3. Kapitel
BOTSCHAFTSKOMPLEX DES GALAKTISCHEN IMPERIUMS, CORUSCANT
Die Tür glitt hinter Jagged Fel zu, um den Staatschef des Galaktischen Imperiums in seinem Botschaftsquartier abzuschotten, und er stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.
Allein. Nach einem Tag voller Verhandlungen mit den Abgesandten der Galaktischen Allianz, Auftritten bei öffentlichen Veranstaltungen, mit Bedacht geführten Presseinterviews, Hyperkom-Gesprächen mit Ministern und Funktionären in der Heimat, die die meisten Leute nach wie vor als die Imperialen Restwelten bezeichneten, konnte er ein wenig Zeit allein gebrauchen.
Das war beinahe ebenso entspannend, so erholsam, wie Zeit mit Jaina zu verbringen … doch bedauerlicherweise konnten sie nicht jede wache Stunde miteinander verbringen.
Er zupfte an seiner Paradeuniform, knöpfte den Verschluss der Jacke auf seiner rechten Brustseite bis ganz nach unten auf und spürte, wie die darunter aufgestaute Wärme von ihm abfiel.
Es war schön, sich nicht länger für die Holokameras zusammenreißen zu müssen, um eine gute Figur abzugeben. Als muskulöser Mann von nicht ganz durchschnittlicher Größe wusste er, dass er gut aussah – zumindest behauptete das die Presse hier und zu Hause. Sein dunkles Haar und der kurz gestutzte Vollbart trugen dazu bei, ihm ein grüblerisches Aussehen zu verleihen, auch wenn er nur selten vor sich hin brütete. Am Haaransatz zeigten sich jede Menge weißer Haare, genau an der Stelle, wo er sich einige Jahre zuvor eine Narbe geholt hatte, und beides verlieh ihm einen Hauch von Würde. Seine Vorliebe für dunkle, militärische Kleidung verstärkte noch den Eindruck eines entschlossenen Anführers mit nützlicher Kriegserfahrung.
Doch das war alles bloß Fassade. Am wohlsten fühlte er sich in einem Pilotenoverall, wenn er gegen einen Gegner flog, den er abschießen konnte. Leider waren diese Zeiten für ihn vorbei.
Er stand einen Moment lang mit geschlossenen Augen da, atmete langsam, um sich zu sammeln und zur Ruhe zu kommen, und rief sich das wichtigste Wort seines Lebens ins Gedächtnis: Pflicht.
Das Pflichtgefühl, das sein Vater und jeder einzelne Aspekt der Chiss-Gesellschaft in ihm geweckt hatten, in der er aufgewachsen und erwachsen geworden war, begleitete ihn auf Schritt und Tritt. Manchmal allerdings schien es, als würden seine Bemühungen trotz allem zu keinerlei Erfolg führen, zu nichts Konkretem, und dann fühlte er sich leer.
Er war die mächtigste Person des Galaktischen Imperiums, und doch verbrachte er seine Zeit so häufig damit, bloß zu … verhandeln, um abwechselnd mit Hunderten von Leuten zu reden und zu versuchen, jeden Einzelnen davon dazu zu bringen, sein eigenes individuelles Gleichgewicht ein wenig vom reinen Eigennutz wegzuneigen, und ein bisschen hin zu den Bedürfnissen des Imperiums. Oftmals war das, als würde man versuchen, eine Horde von Hunderten schmierigen Mausdroiden zu hüten, von denen jeder von einem anderen verhaltensgestörten Kind programmiert worden war. Und am Ende eines typischen Tages fühlte er sich für gewöhnlich genauso zufrieden und erfolgreich, als hätte er tatsächlich Stunden damit zugebracht, sich mit diesen glitschigen Mausdroiden herumzuplagen.
