Peregrine | Kapitel Achtzehn
Die Decke sah jetzt ganz anders aus – es gab keine Rohre und Kabel mehr.
Das war das Erste, was Perry auffiel, als er die Augen öffnete. Das Zweite war das Prickeln des Äthers ganz tief in seiner Nase.
Cinder.
Perry drehte sich um und sah ihn im Bett neben sich liegen. Der Junge war mit festen Kunststoffbändern am Bettrahmen festgeschnallt, die Augenbrauen konzentriert zusammengezogen, als habe er Perry mit der Kraft seiner Gedanken zu wecken versucht. Er trug ein weites graues Hemd, eine weite Hose, und in seinem Arm steckten Schläuche, über die ihm Flüssigkeit zugeführt wurde.
Sofort wollte Perry sich ihm zuwenden, aber auch er war festgeschnallt worden und konnte sich keinen Zentimeter bewegen.
Cinder fuhr sich mit der Zunge über die aufgeplatzten Lippen. »Bist du extra meinetwegen gekommen?«
Perry schluckte. Seine Kehle schmerzte unerträglich. »Ja.«
Cinder zuckte zusammen. »Tut mir leid.«
»Nein … das braucht es nicht. Mir tut es leid, dass ich es nicht geschafft habe, dich hier rauszuholen.«
Jedes Wort kostete ihn Anstrengung. Der Raum war vom schweren Geruch der Medikamente erfüllt, und Perry schmeckte die Chemikalien auf der Zunge. Er fühlte sich erschöpft und leicht benommen, doch der Drang, sich zu bewegen, von der Pritsche aufzustehen und die Muskeln zu strecken, war nahezu überwältigend.
Cinder sagte nichts mehr; er atmete keuchend, und für ein paar Sekunden fielen ihm die Augen zu.
»Ich habe es auch versucht«, sagte er schließlich. »Hier rauszukommen, meine ich. Aber sie geben mir ständig diese Medikamente. Sie machen mich so schlapp, und ich kann den Äther nicht mehr rufen. Ich kann ihn nicht erreichen … Ich fühl mich nicht besonders gut.«
Perry schaute zu der langen Glaswand, die den Raum teilte. Diese Kammer sah fast genauso aus wie jene, in der sie Cinder vor ein paar Stunden entdeckt hatten – allerdings war sie größer und auf der anderen Seite der Glaswand bis auf einen langen Tisch und ein Dutzend Stühle leer.
»Wir werden einen anderen Fluchtweg finden.«
»Wie denn?«, wollte Cinder wissen. »Mit dir werden sie das Gleiche machen.«
Er hatte recht. In seinem Zustand konnte Perry niemandem helfen.
»War Willow … ist sie … hat sie irgendwas gesagt, dass ich verschwunden bin, meine ich?« Cinder hielt kurz inne. »Vergiss es. Ich wollte das gar nicht fragen. Ich will es gar nicht wissen«, beeilte er sich hinzuzufügen.
»Sie hat eine ganze Menge gesagt, Cinder. Zu viel, um ehrlich zu sein. An dem Tag, als du verschwunden bist, fing sie an zu fluchen. Niemand bringt sie dazu, damit aufzuhören. Sie hat es geschafft, dass Talon jetzt auch flucht … Ich glaube … ich glaube, sogar Flea bellt jetzt schon Flüche. Vermutlich wird es so weitergehen, bis du nach Hause kommst.
Molly vermisst dich, genauso wie Bear. Gren fühlt sich schrecklich, weil Kirras Männer an ihm vorbeigekommen sind. Das hat er mir mindestens ein Dutzend Mal gesagt, und Twig und den anderen von den Sechs hat er es noch hundertmal öfter gesagt … So sieht es aus. Alle vermissen dich. Alle wollen, dass du zurückkommst.«
Die Anstrengung der vielen Worte verursachte Perry hämmernde Kopfschmerzen. Aber er hatte Cinder unbedingt ein Lächeln entlocken wollen, und als er nun zum Dank ein zittriges, weinerliches Grinsen erhielt, spürte Perry, wie ihm die Tränen in die Augen stiegen.
»Ich bin gern dort, bei den Tiden.«
»Du bist einer von uns.«
»Genau«, bestätigte Cinder. »Das bin ich. Danke, dass du mich holen wolltest, auch wenn es nicht geklappt hat.«
Perry lächelte zurück. »Klar … ich bin froh, dass ich hier bin.«
Das brachte sie beide zum Lachen – oder besser: zum Husten, bei dem jämmerlichen Versuch eines Lachens.
Als die Tür in der anderen Raumhälfte aufglitt, verstummten die beiden.
Hess trat zusammen mit Soren ein und setzte sich an den Tisch.
Ihnen folgten weitere Personen, und Perry sah, dass Roar und Aria von Wachen hereingeführt wurden.