1. Kapitel
LEERER RAUM NAHE KESSEL
Es war ein einziges Dunkel, ringsherum entfernte Sterne – einer davon, die trostlose Sonne von Kessel, war näher als die übrigen, aber nur gerade eben nah genug, dass man sie nicht nur als Lichtpunkt, sondern als strahlende Kugel wahrnehmen konnte –, und dann war die Leere nicht mehr leer, unvermittelt wurde sie beherrscht von einer Raumyacht mit fließenden, anmutigen Linien und abblätterndem Lack. Genau so hätte die Yacht auf andere in der Ankunftszone gewirkt, wenn es denn Zeugen gegeben hätte – wie ein Schiff, das den Hyperraum verließ. Erst war gar nichts da, dann im nächsten Moment doch – ein blitzschneller Wandel.
Die einzige Person an Bord der uralten Yacht saß auf der Brücke, ein jugendliches Mädchen, das einen mitgenommenen Kampfschutzanzug trug. Sie blickte von Sensorschirm zu Sensorschirm, unsicher und langsam, weil sie mit diesem Raumschiffmodell nicht vertraut war.
Zudem lag so etwas wie Schock in ihren Augen.
Als sie sich schließlich sicher sein konnte, dass in der Nähe kein anderes Schiff aus dem Hyperraum gekommen war oder sich an diesem abgelegenen Ort an sie heranschleichen würde, lehnte sie sich im Pilotensessel zurück und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen.
Ihr Name war Vestara Khai, und sie war eine Sith des Vergessenen Stammes. Sie war eine stolze Sith, keine von denen, die sich hinter falschen Identitäten und verschleiernden Gewändern versteckten, bis sich irgendein grandioser, jahrzehntelanger Plan der Vollendung näherte, und jetzt hatte sie sogar noch mehr Grund als gewöhnlich, in Stolz zu schwelgen. Wenige Stunden zuvor hatten sie und ihre Sith-Meisterin, Lady Rhea, Jedi-Großmeister Luke Skywalker die Stirn geboten.
Lady Rhea und Vestara hatten gegen den erfahrensten, berühmtesten Jedi der Galaxis gekämpft und waren ihm nicht unterlegen. Stattdessen endete das Gefecht mit einem Patt. Vestara hatte Skywalker sogar eine Wunde beigebracht, einen Schnitt an Wange und Kinn, der sie mit Blut bespritzt hatte – mit Blut, das sie später gekostet hatte, mit Blut, von dem sie wünschte, sie hätte davon eine Probe nehmen und es für immer als Andenken behalten können.
Gleichwohl, kurz darauf hatte Skywalker gezeigt, warum er diesen Ruf besaß. Ein Moment der Unachtsamkeit, und mit einem Mal war Lady Rhea in vier Teile zerstückelt, von denen jedes in eine andere Richtung schwebte, und Vestara war hoffnungslos unterlegen. Sie hatte salutiert und war geflohen.
Jetzt, nachdem sie eine Raumyacht in ihren Besitz gebracht hatte, die zweifellos schon alt gewesen war, als ihre Urururgroßväter noch in den Windeln lagen, deren Computer zu ihrer ewigen Dankbarkeit jedoch noch immer die Navigationsgeheimnisse der Ansammlung Schwarzer Löcher hier im Schlund barg, war sie frei. Und die unerträgliche Last der Realität und ihrer Verantwortung senkte sich auf ihre Schultern herab.
Lady Rhea war tot. Vestara war allein, und ihr Stolz auf Lady Rheas Leistung, auf ihren eigenen Beinaheerfolg im Duell mit dem Jedi, genügte nicht, um das Gefühl der Niederlage fortzuspülen.