Er stieß ein Seufzen aus, schüttelte die letzten Reste der Frustration dieses Tages ab und ging durch seine Unterkunft – durch den Empfangsraum mit seinen bequemen Möbelstücken, dann in den Vorraum, von dem aus man Zutritt zu den meisten Räumen seines Apartments hatte. Er passierte die Tür in sein Schlafzimmer und ging weiter zu einem kleineren, schmaleren Portal, einem, das sich allein mit seiner Stimme öffnen ließ. Er richtete sich an den verborgenen Sprachsensor oben an der Tür: »Nek und Nek.«
Die Tür glitt auf und offenbarte eine kleine Kammer, die beinahe zur Gänze von einem schwarzen, kugelförmigen Apparat von der Höhe eines Mannes beherrscht wurde: einem Sternenjäger-Simulator. An der Seite, die der Tür zugewandt war, war eine Leiter angebracht, die zu einer offenen Luke an der Oberseite führte. Von neuer Energie erfüllt, stieg Jag die Stiegen hoch, während seine Absätze auf den Durastahlsprossen klapperten, und dann ließ er sich durch die Luke auf den Pilotensessel darunter fallen.
Dieser Simulator war imstande, jedes Modell eines TIE-Jägers oder eines vergleichbaren Raumschiffs nachzuahmen, das seit dem ersten TIE-Jäger produziert worden war, doch das voreingestellte Schiff, der Chiss-Klauenjäger, war einer von Jags Favoriten, und als er Platz nahm, leuchteten die Bildschirme vor ihm auf, um eine exakte Nachbildung der vorderen Sichtfenster des Klauenjägers zu zeigen.
»Wir fangen mit einem Mischgeschwader-Angriff an; gib mir sechzig Prozent Y-Flügler, zwanzig Prozent X-Flügler, zwanzig Prozent A-Flügler …« Jag schnallte sich den Helm auf und streckte die Hand nach der Gesichtsmaske aus. »Bandbreite der Pilotenfähigkeit von Frischling bis Elite, ausgeglichenes Verhältnis.« Er drückte die Gesichtsmaske auf sein Antlitz.
Sie roch seltsam, süßlich.
Instinktiv warf er sie von sich, vor seine Füße. »Abbrechen, abbrechen!«
Die Luke, die sich an den Scharnieren über seinem Kopf allmählich schloss, verharrte nicht, noch änderte sie die Richtung.
Jag zog einen kleinen, leistungsstarken Blaster aus seinem Stiefelhalfter, einen von der Art, die gemeinhin als Miniblaster bezeichnet wurde. Dieser hier war jedoch wesentlich teurer und zuverlässiger. Er feuerte einmal auf jedes Scharnier. Blasterladungen schossen gegen die Maschine, und ein Teil der Energie prallte als Querschläger ab; der Rest übertrug mehrere Hundert Grad Hitze, riss Teile des Metalls davon und überhitzte den Rest. Die Luft in der engen Kammer des Simulators wurde schlagartig viel wärmer. Die Luke stoppte in halb geschlossener Position.
Die Gesichtsmaske zischte. Jag rappelte sich auf und katapultierte sich durch den schmalen Ausstieg nach draußen, sorgsam darauf bedacht, nicht mit dem glühend heißen Bereich der Luke in Berührung zu kommen, bis er oben auf dem Simulator stand.
Er sprang auf der von der Leiter abgewandten Seite zu Boden. Im selben Augenblick schoss die Eingangstür in die Höhe. Jag spähte um den Simulator herum und sah einen Sturmtruppler in komplett weißer Rüstung in die Kammer kommen. Der Mann, der nicht wusste, wo Jag sich befand, hob sein Blastergewehr und richtete es auf die Luke.
Jag lehnte sich gerade weit genug hinter seiner Deckung hervor und eröffnete das Feuer.
Sein erster Schuss traf den Truppler mitten in die Brustplatte und ließ den Mann rückwärts taumeln.
Sein zweiter Schuss erwischte dieselbe Stelle, sein dritter den Helm. Der Truppler stürzte – begleitet vom dumpfen Klappern seiner Rüstung – zu Boden. »Tür geöffnet einrasten!«, sagte Jag, und der Türmechanismus ließ ein gehorsames Tschunk vernehmen.
Jag musste nachdenken, und ihm blieb dafür wenig oder gar keine Zeit.
