45

Sie fuhren in den verblassenden Tag, in eine Traumlandschaft mit turmhohen Ruinen.

Peter saß am Steuer des vorderen Humvee. Alicia war auf dem Dach und suchte das Gelände mit dem Fernglas ab, und Caleb saß neben ihm auf dem Beifahrersitz und hatte die Karte auf dem Schoß. Der Highway war fast verschwunden unter Wellen von rissiger, fahler Erde.

»Caleb, wo zum Teufel sind wir?«

Caleb drehte die Karte hin und her. Er reckte den Hals und schrie zu Alicia hinauf: »Siehst du die 215

»Was ist die 215

»Ein Highway wie dieser hier! Wir müssten ihn kreuzen!«

»Ich wusste nicht, dass wir auf einem Highway sind!«

Peter hielt an und hob das Funkgerät vom Boden auf. »Sara, was sagt deine Tankanzeige?«

Es knisterte und rauschte, und dann hörten sie Saras Stimme. »Ein Viertel voll. Vielleicht etwas mehr.«

»Gib mir Hollis.«

Er sah im Rückspiegel, wie Hollis, der den verletzten Arm in einer Schlinge trug, von seinem Posten hinunterkletterte und Sara das Walkie-Talkie abnahm. »Kann sein, dass wir von der Straße abgekommen sind«, sagte Peter. »Und wir brauchen beide Sprit.«

»Gibt’s hier irgendwo einen Flughafen?«

Peter nahm Caleb die Karte ab und studierte sie. »Ja. Wenn wir immer noch auf dem Highway 15 sind, müsste einer vor uns liegen, im Osten.« Er hob den Kopf und schrie zu Alicia hinauf: »Siehst du etwas, das aussieht wie ein Flughafen?«

»Verdammt, woher soll ich wissen, wie ein Flughafen aussieht?«

»Sie soll nach Treibstofftanks suchen«, sagte Hollis durch das Walkie-Talkie. »Nach großen Treibstofftanks.«

»Lish! Siehst du irgendwo Treibstofftanks?«

Alicia ließ sich in die Fahrerkabine herunter. Ihr Gesicht war staubbedeckt. Sie spülte sich den Mund mit Wasser aus ihrer Flasche aus und spuckte es aus dem Fenster. »Geradeaus, ungefähr fünf Kilometer vor uns.«

»Bist du sicher?«

Sie nickte. »Da ist eine Brücke vor uns. Ich vermute, das könnte die Trasse über den Highway 215 sein. Wenn ich recht habe, ist der Flughafen gleich dahinter.«

Peter hob das Walkie-Talkie hoch. »Lish glaubt, sie hat ihn gesehen. Wir fahren weiter.«

»Augen überall, Cousin.«

Peter legte den Gang ein und fuhr an. Sie waren am Südrand der Stadt in einer von Grasbüscheln bewachsenen Ebene. Im Westen ragten violette Berge in den Himmel wie die Rücken von Tieren, die sich aus der Erde erhoben. Peter sah, wie die Ansammlung der Gebäude im Herzen der Stadt vor der Windschutzscheibe Gestalt annahm und sich zu einem Muster aus einzelnen Bauten auflöste, überflutet von goldenem Licht. Es war nicht zu erkennen, wie groß sie waren oder wie weit entfernt. Auf dem Rücksitz hatte Amy ihre Brille abgenommen und schaute blinzelnd aus dem Fenster. Sara hatte gründliche Arbeit geleistet, als sie ihr die verfilzten Haare abgeschnitten hatte. Was von dem wilden Schopf noch übrig war, sah aus wie ein adretter schwarzer Helm, der die Konturen ihrer Wangen umrahmte.

Sie kamen zu der Trasse, aber die Brücke war nicht mehr da. Der Beton war in großen Platten hinuntergebrochen. Der Highway darunter war ein von Autos und Schutt verstopfter, unüberwindlicher Graben. Es blieb ihnen nichts anderes übrig: Sie mussten versuchen, ihn zu umgehen. Peter steuerte den Humvee nach Osten, an dem Highway unter ihnen entlang. Nach ein paar Minuten kamen sie zu einer zweiten Brücke, die anscheinend noch intakt war. Es war riskant, aber die Zeit wurde knapp.

Er rief Sara. »Ich versuche, hinüberzufahren. Warte, bis wir drüben sind.«

Sie hatten Glück. Ohne Zwischenfall gelangten sie auf die andere Seite. Sie warteten, bis Sara herübergekommen war, und Peter nahm Caleb die Karte wieder ab. Wenn er sich nicht irrte, waren sie auf dem South Las Vegas Boulevard. Dann wäre der Flughafen mit seinen Treibstofftanks östlich von ihnen.

Sie fuhren weiter. Die Landschaft veränderte sich. Gebäude und verlassene Autos drängten sich immer dichter aneinander. Die meisten Wagen standen südwärts gewandt, weg von der Stadt.

»Das sind Army-Lastwagen«, stellte Caleb fest.

Eine Minute später sahen sie den ersten Kampfpanzer. Er lag kopfüber mitten auf der Straße wie eine riesige umgekippte Schildkröte. Beide Ketten waren von den Rädern gerissen.

Alicia steckte den Kopf in die Kabine. »Fahr weiter«, sagte sie. »Langsam.«

Er kurbelte am Lenkrad, um den umgestürzten Panzer zu umfahren. Inzwischen war klar, was vor ihnen lag: der Verteidigungsring der Stadt. Sie fuhren durch ein riesiges Trümmerfeld mit Panzern und anderen Fahrzeugen. Dahinter sah Peter eine lange Sandsackbarriere vor einer mit Stacheldrahtrollen gekrönten Betonsperre.

»Was willst du jetzt machen?«, fragte Sara über Funk.

»Wir müssen irgendwie außen herum.« Er ließ die Sprechtaste los und schaute zu Alicia hinauf, die durch das Fernglas spähte. »Lish! Nach Osten oder nach Westen?«

Sie beugte sich wieder herunter. »Nach Westen. Ich glaube, da ist eine Bresche in der Absperrung.«

Es wurde spät, und der Angriff in der vergangenen Nacht hatte sie alle durcheinandergerüttelt. Die letzten Handbreit Tageslicht waren wie ein Trichter, der sie in die Nacht sog. Mit jeder Minute waren die Entscheidungen, die sie trafen, weniger leicht zu widerrufen.

»Alicia sagt, nach Westen«, meldete Peter.

