Vatikan. Palazzo Sant’ Ufficio

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Ein kleiner älterer Herr in schwarzem Anzug mit Kollar saß auf einem der Stühle vor dem Schreibtisch des geistlichen Würdenträgers, als Matthias Kardinal Voigts Büro betrat.

Nachdem sie sich begrüßt hatten, stellte der Kardinal den Mann als Monsignore Salvatore Bertoni vor, den Sekretär der Päpstlichen Bibelkommission.

»Ich habe vor einiger Zeit Ihre Abhandlung über die Interpretation der Bibel in der Kirche gelesen, Monsignore. Sehr interessant«, sagte Matthias, während er sich neben Bertoni setzte.

»Oh, ich danke Ihnen«, entgegnete Bertoni verlegen. »Es ehrt mich, dass man sich auch in Ihrem Kloster mit meinen unbedeutenden Arbeiten auseinandersetzt.«

»Ich hatte auf Sizilien ja schon erwähnt, dass es Monsignore Bertoni war, der den anonymen Brief mit der Weissagung erhalten hat. Nun schauen Sie sich das hier bitte an«, begann Kardinal Voigt und reichte Matthias mit spitzen Fingern ein Blatt Papier, das vor ihm auf dem Schreibtisch gelegen hatte.

Vorsichtig nahm dieser es entgegen und las laut die wenigen Worte vor, die darauf geschrieben waren:

 

Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von seinen Sünden.

 

»Das hat Monsignore Bertoni heute um die Mittagszeit von einem Jungen bekommen, als er auf dem Weg zu seiner Wohnung war«, erklärte der Kardinal. »Wieder im Auftrag eines Mönchs mit einer ins Gesicht gezogenen Kapuze.«

»War es derselbe Junge?«, fragte Matthias überrascht.

»Nein«, antworteten Voigt und Bertoni gleichzeitig, und Bertoni fügte hinzu: »Dieses Mal ist es Matthäus 1,21  25. Eine von vielen Stellen, die auf Christi Geburt hinweisen.«

Matthias runzelte die Stirn. »Das widerspricht jeder Logik. Warum schicken sie zuerst einen Hinweis auf Jesu Tod und danach einen auf seine Geburt?«

Alle schwiegen einen Moment.

»Vielleicht wiegt der Hinweis auf Christi Geburt mehr als der auf die Kreuzigung?«, sagte Bertoni schließlich leise.

»Die Mörder treiben ein makabres Spiel mit der Kurie!«, rief Kardinal Voigt wütend aus und schlug mit der Faust auf den Tisch.

»Und auch mit der Polizei«, fügte Matthias hinzu. »Commissario Varotto hat nämlich ebenfalls eine anonyme Botschaft erhalten. Ebenfalls ein Vers aus dem Matthäusevangelium. Damit hat man uns den sechsten Kreuzwegmord angekündigt.«

Voigt seufzte schwer. »O Gott ... Erzählen Sie uns bitte alles über diesen neuesten Mordfall.«