Dann war da noch die Frage, was sie als Nächstes tun sollte, wohin sie gehen sollte. Sie musste Kontakt zu ihrem Volk aufnehmen, um ihnen von den Zwischenfällen im Schlund zu berichten. Leider verfügte diese knarrende, allmählich auseinanderfallende SoroSuub-SternenTänzer-Raumyacht jedoch nicht über eine Hyperkom-Einheit. Sie musste sich zu irgendeinem zivilisierteren Planeten begeben, um eine Verbindung herzustellen. Das bedeutete, unbemerkt zu landen oder so rasch runterzugehen und wieder zu verschwinden, dass die Jedi sie nicht rechtzeitig aufspüren konnten, um sie zu schnappen. Außerdem hieß das, ausreichend Credits zu besorgen, um eine geheime, nicht zu verfolgende Hyperkom-Nachricht bezahlen zu können. Es würde Zeit kosten, einen dieser Pläne in die Tat umzusetzen.
Tief in ihrem Herzen wusste Vestara – nicht zuletzt durch die warnenden Strömungen in der Macht –, dass Luke Skywalker die Absicht hatte, ihr zu ihrem Heimatplaneten Kesh zu folgen. Sie vermochte nicht zu sagen, wie er das bewerkstelligen wollte, doch ihr Sinn für Paranoia, den Lady Rhea ihr antrainiert hatte, brannte so heftig in ihrem Innern, als bestünde ihr Blut selbst aus Säure.
Sie musste einen Weg finden, um einen Machtnutzer zu überlisten, der um ein Vielfaches älter war und weithin bekannt für seine Fähigkeiten.
Sie musste sich irgendwohin begeben, wo Machtnutzer nichts Besonderes waren.
Andernfalls würde jeder Einsatz der Macht von ihrer Seite auf erfahrene Jedi in der näheren Umgebung wie ein Signalfeuer wirken. Es gab nicht allzu viele solcher Orte. Die logische Antwort war Coruscant. Doch falls ihre Spur in Richtung des Regierungssitzes der Galaktischen Allianz wies, konnte Skywalker die dortigen Jedi warnen, und dann würde sich Vestara einem nahezu unmöglich zu umgehenden Netzwerk von Machtnutzern gegenübersehen, die zwischen ihr und ihrem Ziel standen.
Die gegenwärtige Position der Jedi-Schule war nicht bekannt. Hapes wurde von einer ehemaligen Jedi regiert, und es gingen Gerüchte, dass Machtsensitive dort Zuflucht fanden, doch die Hapaner waren eine so auf Sicherheit bedachte Zivilisation, dass Vestara bezweifelte, ihre Mission dort im Geheimen durchführen zu können.
Dann dämmerte ihr die Lösung, so offensichtlich und so perfekt, dass sie laut auflachte.
Sie bezweifelte, dass sich ein Ziel wie das, an das sie dachte, auf einer galaktischen Sternenkarte fand, die so alt war wie die antiquierte Yacht, die sie flog. Sie würde sich irgendwohin begeben und die Karten auf den neuesten Stand bringen lassen. Sie nickte, und ihr Stolz, das Gefühl der Niederlage und die Paranoia – das alles verblasste, als sie sich auf ihre neue Aufgabe konzentrierte.
DIE VERGÄNGLICHEN NEBEL
Jedi-Ritterin Leia Organa Solo saß an der Kommunikationskonsole des Millennium Falken.
Sie runzelte die Stirn und schürzte die Lippen, als würde sie eine komplizierte mathematische Gleichung lösen, während sie die Textnachricht, die der Falke soeben über Hyperkom empfangen hatte, einmal und dann noch ein weiteres Mal las.
Das Schweigen, das sich über sie gesenkt hatte, rief schließlich ihren Ehemann, Han Solo, an ihre Seite. Seine jungenhafte, häufig unsensible Persönlichkeit war zum Teil reine Fassade, und er kannte seine Frau gut genug, um ihre Stimmungen zu spüren. Das Frösteln und das Schweigen, die mit ihrer völligen Konzentration einhergingen, bedeuteten für gewöhnlich Schwierigkeiten. Er wedelte mit einer Hand vor ihren Augen und dem Monitor der Computerkonsole herum. »Hey!«
Sie nahm seine Gegenwart kaum wahr. »Hm.«
»Eine neue Nachricht?«
»Von Ben.«
»Noch ein Brief voller Teenagergebrabbel, nehme ich an. Mädchen, Flitzer, Gemecker übers Taschengeld …«
Leia ignorierte seine Scherze. »Sith«, sagte sie.