»Aber dann entfernen wir uns vom Flughafen!«

»Ich weiß. Gib mir noch mal Hollis.« Er wartete, bis Hollis sich meldete, und fuhr dann fort. »Ich glaube, wir müssen uns mit dem Sprit, den wir noch haben, einen Unterschlupf für die Nacht suchen. Bei all diesen Gebäuden vor uns – da muss es etwas geben, das wir benutzen können. Morgen früh können wir dann zum Flughafen zurückfahren.«

Hollis’ Stimme war ruhig, aber der besorgte Unterton entging Peter nicht. »Wie du meinst.«

Er schaute zu Alicia hinauf, und sie nickte.

»Wir fahren da durch«, sagte Peter.

Die Bresche im Verteidigungsring war etwa zwanzig Meter breit. Daneben lag ein umgekippter, ausgebrannter Tanklastzug. Wahrscheinlich, dachte Peter, hatte der Fahrer versucht, die Sperre zu durchbrechen.

Sie fuhren weiter. Die Gebäude standen immer dichter beeinander, je näher sie der Innenstadt kamen. Niemand sprach; man hörte nur das dunkle Dröhnen des Motors und das Scharren des Gestrüpps unter dem Fahrgestell des Humvee. Irgendwie waren sie wieder auf den Las Vegas Boulevard gekommen; ein Straßenschild, das immer noch an seinen Drähten über der Straße hing, schaukelte knarrend im Wind. Die Gebäude waren jetzt größer, monumentaler, und ihre mächtigen, zerstörten Fassaden ragten neben der Straße auf. Manche waren ausgebrannte, leere Käfige aus Stahlträgern, andere halb eingestürzt, die Fassaden weggebrochen, sodass man in die Apartments hineinsehen konnte: Hängende Gärten aus Drähten und Kabeln. Einige waren von Hochwäldern aus Ranken überwuchert, andere standen öd und nackt da, und intakte Schilder verrieten ihre geheimnisvollen Namen: Mandalay Bay. The Luxor. New York, New York. Das Gelände dazwischen war übersät von Müll und Schutt, und Peter kam nur im Schritttempo voran. Überall waren Humvees, Panzer, Sandsackstellungen – hier hatte eine Schlacht stattgefunden. Zweimal musste er anhalten, um den Weg um ein Hindernis herum zu suchen.

»Hier ist alles dicht«, sagte Peter schließlich. »Da kommen wir nie durch. Caleb, such mir einen Weg hier raus.«

Caleb dirigierte ihn westwärts auf die Tropicana Avenue. Aber nach hundert Metern verschwand die Straße unter einem Berg von Schutt. Peter wendete, kehrte zur Kreuzung zurück und schlängelte sich wieder nach Norden. Diesmal versperrte ihnen eine zweite Betonbarrikade den Weg.

»Das ist das reinste Labyrinth hier.«

Er versuchte es mit einer neuen Route, nach Osten jetzt, aber auch hier ging es bald nicht weiter. Die Schatten wurden länger; sie hatten vielleicht noch eine halbe Handbreit gutes Licht. Er begriff, dass es ein Fehler gewesen war, durch das Herz der Stadt zu fahren. Sie saßen in der Falle.

Er nahm das Funkgerät von der Ablage. »Irgendeine Idee, Sara?«

»Wir können auf dem Weg zurückfahren, auf dem wir hergekommen sind.«

»Bis wir hier raus sind, ist es dunkel. Wir dürfen nicht im Freien festsitzen, nicht zwischen all diesen hohen Bauten.«

Alicia ließ sich vom Dach herunter. »Da gibt’s ein Gebäude, das aussieht, als wäre es sicher«, sagte sie hastig. »An dieser Straße, ungefähr hundert Meter zurück. Wir sind daran vorbeigefahren.«

Peter gab die Information an den zweiten Humvee weiter. »Ich sehe kaum eine andere Möglichkeit.«

Es war Hollis, der antwortete. »Dann los.«

Sie wendeten. Peter reckte den Hals nach vorn, um durch die Frontscheibe nach oben zu schauen, und sah das Gebäude, das Alicia gemeint hatte: einen weißen Turm von fantastischer Höhe, der aus den langen Schatten ins Sonnenlicht hinaufragte. Er machte einen soliden Eindruck, aber natürlich konnte man die Rückseite nicht sehen – sie konnte völlig abgebrochen sein. Zwischen Gebäude und Straße erstreckte sich eine hohe Mauer und eine grün wabernde Fläche, die sich beim Näherkommen als ein von Ranken überwucherter Swimmingpool herausstellte. Peter befürchtete, dass er dort irgendwie hindurchfahren müsste, doch dann sah er eine Lücke im Gestrüpp, und Alicia rief herunter: »Hier abbiegen.«

Er konnte den Humvee bis an das Hochhaus heranfahren und unter einem von Ranken umkränzten Portikus anhalten. Sara bremste hinter ihm. Die Gebäudefront war mit Brettern vernagelt, der Eingang mit Sandsäcken verbarrikadiert. Als Peter ausstieg, spürte er die plötzliche Kühle. Die Temperatur sank.

Alicia hatte die Heckklappe geöffnet und reichte hastig Rucksäcke und Gewehre heraus. »Nehmt nur das mit, was wir für die Nacht brauchen«, befahl sie. »Alles, was ihr tragen könnt. Und so viel Wasser wie möglich.«

»Was ist mit den Humvees?«, fragte Sara.

»Die fahren allein nirgendwohin.« Alicia streifte sich einen Gurt mit Handgranaten über den Kopf und überprüfte ihr Gewehr. »Hightop, hast du schon einen Weg hinein gefunden? Wir haben bald kein Licht mehr.«

Caleb und Michael arbeiteten wie besessen daran, das Brett von einem der Fenster herunterzureißen. Krachend splitterte das Sperrholz und brach aus dem Rahmen, und dahinter kam die schmutzverkrustete Fensterscheibe zum Vorschein. Caleb schlug einmal mit dem Stemmeisen zu, und das Glas zersplitterte.

»Igitt!« Er rümpfte die Nase. »Was ist das für ein Gestank?«

»Ich schätze, das werden wir bald herausfinden«, sagte Alicia. »Okay, bewegt euch!«

Peter und Alicia kletterten als Erste durch das Fenster. Hollis würde als Letzter kommen, nach Amy und den andern. Peter ließ sich drinnen herunterfallen und sah, dass er in einem dunklen Korridor war, der parallel zur Frontseite verlief. Rechts von ihm war eine stählerne Flügeltür, mit einer Kette verschlossen, die um die Klinken geschlungen war. Er trat zurück an das zerbrochene Fenster.

