunde, und meine Sippe bleibt meine Sippe. Soll ich Euch alles über sie erzählen, damit Ihr Euch zu ihnen begeben und sie abschlachten könnt?«
Luke schüttelte den Kopf, um ihren Protest abzutun. »Alles, was nötig ist, um Böses zu tun, besteht darin, nichts zu unternehmen, während andere es tun – wenn ein einziges Wort von dir alles hätte verhindern können.«
»Außerdem ist es schwer, über sie zu reden, ohne in gewisser Weise nach ihnen zu rufen. Sie herbeizurufen. Wollt Ihr, dass ich sie zu diesem Ort rufe?«
»Ja.« Luke bemühte sich um einen sachlichen Tonfall. »Wenn das erforderlich ist.«
»Ich möchte nicht, dass Olianne verletzt wird. Weder sie noch mein neuer Clan.«
»Sie lügt.« Ben klang gereizt. Luke brauchte seinen Sohn nicht anzusehen, um zu wissen, dass Ben die Augen rollte.
Luke wollte seinem Sohn sagen: Natürlich lügt sie. Trotzdem kannst du aus ihren Lügen fast ebenso viel erfahren wie aus der Wahrheit. Doch das tat er nicht. Stattdessen ließ er Ben ein Aufblitzen der Verärgerung spüren und ignorierte den Einwurf seines Sohnes nach außen hin. »Für eine, die es kaum erwarten kann, sich von den Sith zu befreien, hast du mit außergewöhnlicher Entschlossenheit Seite an Seite mit ihnen gekämpft.«
»Natürlich habe ich das getan! Zu irgendeinem Zeitpunkt weniger zu geben als sein Bestes, ist so was wie ein Freifahrtschein für Bestrafung. Ist das bei den Jedi nicht so?«
Luke ignorierte die Frage. »Was kannst du uns über deinen Heimatplaneten erzählen?«
»Nichts.«
»Und über eure Pläne, eure Absichten? Was hat euch überhaupt in den Schlund getrieben?«
Vestara gab sich gleichgültig. »Nichts.« Sie beugte sich zu Luke vor. »Lasst mich einfach in Ruhe … Lasst mich bei den Herabregnenden Blättern bleiben und hört auf, mich zu jagen!«
»Wo bist du mit deiner Yacht abgestürzt?«
Sie blinzelte, als wäre sie überrascht, eine Frage gestellt zu bekommen, die sie ausnahmsweise sogar beantworten konnte. »Das war mitten im Dschungel. Ich weiß nicht, wo. Alle Instrumente waren ausgefallen. Nach dem Absturz bin ich stundenlang umhergeirrt, bevor Olianne mich fand.«
»Wo ist dein Lichtschwert?«
»Das war in meiner Kabine, als ich mit dem Landeanflug begann. Nach dem Absturz … war von der Kabine nichts mehr übrig. Ich konnte keine Spur von meiner Ausrüstung finden.«
»Seid ihr jetzt fertig?« Olianne klang weniger besorgt um Vestara, als vielmehr verärgert über Luke.
Luke wägte seine Antwort ab, aber Ben ergriff zuerst das Wort. »Olianne, dieses Mädchen ist eine Sith, und das bedeutet, dass sie das reine Böse verkörpert. Sie ist wie ein Thermaldetonator, der in eurem Lager herumrollt und nur darauf wartet zu explodieren. Wenn es so weit ist, werden du und dein ganzer Clan …«
»Böse?« Vestara spie das Wort förmlich aus. »Eine Sith zu sein, hat nicht mehr mit Gut oder Böse zu tun, als ein Jedi zu sein.«
Ben starrte sie mit finsterer Miene an, aufgebracht. »Wie kannst du so was sagen? Leute werden zu Sith, und sie tun nichts als Böses …«
»Oh, ich schätze, das erklärt euren Jacen Solo, von dem wir gehört haben …«
»Das tut es. Er war ein Sith.«
»Er war ein Jedi, und das weißt du!«
»Er wurde zu einem Sith«, beharrte Ben.
»Seid still!« Luke sprach leise, legte durch die Macht jedoch zusätzlichen Nachdruck in seine Worte. Alle vier, die sich in seiner Nähe befanden, lehnten sich von ihm fort, als er sprach.
Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder Vestara zu, doch Olianne kam ihm zuvor. »Weder diese Jedi noch irgendein Sith kann dich uns wegnehmen. Du brauchst keine Angst zu haben.« Sie beugte sich hinüber, um Vestara zu umarmen.
In dem Wissen, dass sie an diesem Abend vermutlich nichts mehr erfahren würden, stand Luke auf, bedachte die Dathomiri-Frauen mit einer leichten Verbeugung und führte Ben in Richtung des Außenweltler-Lagerfeuers zurück.
Sobald sie weit genug weg waren, dass die Frauen sie nicht mehr hören konnten, kickte Ben verärgert einen Stein davon. »Sie spielt mit ihnen. Wie mit den Figuren auf einem Sabacc-Brett.