Gas in seinem Simulator, vermutlich Schlafgas. Dann war das Ziel des Feindes, ihn lebend gefangen zu nehmen, aber ob der Grund dafür war, Lösegeld zu erpressen, oder einfach der, dass sie ihn später umbringen wollten, war unbekannt. Vermutlich bedeutete es, dass das Blastergewehr des Trupplers auf Betäuben eingestellt war. Das war zumindest eine gewisse Beruhigung.
Das hier war ein Insider-Job. Weder die Außentür noch die Tür zur Simulator-Kammer war mit Gewalt geöffnet worden, und es war kein Alarm ausgelöst worden. Es war anzunehmen, dass das gesamte Sensor- und Alarmsystem seines Apartments außer Gefecht gesetzt worden war, was bedeutete, dass er so lange rufen konnte, wie er wollte – niemand würde ihn hören. Es würde keine Hilfe kommen.
Dafür aber gewiss weitere Entführer. Sie würden mehr als einen Verschwörer brauchen, um ihn aus seinem Quartier zu schaffen. Also …
Er schaute zur Decke empor. Er wusste nicht, was sich unmittelbar über diesem Raum befand, doch das würde er gleich herausfinden. Er zielte auf die Decke und betätigte den Abzug.
Während ein Blasterschuss nach dem anderen die Decke traf, färbte sich eine Stelle schwarz, verzog sich und gab dann vollends nach. Jag verfolgte, wie die Energieanzeige am Knauf des Blasters abnahm, während er feuerte, doch bevor die Ladung gänzlich aufgebraucht war, wurde er von den leisen Geräuschen eines Kreischens und von Gefluche über sich belohnt. Dann erfüllte das Heulen eines Alarms die Luft.
Im Türrahmen tauchte ein weiterer Sturmtruppler auf, der bereits auf Jag angelegt hatte. Jag wich zurück, brachte den Simulator zwischen sich und den Neuankömmling, und der Betäubungsschuss, ein wabernder blauer Blitz, traf die Seite der Maschine. Jag spürte ein Kribbeln, als die Außenverkleidung des Simulators etwas von der Energie an ihn weitergab, doch er bekam bloß einen Bruchteil der Ladung ab.
Wie die Cockpitkugel eines TIE-Jägers war auch der Simulator rund, und Jag besaß etwas, womit kein gepanzerter Sturmtruppler aufwarten konnte: Beweglichkeit. Er warf sich flach auf den Permabetonboden, spähte unter der geschwungenen Unterseite des Simulators hindurch und hatte freien Blick auf die Beine des Trupplers, bis hoch zu den Knien.
Er feuerte einmal auf jede Kniescheibe. Mit einem Heulen kippte der Truppler und stürzte flach auf sein Gesicht. Jag konnte nicht hören, ob noch weitere Gegner im Anmarsch waren – halb taub von den Blasterschüssen und dem Alarm, hätte er nicht einmal mitbekommen, wenn ein ganzes Regiment von Sturmtruppen auf ihn zumarschiert wäre. Deshalb war es ein Risiko, als Jag unter dem Simulator nach vorn kroch, den reglosen Soldaten erreichte und seinen beinahe leeren Miniblaster ablegte. Er packte das Gewehr des Mannes, schwang es herum und zielte durch die Tür nach draußen, hinter der er jetzt ungefähr ein Viertel des Vorraums und den ersten erledigten Truppler ausmachen konnte, der sich immer noch nicht wieder rührte. Jag schaltete die Waffe von Betäuben auf Töten.