»Caleb, gib mir einen Hammer. Und das Stemmeisen.«

Mit dem scharfen Ende des Stemmeisens zerschlug er die Kette. Die Tür schwang auf, und dahinter lag ein endlos weiter Raum, fast schon eine kleine Landschaft und auffallend unberührt. Abgesehen von dem Gestank – es war ein scharfer, chemischer, aber auch leicht pflanzlicher Geruch – und einer dicken Staubschicht auf allen Flächen erweckte das Ganze nicht den Eindruck von Zerstörung, sondern eher von Verlassenheit, als seien die Bewohner dieser Halle erst vor ein paar Tagen und nicht schon vor Jahrzehnten verschwunden. In der Mitte ragte ein großes steinernes Gebilde auf, eine Art Springbrunnen, und auf einem Podest in der Ecke stand ein von Spinnweben überzogenes Klavier. Links war eine langgestreckte Theke vor einer Reihe hoher Fenster mit Blick in den Innenhof, der so üppig zugewachsen war, dass die Vegetation dem Licht hier drinnen einen stark grünlichen Schimmer verlieh. Peter schaute zur Decke. Verschnörkelter Stuck teilte sie in einzelne, konvexe Kassetten mit blumigen Malereien: Geflügelte Gestalten mit traurigen, treuherzigen Augen und rundlichen Wangen schwebten in einem wallenden Wolkenhimmel.

»Ist das … so was wie eine Kirche?«, flüsterte Caleb.

Peter gab keine Antwort. Er wusste es nicht. Etwas an diesen geflügelten Wesen an der Decke wirkte beunruhigend, sogar ein bisschen bedrohlich. Er drehte sich um und sah Amy. Sie stand neben dem spinnwebverhangenen Klavier und starrte an die Decke wie alle andern.

Dann war Hollis bei ihm. »Wir sollten sehen, dass wir höher nach oben kommen.« Peter sah, dass er sie auch spürte, diese gespenstischen Erscheinungen über ihnen. »Lasst uns die Treppe suchen.«

Durch einen zweiten, breiteren Korridor gingen sie tiefer in das Gebäude hinein, vorbei an Geschäften, deren Namen – Prada, Tutto, La Scarpa, Tesorini – sinnlos, aber seltsam musikalisch klangen. Hier waren die Schäden größer: Schaufenster waren zertrümmert, und blitzende Glasscherben lagen überall auf dem Boden und knirschten unter den Sohlen ihrer Stiefel. Viele Geschäfte waren offensichtlich geplündert worden – die Theken waren zertrümmert, die Einrichtung umgestürzt –, während man andere anscheinend unberührt gelassen hatte; ihre eigenartigen, nutzlosen Waren – Schuhe, in denen niemand wirklich laufen konnte, Taschen, die so klein waren, dass man nichts hineintun konnte – standen noch in den Schaufenstern. Sie sahen Schilder mit der Aufschrift »Spa Level« und »Pool Promenade« und Pfeilen, die in andere, abzweigende Korridore zeigten, und Reihen von Aufzügen, deren schimmernde Türen geschlossen waren. Aber nirgends fand sich ein Wegweiser mit dem Wort »Treppe«.

Der Gang endete in einem zweiten offenen Bereich. Er war so groß wie der erste und verlor sich hinten im Dunkeln, und er wirkte irgendwie unterirdisch – so, als ständen sie am Eingang zu einer riesigen Höhle. Der Geruch war hier stärker. Sie knickten ihre Leuchtstäbe und gingen langsam weiter, die Gewehre im Anschlag. Lange Reihen von Maschinen standen in diesem Saal, wie Peter sie noch nie gesehen hatte, mit Videomonitoren und diversen Knöpfen, Hebeln und Schaltern. Vor jeder Maschine stand ein Hocker; vermutlich hatten die Leute, die diese Maschinen bedienten, darauf gesessen und ihre unbekannte Funktion erfüllt.

Dann sahen sie die Slims.

Erst einen, dann noch einen, und dann immer mehr. Langsam lösten sich die starren Gestalten aus der Dunkelheit. Die meisten saßen um hohe Tische herum, und ihre Haltung war von verbissener Komik, als seien sie bei etwas Peinlichem ertappt worden.

»Was zum Teufel ist das hier?«, wisperte Hollis.

Peter trat an den nächsten Tisch heran. Drei Slims saßen daran, ein Vierter lag auf dem Boden neben seinem umgestürzten Hocker. Peter hob seinen Leuchtstab und beugte sich über die vordere Leiche, eine Frau. Sie war vornübergesunken; ihr Kopf lag auf der Seite, und ihr Wangenknochen ruhte auf der Tischplatte. Ihr völlig ausgeblichenes Haar war ein Knoten aus verdorrten Fasern, der den runden Schädel umgab. Wo die Zähne hätten sein sollen, saß ein Gebiss im Kiefer. Die Gaumenplatte aus Plastik leuchtete in einem absurden, lebensechten Rosa. Stränge von goldenem Metall lagen um ihren Hals. An den Fingerknochen auf dem Tisch – anscheinend hatte sie die Hände ausgestreckt, um sich beim Fallen abzustützen – steckten zahllose Ringe mit dicken, funkelndem Steinen in allen Farben. Vor ihr lagen zwei aufwärts gewandte Spielkarten. Eine Sechs und ein Bube. Bei den andern war es genauso, sah Peter: Jeder hatte zwei Karten aufgedeckt. Auf dem Tisch verstreut lagen noch mehr Karten. Anscheinend war es irgendein Spiel. In der Mitte lag ein Haufen Schmuck, Ringe, Uhren und Armbänder, und außerdem eine Pistole und eine Handvoll Patronen.

»Wir müssen weiter«, sagte Alicia.

Irgendetwas war hier, dachte er. Etwas, das er finden sollte.

»Es ist bald dunkel, Peter. Wir müssen die Treppe finden.«

Er riss den Blick von der Frau los und nickte.

Sie kamen in ein Atrium mit einer Glaskuppel. Der Himmel über ihnen kühlte sich ab. Es wurde Nacht. Rolltreppen führten hinunter in eine weitere dunkle Halle; rechts sahen sie eine Reihe Aufzüge und einen neuen Gang mit Geschäften.

»Gehen wir im Kreis?«, fragte Michael. »Ich könnte schwören, dass wir hier durchgekommen sind.«

Alicia machte ein ernstes Gesicht. »Peter …«

»Ich weiß, ich weiß.« Der Augenblick der Entscheidung war da, begriff er. Entweder suchten sie die Treppe, oder sie mussten irgendwo im Erdgeschoss unterkommen. Er drehte sich um und sah die Gruppe an. Jemand fehlte.

»Verflucht, nicht jetzt!«

Caleb zeigte auf das Schaufenster des nächsten Geschäfts. »Da ist sie.«

Desert Gift Emporium, stand über dem Fenster. Ein Geschäft für Geschenkartikel und Souvenirs. Peter öffnete die Tür und ging hinein. Amy stand vor einem Regal neben der Kassentheke. Sie hatte eine der gläsernen Halbkugeln in die Hand genommen und schüttelte sie einmal kräftig. Ein weißer Wirbel erfüllte die Kugel.