Auf einem Kinder-Sabacc-Brett.«
Luke warf seinem Sohn einen missbilligenden Blick zu. »Mit dir hat sie ganz genauso gespielt. Sie hat dich in einen Streit verwickelt, in dem es allein um Emotionen ging, nicht um Vernunft. Und da sie eine Sith ist und du ein Jedi bist, bedeutet das, dass sie mühelos gewonnen hat.«
Ben schwieg einen langen Moment. Dann trat er einen weiteren Felsbrocken fort. »Ja, ich weiß.«
RAUMHAFEN, DATHOMIR
Allana gelangte zu dem Schluss, dass Herumspionieren ziemlich langweilig war.
In den Holodramen versteckte sich eine Spionin irgendwo, von wo aus sie eine wichtige Tür beobachten konnte, und dann verstrich eine Minute, bevor bei dieser Tür irgendetwas passierte, und dann hatte die Spionin einen wichtigen Hinweis.
Doch obwohl sie sich gut zwischen den Hecken verborgen hielt, von denen aus sie einen guten Blick auf die Vordertür von einer der Kuppeln hatte, konnte sich eine Minute hier in fünfzehn oder dreißig verwandeln, ohne dass irgendetwas geschah. Anji sollte zurückkommen und sich zu ihren Füßen zusammenrollen und einschlafen. Allana sollte noch etwas länger warten, ehe ihre Frustration schließlich die Überhand gewann. Dann sollte sie aufstehen und zu einem anderen Beobachtungsposten trotten … und dort endlose weitere Minuten warten, in denen sie nicht das Geringste herausfand.
Nein, nicht ganz nichts. Sie hatte in Erfahrung gebracht, dass es sich bei der Kuppel nahe der Landestelle des Falken und der Jadeschatten um ein Kommunikationszentrum handelte. Das hatte sie anhand der ganzen Antennen – einschließlich der Hyperkom-Antennen –, die sich auf dem Dach drängten, bereits vermutet, doch es war gut, durch eine kurz geöffnete Tür einen flüchtigen Blick in das Innere der Kuppel zu erhaschen und jede Menge Kommunikationsgerät und einen gelangweilt wirkenden Mann etwa in Bens Alter zu sehen, der dort im Dienst vor sich hin gähnte.
Wie sich herausstellte, handelte es sich bei einer anderen Kuppel – der größten – um ein Hotel. Die ganze Zeit über kehrten Leute ein und aus, und durch die dauerhaft geöffnete Tür konnte Allana eine beengte Eingangshalle sehen, wie so viele, in denen sie schon gewesen war. Von jener Kuppel ging auch dieser ganze verlockende Essensduft aus.
Ihr kam in den Sinn, dass sie R2-D2 kaum in einem Hotel finden würde, wenn er nach einer Yacht gesucht hatte.
Das ließ sie ins Grübeln kommen. Eine Raumyacht konnte lediglich in einer der Kuppeln geparkt sein. Nicht in einem Restaurant, nicht auf einem Spielplatz, nicht in einem Archiv.
Sie beschloss, an den Vordertüren sämtlicher Kuppeln vorbei zu spazieren und diesmal die Schilder zu lesen – und auf dem vierten Schild, das an einer der größten Kuppeln angebracht war, standen die Worte: MONARGS REPARATURARBEITEN.
Sie suchte sich ein kleines Versteck zwischen einem Stapel von Zweihundert-Liter-Fässern mit Hydraulikflüssigkeit, wartete eine halbe Stunde und seufzte. Zu spionieren war ja so langweilig.
Sie hoffte, sie würde R2 bald finden.
Die Unterkanten der Kuppelfenster befanden sich etwa vier Meter über dem Boden, zu hoch für sie, um hineinzuschauen. Doch dann gab sie den Flüssigkeitsfässern um sie herum probeweise einen Schubs. Sie ließen sich einfach bewegen. Offensichtlich waren sie leer. Da sie darüber hinaus aus Plastoid bestanden, waren sie außerdem sehr leicht.
Mit rasendem Herzen hob sie ein Fass auf und trug es zu der Kuppel hinüber, um es vorsichtig auf dem Boden zu platzieren, direkt unter einem der Fenster, von der Tür aus etwa ein Viertel des Weges um die runde Kuppel herum. Daraufzuklettern war keine Herausforderung, aber sie war immer noch zu klein, um hineinsehen zu können. Also holte sie ein weiteres Fass, stellte es dicht neben das erste, und schaffte dann noch ein drittes heran, das ihr einiges an Arbeit machte, weil sie es hochheben musste, damit es oben auf den anderen beiden ruhte.
Jetzt konnte sie nach oben krabbeln, und als sie wankend auf dem dritten Fass stand, konnte sie endlich durch das Sichtfenster hineinspähen.
Der Großteil ihres Blickfelds wurde von einem Vorhang versperrt, der jedoch zerfleddert war. Im Stoff waren Löcher und Lücken, durch die sie hindurchsehen konnte.
Sie sah das graue Heckende einer Yacht. Sie sah der von Onkel Lando ziemlich ähnlich, aber älter und zerschundener.