Zwei weitere Truppler traten in sein Blickfeld, um sich getrennt voneinander in seine Richtung zu bewegen – Jag vermutete, dass sie zu einer kleinen Einheit gehörten, die ausschwärmte, als sie näherkamen. Er feuerte auf den zur Linken, dem es leichter möglich gewesen wäre, sich außer Sicht zu ducken. Jags Schuss traf ihn jedoch am ungepanzerten Innenschenkel, wirbelte ihn herum und ließ ihn auf den Teppichboden krachen. Der Schrei des Mannes verwandelte sich in ein Würgen, bevor er fiel. Der zweite Soldat warf sich auf den Boden, um die Angriffsfläche, die er bot, beträchtlich zu verkleinern, und eröffnete das Feuer. Jag rollte herum, um vollends hinter dem Leichnam des Trupplers in Deckung zu gehen, der ihm am nächsten war, sodass der Körper des Mannes einen Betäubungsschuss abfing, der ihm gefährlich nahe kam. Jag feuerte einmal, zweimal, dreimal, und der Truppler im angrenzenden Raum rührte sich nicht mehr – sein Helm war eine verkohlte, rauchende Masse.
In gesprächigem Tonfall – nicht laut genug, um über den Alarm hinweg und durch die Sturmtruppenhelme gehört zu werden, aber doch laut genug, dass die benachbarten Raummikrofone seine Worte auffingen –, sagte Jag: »Tür: entriegeln, Tür: alle Sicherheitsregler deaktivieren, Tür …« Er wartete, bevor er ein weiteres Kommando gab, und wand sich rückwärts, während er den Truppler mit sich zog, den er als Deckung benutzte.
Zwei Truppler tauchten im Türrahmen auf, Seite an Seite. Zweifellos waren sie außerhalb von Jags Blickfeld in den Durchlass gesprungen.
Jag sagte: »Schließen!«
Die Tür krachte nach unten, nagelte beide Männer auf dem Boden fest. Die Tür, die nicht für den Einsatz als Waffe gedacht war, verzog sich und schob sich rings um ihre beiden Opfer in Falten zusammen.
Jag schoss erst dem einen Truppler und dann dem anderen in den Hals. Er sagte: »Tür: öffnen!« Die ruinierten Überreste der Tür glitten in die Höhe und verkeilten sich in der Aufwärtsbewegung, während die Hälfte noch zu sehen war.
Dann folgte weiteres Blasterfeuer, eine Menge mehr, und Jag konnte sehen, dass der Vorraum wie von einem Feuerwerk erhellt wurde, doch bloß zwei Blasterschüsse schafften es in die Simulator-Kammer. Einer davon brannte sich durch die Seite des Simulators, und der andere prallte von den Wänden ab und jagte zurück in den Vorraum.
Das Blasterfeuer verebbte. Der Alarm verstummte, um ein tosendes Schweigen in Jags Ohren zu hinterlassen. Schließlich hörte er: »Sir? Sir, sind Sie hier?«
Die Stimme, normalerweise sehr leise, barg jetzt gleichermaßen Sorge wie Wut. Sie gehörte Ashik, vormals bekannt als Kthira’shi’ktarloo. Ashik war ein Chiss und Jags ergebener Assistent, Gefährte und Kopf des Personenschutzes. Und vermutlich war er über dieses mögliche Versagen, was seine letztere Verantwortung anging, noch wesentlich aufgewühlter als Jag selbst.
»Mir geht’s gut, Ashik.« Jag erhob sich, zuckte bei dem Gestank von verbranntem Fleisch und verkohlter Rüstung zusammen und glättete seine Uniform. »Feuer einstellen!« Er duckte sich und trat durch die Türöffnung, das Blastergewehr in der Hand.
Die Vorkammer glich einer Ruine, mit acht oder neun am Boden liegenden Sturmtrupplern; die Möbel waren versengt, zerstört; Rauch waberte durch den Raum. Inmitten des Durcheinanders standen Ashik und eine Gruppe imperialer Sicherheitsmänner und -frauen. Ashiks blaues Gesicht spiegelte seinen Zorn wider. Sein durchdringender Blick war hart, und seine vollen Lippen zusammengepresst.
Jag nickte Ashik zu. »Ja. Ich hätte gern einige Antworten. Unverzüglich.«
Jag bekam seine Antworten nur langsam.
Der erste Sturmtruppler, den er erschossen hatte, der erste von sechs, die er getötet hatte, war überhaupt kein Sturmtruppler, sondern Lieutenant Oln Pressig, Ashiks Pendant im Tagesdienst.
