31
In gewisser Weise sind alle Frauen Verwandlungskünstler oder auch Gestaltwandler. Obwohl ich bis vor wenigen Augenblicken noch angenommen hatte, dass ich schwanger war, hatte ich es doch schwierig gefunden, mir die dramatischen Veränderungen vorzustellen, die mein Körper in einer Schwangerschaft durchmachen würde. Die Vorstellung, irgendwann einmal ein Baby in den Armen zu halten, war mir noch unwahrscheinlicher vorgekommen. Mein Verstand mochte es zwar akzeptiert haben, meine Seele aber im Grunde nicht. Trotzdem hatte ich gewusst, dass ich mich bald instinktiv darauf einstellen – und mich also auch verwandeln – würde.
Selbst wenn ich nicht glaubte, dass Red mich belog, so konnte ich mir dennoch beim besten Willen nicht vorstellen, dass er sich vor meinen Augen in einen Wolf verwandeln würde – genauso wenig, wie ich mir vorstellen konnte, selbst meine Gestalt zu verändern.
Allerdings hatte ich noch immer Halloween vor Augen, mit seinem plötzlichen Sturm der Gefühle und dem unerwarteten Höhepunkt. Meine Mutter behauptete immer, ich hätte als Kind eine besondere Begabung dafür besessen, mich in andere Kreaturen einzufühlen, was ich dann als Teenager allerdings abgeblockt hätte. Ich erklärte ihr jedes Mal, dass ich auch gute Gründe dafür gehabt hätte, mich der Vernunft zuzuwenden. Außerdem wünschte sich jede Mutter, dass ihr Kind eine besondere Begabung aufwies, vor allem dann, wenn sie wusste, dass es in Wahrheit unauffällig und eher gewöhnlich war.
Ich hatte mich gegen meine Mutter und ihre Wunschvorstellung von mir gewehrt, indem ich erwachsen geworden war und mich strikt weigerte, an solche Dinge wie Aromatherapie, Kristalle, Runen, Astrologie, hellseherische Träume, Votivkerzen und Voodoo-Zauber zu glauben.
Und nun fand ich mich hier mit Red wieder, der mir erklärte, sich in einen Wolf verwandeln zu können, wenn er nur seine Kleider und seine Hemmungen ablegte.
Das Einzige, was ich mir als Kind mehr als alles in der Welt gewünscht hatte, war, ein Hund zu sein.
Da mir so viele Gedanken durch den Kopf schössen, wusste ich nicht, was ich sagen sollte, als ich nun den Mund aufmachte. Aber Red schien zu verstehen, was in mir vorging. Er kniete vor mir, als wollte er mir einen Heiratsantrag machen, und wartete ab.
»Was musst du tun?«
Er stand auf und setzte sich neben mich, um dann meinen Kopf mit beiden Händen zu umfassen. Zärtlich fuhr er mir mit den Fingern durch die Haare und zog sanft an dem Gummi, bis sich der Knoten löste und mir die Haare über den Rücken fielen. Ein fast schon vertrautes Gefühl breitete sich bei seiner Berührung in meinem Körper aus – eine entspannte Sinnlichkeit, die meine Lider schwer werden ließ. »Ich muss meine Shorts ausziehen. Könnte uns hier jemand stören? Plötzlich hereinkommen oder so?«
Ich schüttelte den Kopf. Mein Mund fühlte sich plötzlich trocken an.
Hörbar sog er die Luft ein. »Mein Gott, Abra, du riechst so... du riechst so, als... wolltest du mich.«
Ich schluckte. »Das tue ich auch. Aber ich werde nicht mit dir schlafen, Red.« Ich konnte nicht – nicht nachdem ich gerade noch geglaubt hatte, von einem anderen Mann schwanger zu sein.
Er nickte. »Ich muss nur etwas... du weißt schon, etwas animalisch werden. Meine Instinkte wecken. Das schaffe ich normalerweise auch mit Hilfe eines Rituals oder mit Musik. Aber das würde eine Weile dauern. Du hast wahrscheinlich kein Gras da oder so?«
»Hier bei meiner Mutter gibt es bestimmt so etwas. Aber ich weiß leider nicht, wo sie es versteckt.«
»Dann wäre es am schnellsten und wirkungsvollsten, wenn ich dich küsse.«
»Einfach nur küssen?«
Red musste lächeln. »Doc, ein richtiger Kuss kann etwas sehr Wirkungsvolles sein.«
»Gut, dann ein Kuss. Aber nichts weiter.« Ich gab mich so prüde, als hätte ich vergessen, dass ich noch vor einem Monat seinen Penis in meinem Mund hatte.