»Amy, was ist das?«

Das Mädchen drehte sich um und strahlte – Ich habe etwas gefunden, schienen ihre Augen zu sagen, etwas Wunderbares –, und sie hielt ihm die Kugel entgegen. Sie war unerwartet schwer, als er sie nahm. Offenbar war sie mit Flüssigkeit gefüllt. In dieser Flüssigkeit schwebten glitzernde weiße Flöckchen, wie Schnee. Sie senkten sich auf eine Landschaft mit winzigen Häusern herab. Mitten in dieser Miniaturstadt stand ein weißer Turm – derselbe, erkannte Peter, in dem sie jetzt waren.

Die andern drängten sich heran. »Was ist das?«, fragte Michael.

Peter reichte die Kugel an Sara weiter, und sie zeigte sie den andern.

»So was wie ein Modell, nehme ich an.« Amys Gesicht strahlte immer noch vor Glück. »Warum zeigst du uns das?«

Aber es war Alicia, die ihm antwortete.

»Peter«, sagte sie, »ich glaube, du solltest dir das hier ansehen.«

Sie hatte die Glaskugel umgedreht und zeigte ihm die Worte, die auf dem Boden standen.

Milagro Hotel and Casino

Las Vegas

Der Gestank hatte nichts mit den Slims zu tun, erklärte Michael. Es war Faulgas. Hauptsächlich Methan, und deshalb roch es hier wie auf einem Plumpsklo. Irgendwo unter dem Hotel, vermutete er, lag ein See von hundert Jahre altem Abwasser – die gesammelte Gülle einer ganzen Stadt, eingeschlossen wie in einem riesigen Sickertank.

»Wir sollten lieber nicht hier sein, wenn das explodiert«, warnte er. »Das wird der größte Furz in der Geschichte der Menschheit. Der Laden wird brennen wie eine Fackel.«

Sie waren im fünfzehnten Stock des Hotels und sahen zu, wie die Nacht heraufzog. Ein paar panische Minuten lang hatte es ausgesehen, als müssten sie sich im Erdgeschoss des Hotels verkriechen. Die einzige Treppe, die sie gefunden hatten – am anderen Ende des Kasinos –, war unpassierbar: Stühle, Tische, Matratzen, Koffer versperrten den Weg, verbogen und zertrümmert, als sei der ganze Haufen aus großer Höhe herabgeworfen worden. Hollis hatte dann vorgeschlagen, die Tür eines der Aufzüge aufzustemmen. Wenn das Aufzugseil noch intakt wäre, hatte er erklärt, könnten sie ein, zwei Stockwerke hinaufklettern, weit genug, um die Barrikade zu umgehen, und dann könnten sie für den Rest des Weges die Treppe nehmen.

Es klappte. Aber dann, im sechzehnten Stock, stießen sie auf eine zweite Barrikade. Die Treppe war von Patronenhülsen übersät. Sie verließen das Treppenhaus und gelangten in einen dunklen Korridor. Alicia zerknickte einen neuen Leuchtstab. Der Gang war von Türen gesäumt, und auf einem Schild an der Wand stand: Ambassador Suite Level.

Peter deutete mit dem Gewehrlauf auf die erste Tür. »Caleb, dein Auftritt.«

Im Zimmer waren zwei Leichen, ein Mann und eine Frau. Sie lagen im Bett. Beide trugen Bademäntel und Pantoffeln. Auf dem Tisch neben dem Bett stand eine offene Whiskeyflasche, deren Inhalt längst bis auf einen braunen Bodensatz verdunstet war, und daneben lag eine Injektionsspritze. Caleb sprach aus, was alle dachten: Er würde die Nacht nicht mit zwei Slims verbringen, schon gar nicht mit Slims, die sich umgebracht hatten. Sie mussten fünf Türen aufbrechen, bis sie eine fanden, hinter der keine Leichen lagen. Es waren drei Zimmer, zwei mit einem Doppelbett und ein drittes, größeres mit einer Fensterwand, durch die man über die Stadt hinwegsehen konnte. Peter trat an die Scheibe. Das letzte Tageslicht badete alles in seinem orangegelben Glanz. Er wünschte, sie wären noch höher, vielleicht sogar auf dem Dach, aber das hier würde genügen müssen.

»Was ist das da drüben?«, fragte Mausami. Sie zeigte über die Straße hinweg auf eine mächtige Stahlkonstruktion auf vier Beinen, die sich nach oben zu einer dünnen Spitze verjüngte.

»Ich glaube, das ist der Eiffelturm«, sagte Caleb. »Ich habe mal ein Bild in einem Buch gesehen.«

Mausami runzelte die Stirn. »Ist der nicht in Europa?«

»In Paris.« Michael kniete auf dem Boden und packte seinen Rucksack aus. »Paris, Frankreich.«

»Was macht er dann hier?«

»Was weiß ich?« Michael zuckte die Achseln. »Vielleicht haben sie ihn umgesetzt.«

Zusammen schauten sie hinaus und sahen zu, wie die Dunkelheit heraufstieg. In den Straßen fing sie an, dann erfasste sie die Gebäude, dann die Berge am Horizont. Alles versank im Dunkeln wie in einer Badewanne, die langsam volllief. Die Sterne kamen hervor. Niemand hatte Lust zum Reden; allen war die prekäre Lage bewusst. Sara saß mit Hollis auf dem Sofa und erneuerte den Verband an seinem Arm. Es war nicht so sehr das, was sie sagte, sondern das, was sie nicht sagte, und wie sie mit schmallippiger Effizienz ihre Arbeit verrichtete – jedenfalls sah Peter ihr an, dass sie sich Sorgen um ihn machte.

Sie verteilten die Fertigmahlzeiten und legten sich dann hin. Alicia und Sara erklärten sich bereit, die erste Wache zu übernehmen, und Peter war zu erschöpft, um zu widersprechen. Weckt mich, wenn es so weit ist, sagte er. Wahrscheinlich werde ich sowieso nicht schlafen.

Und er schlief auch nicht. Er lag in einem der Schlafzimmer auf dem Boden, den Kopf auf den Rucksack gelegt, und starrte an die Decke. Milagro, dachte er. Dies war Milagro. Amy saß in der Ecke an der Wand und hielt ihre Glaskugel in der Hand. Ab und zu hob sie sie hoch und schüttelte sie, und dann hielt sie sie dicht vor das Gesicht und sah zu, wie der Schnee darin wirbelte und herabsank. In diesen Augenblicken fragte Peter sich, was wohl in ihr vorging. Er hatte ihr erklärt, wohin sie wollten und warum sie dort hingingen. Aber wenn sie wusste, was in Colorado war und wer das Signal sendete, ließ sie es nicht erkennen.