Die anderen gepanzerten Eindringlinge waren in gewisser Weise ebenfalls nicht das, was sie zu sein vorgaben; sie alle hatten in den Reihen des Galaktischen Imperiums aktiven Dienst geleistet, einige davon schon vor dem Yuuzhan-Vong-Krieg, und alle waren entweder unehrenhaft entlassen worden oder hatten sich nach ihrer Dienstzeit fragwürdigen Tätigkeiten zugewandt. In den letzten paar Wochen waren alle nach Coruscant gereist – mit Geld, das von einer Scheinfirma auf Borleias auf ihre Konten überwiesen worden war, einem Planeten, der sich seit dem Zweiten Galaktischen Bürgerkrieg in imperialen Händen befand.
Die Wachen draußen vor Jags Quartier lebten noch. Sie waren mit Betäubungsschüssen aus dem Verkehr gezogen worden. Nachdem sie wieder zu sich gekommen waren, berichteten sie Ashik, dass ein Truppler in Rüstung an sie herangetreten war, der eine rechtmäßige Legitimation besaß, und dann seien sie niedergeschossen worden.
Während Jags theoretisch sicherere Botschaftsgemächer gesäubert und repariert wurden, quartierte er sich in der Hotelsuite ein, die er häufig buchte, um Zeit mit Jaina zu verbringen. Jaina saß da, indes lief Jag ruhelos hin und her. »Das ist alles ziemlich nach altbewährtem Schema abgelaufen.«
Jaina auf dem Sofa, die im Gegensatz zu Jags nervöser Energie eine schier nervtötende Ruhe zur Schau stellte, schaute verwirrt drein. »Nach was für einem Schema?«
»Oh, da muss es irgendwo ein Buch oder eine Datei drüber geben. Verschwörung – Eine Methodik, von Imperator Palpatine, kommentiert von Ysanne Isard, mit einem Vorwort von Kriegsherr Zsinj. Die beliebte Quellenlektüre für die Umstürzler der letzten drei Jahrzehnte. Denkst du nicht?«
Jaina lächelte. »Vermutlich.«
»Ich bin mir sicher, in Kapitel sechs dreht sich alles darum, seine Spuren zu verwischen, für den Fall, dass ein Attentatsversuch fehlschlägt. Um das Isolieren von Operationszellen. Darum, sicherzustellen, dass niemand die Sache zu den Hintermännern zurückverfolgen kann, da die Verbindung zu einer oder mehr Zellen ohne viel Aufhebens unterbrochen oder weggezaubert werden kann, falls irgendetwas schiefgeht.« Jag blieb vor einem Außenfenster stehen, vor einem, das von außen verspiegelt war, und drückte seine Handflächen gegen das kühle, durchsichtige Metall.
»Du könntest sicherer untergebracht sein«, meinte Jaina. »Diese Suite ist nicht so sicher, wie sie sein könnte. Ebenso wenig wie deine Botschaft.«
»Was, soll ich an Bord der Gilad Pellaeon zurückkehren? Mich auf meinem
Sternenzerstörer verstecken? Ich muss Zuversicht und Mut ausstrahlen.«
»Nun, dann solltest du zurückschlagen. Aber gegen wen?«
»Gegen die Moffs. Es kann nicht anders sein.«
»Gegen alle?«
»Nein. Da stecken ein, zwei, höchstens drei dahinter. Die versuchen, eine vermeintliche Schwäche meinerseits auszunutzen.«
»Lecersen befände sich in der besten Position, die Situation zu seinem Vorteil zu nutzen, falls du … getötet wirst.«
Jag nickte. »Aber ich bezweifle, dass dies das Werk von Drikl Lecersen war. Gemessen an seinen Standards war das zu plump. Und ich denke, dass ein Attentat wie dieses bedeuten würde, dass er es aufgegeben hat.«
»Es aufgegeben?«
»Es aufgegeben, mich auf elegantere Art und Weise aus dem Weg zu schaffen.« Jag drehte sich wieder zu Jaina um. »Sehen wir der Sache ins Auge. Er glaubt wirklich, dass meine Beziehung zu dir eine Schwäche darstellt, eine, die für das Imperium potenziell schädlich ist. Er hat diesbezüglich noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um mir Ärger zu bereiten.« Er sah, wie Jaina zusammenzuckte, und er trat einen Schritt vor, die Hände in einer entschuldigenden Geste erhoben. »So habe ich das nicht gemeint. Ich weiß, dass das mit uns keine Schwäche ist.«
»Bist du dir da sicher?« In Jainas Stimme lag ein fast unmerklicher Anflug von Unsicherheit und Schmerz. Sie war keine Frau, die zu Unsicherheit neigte, das wusste er, was bedeutete, dass ihr dieser Gedanke zu schaffen machte, wenn sie eine solche Frage stellte.