»Und Sith natürlich.« Han setzte sich in den Sessel neben dem ihren, verfiel jedoch nicht in seine übliche, lässige Haltung. Die Neuigkeit sorgte dafür, dass sich sein Kreuz versteifte. »Die sind auf einen neuen Sith-Lord gestoßen?«
»Schlimmer, denke ich.« Endlich kehrte etwas Leben in Leias Stimme zurück. »Sie haben im Schlund eine uralte Raumstation gefunden und wurden von einer Bande Sith angegriffen. Von einem ganzen Überfallkommando. Mit der Möglichkeit, dass sich da draußen noch mehr tummeln.«
»Ich dachte, Sith kommen immer bloß im Doppelpack vor. Wenn man beiden den Garaus macht, findet ihr Wahnsinn für alle Zeiten ein Ende – oder zumindest für ein paar Jahre, bis die nächsten beiden auftauchen.« Han versuchte, seine Stimme ruhig zu halten, doch der letzte Sith, der die Galaxis in Schwierigkeiten gebracht hatte, war Jacen Solo gewesen, Leias und sein ältester Sohn. Obwohl Jacen mittlerweile seit fast drei Jahren tot war, verursachten die Nachwehen des Bösen, das er verursacht hatte, überall in der zur Ruhe gekommenen Galaxis noch immer Schaden und Kummer. Und sowohl seine Taten als auch sein Tod hatten ein Loch in Hans Herz gerissen, das sich anfühlte, als würde es sich niemals wieder schließen.
»Ja, nun, nein. Offensichtlich jetzt nicht mehr. Ben schreibt außerdem – und wir werden Luke gewiss nicht auf die Nase binden, dass er das getan hat –, dass Luke erschöpft ist. Wirklich erschöpft, als wäre das Leben aus ihm herausgequetscht worden. Ben möchte, dass wir in ihre Nähe kommen und Luke ein wenig unter die Arme greifen.«
»Natürlich.« Doch dann zog Han eine Grimasse. »Zurück in den Schlund. An den einzigen Ort in der Galaxis, der düster genug ist, dass sein direkter nächster Nachbar, Kessel, dagegen wie ein Blumengarten wirkt.«
Leia schüttelte den Kopf. »Sie sind einem Sith-Mädchen auf der Fährte, das sich auf der Flucht befindet. Deshalb geht es wahrscheinlich nicht in den Schlund.«
»Ah, gut.« Han rieb wie in Erwartung einer leckeren Mahlzeit oder eines Kampfes die Hände zusammen. »Warum nicht? Nachdem wir mit diesen ganzen durchgeknallten Jedi abgehauen sind, die Daala einfrieren wollte, wartet auf Coruscant vermutlich ohnehin ein Haftbefehl auf uns.«
Endlich lächelte Leia und schaute zu Han hinüber. »Das ist eine gute Sache bei den Solos und den Skywalkers. Uns wird niemals langweilig.«
JEDI-TEMPEL, CORUSCANT
Meisterin Cilghal, eine Mon Calamari und die kompetenteste Ärztin der gegenwärtigen Jedi-Generation, zögerte, als sie die Taste auf der Computerkonsole betätigten wollte, um die Nachricht zu löschen, die sie gerade langwierig entschlüsselt hatte. Es handelte sich um eine Videoübertragung von Ben Skywalker, eine Botschaft, die sorgsam über mehrere verschiedene Hyperkom-Knoten umgeleitet worden und so formuliert war, dass man nicht ersehen konnte, dass sie für Cilghals Mittelohrmembranen oder auch nur für irgendwen auf Coruscant bestimmt war.