Er zog seine Shorts herunter. »Da gibt es allerdings noch etwas.«
»Ja?«
Ich versuchte zwar woanders hinzusehen, doch es fiel mir nicht leicht. Ich war noch nicht mit vielen Männern zusammen gewesen und hatte mir über Größe bisher eigentlich keine Gedanken gemacht. Ein hastiger Blick zeigte mir erneut, dass Red zwar nicht viel länger als Hunter zu sein schien, dafür aber breiter. Ich konnte nicht anders. Ich fragte mich, wie sich das anfühlte. Ohne nachzudenken legte ich Zeigefinger und Daumen um seinen Penis, um ihn zu messen.
Red sog scharf die Luft ein und schloss die Augen. »Ich... ich wollte nur noch sagen, dass...«, ich bewegte meine Finger, und er stöhnte. »wollte... Abra, warte... ich kann nicht nachdenken, wenn du das tust...«
»Ja?« Ich zog die Hand fort.
Er schluckte und öffnete die Augen. »In meinem anderen Zustand werde ich mich vermutlich nicht so leicht zurückhalten können.«
Ich nickte gespielt ernsthaft. »Willst du mir damit andeuten, dass dein Hundeselbst möglicherweise versuchen wird, mich zu besteigen?«
Wahrscheinlich war diese Frage nicht allzu diplomatisch oder einfühlsam formuliert. Red sah mich jedenfalls mit einer Mischung aus Belustigung und leichter Verärgerung an. »Ach, halt einfach den Mund«, sagte er schließlich und küsste mich.
Zuerst war es nichts Außergewöhnliches. Er drückte nur seine schmalen Lippen auf die meinen und rückte etwas näher, so dass sein Mund den meinen noch mehr bedeckte. Doch dann spürte ich seine nackte Brust, wie sie über meine Brüste streifte. Der Bademantel war mir irgendwie über die Schultern gerutscht. Als ich versuchen wollte, ihn wieder hochzuziehen, hielt Red meine Handgelenke fest – und diese Geste ließ alle Sicherungen in mir durchbrennen. Ich stöhnte leise, woraufhin Red begann, meinen Hals mit kleinen Bissen zu liebkosen – etwas, das ich von Hunter nicht kannte. Er schob eine meine Brüste hoch. Die Haut fühlte sich so empfindlich an wie selten zuvor, und als er die Spitze in den Mund nahm, schoss ein Blitz von höchster Lust bis in meinen Schoß hinab.
Ich versuchte mit meinen bandagierten Händen, seine Haare zu ergreifen, was mir nicht so recht gelingen wollte. »Ich dachte, du sagtest, nur ein Kuss«, murmelte ich ziemlich atemlos.
Red grinste. Seine Augen funkelten wölfisch gelb. »Das war geschwindelt«, erwiderte er und vergrub sein Gesicht zwischen meinen Brüsten.
»Hör lieber wieder auf«, protestierte ich in dem Moment, als er den Mund weit öffnete und eine meiner kleinen Brüste fast ganz darin verschwand. Meine Schenkel öffneten sich, und Red gab ein unterdrücktes Stöhnen von sich. »Ehrlich – hör auf«, sagte ich erneut und versuchte, meine Beine zusammenzupressen.
»Rotkäppchen, Rotkäppchen, lass mich ein!« Er zog meine Schenkel auseinander.
»Red, Red!« Ohne Vorwarnung schluchzte ich los. Er blickte auf. Alles Spielerische war auf einen Schlag verschwunden.
»Doc?«
Er setzte sich auf und zog mich in seine Arme, so dass mein Kopf an seiner Brust zu liegen kam. »Verzeih mir, Abra. Bitte hör auf zu weinen. Ich mache gar nichts mehr. Okay? Ich habe aufgehört.«
»Red.«« Ich schluchzte seinen Namen in seinen Mund und merkte, dass er zuerst verwirrt war und dann begriff. Er fing von neuem an, mich zu küssen. Wieder spürte ich die kaum zurückgehaltene Wildheit in ihm. Während seine scharfen Zähne kleine Markierungen auf meiner Haut hinterließen, pochte mein Herz vor Angst und Erregung. Als sich unsere Blicke trafen, begriff ich die Kraft seiner Liebe zu mir – und dass er bereit war, seine Lust um meinetwillen im Zaun zu halten. Wieder glitt er zu meinen Schenkeln hinab und ich musste noch heftiger weinen. Aber diesmal konnte er mein Weinen einordnen und hielt meine Handgelenke fester als zuvor. Endlich konnte ich mich fallenlassen und schluchzte laut auf, als mich seine Zunge schließlich fand.
Zum Glück fragte er mich nicht, ob alles in Ordnung sei, sondern biss mich sanft auf die zarte Knospe. Ich verlor jegliches Gefühl der Getrenntheit von mir selbst, das ich in solchen Situationen bisher immer erlebt hatte. In dem Moment, da ich meinen Kopf zurückwarf und wie ein Wolf aufheulte, vergaß ich die Welt um mich herum und bestand nur noch aus reiner Empfindung.
Wolfstraeume Roman
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