Schließlich gab er es auf, einschlafen zu wollen, und ging hinüber ins große Zimmer. Eine schmale Mondsichel stand über den Gebäuden. Alicia stand am Fenster und beobachtete die Straße, und Sara saß an einem kleinen Tisch und spielte Solitär. Ihr Gewehr lag quer auf ihrem Schoß.

»Gibt’s eine Sichtung da draußen?«

Sara runzelte die Stirn. »Würde ich dann Karten spielen?«

Er setzte sich in einen Sessel und schaute ihr eine Zeitlang schweigend beim Spielen zu.

»Woher hast du die Karten?« Auf der Rückseite stand der Name: Milagro.

»Lish hat sie in einer Schublade gefunden.«

»Du solltest dich ausruhen, Sara«, sagte er. »Ich kann jetzt übernehmen.«

»Es geht schon.« Stirnrunzelnd schob sie die Karten zusammen und legte sie neu aus. »Geh wieder schlafen.«

Peter sagte nichts weiter. Ihm war, als habe er etwas falsch gemacht, aber er wusste nicht, was.

Alicia wandte sich vom Fenster ab. »Weißt du, wenn du nichts dagegen hast, nehme ich dein Angebot an und lege mich ein paar Minuten hin. Wenn es dir recht ist, Sara.«

Sara zuckte die Achseln. »Wie du willst.«

Alicia ging hinaus und ließ sie allein. Peter trat ans Fenster und spähte durch das Nachtsichtgerät an seinem Gewehr, um die Straße abzusuchen. Verlassene Autos, Berge von Schutt und Müll, leere Gebäude. Eine Welt, die in der Zeit erstarrt war, im Augenblick der Kapitulation, in den letzten, gewalttätigen Stunden der Zeit Davor.

»Du brauchst mir nichts vorzumachen, weißt du.«

Er drehte sich um. Sara musterte ihn kühl. Ihr Gesicht leuchtete im Mondlicht. »Was meinst du mit vormachen?«

»Peter, bitte. Nicht jetzt.« Peter spürte ihre Entschlossenheit. Sie hatte eine Entscheidung getroffen. »Du hast dein Bestes getan. Das weiß ich.« Sie lachte leise und schaute weg. »Und wenn wir alle hier draußen sterben, dann sollst du wissen, dass es in Ordnung ist.«

»Niemand wird sterben.« Etwas anderes fiel ihm nicht ein.

»Tja. Hoffentlich stimmt das.« Sie zuckte die Achseln. »Trotzdem, in der Nacht damals …«

»Hör zu, es tut mir leid, Sara.« Er holte tief Luft. »Ich hätte schon eher mit dir reden sollen. Es war meine Schuld.«

»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, Peter. Ich sage ja, du hast es versucht. Aber ihr beide seid füreinander gedacht. Ich glaube, das habe ich immer gewusst. Es war dumm von mir, es nicht zu akzeptieren.«

Er war völlig verwirrt. »Sara, wovon redest du?«

Sara antwortete nicht. Ihre Augen wurden plötzlich groß. Sie starrte an ihm vorbei aus dem Fenster.

Er fuhr herum. Sara stand auf und kam zu ihm.

»Was hast du gesehen?«

Sie streckte den Finger aus. »Auf der anderen Seite, oben auf dem Turm.«

Er drückte das Nachtsichtgerät ans Auge. »Ich sehe nichts.«

»Es war da, das weiß ich.«

Dann war Amy im Zimmer. Sie drückte die Glaskugel an die Brust. Mit der anderen Hand packte sie Peter beim Arm und zog ihn vom Fenster weg.

»Amy, was ist?«

Die Glasscheibe hinter ihm zerbrach nicht, sie explodierte, zerstob in einem Hagel von glitzernden Scherben. Die Luft entwich aus seiner Lunge, als er quer durch den Raum geschleudert wurde. Erst später begriff Peter, dass der Viral von oben auf sie herabgekommen war. Er hörte Sara schreien – aber es waren keine Worte, sondern ein Schreckensschrei. Er stürzte zu Boden und rollte, in Amy verheddert, herum – gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie die Kreatur wieder zum Fenster hinausschnellte.

Sara war fort.

Im Nu waren Alicia und Hollis im Zimmer, alle waren da. Hollis riss sich die Schlinge vom Arm und packte sein Gewehr, er stand am Fenster, zielte nach unten, schwenkte den Lauf hin und her. Aber er schoss nicht.

»Fuck!«

Alicia zog Peter auf die Beine. »Bist du verletzt? Hat er dich gekratzt?«

In ihm brodelte es noch. Er schüttelte den Kopf: Nein.

»Was ist passiert?«, rief Michael. »Wo ist meine Schwester?«

Peter fand seine Stimme wieder. »Er hat sie geholt.«

Michael packte Amy brutal bei den Armen. Sie hielt immer noch ihre Schneekugel umklammert. Irgendwie war sie heil geblieben. »Wo ist sie? Wo ist sie?«

»Hör auf, Michael!«, schrie Peter. »Du machst ihr Angst!«

Die Glaskugel fiel krachend zu Boden, als Alicia Michael wegriss und ihn auf das Sofa schleuderte. Amy taumelte rückwärts, die Augen vor Angst weit aufgerissen.

»Akku«, sagte Alicia, »du musst dich beruhigen.«

Tränen der Wut standen in seinen Augen. »Nenn mich nicht so, verdammt!«

Dann eine Donnerstimme: »Maul halten, verdammt! Alle!«

Sie drehten sich um. Hollis stand am offenen Fenster, das Gewehr an der Hüfte.

»Haltet. Das. Maul.« Er sah sie alle nacheinander an. »Ich hole deine Schwester, Michael.«

Er ließ sich auf ein Knie nieder, wühlte ein paar Clips aus seinem Rucksack und stopfte sie in die Taschen seiner Weste. »Ich habe gesehen, wohin sie mit ihr verschwunden sind. Drei Stück.«

»Hollis …«, begann Peter.

»Ich frage dich nicht.« Er sah Peter in die Augen. »Gerade du solltest wissen, dass ich gehen muss.«

Michael trat vor. »Ich komme mit.«

»Ich auch«, sagte Caleb. Er schaute in die Runde und sah plötzlich unsicher aus. »Ich meine, weil wir doch alle gehen, oder?«

Peter sah Amy an. Sie saß auf dem Sofa und hatte die Knie schützend an die Brust gezogen. »Lish, gib mir deine Pistole.«

»Wozu?«

»Wenn wir da rausgehen, braucht Amy eine Waffe.«

Alicia zog die Waffe aus dem Gürtel. Peter ließ das Magazin herausfahren und sah nach, ob es voll war. Dann schob er es wieder in den Kolben und zog den Schlitten zurück, um die Waffe durchzuladen. Er drehte sie in der Hand herum und reichte sie Amy.