Der Inhalt der Nachricht war jedoch an die Jedi gerichtet. Cilghal fasste ihn in einem einzigen Wort zusammen, und bei ihr klang dieses Wort wie ein bösartiger Fluch: » Sith.«
Die Botschaft musste innerhalb des Jedi-Ordens verbreitet werden. Und bei rückblickender Betrachtung barg die Übermittlung nichts, das ihr geraten hätte, sie nicht aufzubewahren, nichts, das dagegen gesprochen hätte, dass sie von einem zivilen Freund der Skywalkers an sie weitergeleitet worden war. Luke Skywalker selbst durfte sich nicht mit dem Jedi-Tempel in Verbindung setzen, doch diese Aufzeichnung war offenkundig frei von Belegen dafür, dass der ins Exil verbannte Großmeister irgendwelchen Einfluss auf den Orden übte. Sie konnte sie weitergeben.
Und das würde sie auch tun, jetzt sofort.
TIEFER RAUM NAHE KESSEL
Die Jadeschatten, einstmals das Raumschiff von Mara Jade Skywalker, jetzt Vollzeittransportmittel und Zuhause für ihren Witwer und ihren Sohn, verließ den Hyperraum und trat in die schwarze Leere ein gutes Stück außerhalb des Kessel-Systems ein. Dort hing das Schiff reglos für einige Minuten, lange genug, dass eines der Besatzungsmitglieder in der Macht eine Spur seines eigenen Blutes gewahrte, das sich hier ganz in der Nähe befunden hatte. Dann nahm das Schiff Kurs auf Kessel und verschwand aufs Neue im Hyperraum.
JADESCHATTEN, IM ORBIT ÜBER KESSEL
Ben Skywalker stieß mit der Schulter die schmale Luke auf, die ihm Zutritt zur Kabine seines Vaters gewährte. Der Jugendliche mit dem rostroten Haar war ein bisschen kleiner als der Durchschnitt, jedoch auf eine Art und Weise muskulös, dass sein unscheinbares Hemd und die Hose es nicht verbergen konnten.
Luke Skywalker lag auf dem Bett der Kabine unter einer braunen Decke. Ähnlich gebaut wie sein Sohn, war er von weitaus mehr Jahren des harten Lebens gezeichnet, einschließlich alter, verblasster Narben in seinem Gesicht und auf den freiliegenden Bereichen seiner Arme. Weit weniger offensichtlich war der Umstand, dass es sich bei seiner rechten Hand, die so gewöhnlich wirkte, um eine Prothese handelte.
Lukes Augen waren geschlossen, doch er regte sich. »Was hast du in Erfahrung gebracht?«
»Ich habe Nien Nunb erreicht.« Nunb, ein Sullustaner, Mitbesitzer und Geschäftsführer eines der bekanntesten Bergbauunternehmen auf Kessel, war seit Jahrzehnten ein Freund der Solos und Skywalkers. »Diese Yacht ist auf dem Planeten gelandet. Die Pilotin hat sich Captain Khai genannt. Sie hat einen Raumhafenarbeiter übers Ohr gehauen, indem sie ihn irgendwie dazu gebracht hat zu glauben, sie hätte für eine komplette Betankung bezahlt, obwohl dem nicht so war …«
Luke lächelte. »›Die Macht kann großen Einfluss haben …‹«
»Ja, genau wie ein gut aussehendes Mädchen. Wie auch immer, interessant ist, dass sie ihre Navigationskarten hat aktualisieren lassen. Nunb hat sich die Übertragungszeit angesehen und ist zu dem Schluss gelangt, dass das Runtergeladene ziemlich umfangreich war. Anders ausgedrückt, sie konzentriert sich nicht auf irgendeinen bestimmten Bereich oder eine spezielle Route. Das bringt uns also nicht weiter.«
»Aber zumindest weist es darauf hin, dass sie einige neuere Informationen benötigt. Neue Hyperraumrouten oder Planetenverzeichnisse.«
»Stimmt.«
»Und jetzt ist sie fort?«, fragte Luke.