Er nickte. »Ich bin mir sicher. Hierbei geht es um Veränderung. Ich versuche, die Art und Weise zu verändern, wie das Imperium über sich selbst denkt, über Palpatine, über die Weise, wie die Moffs ihre Angelegenheit seit Generationen handhaben, über die Jedi. Leute, die Veränderungen herbeizuführen versuchen, sind froh, wenn sie nicht …« Jag zögerte. Er wollte eigentlich sagen: wenn sie nicht zu Tode gesteinigt werden. Doch beinahe zu spät wurde ihm klar, dass das nicht unbedingt dazu beitragen würde, Jainas Unruhe wegen des Attentats auf Jag zu beschwichtigen. »Sie sind froh, wenn sie überhaupt irgendeinen Erfolg haben. Froh, wenn man sich ihrer liebevoll erinnert.«
Jaina entspannte sich wieder. »Trotzdem hast du heute Abend großes Glück gehabt.«
»Ja, ich lebe noch.«
»Mehr als das. Eins der fiesen kleinen Gerüchte, die über dich die Runde machen, besagt, dass meine Jedi-Kräfte das Einzige sind, was dich bislang am Leben erhalten hat – dass ich dein geheimes Leibwächter-Kommando bin. Heute Nacht war ich aber nicht in deiner Nähe. Du hast sechs gut gerüstete Veteranen ausgeschaltet, die versucht haben, dich zu töten. Das ist sehr, nun, imperial.«
Jag schnaubte. »Meine Vize-Handelsministerin für vergängliche Waren war in dem Apartment über meinem. Ich habe ihr in den Fuß geschossen, während sie einen Gast hatte. Nicht besonders imperial.«
»Nun, das Gerede da draußen sieht anders aus.«
»Gut.« Endlich irgendwie beruhigt, durchquerte Jag den Raum, um sich neben sie zu setzen.
»Ich weiß bloß nicht, ob ich es schaffe, das durchzuziehen. Die Dinge lange genug zusammenzuhalten, dass sich das Imperium und die Allianz wieder vereinigen und das alles. Irgendeine Art von Veränderung zu bewirken.«
Jaina ließ das scheinbar kalt. »Denk doch lieber mal daran, was du schon alles erreicht hast.
Du hast Leben gerettet. Du hast die Familienehre der Fels aufrechterhalten und ihr zu neuen Höhen verholfen. Und du hast einer Vize-Handelsministerin in den Fuß geschossen.«
Obwohl ihm nicht danach zumute war, grinste er. »Darauf musstest du jetzt noch weiter herumreiten, oder?«
»Du könntest eine ganz neue imperiale Gepflogenheit einführen. ›Tanz, du Narr, tanz!‹
Zapp, Zapp, Zapp! ›Aua, mein Zeh!‹«
»Halt einfach die Klappe, ja?«
RAUMHAFEN, DATHOMIR
Die aus zwei Fahrzeugen bestehende Karawane machte sich auf den Weg, sobald Han und Leia ihre Tarnung komplettiert hatten.
Han übernahm den Pilotensitz des schnelleren, wendigeren Wracks von einem Sportflitzer.