»Ein Schuss«, sagte er und klopfte mit dem Finger an sein Brustbein. »Mehr hast du nicht. Hier hinein. Weißt du, wie es geht?«

Amy hob den Blick von der Waffe in ihrer Hand und nickte.

Sie rafften ihre Sachen zusammen. Alicia nahm Peter beiseite. »Nicht, dass ich Einwände hätte«, sagte sie leise. »Aber es könnte eine Falle sein.«

»Ich weiß, dass es eine Falle ist.« Peter nahm sein Gewehr und seinen Rucksack. »Ich glaube, ich weiß es, seit wir hier sind. All diese blockierten Straßen – sie haben uns hergeführt. Aber Hollis hat recht. Ich hätte Theo niemals zurücklassen dürfen, und ich lasse Sara nicht zurück.«

Sie knickten ihre Leuchtstäbe und traten in den Korridor. An der Treppe trat Alicia dicht ans Geländer und schaute hinunter. Dann winkte sie die andern weiter.

So stiegen sie hinunter, Etage für Etage. Alicia und Peter übernahmen abwechselnd die Spitze, und Mausami und Hollis sicherten sie von hinten. Im zweiten Stock verließen sie das Treppenhaus und gingen den Gang hinunter zu den Aufzügen.

Der mittlere Aufzug war offen, wie sie ihn verlassen hatten. Peter spähte in den Schacht und sah die Fahrstuhlkabine mit der offenen Deckenluke zwei Stockwerke tiefer. Er hängte sich das Gewehr über die Schulter, packte das Seil und ließ sich auf das Fahrstuhldach hinunter. Dann sprang er durch die Luke in die Kabine und schaute zur offenen Tür hinaus. Er sah eine Lobby, zwei Stockwerke hoch, mit gläsernem Dach. Die Wand gegenüber war verspiegelt, und er konnte schräg in die Halle hineinsehen. Mit angehaltenem Atem schob er den Gewehrlauf aus dem Aufzug. Aber die Halle lag leer im Mondlicht. Er hob den Kopf und pfiff durch die Luke hinauf zu den andern.

Nacheinander reichten sie ihre Gewehre herunter und ließen sich in den Fahrstuhl fallen. Als Letzte kam Mausami. Sie trug zwei Rucksäcke, sah Peter, einen über jeder Schulter.

»Der gehört Sara«, erklärte sie. »Ich dachte mir, sie will ihn haben.«

Das Kasino lag links von ihnen, rechts war ein dunkler Gang mit leeren Geschäften und dahinter der Haupteingang, wo die Humvees standen. Hollis hatte gesehen, wie sie Sara über die Straße zum Turm brachten. Sie würden mit den Humvees von einer Straßenseite zur anderen fahren, geschützt durch die schweren Maschinengewehre. Wie es weitergehen sollte, wusste Peter nicht.

Sie kamen in die Lobby mit dem stummen Klavier. Alles war still und unverändert. Im Licht der Leuchtstäbe schienen die gemalten Figuren an der Decke frei über ihren Köpfen zu schweben, unverbunden mit irgendeiner materiellen Ebene. Als Peter sie das erste Mal gesehen hatte, waren sie ihm irgendwie bedrohlich erschienen, aber als er sie jetzt sah, war dieses Gefühl verschwunden. Diese treuherzigen Augen und die sanften, runden Gesichter – er sah, dass es Kinder waren.

Sie duckten sich unter das offene Fenster neben dem Eingang. »Ich gehe als Erste«, sagte Alicia und nahm einen Schluck aus ihrer Wasserflasche. »Wenn alles okay ist, steigen wir ein und fahren los. Ich will nicht länger als zwei Sekunden vor diesem Gebäude bleiben. Michael, du übernimmst Saras Platz am Steuer des zweiten Humvee, Hollis und Mausami, ihr nehmt die MGs. Caleb, du rennst wie der Teufel und achtest darauf, dass Amy mit dir einsteigt. Ich gebe euch Deckung, bis alle an Bord sind.«

»Und du?«, fragte Peter.

»Keine Sorge, ich lasse euch nicht ohne mich abfahren.«

Dann sprang sie auf, kletterte aus dem Fenster und rannte zum nächsten Fahrzeug. Peter rückte ans Fenster nach. Draußen war es stockfinster; das Dach des Portikus verdeckte den Mond. Er hörte einen weichen Stoß, als Alicia am Humvee in Deckung ging. Er drückte den Gewehrkolben fest an die Schulter und wartete ungeduldig auf Alicias Pfiff.

»Verdammt, wieso braucht sie so lange?«, flüsterte Hollis neben ihm.

Es gab überhaupt kein Licht, und die dichte Finsternis fühlte sich an wie etwas Lebendiges, wie etwas, das um sie herum pulsierte. Peter wurde nervös. Der Schweiß prickelte in seinem Haar. Er holte tief Luft und spannte den Finger schussbereit um den Abzug.

Eine Gestalt kam rasend schnell aus der Dunkelheit auf sie zu.

»Platz da!«

Alicia hechtete kopfüber durch das Fenster nach drinnen, und in dem Moment sah Peter, was los war: eine grün leuchtende Masse rollte auf das Gebäude zu, mächtig wie eine sich aufbäumende Welle.

Virals. Die Straße war voller Virals.

Hollis feuerte los. Peter kam dazu, zwei Schuss abzugeben, dann packte Alicia ihn beim Ärmel und zog ihn vom Fenster weg.

»Es sind zu viele! Wir müssen verschwinden!«

Sie hatten die Lobby nicht einmal zur Hälfte durchquert, als sie einen lauten Aufprall hörten. Holz zersplitterte, der Haupteingang wurde eingerissen. Caleb und Mausami rannten Richtung Kasino. Alicia feuerte wie wild und deckte ihren Rückzug. Ihre Patronenhülsen klimperten auf die Fliesen. Im Mündungsfeuer sah er Amy auf allen vieren beim Klavier; sie tastete auf dem Boden umher, als habe sie etwas verloren. Ihre Pistole. Aber es hatte keinen Sinn, sie jetzt zu suchen. Er packte Amy am Arm und zog sie den Gang hinunter, hinter den anderen her. Wir sind tot, ging es ihm durch den Kopf. Wir sind alle tot.