»Ist gestartet, sobald ihre Yacht wieder aufgetankt war. Übrigens, der Name ihres Schiffs lautet Heißsporn.«
»Irgendwie passend.« Schließlich öffnete Luke die Augen, und einmal mehr wurde Ben bewusst, wie müde sein Vater wirkte. »Ich kann ihre Fährte immer noch fühlen. Ich bin in einer Minute da, um den Kurs zu programmieren.«
»In Ordnung. Lass dir ruhig Zeit!« Ben verließ die Kabine, und die Tür glitt hinter ihm zu.
EINIGE TAGE SPÄTER – JADESCHATTEN, IM HOHEN ORBIT ÜBER DATHOMIR
Luke betrachtete den marmorierten, bunten Planeten Dathomir durch das vordere
Sichtfenster. Er nickte ein wenig verlegen. Natürlich war es Dathomir.
Ben, der linker Hand von Luke auf dem Pilotensessel saß, schaute zu ihm herüber. »Was ist los, Dad?«
»Ich fühle mich bloß ein bisschen dämlich. Es gibt keine Welt, die eine bessere Heimat für diesen neuen Sith-Orden abgeben würde als Dathomir. Ich hätte das erkennen müssen, lange bevor wir auf der letzten Etappe hierher waren.«
»Warum das?«
»Unter der Bevölkerung gibt es eine Menge Machtsensitive, von denen die meisten in der sogenannten Hexenkunst von Dathomir geschult sind. Es gibt keine nennenswerte Regierungsaufsicht. Das ist der perfekte Ort für einen Machtnutzer, um sich zu verstecken. Und wenn sie schließlich dahinterkommt, dass ich meinem eigenen Blut direkt zu ihr folge, schafft sie es sich vermutlich vom Hals und entwischt uns endgültig.« Luke hielt inne, um nachzudenken. »In alten Aufzeichnungen finden sich Hinweise darauf, dass sich hier vor langer, langer Zeit eine Sith-Akademie befand. Ich frage mich, ob sie vielleicht danach sucht?«
Ben nickte. »Nun, ich werde Moms Kopfjäger startklar machen und dort runterfliegen. Ich werde deine Augen und Ohren am Boden sein.«
Luke warf seinem Sohn einen verwirrten Blick zu. »Ich soll dich nicht auf den Planeten begleiten? Ich fühle mich schon viel besser. Wesentlich ausgeruhter.«
»Ja, aber dort unten gibt es eine Jedi-Schule. Die Bestimmungen deiner Verbannung besagen, dass du nicht …«
Luke grinste und hielt eine Hand hoch, um seinem Sohn das Wort abzuschneiden. »Du bist nicht ganz auf dem neuesten Stand, Ben. Vielleicht solltest du mal deine eigene Galaxiskarte aktualisieren. Erinnerst du dich noch, vor gut zwei Jahren, als sich die Jedi auf Kuat gegen Jacen gewandt haben?«
»Ja, da haben wir unser Lager für eine Weile auf Endor aufgeschlagen. Was ist damit?«
»Als Jacens Regierung die Schule geschlossen hat, haben wir alle von Dathomir abgezogen. Die Jedi müssen sie erst wieder aufmachen.«
Ben dämmerte es langsam. »Dann gibt es dort also keine Schule, und es ist rechtens, wenn du dem Planeten einen Besuch abstattest.«
»Ja.«
»Das Ganze läuft am Ende irgendwie auf eine Formsache hinaus, oder?«
»Jedes Gesetz ist eine Formsache, Ben. Hol die Landegenehmigung ein!«
DATHOMIR
Eine halbe Stunde später musste Luke zugeben, dass er sich geirrt hatte. Die meisten Gesetze waren reine Formsache. Bei den übrigen handelte es sich um Sonderfälle, und er war offenkundig so ein Sonderfall.