Leia und Dyon leisteten ihm Gesellschaft. Die anderen nahmen den Frachtgleiter, mit Yliri an den Steuerkonsolen. Leia dirigierte sie nordwärts, ihrem vagen Machtgefühl dorthin folgend, wo Luke sein musste.
Lukes Machtpräsenz war beständig und fern, und Leia hatte nicht den Eindruck, dass er in unmittelbarer Gefahr schwebte. Allerdings war dieses Gefühl weder so präzise noch so spezifisch wie ein Peilsender, und Leia konnte Lukes Fährte bloß auf schlängelnde, ungenaue Weise folgen, um ihren Kurs mal mehr nach Nordwesten zu korrigieren, dann wieder nach Nordosten.
Die beiden Fahrzeuge bewegten sich mit scheinbar nervtötender Langsamkeit durch den Regenwald von Dathomir – zumindest kam es Leia so vor. Im Schnitt flogen sie drei oder vier Meter über dem Waldboden, der Sportflitzer an der Spitze. Beide Piloten waren sorgsam darauf bedacht, nicht an Baumstämmen entlangzuschrammen, damit keiner der Passagiere aus seinem Sitz geschleudert wurde. Manchmal musste der Frachtgleiter anhalten, zurücksetzen und Hindernissen ausweichen, um praktikable Wege zu finden, während Hans Speeder ohne Mühe kürzere Routen einschlagen konnte. Doch Yliri schien eine ausgesprochen fähige Pilotin zu sein.
Gelegentlich erhaschte Leia in der Macht flüchtige Eindrücke anderer Präsenzen: Waldraubtiere Dathomirs, die auf der Lauer lagen, als die beiden Gleiter vorbeibrausten. Doch sie wurden nicht angegriffen, und Leia nahm an, dass die meisten wilden Tiere auf diesem Planeten davon absehen würden, sich mit Menschen und anderen Humanoiden anzulegen, von denen so viele hier tödliche Waffen bei sich trugen und über Machtkräfte verfügten. Keiner dieser flüchtigen Machteindrücke kam ihr vertraut vor; keiner wies den unmissverständlichen Stempel von Luke oder Ben auf.
Nach einigen Stunden ließ Leias Richtungsgespür sie im Stich. Sie konnte ihren Bruder nach wie vor in der Macht fühlen, doch ihre Wahrnehmung von ihm war zweigeteilt; er war weit weg, aber seine Gefühle waren ganz nah, hallten in diesem Bereich nach, wahrscheinlich, weil er hier irgendjemandem oder irgendetwas begegnet war. »Ich habe ihn verloren«, erklärte sie Han.
Er aktivierte die Kom-Konsole des heruntergekommenen Speeders. »Markiert diese Stelle als möglichen Sammelpunkt und beginnt dann spiralförmig mit der Suche. Meldet alles Außergewöhnliche.«
Yliri bestätigte die Anweisung, und ihr Gleiter drehte nach Steuerbord bei, um die Spiralsuche in Angriff zu nehmen. Han zog den Sportflitzer nach Backbord. Ihre spiralförmigen Suchmanöver würden sich deutlich überlappen, um den Bereich doppelt zu überprüfen, den Leia vor allem anderen durchkämmt haben wollte.
Kurz darauf, als die beiden Speeder zum dritten Mal in Sicht voneinander kamen, sah Leia, wie der Frachtgleiter stoppte. Die vier Leute an Bord diskutierten, dann sprang die Stammlose Sha aus dem Gefährt und landete vier Meter tiefer behände auf dem Waldboden. Sie schaute nach links und nach rechts, ehe sie schließlich im Trab nach rechts lief, auf einem Weg, der sie am gegenwärtigen Pfad des roten Flitzers vorbeiführen würde. Als sie vierzig Schritte zurückgelegt hatte, folgte der Frachtgleiter ihr mit langsamem Tempo.