Wieder klirrte Glas, diesmal tief im Innern des Gebäudes. Sie wurden in die Zange genommen. Bald wären sie umzingelt, verloren in der Dunkelheit. Wie in der Mall, nur schlimmer, denn hier gab es kein Tageslicht, in das sie sich flüchten konnten. Hollis war jetzt neben ihm. Vor sich sah er den Lichtschein eines Leuchtstabs und Michaels Gestalt, der durch das zerschmetterte Fenster eines Restaurants sprang. Als er dort ankam, sah er, dass Caleb und Mausami schon drinnen waren. Er schrie Alicia zu: »Hierher! Schnell!« Dann schob er Amy durch das Fenster. Michael verschwand am anderen Ende des Raums durch eine Tür.

»Lauf ihnen einfach nach!«, rief er Amy zu. »Lauf!«

Dann war Alicia bei ihm und zerrte ihn durch das Fenster. Ohne stehen zu bleiben, zog sie einen neuen Leuchtstab aus ihrer Tasche und knickte ihn über dem Knie. Sie rannten quer durch das Restaurant, Michael hinterher.

Ein Korridor, schmal und niedrig wie ein Tunnel. Hollis und die andern mussten irgendwo vor ihnen sein. Peter schwenkte den Arm und rief ihre Namen. Der Kloakengestank war plötzlich stärker, beinahe schwindelerregend. Peter und Alicia wirbelten herum, als der erste Viral hinter ihnen durch die Tür kam. Das Mündungsfeuer blitzte im Gang. Peter schoss blindlings in Richtung Tür. Der Erste fiel, dann noch einer. Aber es kamen immer neue.

Er begriff, dass er jetzt abdrückte, ohne dass etwas passierte. Sein Magazin war leer; er hatte die letzte Patrone verschossen. Alicia zog ihn weiter. Eine Treppe führte hinunter in einen weiteren Gang. Er prallte gegen die Wand und wäre fast gestürzt, aber irgendwie rannte er weiter.

Der Gang endete an einer Schwingtür. Dahinter war eine Küche. Die Treppe hatte sie in ein Kellergeschoss geführt, tief hinunter in die Betriebsräume des Hotels. Reihen von Kupfertöpfen hingen an der Decke über einem breiten Edelstahltisch, der im Licht von Alicias Leuchtstab glänzte. Peter konnte kaum atmen. Die Luft war schwer von Dämpfen. Er warf das leere Gewehr weg und riss eine Pfanne von der Decke, eine breite Kupferpfanne, die schwer in den Händen lag.

Etwas war ihnen durch die Tür gefolgt.

Er fuhr herum und schwang rückwärts taumelnd die Pfanne – eine Geste, die komisch ausgesehen hätte, wenn sie nicht so verzweifelt gewesen wäre –, und er schirmte Alicia mit seinem Körper ab, als der Viral auf den Tisch sprang und in die Hocke sank. Er war weiblich: An den Fingern steckten Ringe wie bei dem Slim am Tisch. Er hielt die Hände abgespreizt. Die langen Finger krümmten und streckten sich, und die Schultern wiegten sich hin und her. Peter umklammerte die Pfanne jetzt wie einen Schild, und Alicia drückte sich hinter ihn.

»Sie sieht sich!«, schrie Alicia.

Worauf wartete der Viral? Wieso hatte er noch nicht angegriffen?

»Ihr Spiegelbild!«, zischte Alicia. »Er sieht sein Spiegelbild in der Pfanne!«

Jetzt wurde Peter bewusst, dass er ein neues Geräusch hörte. Es kam von dem Viral – ein klagendes, nasales Stöhnen wie das Winseln eines Hundes. Als löse das Abbild seines Gesichts im kupfernen Boden der Pfanne ein tiefes, melancholisches Wiedererkennen aus. Peter bewegte die Pfanne vorsichtig hin und her. Die Augen des Virals folgten ihr wie gebannt. Wie lange konnte er die Kreatur so in Schach halten? Bevor weitere Virals durch die Tür kamen? Seine Hände waren schweißnass, und der Gestank nahm ihm den Atem.

Der Laden wird brennen wie eine Fackel.

»Lish, siehst du irgendeinen Ausgang?«

Alicia drehte den Kopf hin und her. »Eine Tür rechts von dir, fünf Meter.«

»Ist sie abgeschlossen?«

»Woher soll ich das wissen?«

Er sprach mit zusammengebissenen Zähnen und bemühte sich, völlig bewegungslos dazustehen, damit der Viral sich weiter auf die Pfanne konzentrierte. »Hat sie ein Schloss, das du sehen kannst, verdammt?«

Die Kreatur schreckte auf und verkrampfte sich plötzlich. Der Viral klappte den Unterkiefer herunter, zog die Lippen zurück und entblößte zwei Reihen schimmernder Zähne. Er stöhnte nicht mehr. Aus seiner Kehle kam jetzt ein Klicken.

»Nein, ich sehe keins.«

»Mach eine Granate scharf.«

»Hier ist nicht genug Platz!«

»Mach schon. Der Raum ist voller Gas. Wirf sie hinter ihn, und dann lauf zur Tür, so schnell du kannst.«

Alicia schob eine Hand an ihre Hüfte und löste eine Granate von ihrem Gürtel. Er spürte, wie sie den Stift herauszog.

»Und los«, sagte sie.

Ein sauberer Bogen, hoch über den Kopf des Virals hinweg. Wie Peter gehofft hatte, verdrehte der Viral den Kopf und verfolgte den Flug der Handgranate durch die Küche. Sie landete klappernd hinter ihm auf dem Tisch und rollte dann auf den Boden. Peter und Alicia drehten sich um und sprangen zur Tür. Alicia war als Erste draußen, und dann schlugen sie die Stahltür zu. Frische Luft und ein Gefühl von Weite – sie waren auf einer Art Laderampe. Peter zählte im Kopf. Eine Sekunde, zwei, drei

Er hörte den ersten Knall, die Erschütterung der explodierenden Granate, und dann einen zweiten, tieferen Donner, als das Gas im Raum sich entzündete. Sie rollten über die Kante der Rampe, als die Tür über ihren Köpfen hinwegflog. Dann kam die Druckwelle in einem Feuerball. Peter spürte, wie ihm die Luft aus der Lunge gerissen wurde. Er presste das Gesicht an den Boden und legte die Hände über den Kopf. Weitere Gasblasen im Gebäude explodierten, und das Feuer raste durch das Gebäude nach oben. Trümmer prasselten herunter, und überall regnete es Glas, das auf dem Asphalt zu funkelnden Splittern zerstob. Peter atmete Staub und Rauch.