Er stand auf dem Landefeld von Dathomirs Raumhafen. Vielleicht war der Begriff Raumhafen ein wenig übertrieben. In Wahrheit war es ein weites, sonniges Feld, an einigen Stellen grasbewachsen, matschig an anderen, mit Schubdüsenbrandmalen hier und da. Triste graue Permabetonkuppeln, die meisten davon eindeutig vorfabriziert, sprenkelten das Feld – die größte Kuppel war so eine Art Verwaltungsgebäude, die kleineren Hangars für Schiffe, die nicht größer als Raumfähren und Sternenjäger waren. Ein hoher Maschendrahtzaun aus Durastahl umgab den Komplex, gesäumt von hohen Wachtürmen, und Luke konnte die Kabel sehen, die vom Zaun zu einer der Permabetonkuppeln verliefen und verrieten, dass er unter Strom stand.
Die Raumhafengebäude boten wenig Schatten, deshalb standen die Skywalkers in dem Dunkel, das die Jadeschatten warf, aber selbst ohne die Wärme des direkten Sonnenscheins war die feuchte, windstille Luft so drückend wie eine Decke.
Luke ließ Gedanken von Hilfsbereitschaft und Vernunft in die Macht strömen, doch es hatte keinen Sinn. Der Mann vor ihm – nahezu zwei spindeldürre Meter rothaariger Uneinsichtigkeit – gab keinen einzigen Zentimeter nach.
Wieder wedelte der Mann, der sich ihnen als Tarth Vames vorgestellt hat, mit seinem Datapad vor Lukes Nase herum. »Es ist ganz einfach. Dieses Raumschiff …« Sein Wink galt der Jadeschatten. »Weder dieses Schiff noch irgendein anderes Vehikel mit einem geschlossenen oder schließbaren Innenbereich darf unter Eurem Kommando oder dem Eures Sohnes auf diesem Planeten landen.« Er wandte seine Aufmerksamkeit Ben zu, der mit vor der Brust verschränkten Armen neben seinem Vater stand. Ben blickte finster drein, erwiderte jedoch nichts.
Luke seufzte. »Gelten diese Beschränkungen noch für irgendeinen anderen Besucher von Dathomir?«
»Ich glaube nicht, nein.«
»Warum dann für uns?«
Vames tippte mit dem Daumen auf das Tastenfeld des Datapads, sodass eine lange Nachricht über den Bildschirm rollte. »Hier, genau hier steht’s. Gemäß dieser Präzedenzfälle – und ich habe hier acht Bildschirme voller rechtlicher Präzedenzfälle, was diese Angelegenheit betrifft – kann ein geschlossenes Vehikel als mobile Schule interpretiert werden, besonders, wenn Ihr an Bord seid, und insbesondere, wenn die Anwesenheit dieses Vehikels die Weiterführung einer schulischen Einrichtung darstellt, die es hier in der Vergangenheit gegeben hat.«
»Das ist Schikane.« Bens Worte waren leise, aber laut genug, dass Vames sie hörte.
Der großgewachsene Mann bedachte Ben mit einem finsteren Blick. »Natürlich ist das keine Schikane. Die Anweisung kam direkt von Staatschefin Daalas Büro. In der Öffentlichkeit stehende Amtspersonen auf dieser Ebene schikanieren niemanden.«
Ben rollte mit den Augen. »Wie auch immer.«
»Ben.« Luke verlieh seiner Stimme einen tadelnden Unterton. »Es hat keinen Sinn, sich dem zu widersetzen. Vames, ist es auch untersagt, uns einige Fragen zu beantworten?«
»Ist mir immer ein Vergnügen zu helfen. Solange sich Eure Fragen innerhalb des Rahmens bewegen, den die Vorschriften billigen.«
»Gab es in den vergangenen paar Tagen irgendeine Spur von einer heruntergekommenen Raumyacht namens Heißsporn?« Luke wusste, dass die Yacht hier sein musste. Er war seiner Blutfährte bis zur Oberfläche von Dathomir gefolgt, und das Mädchen hatte diese Welt nicht wieder verlassen. Doch alles, was dieser Mann seinem dürftigen Vorrat an Wissen hinzufügen konnte, konnte sich als hilfreich erweisen.