Überall wuselten Droiden herum, kleine, spindeldürre Dinger. Die meisten bewegten sich nicht auf Beinen fort, sondern rollten auf dreibeinigen Takelagen daher. Die meisten schienen Ablagekästen oder Ständer für Werkzeuge und Ersatzteile herumzufahren. Jeder Droide hatte zwei skelettartige Arme und eine Sensorstation, wo eigentlich der Kopf sein sollte, und sie waren alle etwa anderthalb Meter groß.
Ein Mann war zugegen. Zuerst sah Allana ihn nicht, doch dann kam er von irgendwo an der Wand in ihr Blickfeld. Er war groß und hager und trug einen fleckigen grauen Overall. Als er sich umdrehte, um mit einem der Ständer-Droiden zu sprechen, sah Allana, dass er eine Klappe über seinem linken Auge trug.
Von R2-D2 war nichts zu entdecken, aber eine Wand entlang, im Schatten der Yacht, war eine blaue Abdeckplane, die über etwas drapiert war, bei dem es sich um einen Astromech-Droiden handeln konnte. Was auch immer es war, es rührte sich nicht, und mit einem Mal befiel Allana die Sorge, dass ihr Droiden-Freund verletzt oder tot war. Sie musste es herausfinden.
»Miss Amelia? Dürfte ich erfahren, wo du steckst?« C-3POs Stimme schien förmlich aus der Tasche zu explodieren, in der Allana ihr Komlink bei sich trug.
Allana duckte sich. Noch während sie das tat, sah sie, wie sich der Kopf des Mannes nach oben in ihre Richtung drehte.
Sie hatte nicht viel Lärm aus dem Innern der Kuppel vernommen. Selbst als ein Hydroschraubenschlüssel auf den Permabetonboden gefallen war, war das kaum laut genug gewesen, dass sie es gehört hatte. Deshalb hatte der Mann vermutlich auch nicht viel von C-3POs Stimme gehört. Dennoch hatte Allana plötzlich Angst und wollte sich nicht darauf verlassen. Sie kletterte die Fässer so schnell runter, wie sie es wagte, und lief zu dem Stapel hinüber, um sich dort zwischen den anderen Fässern zu verstecken. Dann aktivierte sie schließlich ihr Komlink. »Ich bin genau hier«, flüsterte sie.
»Wo hier genau?«
Sollte sie es C-3PO jetzt erzählen? Nein, das musste sie dann tun, wenn sie ihn überlisten konnte, mit ihr zu kommen. Was vermutlich morgen bedeutete. »Ich spiele Verstecken.«
»Aha. Dann soll ich dich also suchen?«
»Ja. Aber keine Eile. Ich muss mich, ähm, noch besser verstecken. Zähl bis Tausend!«
»Sehr wohl.«
Die Tür zum Innern der Kuppel war nicht aufgegangen. Während ihr das Herz bis zum Hals klopfte, schlich sich Allana wieder zur Kuppel und brachte die drei Fässer vorsichtig zu ihren Plätzen im Stapel zurück, ehe sie quer über das Gelände des Raumhafens zum Falken eilte.
Das Hochklettern war doppelt so schwer, wie sie es sich vorgestellt hatte, und hätte sie es allein mit der Kraft ihrer Arme schaffen müssen, anstatt sich mit beiden Armen und Beinen emporzuhangeln, wäre ihr das niemals gelungen. Als sie die Oberseite des Schiffs erreichte, stieß Anji auf dem Boden unter ihr ein kleines Jaulen aus. Allana spähte über den Rand nach unten und blickte finster drein. Sie hatte nicht darüber nachgedacht, wie ihr Nexu wieder hoch auf den Falken gelangen würde.
Doch Anji konnte sich nicht damit anfreunden, draußen gelassen zu werden. Sie legte ihren Kopf schief und musterte einen Moment lang das Seil, ehe sie die Krallen ausfuhr und genauso nach oben kletterte, wie Allana es getan hatte. Wären ihre Krallen nicht aus Sicherheitsgründen stumpf gewesen, hätte sie es vermutlich um einiges schneller geschafft als Allana. So jedoch rutschten Anjis Pfoten immer wieder ab, bis sie begriff, dass sie die Knoten zwischen die Pfotenballen nehmen musste, und dann kraxelte sie geradewegs nach oben. Wenige Minuten später zog Allana die Kabelrolle zur oberen Außenhülle hinauf, stellte sich auf den winzigen Aufzug und fuhr in den Rumpf des Falken hinunter.
C-3PO fand sie, als sie sich gerade fertig machte, um eine Sanidusche zu nehmen. »Da bist du ja. Du hast dich aber nicht besonders gut versteckt.«
»Ich habe angefangen zu schwitzen, und mir wurde langweilig. Ich werde mich jetzt waschen.«
»Eine ausgezeichnete Idee. Und ich werde dir für danach einen hübschen Imbiss zubereiten. Dafür, dass du heute so kooperativ warst.«
Sie lächelte ihn bloß an.