Leia aktivierte das Kom ihres Speeders. »Was ist los? Over.«
Yliris Stimme antwortete: »Sha hat an einem Busch Blut entdeckt. Jetzt hat sie Rancor-Fußspuren ausgemacht. Sie folgt den Spuren zurück zu der Stelle, wo das Vieh verletzt wurde. Over.«
»Danke. Ende.«
Innerhalb weniger Minuten hatte Sha die Stelle gefunden, Waldboden, der überall verkohlt war, als habe hier ein weitreichendes, aber nicht allzu intensives Feuer gewütet. Im Umkreis von hundert Metern stießen sie auf zwei ramponierte Düsenschlitten. Tarth überprüfte die Registrierungsnummern, die in die Triebwerksgehäuse eingraviert waren, und nickte Han zu.
Han seufzte. »Luke und Ben werden ihre Kaution verlieren.«
Leia rammte ihm einen Ellbogen in die Rippen. »Das ist nicht witzig. Wo sind sie jetzt?«
»Schwer zu sagen.« Das war Sha und eins der wenigen Male, die sie etwas gesagt hatte, seit sie sie angeheuert hatten. Sie wies nach Nordwesten, in eine Richtung, die deutlich von ihrem gegenwärtigen Kurs abwich. »Da lang! Da ist noch ein weiteres Paar Spuren. Eine Dathomiri, nehme ich an.« Ihre Hand beschrieb einen Bogen, ehe sie schließlich in dieselbe Richtung wie zuvor deutete. »Sie hat Abstand zu ihnen gehalten und ist dann ebenfalls da lang.«
»Wer ist vorangegangen, und wer hinterher?« Leia runzelte die Stirn. Obwohl ihr die Vorstellung nicht gefiel, dass irgendjemand Luke und Ben verfolgte oder ihnen auf den Fersen war, wusste sie, dass ihr Bruder das allenfalls einem Feind erlauben würde.
Sha gab sich ratlos. »Unmöglich zu sagen. Ist zu lange her.«
»Kannst du ihren Spuren folgen?«
Sha nickte. »Ja. Aber langsam. Mit Schrittgeschwindigkeit.«
»Dann los!«
»Die Elektronik wurde gegrillt.« Das war Tarth, der noch immer in den mechanischen Innereien von einem der Düsenschlitten herumhantierte.
Han runzelte die Stirn. »Wie war das?«
»Die Elektronik wurde gegrillt. Bei beiden Flitzern. Bei dem anderen habe ich außerdem ein Komlink gefunden. Ist einfach durchgebrannt und wurde weggeworfen.«
»Waren da Brandmale auf dem Boden?«
Tarth schüttelte den Kopf. »Dieselben wie hier überall, aber nichts, das darauf hinweisen würde, dass sie unten auf dem Boden waren, als es passiert ist.«
Sha sagte nichts, doch der Blick, den sie Han zuwarf, war ein fragender.
»Irgendeine Art von Elektroangriff«, erklärte Han ihr. »Allerdings ist Elektrizität dann am schädlichsten, wenn das Ziel Bodenkontakt hat. Wenn die beiden Düsenschlitten mit einem Elektroangriff aus der Luft geholt wurden, während sie in Bewegung waren … Nun, das erfordert eine Menge Energie.«
Sha nickte. »Gewittersturm. Ein Zauber, den die Hexen wirken. Einige der Hexen. Alle Nachtschwestern.«
Leia trat einen Schritt nach vorn, bevor ihr überhaupt klar wurde, dass sie das getan hatte.
»Nachtschwestern? Ich dachte … Ich hatte gehofft, die wären alle fort.«
Sha schüttelte den Kopf. »Sie waren niemals weg. Sie verstecken sich, sie heilen, sie kommen zurück. Ist ihre Zahl gering, kommen sie, um deine Kinder zu holen.« Bloß einen Moment lang fiel ihre für gewöhnlich ausdruckslose Maske, und sie wirkte niedergeschlagen. Dann war der Augenblick vorüber, fortgewischt von einer Gleichgültigkeit, die jeder Sabacc-Spieler beneidet hätte, und Sha wandte sich ab.
Han packte Leias Schulter, um sie beschwichtigend zu drücken. »Die Nachtschwestern … das sind ihre Sith.« Seine Stimme war ein grimmiges Flüstern.