Vames gab den Schiffsnamen in sein Datapad ein und schüttelte dann den Kopf. »Kein Vehikel dieses Namens ist rechtmäßig auf dem Planeten gelandet.«
»Aha.«
»Heruntergekommen, sagt Ihr? Eine Yacht?«
»Das ist richtig.«
Vames tippte einige weitere Informationen ein. »Letzte Nacht, kurz nach der Abenddämmerung, Ortszeit, stieß ein Schiff mit den Funktionsmerkmalen einer SoroSuub-Raumyacht aus dem Orbit herunter, überflog diesen Raumhafen hier und wandte sich gen Norden. Es gab einiges Kom-Geplapper seitens der Pilotin über außer Kontrolle geratene Triebwerke – dass sie den Schub nicht abstellen oder ihre Repulsoren aktivieren könne, um ordnungsgemäß zu landen.«
Bei diesen Worten runzelte Ben die Stirn. »Letzte Nacht? Und es wurde kein Rettungstrupp losgeschickt?«
»Aber selbstverständlich haben wir das gemacht! Ganz nach Vorschrift. Wir konnten die Absturzstelle jedoch nicht finden. Und es gab keinen weiteren Kom-Kontakt zu dem Schiff. Wir haben immer noch Suchtrupps da oben, aber bislang ohne Erfolg.«
»Das ist tatsächlich hilfreich.« Luke wandte sich an seinen Sohn. »Ben, keine geschlossenen Vehikel!«
»Wie bitte?«
»Besorg uns zwei Düsenschlitten, in Ordnung? Schwatz sie jemandem ab, leih sie dir …«
Luke sah den Raumhafen-Beamten an und gelangte zu dem Schluss, dass der Mann nicht begreifen würde, dass stehlen bloß ein Scherz gewesen wäre. »Oder miete sie.«
Ben grinste. »Ja, Sir.«
Fünfzehn Minuten später waren sie dank der Fragen, die Luke gestellt, und der Credmünzen, die er ausgegeben hatte, unterwegs, ausgestattet mit zwei gemieteten Düsenschlitten und einer nützlichen Information, über die sie zuvor nicht verfügt hatten.
Das Modell der SoroSuub-Raumyacht, mit dem das Sith-Mädchen aus der Schlundloch-Station geflohen war, war normalerweise nicht mit einem Hyperkom-System ausgerüstet. Von dem Moment an, als sie den Schlund verlassen hatte, bis zu ihrer Ankunft auf Dathomir hatte sich das Schiff nicht lange genug in irgendeinem Sternensystem aufgehalten, um ein Nachrichtenpaket abzuschicken, das groß genug war, um die komplexen Navigationsdaten zu beinhalten, die nötig waren, um jemanden darüber zu informieren, wie man sich im Schlund zurechtfand und zur Schlundloch-Station gelangte.
Unterm Strich bedeutete das, dass es dem Sith-Mädchen höchstwahrscheinlich nicht möglich gewesen war, ihren Sith-Meistern Instruktionen zukommen zu lassen, wie man zu der Station gelangte oder was für ein gewaltiges, dunkles Macht-Mysterium sie barg. Vermutlich brauchte Luke nicht zu fürchten, dass die Sith diese Macht finden würden – zumindest bis und falls sie das Sith-Mädchen wieder in die Finger bekamen.
Fürs Erste jedoch – wenn auch nur vorübergehend – war die Zeit auf Lukes Seite.