»Wir müssen hier raus!« Alicia zerrte an ihm. »Das ganze Ding fliegt in die Luft!«

Seine Hände und sein Gesicht fühlten sich nass an – er wusste nicht, wovon. Sie waren irgendwo an der Südseite des Gebäudes. Im Feuerschein des brennenden Hotels rannten sie über die Straße und gingen hinter dem verrosteten Wrack eines umgestürzten Wagens in Deckung.

Sie husteten vom Rauch. Ihre Gesichter waren von Staub bedeckt. Peter sah einen langen, glänzenden Fleck an Alicias Oberschenkel. Der Stoff ihrer Hose war durchnässt.

»Du blutest.«

Sie deutete auf seinen Kopf. »Du auch.«

Über ihnen ließ eine zweite Serie von Explosionen die Luft erbeben. Ein riesiger Feuerball raste durch das Hotel nach oben und überflutete die ganze Umgebung mit wütendem orangegelbem Licht. Ein Hagel von brennenden Trümmern fiel auf die Straße herab.

»Glaubst du, die andern sind rausgekommen?«, fragte er.

»Ich weiß es nicht.« Alicia hustete, nahm einen Mundvoll Wasser aus ihrer Flasche und spuckte es auf den Boden. »Bleib hier.«

Sie huschte geduckt um den Wagen herum und war einen Augenblick später wieder da. »Von hier aus zähle ich zwölf Smokes.« Mit einer unbestimmten Gebärde deutete sie nach oben und in die Ferne. »Auf dem Turm auf der anderen Seite der Straße sind noch mehr. Das Feuer hat sie zurückgetrieben, aber nicht für immer.«

Das war’s also. Sie saßen draußen im Dunkeln, ohne Gewehre, eingeklemmt zwischen einem brennenden Gebäude und den Virals. Sie lehnten sich mit dem Rücken an den Wagen, und ihre Schultern berührten sich.

Alicia rollte den Kopf zur Seite und sah ihn an. »Das war eine gute Idee. Das mit der Pfanne. Woher wusstest du, dass es funktioniert?«

»Wusste ich nicht.«

Sie schüttelte den Kopf. »War trotzdem ein cooler Trick.« Sie schwieg, und ein schmerzlicher Ausdruck huschte über ihr Gesicht. Sie schloss die Augen und atmete ein und aus. »Bist du bereit?«

»Zu den Humvees?«

»Das ist unsere einzige Chance, denke ich. Wir bleiben dicht bei dem Feuer und benutzen es als Deckung.«

Feuer hin, Feuer her, wahrscheinlich würden sie keine zehn Meter weit kommen, wenn die Virals sie entdeckten. So, wie Alicias Bein aussah, würde sie wahrscheinlich gar nicht laufen können. Sie hatten nur ihre Messer und fünf Handgranaten an Alicias Gürtel. Aber vielleicht waren Amy und die andern noch hier draußen. Sie mussten es zumindest versuchen.

Sie hakte zwei Granaten vom Gürtel und gab sie ihm. »Denk an unsere Abmachung«, sagte sie. Er sollte sie töten, wenn es so weit wäre. Die Antwort kam ihm so mühelos über die Lippen, dass er überrascht war. »Du auch. Ich will keiner von ihnen werden.«

Alicia nickte. Sie hatte den Stift aus einer Granate gezogen und hielt sie wurfbereit in der Hand. »Bevor es jetzt losgeht, wollte ich noch sagen – ich bin froh, dass du es bist.«

»Gleichfalls.«

Sie wischte sich mit dem Handballen über die Augen. »Fuck, Peter, jetzt siehst du mich zum zweiten Mal heulen. Das darfst du niemandem erzählen. Niemandem.«

»Mach ich nicht. Versprochen.«

Gleißendes Licht strahlte ihm in die Augen. Einen Moment lang glaubte er, es sei etwas passiert, sie habe versehentlich die Granate losgelassen – und der Tod sei am Ende nur eine Sache von Licht und Stille. Aber dann hörte er das Dröhnen eines Motors und wusste, dass da ein Fahrzeug auf sie zukam.

»Steigt ein!«, dröhnte eine Stimme. »Steigt in den Truck!«

Sie erstarrten.

Alicia starrte mit weit aufgerissenen Augen auf die Granate in ihrer Hand. »Mist, was mache ich jetzt mit dem Ding?«

»Wirf sie weg!«

Sie warf sie hoch über den Wagen hinweg, und Peter riss Alicia zu Boden, als die Granate mit lautem Knall explodierte. Die Lichter kamen näher. Peter schlang Alicia den Arm um die Taille, und humpelnd rannten sie los. Aus der Dunkelheit rumpelte ein kastenförmiges Fahrzeug heran. Ein riesiger Pflug saß vor dem Kühler wie ein schwachsinniges Grinsen. Vor der Frontscheibe war ein Drahtgitter, und auf das Dach war ein Geschütz montiert, hinter dem eine Gestalt kauerte. Peter sah, wie das Geschütz zum Leben erwachte und eine Wolke von flüssigem Feuer über ihre Köpfe hinwegschießen ließ.

Sie warfen sich in den Dreck. Peter spürte die sengende Hitze im Nacken.

»Bleibt unten!« Wieder dröhnte die Stimme, und erst jetzt begriff Peter, dass sie verstärkt war und aus einem Trichter auf dem Dach der Fahrerkabine kam. »Bewegt euern Arsch!«

»Ja, was jetzt?«, schrie Alicia, ohne sich zu rühren. »Beides geht nicht!«

Der Truck kam ein paar Meter vor ihren Köpfen knirschend zum Stehen. Peter riß Alicia hoch, und die Gestalt auf dem Dach rutschte an einer Leiter herunter. Eine schwere Drahtgittermaske verdeckte ihr Gesicht, und ihre Kleidung war dick gepolstert. In einem Lederhalfter am Oberschenkel steckte ein kurzläufiges Schrotgewehr. Auf der Seitenwand des Trucks standen die Worte NEVADA DEPARTMENT OF CORRECTIONS.

»Hinten rein! Schnell!«

Die Stimme gehörte einer Frau.

»Wir sind acht!«, schrie Peter. »Unsere Freunde sind noch da draußen!«

Aber die Frau schien nicht zu hören, was er sagte, oder es interessierte sie nicht. Sie stieß sie zum Heck des Lasters. Trotz der schweren Panzerung waren ihre Bewegungen überraschend flink. Sie drückte die Klinke herunter und riss die Hecktür weit auf.

»Steig rein, Lish!«

Das war Caleb. Sie waren alle da, ausgestreckt auf dem Boden im Laderaum des Trucks. Peter und Alicia kletterten hinein, die Tür wurde hinter ihnen zugeschlagen, und es war finster.

Schwankend setzte der Truck sich in Bewegung.

Passage Trilogie Bd. 1 - Der Übergang
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